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DATENREPORT ZUM BERUFSBILDUNGSBERICHT 2013

A4.7 Vorzeitige Lösung von Ausbildungsverträgen

Begonnene Ausbildungsverhältnisse werden nicht immer bis zum erfolgreichen Abschluss absolviert. Endgültig nicht bestandene Abschlussprüfungen oder vorzeitige Vertragslösungen können zu einem Ende des Ausbildungsverhältnisses ohne erworbenen Berufsabschluss führen. Zu einer Lösung des Vertrags kann es sowohl seitens des Auszubildenden als auch des Ausbildungsbetriebes oder in beiderseitigem Einvernehmen kommen. Die Gründe für Vertragslösungen sind vielfältig und mitunter komplex. Sie reichen von Betriebsschließungen und gesundheitlichen Gründen, revidierten Berufswahlentscheidungen bis hin zu Konflikten zwischen Ausbildern und Auszubildenden (vgl. Bohlinger 2003; Schöngen 2003). Nach § 22 BBiG kann ein Ausbildungsverhältnis während der Probezeit (maximal 4 Monate) von beiden Seiten jederzeit und ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Nach der Probezeit ist eine ordentliche Kündigung nur noch seitens der Auszubildenden möglich; will der Ausbildungsbetrieb den Vertrag auflösen, muss dieser – in Anbetracht der besonderen Bedeutung des Ausbildungsverhältnisses für die berufliche Entwicklung – erst einen „wichtigen Grund“ vorlegen.

Zwar sind Vertragslösungen nicht gänzlich vermeidbar und können durchaus notwendig und sinnvoll sein, dennoch erscheinen Bemühungen zur Vermeidung von vorzeitigen Vertragslösungen aus verschiedenen Gründen erforderlich. Vertragslösungen bedeuten immer auch einen Ressourcenverlust und können stark demotivierende Effekte zur Folge haben, im schlimmsten Fall führen sie zum Ausstieg aus der Bildungsbeteiligung sowohl der Jugendlichen als auch der Ausbildungsbetriebe (vgl. Piening u. a. 2012; Jasper u. a. 2009).

E Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge (kurz: Vertragslösungen) der Berufsbildungsstatistik

Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge sind definiert als vor Ablauf der im Berufsausbildungsvertrag genannten Ausbildungszeit gelöste Ausbildungsverträge. Eine Form143 der vorzeitigen Auflösung eines Berufsausbildungsverhältnisses stellt dabei die Kündigung von Ausbildungsverträgen dar. Sie wird im § 22 Berufsbildungsgesetz geregelt.

In der Berufsbildungsstatistik (siehe in Kapitel A4.2.1 und in Kapitel A4.3) werden als Vertragslösungen grundsätzlich nur solche Verträge erfasst, die tatsächlich angetreten wurden. Bereits vor dem Beginn der Ausbildung gelöste Ausbildungsverträge gehen somit nicht in die Meldungen ein.

Revision der Berufsbildungsstatistik ab Berichtsjahr 2007

Seit der Umstellung auf eine Individualdatenerfassung wird für jeden gemeldeten Ausbildungsvertrag erhoben, ob er gelöst wurde oder nicht. Das jeweilige Ausbildungsjahr sowie der Zeitraum zwischen Vertragsbeginn und -lösung kann auf Basis der gemeldeten Variablen berechnet werden. Erst die Individualdaten ermöglichen überdies, die Zahl der gelösten Verträge und die Vertragslösungsquote nach allen in der Berufsbildungsstatistik erhobenen Variablen auszuwerten (z. B. Lösungsquoten differenziert nach Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Schulabschluss der Auszubildenden). Außerdem können Kohortendatensätze gebildet werden, auf deren Basis man den Ausbildungsverlauf einer Anfängerkohorte analysieren kann; bislang können die ersten 36 Monate nach Ausbildungsbeginn (maximal bis zur Vertragslösung oder einem sonstigen Ende des Ausbildungsvertrages) für die Anfängerkohorte 2008 betrachtet werden; zum entsprechenden Kohortendatensatz, der die ersten 24 Monate umfasst, siehe Uhly 2012.

Die Umsetzung der umfassenden Neuerungen der Berufsbildungsstatistik ist in den ersten Jahren nicht ohne größere Meldeprobleme erfolgt, die insbesondere auch die Lösungsdaten betrafen. Deshalb wurden im Jahr 2007 keine Lösungsdaten veröffentlicht, und auch für die Daten des Berichtsjahres 2008 wurden noch keine neuen Auswertungsmöglichkeiten der Berufsbildungsstatistik umgesetzt. Seit dem Berichtsjahr 2009 sind zwar noch nicht alle Meldeprobleme behoben, die Datenlage hat sich jedoch deutlich verbessert.

Zu beachten ist weiterhin, dass Vertragslösungen nicht mit Ausbildungsabbrüchen gleichzusetzen sind. Ein Großteil der Jugendlichen mit gelöstem Ausbildungsvertrag schließt erneut einen Ausbildungsvertrag im dualen System ab. Da im Rahmen der Berufsbildungsstatistik keine feste Personennummer (die über alle Jahre und auch bei Vertragswechsel hinweg gleichbleibend ist) erfasst werden, liegen auch nach der Revision der Berufsbildungsstatistik keine echten Verlaufsdaten vor; der Verbleib der Auszubildenden mit gelöstem Vertrag kann auf Basis der Berufsbildungsstatistik nicht nachgezeichnet werden (vgl. Uhly 2006, S. 58). Allerdings kann der Ausbildungsverlauf bis zur Vertragslösung oder einer sonstigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses betrachtet werden.

