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DATENREPORT ZUM BERUFSBILDUNGSBERICHT 2011

A4.8 Vorzeitige Lösung von Ausbildungsverträgen

Begonnene Ausbildungsverhältnisse werden nicht immer erfolgreich abgeschlossen. Endgültig nicht bestandene Abschlussprüfungen oder vorzeitige Vertragslösungen können zu einem Ende des Ausbildungsverhältnisses ohne erworbenen Berufsabschluss führen. Der Ausbildungsvertrag kann von dem / der Auszubildenden, dem Ausbildungsbetrieb oder in beiderseitigem Einvernehmen aufgelöst werden. Die Gründe für Vertragslösungen sind vielfältig und mitunter komplex. Sie reichen von Betriebsschließungen und gesundheitlichen Gründen, revidierten Berufswahlentscheidungen bis hin zu Konflikten zwischen Ausbildern und Auszubildenden (vgl. Bohlinger 2003; Schöngen 2003). Eine Form der Vertragslösung ist die Kündigung des Vertrags. Nach § 22 BBiG kann ein Ausbildungsverhältnis während der Probezeit (maximal 4 Monate) von beiden Seiten jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Nach Ablauf der Probezeit kann eine ordentliche Kündigung nur noch durch die Auszubildenden erfolgen; die Auflösung des Vertrags durch den Ausbildungsbetrieb ist – in Anbetracht der besonderen Bedeutung des Ausbildungsverhältnisses für die berufliche Entwicklung – nur bei Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ möglich. An diesen sind umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger das Ausbildungsverhältnis bereits bestanden hat (Bundesarbeitsgericht v. 10.05.1973, 2 AZR 328 / 72).

Vorzeitig gelöste Verträge sind dabei jedoch keinesfalls mit einem endgültigen Ausbildungsabbruch gleichzusetzen. Etwa die Hälfte der Auszubildenden mit gelöstem Ausbildungsvertrag, so ergab eine Studie zu Vertragslösungen und Ausbildungsab brüchen aus dem Jahre 2002, schließt erneut einen Ausbildungsvertrag ab und bleibt dem dualen System damit erhalten (vgl. Schöngen 2003, S. 37).

Zwar sind Vertragslösungen nicht gänzlich vermeidbar und können durchaus notwendig und sinnvoll sein (vgl. Bessey / Backes-Gellner 2008), dennoch erscheinen Bemühungen zur Vermeidung von vorzeitigen Vertragslösungen aus verschiedenen Gründen erforderlich. 141 Vertragslösungen bedeuten immer auch einen Ressourcenverlust und können stark demotivierende Effekte zur Folge haben; im schlimmsten Fall führen sie zum Ausstieg aus der Bildungsbeteiligung sowohl des Jugendlichen als auch des Ausbildungsbetriebs (vgl. Jasper u. a. 2009). Auch angesichts der demografischen Entwicklung wird eine Senkung der Lösungsquote auch als strategischer Ansatz für eine bessere Ausschöpfung des Ausbildungspotenzials diskutiert (vgl. Ulmer / Ulrich 2008).

E Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge (kurz: Vertragslösungen) der Berufsbildungsstatistik

Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge sind definiert als vor Ablauf der im Berufsausbildungsvertrag genannten Ausbildungszeit gelöste Ausbildungsverträge. Eine Form142 der vorzeitigen Auflösung eines Berufsausbildungsverhältnisses stellt dabei die Kündigung von Ausbildungsverträgen dar. Sie wird im Berufsbildungsgesetz explizit geregelt. „§ 22 BBiG Kündigung

(1) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden.
(2) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden 1. aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist, 2. von Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen.
(3) Die Kündigung muss schriftlich und in den Fällen des Absatzes 2 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen.
(4) Eine Kündigung aus einem wichtigen Grund ist unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind. Ist ein vorgesehenes Güteverfahren vor einer außergerichtlichen Stelle eingeleitet, so wird bis zu dessen Beendigung der Lauf dieser Frist gehemmt.“

In der Berufsbildungsstatistik (vgl. in Kapitel A4.2.1 und in Kapitel A4.3) werden als Vertragslösungen grundsätzlich nur solche Verträge erfasst, die tatsächlich angetreten wurden. Bereits vor dem Beginn der Ausbildung gelöste Ausbildungsverträge gehen somit nicht in die Meldungen ein.

In der Aggregatstatistik wurden bis 2006 jeweils für das Kalenderjahr (= Berichtsjahr) sowohl die Summe der gelösten Verträge als auch die Differenzierung der Vertragslösungen nach Ausbildungsjahren erhoben (Lösung fand im 1., 2., 3. oder 4. Ausbildungsjahr statt). Zusätzlich wurde erfasst, bei wie vielen dieser Lösungen es sich um Lösungen in der Probezeit handelt.

Revision der Berufsbildungsstatistik ab Berichtsjahr 2007

Seit der Umstellung auf eine Individualdatenerfassung wird für jeden gemeldeten Ausbildungsvertrag erhoben, ob er gelöst wurde oder nicht. Das jeweilige Ausbildungsjahr sowie das Vorliegen einer Probezeitlösung kann nach den vorliegenden Daten errechnet werden. Die Individualdaten ermöglichen es überdies, die Zahl der gelösten Verträge und die Vertragslösungsquote nach allen in der Berufsbildungsstatistik erhobenen Variablen auszuwerten (z. B. Lösungsquoten differenziert nach Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Schulabschluss der Auszubildenden).

