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DATENREPORT ZUM BERUFSBILDUNGSBERICHT 2013

A4.10 Inklusion – Behinderte Menschen

Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung

Am 13. Dezember 2006 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ (kurz: VN-Konvention).174 Damit soll den über 650 Mio. Menschen, die weltweit mit einer Behinderung leben, ein besonderer Schutz gewährt werden. Zudem werden die Staaten aufgefordert, durch entsprechende Infrastrukturmaßnahmen behinderte Menschen in die Lage zu versetzen, von ihren Rechten Gebrauch zu machen. Deutschland hat als einer der ersten Staaten im Jahre 2007 die VN-Konvention unterzeichnet, die im März 2009 mit der Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde verbindlich wurde.

Für den Bereich der beruflichen Bildung sind insbesondere zwei Artikel der VN-Konvention von Bedeutung. Zum einen wird in Artikel 24 ein Recht auf Bildung postuliert. Hieraus ist in den letzten Jahren eine sehr intensive Debatte bezüglich der Unterrichtung von behinderten Kindern und Jugendlichen entweder in speziellen Schulen oder gemeinsam mit nicht behinderten Schülerinnen und Schülern in allgemeinbildenden Schulen geworden. Berufliche Schulen, Berufsschulen und betriebliche Ausbildung sind dabei bisher deutlich weniger im Fokus der öffentlichen Diskussion und Wahrnehmung. Doch auch hier sind Diskussions- und Veränderungsprozesse in Gang gekommen. Diese richten sich insbesondere darauf, die traditionell bei Bildungsträgern wie z. B. Berufsbildungswerken stattfindende Ausbildung behinderter Menschen mit besonderem Förderbedarf stärker als bisher betrieblich auszurichten bzw. auch mehr „rein“ betriebliche Ausbildung zu verwirklichen. Damit kommt auf die beruflichen Schulen und Berufsschulen, aber vor allem auch die betriebliche Seite der klassischen dualen Ausbildung noch ein erheblicher Diskussions- und Anpassungsbedarf zu. Erstausbildung erfolgt noch viel zu häufig in geschützten Räumen, statt in privatwirtschaftlichen Betrieben (vgl. Heister 2011, S. 29 ff.).

Für die berufliche Ausbildung ist weiterhin noch Artikel 27 relevant. Hierin wird das Recht auf Arbeit gefordert, was insbesondere „das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen“, beinhaltet. Zur tatsächlichen Umsetzung dieses Rechtes bleibt noch einiges zu tun. Der Informationsdienst des IW in Köln weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich bei der Gruppe der schwerbehinderten Menschen zwar einerseits annähernd der gleiche Prozentsatz an beruflich Qualifizierten findet wie bei Menschen ohne Behinderung, bei der Einmündung in einen Arbeitsplatz aber erhebliche Probleme auftreten (vgl. Informationsdienst der deutschen Wirtschaft 2013, S. 8).175

E Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (kurz: VN-Konvention)

Artikel 24 Bildung
(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen mit dem Ziel,

a) die menschlichen Möglichkeiten sowie das Bewusstsein der Würde und das Selbstwertgefühl des Menschen voll zur Entfaltung zu bringen und die Achtung vor den Menschenrechten, den Grundfreiheiten und der menschlichen Vielfalt zu stärken;

b) Menschen mit Behinderungen ihre Persönlichkeit, ihre Begabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen zu lassen;

c) Menschen mit Behinderungen zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen.

(2) Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass

a) Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden;

b) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben;

c) angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden;

d) Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern;

e) in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden.

(5) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen haben. Zu diesem Zweck stellen die Vertragsstaaten sicher, dass für Menschen mit Behinderungen angemessene Vorkehrungen getroffen werden.