Im Folgenden wird das Vertragslösungsgeschehen auf Basis der Daten der Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länder (vgl. in Kapitel A4.2.1 und in Kapitel A4.3) dargestellt. Zunächst wird das Vertragslösungsgeschehen für das Berichtsjahr 2011 skizziert; hierbei wird auch der Zeitraum zwischen Beginn der Ausbildung und Vertragslösung betrachtet. Vor der differenzierten Betrachtung von Lösungsquoten 2011 nach Zuständigkeitsbereichen, Berufsgruppen und Merkmalen der Auszubildenden erfolgt zunächst eine Analyse der Vertragslösungsquote im längerfristigen Zeitverlauf (1993 bis 2011). Abschließend wird das Vertragslösungsgeschehen für die Anfängerkohorte 2008 für die ersten 36 Monate nach Beginn der Ausbildung betrachtet.

Tabelle A4.7-1: Vorzeitige Vertragslösungen nach Zuständigkeitsbereichen1 und Zeitpunkt der Lösung2 (absolut und in %3), Bundesgebiet 2011
Tabelle A4.7-1 (barrierefrei)


Tabelle A4.7-1

Vorzeitige Vertragslösungen 2011

Im Berichtsjahr 2011 wurden bundesweit 149.760 Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst Tabelle A4.7-1. Betrachtet man den Zeitraum zwischen Beginn der Ausbildungsverträge und der vorzeitigen Lösung für die Vertragslösungen des Berichtsjahres 2011, so zeigt sich, dass der größte Teil der gelösten Ausbildungsverträge innerhalb des ersten Jahres nach Beginn des Ausbildungsvertrages erfolgte. 64,8 % aller Vertragslösungen fielen 2011 in den Zeitraum der ersten 12 Monate nach Vertragsbeginn, 33,7 % wurden noch während der ersten 4 Monate (Probezeit) gelöst und 31,1 % zwischen dem fünften und zwölften Monat. Auch in das zweite Jahr nach Vertragsbeginn fällt mit 24,7 % noch ein großer Anteil der Lösungen; bei 10,5 % der Lösungen lag der Vertragsbeginn weiter als 24 Monate zurück.

Eine ähnliche Verteilung zeigt sich im Vergleich der Zuständigkeitsbereiche sowie im Vorjahresvergleich. Im Berichtsjahr 2011 sind im Vergleich zum Vorjahr insbesondere die Anzahl und der Anteil der vorzeitigen Vertragslösungen innerhalb der ersten 12 Monate nach Ausbildungsbeginn angestiegen. In den Ausbildungsberufen des Zuständigkeitsbereichs freie Berufe finden vorzeitige Vertragslösungen überproportional häufig in der Probezeit statt (44 %). In den Ausbildungsberufen der Hauswirtschaft treten Lösungen noch in vergleichsweise starkem Maße zu späteren Zeitpunkten der Ausbildung auf; 21,6 % der Lösungen erfolgten in diesen Berufen später als 2 Jahre nach Beginn des Ausbildungsvertrages.

Die Vertragslösungsquote, die als Näherungswert für den Anteil der gelösten Ausbildungsverträge an den im Berichtsjahr begonnenen Ausbildungsverträgen interpretiert werden kann , beträgt im Berichtsjahr 2011 24,4 % (LQneu) Tabelle A4.7-2. Die Studienabbruchquote von Studierenden deutscher Hochschulen, die den Anteil der deutschen Studienanfänger/-innen angibt, die überhaupt kein Studium abschließen144, liegt für den Absolventenjahrgang 2010 für Diplomstudiengänge bei 23 % und für Bachelorstudiengänge bei 28 % (Heublein u. a. 2012).145 Im Vergleich dazu fällt die Quote vorzeitig gelöster Ausbildungsverträge im dualen System vergleichsweise moderat aus; insbesondere da zu berücksichtigen ist, dass ein Großteil der Auszubildenden mit gelöstem Vertrag die duale Ausbildung noch fortsetzt (vgl. Piening u. a. 2012; Schöngen 2003, S. 37), also keine endgültigen Ausbildungsabbrecher/-innen darstellt. Eine Sonderauswertung der BIBB-Übergangsstudie 2011 kam zu dem Ergebnis, dass schätzungsweise 12 % der Auszubildenden ihre erste duale Berufsausbildung innerhalb von 36 Monaten ohne einen Abschluss beenden (vgl. Kapitel A3.3.2). Dennoch muss konstatiert werden, dass die Lösungsquote trotz Maßnahmen zur Vermeidung von Vertragslösungen146 auch im Berichtsjahr 2011 nicht gesenkt werden konnte.

E Lösungsquote („Schichtenmodell“, neue Berechnungsweise)

Das BIBB berechnet die Lösungsquote als Anteil der vorzeitigen Vertragslösungen an allen begonnenen Ausbildungsverträgen. Zu Letzteren werden dabei nicht nur die Neuabschlüsse, sondern auch jene im Kalenderjahr begonnenen Ausbildungsverträge gezählt, die bis zum 31. Dezember des betreffenden Jahres wieder gelöst wurden. Zwar werden für das jeweilige Berichtsjahr alle gelösten Ausbildungsverträge einbezogen (nicht nur die im Berichtsjahr begonnenen Verträge), dennoch wird die Lösungsquote nicht als Anteil an dem gesamten Bestand an Ausbildungsverträgen berechnet. Denn die Berechnung bezogen auf die Bestandszahl an Auszubildenden würde das faktische Ausmaß an Lösungen unterschätzen. Im Bestand sind aus den in den Vorjahren begonnenen Ausbildungsverträgen nur noch die Verträge enthalten, die nicht gelöst (oder auf andere Weise beendet) wurden. Da das Risiko einer Vertragslösung mit der Dauer des Ausbildungsverhältnisses deutlich sinkt, sind im Bestand der Auszubildenden solche mit geringerer Lösungswahrscheinlichkeit deutlich überrepräsentiert.

