A1 Ausbildungsmarktbilanz
Die Entwicklung 2012 im Überblick
Der positive Trend der letzten Jahre auf dem Ausbildungsstellenmarkt geriet 2012 ins Stocken. Das ist ein Ergebnis der Ausbildungsmarktbilanz auf der Grundlage der Daten aus der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30. September 20121 in Verbindung mit den Daten aus der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit.
E Begriffe der Ausbildungsmarktbilanzierung
Zum offiziellen Ausbildungsplatzangebot eines Jahres werden zum einen die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge gerechnet, die das BIBB im Rahmen seiner Erhebung zum 30. September bei den zuständigen Stellen (= erfolgreich besetztes Angebot), und zum anderen die bei der Bundesagentur für Arbeit registrierten Berufsausbildungsstellen, die der Arbeitsverwaltung während des Berichtsjahres zur Vermittlung angeboten wurden und die am 30. September noch nicht besetzt waren (= erfolgloses Angebot).
Als Ausbildungsplatznachfrager gelten jene ausbildungsinteressierten Jugendlichen, die entweder einen neuen Ausbildungsvertrag abschlossen (und somit über die BIBB-Erhebung zum 30. September erfasst werden) oder aber zum Kreis der Ausbildungsstellenbewerber zählten, die auch noch am 30. September ihre Ausbildungsplatzsuche fortsetzten. Ausbildungsstellenbewerber, die sich im Laufe des Berichtsjahres für eine Alternative entschlossen (z. B. erneuter Schulbesuch, Studium, Erwerbstätigkeit, berufsvorbereitende Maßnahme) und am 30. September nicht mehr oder vorerst nicht mehr nach einer Berufsausbildungsstelle suchen, werden grundsätzlich nicht zu den Ausbildungsplatznachfragern gerechnet (d. h. auch dann nicht, wenn sie diese Alternative aufgrund erfolgloser Bewerbungen anstrebten).
Bei der statistischen Ermittlung der Höhe der Ausbildungsplatznachfrage sind darüber hinaus 2 Ansätze zu unterscheiden: Die traditionelle Berechnungsweise definiert den Kreis der erfolglosen Nachfrage sehr eng. Sie lässt all jene am 30. September noch suchenden Ausbildungsstellenbewerber unberücksichtigt, die über eine alternative Verbleibsmöglichkeit verfügen. Bei der neuen, erweiterten Berechnung sind diese Personen dagegen einbezogen. Die verschiedenen Berechnungsweisen der Ausbildungsplatznachfrage erklären zugleich die Ergebnisunterschiede der beiden Varianten zur Berechnung der Angebots-Nachfrage-Relation.
Die Angebots-Nachfrage-Relation (ANR) gibt wieder, wie viele Berufsausbildungsangebote rechnerisch auf 100 Ausbildungsplatznachfrager entfielen. Da 2 Berechnungsweisen zur Ermittlung der Ausbildungsplatznachfrage genutzt werden, gibt es auch 2 Varianten in der ANR- Berechnung.
Als Ausbildungsstellenbewerber werden jene ausbildungsinteressierten Jugendlichen bezeichnet, welche die Beratungs- und Vermittlungsdienste der Agenturen für Arbeit, der Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) und der zugelassenen kommunalen Träger (zkT) in Anspruch nehmen und deren Eignung für die von ihnen angestrebten Ausbildungsberufe geklärt ist. Die Ausbildungsstellenbewerber bilden zusammen mit den gemeldeten Berufsausbildungsstellen die zentralen Größen der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit.
Als Ausbildungsinteressierte gelten alle Jugendlichen, die entweder zu den erfolgreichen Ausbildungsplatznachfragern oder aber zumindest zu den registrierten Ausbildungsstellenbewerbern zählten. Es handelt sich somit um all jene Jugendlichen, die im Laufe eines Berichtsjahres den Wunsch nach einer Ausbildung geäußert hatten und institutionell erfasst wurden, sei es über die Eintragung ihrer Ausbildungsverhältnisse bei den zuständigen Stellen oder – sofern sie erfolglos blieben – im Rahmen ihrer Registrierung bei den Agenturen für Arbeit, den Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) oder den zugelassenen kommunalen Trägern (zkT). Die Zahl der institutionell erfassten ausbildungsinteressierten Personen wird rechnerisch ermittelt, indem zur Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge jene registrierten Ausbildungsstellenbewerber hinzugerechnet werden, die nach der Verbleibstatistik der Arbeitsverwaltung nicht in eine Berufsausbildungsstelle einmündeten.