Artikel 27 Arbeit und Beschäftigung
(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird. Die Vertragsstaaten sichern und fördern die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit, einschließlich für Menschen, die während der Beschäftigung eine Behinderung erwerben, durch geeignete Schritte, einschließlich des Erlasses von Rechtsvorschriften …

Schwierige Datenlage

Auf welchen Personenkreis genau bezieht sich nun die VN-Konvention? Gemäß § 2 SGB IX wird von behinderten Menschen gesprochen, „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.“ Damit reicht der Personenkreis von körperlich beeinträchtigten Menschen (z. B. Querschnittslähmung, Herzkrankheit, fortgeschrittener Krebskrankheit, Blindheit und Gehörlosigkeit) über geistig beeinträchtigte Menschen (z. B. Down-syndrom, Menschen mit Lernbehinderungen) bis hin zu Menschen mit seelischen Behinderungen (z. B. Persönlichkeitsstörungen, Suchtkrankheiten).

Während im allgemeinen Bewusstsein Behinderung häufig mit offensichtlichen Behinderungen (z. B. Rollstuhlnutzer, Sehbehinderte etc.) gleichgesetzt wird, ist der Personenkreis tatsächlich wesentlich größer. Zur zahlenmäßigen Bestimmung dieser Gruppe gibt es lediglich grobe Schätzungen, was nicht zuletzt daran liegt, dass es sehr unterschiedliche Kategorien und Konzepte zur Bestimmung dieser Gruppe gibt. Daher sehen der Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der VN-Konvention sowie die unterschiedlichen Aktionspläne der Bundesländer in der Verbesserung der Datenlage eine wesentliche Aufgabe der nächsten Jahre.176

Genauere Daten liegen für eine Teilgruppe vor, nämlich für schwerbehinderte Menschen, die eine Anerkennung ihrer Schwerbehinderung beantragt haben. Als schwerbehinderte Menschen gelten nach § 2 SGB IX, „wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt“. Insgesamt umfasste diese Gruppe zu Beginn des Jahres 2010 rund 7,1 Mio. Menschen (vgl. Statistisches Bundesamt 2012).

Für die Berufsbildung sind diese Daten jedoch wenig relevant, da der versorgungsrechtliche Schwerbehindertenstatus wenig über den tatsächlichen Förderbedarf und die Teilhabe an Berufsbildung aussagt.

So wünschenswert auch differenzierte Daten zur Teilhabe behinderter Menschen an Berufsausbildung wären, so erschließt sich bei genauerer Analyse, warum es sie nicht gibt. Wie nicht zuletzt die VN-Konvention mit ihrem weitgefassten Behinderungsbegriff zeigt, ist Behinderung nach heutigem Verständnis kein Personenmerkmal, sondern entsteht in der Wechselwirkung mit Umwelt und Gesellschaft. Es erscheint daher weder sinnvoll noch möglich, in der Berufsbildungsstatistik ein Merkmal „Behinderung" zu erheben. Allerdings weist die Berufsbildungsstatistik Daten zu den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen in Ausbildungsberufen für Menschen mit Behinderung nach § 66 BBiG und § 42m HwO aus (vgl. Kapitel A1.2 und A4.4). ln diesen Ausbildungsberufen werden vorwiegend lernbehinderte Jugendliche ausgebildet, die selten als schwerbehindert erfasst sind. Darüber hinaus liefert die Förderstatistik der Bundesagentur für Arbeit177 Daten zu den mit Rehabilitationsstatus178 erfassten Personen. Allerdings sind diese nur begrenzt aussagefähig, da es auch andere Leistungsträger wie die Jugendhilfe, die Unfallversicherung und die Integrationsämter gibt und im Übrigen die maßnahmenbezogenen Daten Doppelungen nicht erkennbar machen.

Rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation Ausbilder (ReZA)

Am 21. Juni 2012 konnte mit der Verabschiedung des „Rahmencurriculums für eine Rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation für Ausbilderinnen und Ausbilder (ReZA)“ durch den Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (HA des BIBB) der Prozess zur Einführung bundesweit einheitlicher Qualitätsstandards in die Ausbildung von behinderten Menschen in Fachpraktiker- und Fachpraktikerinnen- Berufen fortgesetzt werden.179