Berechnet man die Lösungsquote als Anteil an den begonnenen Verträgen, kann die Lösungszahl eines Jahres jedoch nicht alleine in Relation zur Zahl der begonnenen Verträge des betrachteten Jahres gesetzt werden. Denn die gelösten Verträge stammen aus unterschiedlichen Beginn- jahrgängen. Insbesondere wenn man die Lösungsquote für einzelne Berufe oder Berufsgruppen berechnet, ist zu beachten, dass die Größe der Beginnjahrgänge von Jahr zu Jahr deutlich schwanken kann.

Deshalb berechnet das BIBB die Lösungsquote nach einem Quotensummenverfahren als sogenanntes „Schichtenmodell“, indem die Lösungen des aktuellen Berichtsjahres differenziert werden nach dem jeweiligen Jahr des Beginns des gelösten Ausbildungsvertrages. Es werden Teilquoten für die einzelnen Beginnjahre berechnet, die dann zur Lösungsquote summiert werden. Die so berechnete Quote kann interpretiert werden als die näherungsweise Berechnung des Anteils der gelösten Ausbildungsverträge an den im Berichtsjahr begonnenen Ausbildungsverträgen.147

Die Lösungsquote wird entsprechend folgender Formel auf Basis der Individualdaten der Berufsbildungsstatistik berechnet:

Grafik der Formel: LQ mit unterem Index neu gleich, eckige Klammer auf, erster Bruch, Lösungen im aktuellen Berichtsjahr, die Beginn des Ausbildungsvertrages in t hatten durch Anzahl der begonnenen Ausbildungsverträge in t, plus zweiter Bruch, Lösungen im aktuellen Berichtsjahr, die Beginn des Ausbildungsjahres in Klammer auf, t minus 1, Klammer zu, hatten durch Anzahl der begonnenen Ausbildungsverträge in Klammer auf, t minus 1, Klammer zu, plus dritter Bruch, Lösungen im aktuellen Berichtsjahr, die Beginn des Ausbildungsvertrages in Klammer auf, t minus 2, Klammer zu, hatten durch Anzahl der begonnenen Ausbildungsverträge in Klammer auf, t minus 2, Klammer zu, plus vierter Bruch, Lösungen im aktuellen Berichtsjahr, die Beginn des Ausbildungsvertrages in Klammer auf, t minus 3, Klammer zu, oder früher hatten durch Anzahl der begonnenen Ausbildungsverträge in Klammer auf, t minus 3, Klammer zu, eckige Klammer zu, jeden der Brüche mit 100 multiplizieren. Legende: LQ: Lösungsquote, t: aktuelles Berichtsjahr, t minus 1: Vorjahr, t minus 2: Vorvorjahr, t minus 3: Vorvorvorjahr

Das Quotensummenverfahren wurde auch schon vor der Revision der Berufsbildungsstatistik angewandt (LQalt), allerdings konnten hierbei für die einzelnen Bestandteile nur Näherungswerte verwendet werden. Bei LQneu wird im Vergleich zu LQalt eine verbesserte Berechnungsweise angewandt, sie kann jedoch erst ab dem Berichtsjahr 2009 berechnet werden. Zum Vergleich der neuen Berechnungsweise (LQneu) mit der früheren (LQalt) des Schichtenmodells siehe BIBB-Datenreport 2011, Kapitel A4.8 und http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_dazubi_daten.pdf.

Berechnet man die Lösungsquoten für Teilgruppen, werden die einzelnen Bestandteile der Lösungsquotenformel entsprechend für diese Teilgruppen berechnet. Die Lösungsquoten können mit der Revision der Berufsbildungsstatistik grundsätzlich nach allen erhobenen Merkmalen differenziert werden (Geschlecht, Vorbildung etc.); allerdings ist dabei zu beachten, dass einige neue Variablen in den ersten Jahren untererfasst sind, was zur Verzerrung der Lösungsquote führen kann, da hierbei Basisdaten aus 4 Berichtsjahren verwendet werden (denn dann ist auch die Anzahl der begonnenen Ausbildungsverträge, die das entsprechende Merkmal aufweisen, untererfasst).

Der BIBB-Kohortendatensatz erlaubt für die Anfängerkohorte 2008 die Ex-post-Analyse des Ausbildungsverlaufs, allerdings nur bis zur Vertragslösung oder einem sonstigen Ende des Ausbildungsvertrages. Auf Basis dieses Datensatzes kann der Anteil der gelösten Verträge im Nachhinein ermittelt werden. Mit dem aktuellen Datenstand (Berichtsjahr 2011) kann dies allerdings nur für die ersten 36 Monate nach Beginn des Vertrages betrachtet werden. Da jedoch nach 36 Monaten kaum noch Vertragslösungen erfolgen, ist dies unproblematisch. Hinsichtlich des Anteils vorzeitig gelöster Ausbildungsverträge besteht der Vorteil des Kohortendatensatzes darin, dass keine komplexe Formel angewandt werden muss (man muss keinen Näherungswert ermitteln). Ein Nachteil der Ex-post-Berechnung ist die lange Zeitdauer, die vergeht, bis der Anteil der gelösten Verträge ermittelt werden kann. Der ex post ermittelte Anteil gelöster Verträge der Anfängerkohorte 2008 ergibt einen Wert, der nahe bei der Lösungsquote 2008 liegt. Der ex ante berechnete Näherungswert (Lösungsquote nach dem Schichtenmodell) ergibt also valide Werte und wird künftig weitergeführt. Die Analyse des Kohortendatensatzes ergänzt die Lösungsquotenberechnung.