Durch den rechnerischen Bezug der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge auf die Zahl der Ausbildungsinteressierten lässt sich die Einmündungsquote ausbildungsinteressierter Personen in duale Berufsausbildung (EQI) ermitteln. Sie informiert darüber, wie hoch der Anteil unter den ausbildungsinteressierten Jugendlichen ausfällt, der für eine duale Berufsausbildung tatsächlich auch gewonnen werden konnte (Ulrich 2012a, Ulrich 2012b).
Tabelle A1-1 Ausbildungsmarktentwicklung von 2009 bis 2012 (Stichtag 30. September)
Das Ausbildungsplatzangebot sank bundesweit um 14.500 bzw. 2,4 % auf 584.500 Plätze Tabelle A1-1. Die Ursachen sind im Wesentlichen in der nachlassenden Wirtschaftskonjunktur und im geringeren betrieblichen Ausbildungsangebot zu suchen (-10.000 bzw. -1,8 %), aber auch im Abbau außerbetrieblicher Ausbildungsplätze (-4.600 bzw. -15,0 %). Rückläufig war jedoch auch die Ausbildungsplatznachfrage: Sie nahm bundesweit um 14.200 Personen bzw. 2,2 % auf nunmehr 627.300 ab. Maßgeblich für diese Entwicklung war vor allem die demografische Entwicklung (vgl. Kapitel A1.1).
Da das sinkende Ausbildungsangebot von einer sinkenden Nachfrage begleitet wurde, reduzierten sich die Ausbildungschancen der Jugendlichen nur in geringem Umfang. Standen 2011 rechnerisch noch 93,4 Ausbildungsplatzangebote 100 Ausbildungsplatznachfragern gegenüber, waren es 2012 93,2 Angebote.2 Bezogen auf die rein betrieblichen Angebote verbesserte sich die Angebots-Nachfrage- Relation (ANR) sogar leicht und lag mit einem Wert von ANR = 89,1 höher als im Jahr 2011 (88,6).
Sinkendes Angebot und sinkende Nachfrage führten 2012 jedoch dazu, dass in Deutschland lediglich 551.300 Ausbildungsverträge abgeschlossen wurden (vgl. Kapitel A1.2). Einen ähnlich niedrigen Wert gab es seit der Wiedervereinigung nur noch im Jahr 2005. Die geringe Zahl kam auch deshalb zustande, weil es 2012 schwieriger wurde, die Ausbildungsplatzangebote der Betriebe und die Ausbildungswünsche der Jugendlichen regional und beruflich zusammenzuführen.
So nahm, ungeachtet des insgesamt sinkenden Ausbildungsplatzangebots, die Zahl der am 30. September noch unbesetzten Stellen um 3.600 bzw. 12,1 % auf 33.300 zu. Die Quote der betrieblichen Ausbildungsplätze, die nicht besetzt werden konnten, stieg – bezogen auf das betriebliche Angebot – auf 6,0 %.3 Ein ähnlich hoher Wert wurde zuletzt 1996 registriert. Im Handwerk war es besonders schwierig, Bewerber für die angebotenen Lehrstellen zu finden. 10.500 Ausbildungsplätze waren zum Stichtag 30. September bundesweit noch ungenutzt, 3 Jahre zuvor waren es nur 4.700 gewesen. Der Anteil der erfolglosen Ausbildungsangebote lag – wiederum bezogen auf das betriebliche Angebot – im Handwerk bundesweit bei 7,1 %, im Osten sogar bei 9,0 %.
Doch nicht nur die Zahl der noch offenen Lehrstellen vergrößerte sich. Es waren zugleich auch mehr Ausbildungsstellenbewerber zum Stichtag 30. September weiterhin auf Ausbildungsplatzsuche: Ihre Zahl umfasste 76.000 Personen, 3.900 bzw. 5,4 % mehr als im Vorjahr (vgl. Kapitel A1.3). Somit wurden für 12,1 % aller 627.300 Ausbildungsplatznachfrager die Vermittlungsbemühungen auch noch zum Stichtag 30. September fortgesetzt.
Für die Sicherung des Fachkräftenachwuchses stellen die negative demografische Entwicklung und Passungsprobleme zwischen Angebot und Nachfrage die Herausforderungen der kommenden Jahre dar. Im Jahr 2013 wird der seit 2007 zu beobachtende Trend sinkender Schulabgängerzahlen kurzfristig unterbrochen – auch deshalb, weil im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen und in Hessen doppelte Abiturientenjahrgänge ihre Schulzeit beenden. Ab 2014 wird sich der Negativtrend bei den Schulabgängerzahlen jedoch weiter fortsetzen. Davon betroffen wird im Wesentlichen Westdeutschland sein. In Ostdeutschland hat sich die Zahl der Jugendlichen, die ihre Schulzeit beenden, nach den beträchtlichen Einbrüchen der letzten Jahre wieder stabilisiert und wird in nächster Zeit auf niedrigem Niveau verharren (vgl. Kapitel A2).