E Fachpraktiker- und Fachpraktikerinnen-Berufe

Behinderte Menschen, denen aufgrund der Art und Schwere ihrer Behinderung eine Ausbildung in einem „regulären“ Ausbildungsberuf auch unter Anwendung von Nachteilsausgleich nicht möglich ist, können auf der Grundlage von § 66 Berufsbildungsgesetz (BBiG)/§ 42m Handwerksordnung (HwO) in Fachpraktiker- und Fachpraktikerinnen-Berufen ausgebildet werden. Die Regelungskompetenz für diese Ausbildungsgänge liegt bei den regional zuständigen Stellen. Dies sind in der Regel Industrie- und Handelskammern, Handwerks- und Landwirtschaftskammern. Sie erlassen entsprechende Ausbildungsregelungen. Im Laufe der Zeit war so eine Vielzahl unterschiedlicher Ausbildungsregelungen entstanden. Insbesondere die Tatsache, dass trotz vielfach gleicher Berufsbezeichnungen unterschiedliche Inhalte bestanden, verhinderte Transparenz und Vergleichbarkeit (vgl. BIBB-Datenreport 2012, Kapitel A4.1.4, Vollmer/Frohnenberg 2008). Da die entsprechenden Berufsausbildungsverträge in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse eingetragen werden, liegen hierzu Daten aus der BIBB- Erhebung zum 30. September (vgl. Kapitel A1.2) und der Berufsbildungsstatistik vor (vgl. Kapitel A 4.4).

Meilenstein im Rahmen dieses Prozesses war die Verabschiedung der „Rahmenregelung für Ausbildungsregelungen für behinderte Menschen gemäß § 66 BBiG/§ 42m HwO“180 als Empfehlung des BIBB-Hauptausschusses. Kernelemente der Rahmenregelung sind:

  • Durchstiegsmöglichkeit in eine Ausbildung im regulären“ Bezugsberuf
  • personenbezogener Förderplan
  • Mitverantwortung der Berufsschule
  • Zielgruppe Menschen mit Lernbehinderung
  • Eignung der Ausbildungsstätte
  • Ausbilder/-innen-Schlüssel und rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation der Ausbilder/ -innen
  • Vorgaben für betriebliche Ausbildungsinhalte und -zeiten
  • Förderphase
  • berufliche Handlungskompetenz als Zielsetzung der Ausbildung sowie
  • eine einheitliche diskriminierungsfreie Abschlussbezeichnung.

Das aktuell beschlossene Rahmencurriculum für eine Rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation für Ausbilderinnen und Ausbilder (ReZA) greift die Vorgaben der Rahmenregelung zur rehabilitationspädagogischen Zusatzqualifikation für Ausbilderinnen und Ausbilder auf, wonach Ausbilderinnen und Ausbilder, die behinderte Menschen ausbilden, grundsätzlich über eine rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation verfügen müssen. ReZA wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) von einer Projektgruppe der Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke e. V. (BAG BBW) unter Beteiligung eines Fachbeirats auf Basis der in der Rahmenregelung genannten acht Kompetenzfelder erarbeitet. Besondere Schwerpunkte liegen auf den Themen Lernbehinderung, Lernstörung, Verhaltensauffälligkeiten und psychische Behinderungen, personenbezogene Förderplanung, qualifizierte Zusammenarbeit mit den Berufsschulen und Übergänge in „Vollausbildungen“. Die gesetzten Schwerpunkte entsprechen der Hauptzielgruppe der Rahmenregelung. Die rehabilitationspädagogische Weiterbildung steht prinzipiell allen an der beruflichen Ausbildung von behinderten Menschen Beteiligten offen. Für die Weiterbildung werden die Inhalte der Ausbilder/ -innen-Eignungsverordnung sowie Ausbildungserfahrung vorausgesetzt.

E Rahmenregelung für Ausbildungs- regelungen für behinderte Menschen gemäß § 66 BBiG/§ 42m HwO

§ 6 Eignung der Ausbilder/Ausbilderinnen

(1) Ausbilderinnen/Ausbilder, die im Rahmen einer Ausbildung nach § 66 BBiG erstmals tätig werden, müssen neben der persönlichen, berufsspezifisch fachlichen sowie der berufs- und arbeitspädagogischen Eignung (AEVO u. a.) eine mehrjährige Erfahrung in der Ausbildung sowie zusätzliche behindertenspezifische Qualifikationen nachweisen.