Zu weiteren Details zur Lösungsquotenberechnung siehe: http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_dazubi_daten.pdf.

Vorzeitige Vertragslösungen und Vertragslösungsquoten 1993 bis 2011

Die Vertragslösungsquote schwankt seit Anfang der 1990er-Jahre zwischen 20 % und 25 % (vgl. Uhly 2012). Im Berichtsjahr 2011 bestätigt sich die Entwicklung, die bereits im Vorjahr zu beobachten war Tabelle A4.7-2. Im Vorjahresvergleich steigt die Lösungsquote in allen Zuständigkeitsbereichen und Ländern an. Was die Ursachen hierfür sind, kann allein auf Basis der Daten der Berufsbildungsstatistik nicht beurteilt werden. Allerdings war auch schon in der Vergangenheit zu beobachten, dass sich die Lösungsquote in Zeiten einer Entspannung am Ausbildungsstellenmarkt erhöht und bei zunehmendem Ausbildungsplatzmangel abnimmt (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2006, S. 121).

Der theoretische Zusammenhang zwischen der Marktlage und der Lösungsquote ist jedoch nicht eindeutig. Ein möglicher Grund für eine Zunahme des Anteils gelöster Verträge kann darin bestehen, dass sich bei günstigerer Marktlage für die Jugendlichen die Chance auf alternative Ausbildungsplätze erhöht. Allerdings könnte dies lediglich zunehmende Vertragslösungen durch die Auszubildenden erklären. Außerdem sind auch gegenteilige Effekte plausibel. Bei einer für die Jugendlichen günstigeren Marktlage sollte sich auch die Chance erhöhen, unmittelbar einen Ausbildungsplatz im Wunschberuf bzw. Wunschbetrieb zu erhalten, was die Wahrscheinlichkeit von Vertragslösungen senken sollte. Aus Sicht der Ausbildungsbetriebe kann die veränderte Marktlage gleichermaßen als Grund für einen Anstieg wie auch für ein Sinken des Lösungsrisikos gesehen werden. Eine Verknappung der Bewerber und Bewerberinnen je Ausbildungsstelle könnte dazu führen, dass eher weniger präferierte Auszubildende eingestellt werden, was wiederum das Lösungsrisiko erhöhen kann. Diese Entwicklung der Marktlage könnte aber auch dazu führen, dass sich Betriebe aufgrund mangelnder Alternativen im Konfliktfall oder bei sonstigen Problemen weniger schnell von einem einmal eingestellten Auszubildenden trennen. Denkbare Zusammenhänge zwischen der Lage am Ausbildungsstellenmarkt und der Quote vorzeitiger Vertragslösungen sind somit nicht eindeutig. Empirisch schwankt die Lösungsquote deutlich mit der Lage am Ausbildungsstellenmarkt.

Schaubild A4.7-1 stellt die jährliche Veränderungsrate der Angebots-Nachfrage-Relation (vgl. in Kapitel A1) als Indikator für die Marktlage148 und die jährliche Veränderungsrate der Lösungsquote gegenüber. Es zeigt sich ein deutlich positiver Zusammenhang. Schätzt man diesen auf Basis eines einfachen linearen Regressionsmodells, so zeigt sich, dass die Lösungsquote um ca. 1,3 % ansteigt, wenn sich die Angebots-Nachfrage-Relation um ein Prozent erhöht.149 Somit kann man begründen, warum in den letzten Jahren die Lösungsquote ansteigt; will man sie verringern, ist jedoch zu klären, was die eigentliche Ursache für die Vertragslösungen ist. Wenn ein Ausbildungsverhältnis zufriedenstellend ist, wird es vermutlich nicht alleine aufgrund einer für die Jugendlichen verbesserten Marktlage gelöst; wenn ein Betrieb aufgrund der Marktlage weniger präferierte Bewerber und Bewerberinnen einstellt, bleibt die Frage, warum solche Ausbildungsverhältnisse nicht erfolgreich beendet werden können.

Tabelle A4.7-2: Vorzeitige Vertragslösungen und Vertragslösungsquote1 in % der begonnenen Ausbildungsverträge, Bundesgebiet 1993 bis 2011
Tabelle A4.7-2 (barrierefrei)


Tabelle A4.7-2

Schaubild A4.7-1: Jährliche Veränderungsrate der Ausbildungsstellenmarktlage (ANRklassisch) und der Lösungsquote (LQalt) 1993 bis 2011

Schaubild A4.7-1

Vertragslösungsquoten nach Zuständigkeitsbereichen und Ausbildungsberufen

Die Lösungsquote variiert deutlich zwischen den Zuständigkeitsbereichen und Ländern Tabelle A4.7-3. In den Berufen des Handwerks zeigt sich mit 31,1 % im Bundesdurchschnitt die höchste Lösungsquote, gefolgt von den Berufen der Hauswirtschaft mit 25,3 %. Eine extrem niedrige durchschnittliche Lösungsquote von nur 6,1 % ergibt sich lediglich in den Berufen des Zuständigkeitsbereichs öffentlicher Dienst. In den Ausbildungsberufen der freien Berufe liegt sie mit 23,7 % nahe beim Durchschnittswert, und in den beiden Zuständigkeitsbereichen Industrie und Handel sowie Landwirtschaft fällt sie mit 22,1 % leicht unterdurchschnittlich aus. Auch zwischen den Ländern unterscheiden sich die Lösungsquoten, sie reichen von durchschnittlich 20,9 % in Baden-Württemberg bis hin zu 33,9 % in Mecklenburg-Vorpommern. Insgesamt fallen die Lösungsquoten in Ostdeutschland eher höher aus150; allerdings liegen sie auch im Saarland, in Hamburg, Schleswig-Holstein und in Rheinland- Pfalz bei 27 % bis 29 %.151

Die Lösungsquoten variieren noch deutlicher zwischen den einzelnen Ausbildungsberufen Tabelle A4.7-4. Betrachtet man die Berufe152 mit den jeweils höchsten und niedrigsten Lösungsquoten, ergeben sich weitgehend übereinstimmende Ergebnisse gegenüber den Vorjahren. Unter den Berufen mit sehr hohen Lösungsquoten von ca. 44 % bis 51 % sind vor allem die Berufe des Hotel- und Gaststättengewerbes (Restaurantfachmann/Restaurantfachfrau, Koch/Köchin, Fachkraft im Gastgewerbe) sowie weitere primäre Dienstleistungsberufe153 (Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice, Fachkraft für Schutz und Sicherheit, Servicekraft für Schutz und Sicherheit, Kosmetiker/Kosmetikerin, Gebäudereiniger/Gebäudereinigerin, Berufskraftfahrer/ Berufskraftfahrerin und Friseur/ Friseurin) vertreten. Dagegen weisen neben den Ausbildungsberufen des Zuständigkeitsbereichs öffentlicher Dienst (Verwaltungsfachangestellter/ Verwaltungsfachangestellte, Fachangestellter/ Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste, Fachangestellter/Fachangestellte für Bürokommunikation) vor allem sekundäre Dienstleistungsberufe (Bankkaufmann/Bankkauffrau, Technischer Systemplaner/Technische Systemplanerin, Technischer Produktdesigner/Technische Produktdesignerin) mit 4 % bis 7 % sehr niedrige Lösungsquoten auf. Aber auch bei einigen technischen Produktionsberufen (Elektroniker/Elektronikerin für Automatisierungstechnik, Fluggerätmechaniker/ Fluggerätmechanikerin, Chemikant/ Chemikantin) war der Anteil vorzeitig gelöster Ausbildungsverträge mit 5 % bis 7 % sehr gering. Auch der Landwirtschaftsberuf Forstwirt/Forstwirtin weist mit 6,5 % eine sehr geringe Lösungsquote auf.

Betrachtet man die 20 am stärksten besetzten Ausbildungsberufe des dualen Systems Tabelle A4.7-5, die zusammen mehr als die Hälfte aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge umfassen, so zeigt sich auch hier die große Bandbreite an Lösungsquoten von 6 % (Bankkaufmann/-kauffrau) bis 49 % (Koch/Köchin).

Seit der Revision der Berufsbildungsstatistik ist eine Differenzierung von Lösungen und Lösungsquoten nach allen erfassten Merkmalen der Berufsbildungsstatistik möglich. Erstmals lassen sich damit neben berufsspezifischen und regionalen Lösungsquoten auch personengruppenspezifische Quoten berechnen. Zudem können multivariate Zusammenhänge zwischen verschiedenen berufs-, personenbezogenen und regionalen Variablen einerseits sowie der „Lösungswahrscheinlichkeit“ andererseits betrachtet werden.

Tabelle A4.7-3: Vertragslösungsquoten in % der begonnenen Ausbildungsverträge (LQneu)1 nach Zuständigkeitsbereichen2 und Ländern 2011
Tabelle A4.7-3 (barrierefrei)


Tabelle A4.7-3

Tabelle A4.7-4: Ausbildungsberufe1 mit den höchsten und niedrigsten Vertragslösungsquoten in %2, Bundesgebiet 2011
Tabelle A4.7-4 (barrierefrei)


Tabelle A4.7-4

Tabelle A4.7-5: Vertragslösungsquoten (in %)1 in den 20 am stärksten besetzten dualen Ausbildungsberufen, Bundesgebiet 2011
Tabelle A4.7-5 (barrierefrei)


Tabelle A4.7-5

Lösungsquoten nach Geschlecht und Staatsangehörigkeit

In den meisten der 20 am stärksten besetzten Ausbildungsberufe ist die Lösungsquote der Verträge von Frauen geringer als die der Männer Tabelle A4.7-5. Im Gesamtdurchschnitt zeigt sich jedoch für das Berichtsjahr 2011, dass die Lösungsquote der mit Frauen abgeschlossenen Ausbildungsverträge mit durchschnittlich 24,9 % insgesamt etwas höher ausfällt als die der Männer (24,1 %) Tabelle A4.7-6. Vergleichsweise hohe Lösungsquoten der Frauen ergeben sich in den Zuständigkeitsbereichen Handwerk, Landwirtschaft und – mit geringerem Abstand zu den Männern – auch im Bereich Industrie und Handel. In den Ausbildungsberufen des öffentlichen Dienstes und der freien Berufe fallen die Lösungsquoten der Frauen niedriger aus als die der Männer. Auffallend ist, dass die Lösungsquoten der Frauen in jenen Zuständigkeitsbereichen besonders hoch ausfallen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind; umgekehrt fallen die Lösungsquoten der Männer in den Zuständigkeitsbereichen vergleichsweise hoch aus, in denen der Männeranteil an den Auszubildenden geringer ausfällt.154

Deutliche Unterschiede in den Lösungsquoten zeigen sich auch bei den Verträgen der Auszubildenden mit deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit Tabelle A4.7-6. Von den Ausbildungsverträgen der ausländischen Auszubildenden werden im Durchschnitt 30,9 % vorzeitig gelöst, von den Ausbildungsverträgen der Auszubildenden mit deutschem Pass nur 24 %; höhere Lösungsquoten bei den ausländischen Auszubildenden ergeben sich in allen Zuständigkeitsbereichen. Die Abstände der Lösungsquoten deutscher und ausländischer Auszubildender fallen in den dualen Ausbildungsberufen des öffentlichen Dienstes und der freien Berufe deutlich geringer aus als in den anderen Zuständigkeitsbereichen. Auch bei den 20 am stärksten besetzten Ausbildungsberufen des dualen Systems ergeben sich in fast allen dieser Berufe größere Lösungsquoten bei den Ausbildungsverträgen ausländischer Auszubildender Tabelle A4.7-5. Teilweise sind die Unterschiede in den Lösungsquoten zwischen deutschen und ausländischen Auszubildenden auch auf Unterschiede hinsichtlich des höchsten allgemeinbildenden Schulabschlusses zurückzuführen.