(2) Anforderungsprofil Ausbilderinnen/Ausbilder müssen eine rehabilitations- pädagogische Zusatzqualifikation nachweisen und dabei folgende Kompetenzfelder abdecken:

  • Reflexion der betrieblichen Ausbildungspraxis
  • Psychologie
  • Pädagogik, Didaktik
  • Rehabilitationskunde
  • Interdisziplinäre Projektarbeit
  • Arbeitskunde/Arbeitspädagogik
  • Recht
  • Medizin

Um die besonderen Anforderungen des § 66 BBiG zu erfüllen, soll ein Qualifizierungsumfang von 320 Stunden sichergestellt werden.

(3) Von dem Erfordernis des Nachweises einer rehabilitationspädagogischen Zusatzqualifikation soll bei Betrieben abgesehen werden, wenn die Qualität der Ausbildung auf andere Weise sichergestellt ist. Die Qualität ist in der Regel sichergestellt, wenn eine Unterstützung durch eine geeignete Ausbildungseinrichtung erfolgt.

(4) Ausbilderinnen/Ausbilder, die im Rahmen einer Ausbildung nach § 66 BBiG/§ 42m HwO bereits tätig sind, haben innerhalb eines Zeitraumes von höchstens fünf Jahren die notwendigen Qualifikationen gemäß Absatz 2 nachzuweisen. Die Anforderungen an Ausbilderinnen/Ausbilder gemäß Absatz 2 gelten als erfüllt, wenn die behinderten spezifischen Zusatzqualifikationen auf andere Weise glaubhaft gemacht werden können.

Eine formale Prüfung – wie in Fortbildungsverordnungen – ist nicht vorgesehen bzw. nicht vorgeschrieben. Es ist jedoch ein Nachweis über behinderungsspezifische Qualifikationen (Zertifikat) zu erstellen, der den Kammern von den Absolventen/Absolventinnen vorgelegt werden kann. Dem jeweiligen Anbieter obliegt die konzeptionelle Umsetzung von ReZA sowie die Gestaltung der zeitlichen Abfolge und Form der Durchführung. Der Gesamtumfang beträgt entsprechend der Rahmenregelung 320 Stunden. Die Weiterbildung soll die berufliche Handlungskompetenz von Ausbilderinnen und Ausbildern in der Ausbildung von behinderten Menschen stärken und fördern.

Mit ReZA liegt nun eine Konkretisierung der in der Rahmenregelung postulierten Zusatzqualifikation und damit die für die Praxis erforderliche Orientierung vor. Ein weiterer Schritt auf dem Weg in die „qualifizierte Berufsausbildung für alle“ ist gemacht.

Musterregelungen für Fachpraktiker- und Fachpraktikerinnen-Berufe für behinderte Menschen

Das BIBB und der Ausschuss für Fragen behinderter Menschen (AFbM) haben unvermindert das Anliegen und den berufsbildungspolitischen Ansatz verfolgt, das eher begrenzte Spektrum an Berufsbereichen zu erweitern, die behinderten Menschen zur Qualifizierung auf der Grundlage von Ausbildungsregelungen tatsächlich offenstehen. Insbesondere jungen Frauen möchte man Alternativen zur „herkömmlichen“ Hauswirtschaft eröffnen. Hier kann die Erarbeitung von weiteren berufsspezifischen Musterregelungen Signalwirkung entfalten und sowohl Betriebe als auch die im Segment Ausbildungsregelungen relevanten Berufsbildungseinrichtungen wie insbesondere Berufsbildungswerke und Einrichtungen der wohnortnahen Rehabilitation ermuntern, Ausbildungsangebote in für die Personengruppe geeigneten, arbeitsmarktorientierten Berufsbereichen zu entwickeln. Da die berufsspezifischen Musterregelungen vom BIBB-Hauptausschuss beschlossen werden, bedarf es für diese Schritte der Bereitschaft und auch des Engagements der die Entscheidungsfindung im Hauptausschuss prägenden Sozialpartner. Die vom AFbM initiierte Voruntersuchung für den Berufsbereich Tierpflege/Fachrichtung Tierpension zielte darauf ab, auch eher „randständige“ Berufsbereiche, in denen die Zielgruppe ihre besonderen Stärken einbringen kann, in den Blick zu nehmen.