Lösungsquoten nach allgemeinbildendem Schulabschluss

Bei der Betrachtung der Lösungsquoten nach dem zuvor erworbenen allgemeinbildenden Schulabschluss Tabelle A4.7-6 zeigt sich deutlich, dass die Lösungsquote umso höher ausfällt, je niedriger der allgemeinbildende Schulabschluss der Auszubildenden ist (vgl. Kapitel A4.6.2). So weisen Auszubildende ohne Hauptschulabschluss mit 38,6 % eine nahezu dreimal höhere Lösungsquote auf als Studienberechtigte (13,6 %). Bei den Verträgen der Auszubildenden mit Hauptschulabschluss ergibt sich für das Berichtsjahr 2011 eine Lösungsquote von 34,5 %. Die Verträge von Auszubildenden mit Realschulabschluss werden zu 21 % vorzeitig gelöst. Diese Rangfolge der Abschlussgruppen ergibt sich in fast allen Zuständigkeitsbereichen. Lediglich in den Ausbildungsberufen des öffentlichen Dienstes fällt die Lösungsquote bei den Ausbildungsverträgen derjenigen ohne Hauptschulabschluss relativ gering aus; allerdings ist hier die Zahl der Auszubildenden ohne Hauptschulabschluss (Neuabschlüsse) mit rd. 30 extrem niedrig.

Tabelle A4.7-6: Vertragslösungsquoten (LQneu in %)1 nach Personenmerkmalen und Zuständigkeitsbereichen2, Bundesgebiet 2011
Tabelle A4.7-6 (barrierefrei)


Tabelle A4.7-6

Vorzeitige Lösung von Ausbildungsverträgen der Anfängerkohorte 2008

Die Einführung der Individualdatenerhebung durch das Berufsbildungsreformgesetz von 2005 und die Erfassung von Monat und Jahr von ausbildungsrelevanten Ereignissen (Vertragsbeginn und Ende, Abschlussprüfung und Wiederholungsprüfungen sowie vorzeitige Vertragslösung) haben die Möglichkeit eröffnet, aus den Datensätzen zu mehreren Berichtsjahren Kohortendatensätze zu bilden. Da im ersten Jahr der Revision (2007 in Kraft getreten) noch erhebliche Meldeprobleme bestanden, ist die Anfängerkohorte 2008 die erste, für die ein solcher Datensatz gebildet werden kann. Für diese kann der Ausbildungsverlauf nach Beginn der Ausbildung monatsgenau analysiert werden; mit dem aktuellen Datenstand (2011) lassen sich 36 Monate nach Beginn der Ausbildung erfassen. Allerdings kann der Verlauf immer nur bis zum Ende eines Ausbildungsvertrages oder bis zur Abschlussprüfung155 betrachtet werden, da die Berufsbildungsstatistik keine – über die Jahre – unveränderliche Personennummer für die einzelnen Auszubildenden erfasst. Ebenso wird keine solche Nummer für die Ausbildungsbetriebe erhoben.156 Wenn Ausbildungsverträge gelöst werden, bleibt also unbekannt, ob die Auszubildenden erneut eine duale Berufsausbildung antreten oder ob der Ausbildungsbetrieb die Ausbildungsstelle wieder besetzt. Trotz dieser Einschränkungen liefert der Kohortendatensatz erweiterte Analysemöglichkeiten.

Zum einen kann der Anteil gelöster Verträge ex post ermittelt werden, ohne auf die relativ komplexe Berechnungsformel des „Schichtenmodells“ zurückgreifen zu müssen. Es zeigt sich, dass nach 36 Monaten 22,3 % der Ausbildungsverträge der Anfänger und Anfängerinnen des Jahres 2008 gelöst waren Schaubild A4.7-2.157 Dieser Anteil wird sich nur noch geringfügig erhöhen, da nach dem 36sten Monat kaum noch Ausbildungsverträge gelöst werden. Der für das Berichtsjahr 2008 berechnete Näherungswert (Lösungsquote nach dem Schichtenmodell) betrug 21,5 % Tabelle A4.7-2. Somit hat sich die Validität der BIBB-Berechnungsformel der Lösungsquote bestätigt.

Zum anderen lässt sich der monatsgenaue Verlauf des Vertragslösungsgeschehens genauer betrachten Schaubild A4.7-2. Zum Vergleich dieser Verläufe zwischen Berufs- und Personengruppen siehe BIBB-Datenreport 2012, Kapitel A4.7.

Weiterhin kann der Ausbildungsstatus der Anfängerkohorte hinsichtlich des ersten Ausbildungsverhältnisses betrachtet werden. Tabelle A4.7-7 zeigt diesen für die Anfängerkohorte 2008. Da bis zum aktuellen Datenstand nur 36 Monate für alle Ausbildungsanfänger und Ausbildungsanfängerinnen erfasst sind, werden diejenigen Berufe, deren Ausbildungsordnung eine Ausbildungsdauer von 42 Monaten vorsieht, aus der Analyse ausgeschlossen; einbezogen sind 422.718 Ausbildungsanfänger und Ausbildungsanfängerinnen des Jahres 2008. 36 Monate nach Beginn der Ausbildung haben gut 69 % (293.532 Auszubildende) der Anfängerkohorte 2008 die Abschlussprüfung im ersten Ausbildungsverhältnis erfolgreich abgelegt. Knapp 5 % haben nicht bestanden, nur 0,1 % sind bis zum 36. Monat nach Ausbildungsbeginn endgültig durchgefallen. Fast 26 % (109.629 Anfänger/-innen) sind nicht bzw. noch nicht zur Abschlussprüfung angetreten, die meisten davon waren die Auszubildenden mit gelöstem Ausbildungsvertrag (99.114). Aber auch einige ohne Vertragslösung sind nach 36 Monaten noch nicht zur Abschlussprüfung angetreten (10.515). Teilweise erfolgen Abschlussprüfungen im Rahmen des ersten Ausbildungsverhältnisses noch nach der Vertragslösung; ein sehr geringer Anteil (0,6 %) derjenigen mit Vertragslösung wurde innerhalb von 36 Monaten nach Ausbildungsbeginn mit einer erfolgreichen Abschlussprüfung im ersten Ausbildungsverhältnis gemeldet.

Abschlussprüfungen werden auch in den maximal dreijährigen Ausbildungsberufen noch nach dem 36sten Monat angetreten, und es finden auch noch vorzeitige Vertragslösungen statt. Da die Analyse derzeit auf die ersten 36 Monate nach Beginn der Ausbildung begrenzt werden muss, kann erst mit den kommenden Berichtsjahren (nachdem alle Auszubildenden der Anfängerkohorte 2008 zu allen Prüfungsmöglichkeiten angetreten sind oder ihren Vertrag gelöst haben) geklärt werden, wie hoch der Anteil derer ist, die endgültig nicht bestehen oder den Vertrag lösen. Gravierender ist jedoch die Einschränkung, dass der Verlauf auf Basis der Berufsbildungsstatistik nicht über das ursprünglich begonnene Ausbildungsverhältnis hinaus beobachtet werden kann; der Verbleib nach Beendigung dieses Vertragsverhältnisses bleibt leider unbekannt. Ein Teil derjenigen mit Vertragslösung wird noch in einem anderen Ausbildungsbetrieb und/oder einem anderen dualen Ausbildungsberuf eine duale Ausbildung absolvieren. Solche Verläufe könnten nur dann weiterverfolgt werden, wenn im Rahmen der Berufsbildungsstatistik eine unveränderliche Personennummer für Auszubildende eingeführt werden würde.

Auf Basis des Kohortendatensatzes können außerdem die Ergebnisse zu den differenzierten Lösungsquoten (bivariate Zusammenhänge) in multivariaten Modellen überprüft werden, zumindest hinsichtlich der anderen im Rahmen der Berufsbildungsstatistik erhobenen Merkmale.158 Denn hinsichtlich dieser Befunde ist zu beachten, dass eine höhere Lösungsquote bei einer bestimmten Personengruppe nicht bedeutet, dass diese Personen in stärkerem Maße Ausbildungsverträge vorzeitig lösen. Ebenso wenig kann man schlussfolgern, dass Ausbildungsbetriebe grundsätzlich eher die Ausbildungsverträge mit diesen Jugendlichen lösen. Zum einen erfasst die Berufsbildungsstatistik nicht, von welchem Vertragspartner die Lösung ausging und was der Grund für die Lösung war. Zum anderen sind die Zusammenhänge komplex. Lösungen können bei einer Personengruppe hoch ausfallen, weil sie stärker in Ausbildungsberufen, Betrieben oder Regionen mit hohen Lösungsquoten zu finden sind. Zum anderen können die Lösungsquoten in Berufen höher ausfallen, weil Personen mit höherer Lösungswahrscheinlichkeit in diesen Berufen zu finden sind oder weil sie in Betrieben, Branchen oder Regionen mit höheren Lösungsquoten vorzufinden sind.

Zur Klärung dieser komplexen Zusammenhänge, die zu höheren oder niedrigeren Vertragslösungsquoten führen, besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf (vgl. Jasper u. a. 2009). Teilweise sind hierzu Forschungsprojekte mit eigenen Datenerhebungen zu den spezifischen Fragestellungen (Primärerhebungen) erforderlich. Teilweise können nun – nach verbesserter Datenlage – die Individualdaten der Berufsbildungsstatistik ausgewertet werden. Multivariate Zusammenhangsanalysen auf Basis des Kohortendatensatzes der Anfänger/-innen des Berichtsjahres 2008 bestätigen eine höhere relative Lösungswahrscheinlichkeit („Odds“) bei Ausbildungsverträgen von Auszubildenden mit maximal Hauptschulabschluss, in Handwerksberufen, in Ostdeutschland, bei überwiegend öffentlich finanzierten Ausbildungsverträgen, bei Ausbildungsverträgen von ausländischen Auszubildenden, in primären Dienstleistungsberufen sowie in sehr geringem Maße bei Frauen und in den freien Berufen; die Variablen sind hier in der Reihenfolge einer abnehmenden Effektstärke sortiert. In diesen Modellen wurden verschiedene berufs-, personenbezogene und regionale Variablen aufgenommen, sodass die soeben genannten Effekte unter Kontrolle aller aufgenommenen Variablen bestätigt sind.159

(Alexandra Uhly)

Schaubild A4.7-2: Vorzeitige Vertragslösungen in den ersten 36 Monaten nach Ausbildungsbeginn der Anfängerkohorte 2008 (kumulierter Anteil der gelösten Verträge in %)

Schaubild A4.7-2

Tabelle A4.7-7: Prüfungserfolg der Anfängerkohorte 20081 36 Monate nach Ausbildungsbeginn2, Bundesgebiet 2011, absolut und Zeilenprozent

Tabelle A4.7-7

Fußnoten

143 Weitere Fälle vorzeitiger Vertragslösung können sein: der Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen; das Schließen eines gerichtlichen Vergleichs, der eine Aufhebung zum Gegenstand hat; die Anfechtung des Ausbildungsvertrags, z. B. wegen Irrtums oder wegen Täuschung nach §§ 119 ff. BGB; der Tod des Auszubildenden (nicht der Tod des Ausbildenden, da dann in der Regel dessen Rechtsnachfolger Ausbilder wird); die tatsächliche Beendigung wegen Fernbleibens von der Ausbildung oder wegen unterlassener Ausbildung.