Bereits vom Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung verabschiedete Musterregelungen sind:

  • Fachpraktiker im Verkauf/ Fachpraktikerin im Verkauf
  • Fachpraktiker Hauswirtschaft/ Fachpraktikerin Hauswirtschaft
  • Fachpraktiker für Metallbau/ Fachpraktikerin für Metallbau
  • Fachpraktiker für Bürokommunikation/ Fachpraktikerin für Bürokommunikation
  • Fachpraktiker für Holzverarbeitung/ Fachpraktikerin für Holzverarbeitung
  • Fachpraktiker Küche (Beikoch)/ Fachpraktikerin Küche (Beiköchin)
  • Fachpraktiker für Zerspanungsmechanik/ Fachpraktikerin für Zerspanungsmechanik

Die von BIBB und AFbM getragene Entwicklung im Bereich der Fachpraktiker- und Fachpraktikerinnen- Berufe entspricht nicht nur dem Teilhabegebot des Grundgesetzes und dem Inklusionsgedanken der VNKonvention für Menschen mit Behinderungen (vgl. Vollmer 2011). Sie stellt in Zeiten – und im Zeichen – von demografischem Wandel und Fachkräftemangel auch ein zukunftsweisendes Vorgehen dar, bilden Fachpraktiker- und Fachpraktikerinnen-Ausbildungen doch ein Potenzial, das von Betrieben künftig stärker als bisher genutzt werden kann.

Handbuch Nachteilsausgleiche

Über die oben genannten speziellen Ausbildungsregelungen für behinderte Menschen darf aber nicht aus dem Auge verloren werden, dass primär in regulären Ausbildungsberufen ausgebildet werden sollte. Laut BBiG und HwO sollen die besonderen Belange behinderter Menschen – d. h. ihre behinderungsbedingten Einschränkungen – bei Durchführung und Prüfung der Ausbildung berücksichtigt werden. Um die Umsetzung des Nachteilsausgleichs zu befördern und die Kammern bei ihrem gesetzlichen Auftrag zu unterstützen, hat das BIBB ein Projekt zur Überarbeitung eines Handbuchs mit Fallbeispielen und Erläuterungen gestaltet. Auf Grundlage neuer Entwicklungen und Erkenntnisse und auch im Hinblick auf die VN-Konvention „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ wird das bisherige Handbuch vollständig überarbeitet und entsprechend der Zunahme psychischer Behinderungen ein besonderer Schwerpunkt gelegt.

(Kirsten Vollmer, Michael Heister)

Fußnoten

174 Siehe: die UN-Behindertenrechtskonvention

175 Eine umfassende Beschreibung dieser Problematik findet sich bei Pfahl/Powell 2010, S. 32 ff.

176 Einen Überblick über die Notwendigkeiten zur besseren Datenerfassung und mögliche Lösungen gibt eine „Vorstudie zur Neukonzeption des Behindertenberichtes“ (vgl. Hornberg/Schröttle 2011).

177 Maßnahmen zur Teilhabe behinderter Menschen 

178 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung § 19 – Behinderte Menschen (1) Behindert im Sinne dieses Buches sind Menschen, deren Aussichten, am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben, wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 des Neunten Buches nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind und die deshalb Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen, einschließlich lernbehinderter Menschen. (2) Behinderten Menschen stehen Menschen gleich, denen eine Behinderung mit den in Absatz 1 genannten Folgen droht.

179 Siehe hierzu: http://www.good-practice.de/zielgruppen_beitrag4821.php.

180 Siehe hierzu: http://www.bibb.de/dokumente/pdf/HA136.pdf.

Bibliografischer Hinweis

Internetversion des BIBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2013 - Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2013).

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