144 Fach- und Hochschulwechsel, die zu einem Abschluss führen, bedeuten also keinen Studienabbruch.

145 Die Studienabbruchquote wird von HIS aus dem Vergleich von Absolventen- und Anfängerzahlen ermittelt. Die Abbruchquote der Bachelorstudiengänge bedeutet, „dass von 100 deutschen Studienanfängern der Jahrgänge 2006/2007 im Bachelorstudium 28 ihr Studium erfolglos abgebrochen haben“ (Heublein u. a. 2012, S. 1).

146 Vgl. Jasper u. a. 2009, S. 15 ff.; siehe auch JOBSTARTER-Initiative VerA sowie die Zielformulierung des Ausbildungspaktes

147 Im Berichtsjahr 2011 ist noch unbekannt, wie viele der in 2011 begonnenen Ausbildungsverhältnisse in 2012 oder später gelöst werden. Die in 2010 oder früher begonnenen und in 2011 gelösten Verträge können als stellvertretende Größen hierfür betrachtet werden. Zur detaillierten Beschreibung des Schichtenmodells und dessen Interpretation siehe: http://www.bibb.de/de/wlk59779.htm.

148 Als Indikatoren wurden für die Marktlage die „klassische“ ANR und für die Lösungsquoten LQalt verwendet, da die neuen (verbesserten) Berechnungsweisen beider Indikatoren nicht für alle betrachteten Jahre möglich sind. Da Veränderungsraten der Indikatoren und keine absoluten Werte betrachtet werden, ist dies jedoch unproblematisch.

149 Gerechnet wurde ein einfaches Zeitreihenmodell (lineares Regressionsmodell) mit Veränderungsraten in % (trendbereinigt). Die fehlenden Werte zur Lösungsquote für das Jahr 2007 wurden extrapoliert. Das Modellergebnis ergibt eine insignifikante Konstante (es liegt im beobachteten Zeitraum kein linearer Trend vor); der Anteil der erklärten Varianz (R2) fällt mit ca. 0,43 relativ hoch aus.

150 Hierbei ist allerdings zu beachten, dass Vertragslösungen auch bei einem Wechsel von einem öffentlich finanzierten in ein betrieblich finanziertes Berufsausbildungsverhältnis auftreten können. Zumindest aus Brandenburg liegen entsprechende Hinweise vor.

151 Die auffallend niedrigen Werte in der Land- und/oder Hauswirtschaft in den Ländern Bremen, Hamburg und Sachsen sind mit großer Wahrscheinlichkeit auf Meldefehler zurückzuführen und stellen eine deutliche Untererfassung dar. Da beide Bereiche gemessen an allen begonnenen Ausbildungsverträgen vergleichsweise klein ausfallen, verzerren diese Fehlmeldungen die Lösungsdaten insgesamt nur in geringem Maße.

152 Einbezogen wurden duale Ausbildungsberufe mit mindestens 300 begonnenen Verträgen im Jahre 2011.

153 Zur Unterscheidung von primären und sekundären Dienstleistungsberufen sowie Fertigungsberufen siehe Kapitel A4.4.

154 In den Bereichen Landwirtschaft und Handwerk sind mehr als 75 % aller Auszubildenden Männer. In den Bereichen öffentlicher Dienst und freie Berufe beträgt der Frauenanteil 65 % bzw. 94 % (vgl. Kapitel A4.2.1). Auf Basis der Betrachtung von Lösungsquoten bei einzelnen (männlich bzw. weiblich dominierten) Ausbildungsberufen weist auch Huth (2000, S. 37 f.) auf einen solchen Zusammenhang hin.

155 In manchen Fällen wird eine Abschluss- bzw. Wiederholungsprüfung noch nach Ablauf des Ausbildungsvertrages abgelegt, dies sind die einzigen Fälle, in denen der Ausbildungsverlauf mit der Berufsbildungsstatistik über das Vertragsende hinaus abgebildet werden kann.

156 Das BIBB hatte vorgeschlagen, beides aufzunehmen, leider war dies aufgrund von Datenschutzbedenken nicht durchsetzbar.

157 Der Kohortendatensatz wurde auf Ausbildungsanfänger/-innen (im Sinne von Erstanfängern) begrenzt, bei der Lösungsquotenberechnung fließen dagegen auch begonnene Verträge von solchen Auszubildenden ein, die zuvor bereits einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen hatten. Dennoch liegen die Werte nahe beieinander.

158 Der Kohortendatensatz kann durch weitere Variablen aus anderen Statistiken und Erhebungen erweitert werden, indem über die Berufs- und Regionalvariable entsprechende Daten hinzugespielt werden. Die Ergebnisse der Analyse des erweiterten Datensatzes werden in 2013 veröffentlicht.

159 Insbesondere die Einflussgröße der Staatsangehörigkeit (Effektkoeffizient) geht im multivariaten Modell im Vergleich zum bivariaten Modell deutlich zurück.

Bibliografischer Hinweis

Internetversion des BIBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2013 - Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2013).

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