Die Umsetzung der umfassenden Neuerungen der Berufsbildungsstatistik ist in den ersten Jahren nicht ohne größere Meldeprobleme erfolgt143, die insbesondere auch die Lösungsdaten betrafen. Deshalb wurden im Jahr 2007 keine Lösungsdaten veröffentlicht, und auch für die Daten des Berichtsjahres 2008 wurden noch keine neuen Auswertungsmöglichkeiten der Berufsbildungsstatistik umgesetzt. Im Berichtsjahr 2009 sind zwar noch nicht alle Meldeprobleme behoben (siehe hierzu Tabelle A4.8-2), die Datenlage hat sich jedoch deutlich verbessert.

Zu beachten ist weiterhin, dass Vertragslösungen nicht mit Ausbildungsabbrüchen gleichzusetzen sind. Ein Großteil der Jugendlichen mit gelöstem Ausbildungsvertrag schließt erneut einen Ausbildungsvertrag im dualen System ab. Im Rahmen der Berufsbildungsstatistik wird keine feste Personennummer (die über alle Jahre hinweg gleichbleibend ist) erfasst. Deshalb liegen auch nach der Revision der Berufsbildungsstatistik keine echten Verlaufsdaten vor; der Verbleib der Auszubildenden mit gelöstem Vertrag kann auf Basis der Berufsbildungsstatistik nicht nachgezeichnet werden (vgl. Uhly 2006, S. 58).

Im Folgenden wird das Vertragslösungsgeschehen 2009 auf Basis der Daten der Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länder (vgl. in Kapitel A4.2.1 und in Kapitel A4.3) dargestellt. Auf eine Betrachtung der Vertragslösungen im längerfristigen Zeitverlauf wird hier verzichtet (siehe hierzu BIBB-Datenreport 2010, Kapitel A5.7), zum einen, da seit der Umstellung der Berufsbildungsstatistik Meldeprobleme insbesondere auch bezüglich der Vertragslösungsdaten aufgetreten sind, die eine Vergleichbarkeit der Daten im Zeitverlauf mindern; zum anderen, da hier der Schwerpunkt auf neue Möglichkeiten der Auswertung auf Basis der Individualdaten der Berufsbildungsstatistik gelegt wird. Die Umstellung der Berufsbildungsstatistik auf eine Individualdatenerfassung ermöglicht eine exaktere Berechnung der Vertragslösungsquote nach dem Schichtenmodell. Zudem können Lösungsquoten nun auch getrennt für verschiedene Personengruppen von Auszubildenden berechnet werden.

Im Berichtsjahr 2009 wurden bundesweit 141.360 Verträge gelöst. Der größte Teil der gelösten Ausbildungsverträge wird innerhalb des ersten Jahres nach Beginn des Ausbildungsvertrages gelöst. 61,8 % aller Vertragslösungen fielen 2009 in den Zeitraum der ersten 12 Monate nach Ausbildungsbeginn, 30,2 % wurden noch während der ersten 4 Monate (Probezeit) gelöst und 31,6 % zwischen dem fünften und zwölften Monat Tabelle A4.8-1. Auch in das zweite Jahr nach Vertragsbeginn fällt mit 27,0 % noch ein großer Anteil der Lösungen; 11,2 % der Lösungen erfolgten zu einem späteren Zeitpunkt. Im Zuständigkeitsbereich freie Berufe finden die Lösungen überproportional häufig früh statt; 42,6 % aller Lösungen in diesem Bereich fallen in die Probezeit. Auch in den Berufen des öffentlichen Dienstes fällt der Anteil der Lösungen in der Probezeit an allen Lösungen noch überproportional hoch aus. In der Hauswirtschaft treten Lösungen noch in vergleichsweise starkem Maße zu späteren Zeitpunkten der Ausbildung auf; knapp 20 % der Lösungen werden später als 2 Jahre nach Beginn des Ausbildungsvertrages gelöst.

Tabelle A4.8-1: Vorzeitige Vertragslösungen nach Zuständigkeitsbereichen1 und Zeitpunkt der Lösung2 (absolut und in %3), Bundesgebiet 2009

Tabelle A4.8-1

Neuberechnung der Vertragslösungsquote nach dem Schichtenmodell

Die Vertragslösungsquote gibt den Anteil der Vertragslösungen an den begonnenen Ausbildungsverhältnissen wieder. Die Berechnung der Lösungsquote durch das BIBB erfolgt nach einem sogenannten Schichtenmodell. Auf Basis der früheren Aggregatdaten der Berufsbildungsstatistik konnte die Lösungsquote nur näherungsweise berechnet werden. Seit der Revision der Berufsbildungsstatistik werden die erforderlichen Angaben erfasst, sodass sich nun die Lösungsquote exakter berechnen lässt (zum Vergleich von alter und neuer Berechnungsweise). Nachdem bei den Auszubildendendaten im Berichtsjahr 2009 schwerwiegendere Umsetzungsprobleme der revidierten Berufsbildungsstatistik überwunden sind, wird die Neuberechnung der Vertragslösungsquote nun umgesetzt. Im Folgenden werden alle Lösungsquoten nach der neuen Berechnungsweise ermittelt.

E Berechnung der Lösungsquote nach dem Schichtenmodell des BIBB

Das BIBB berechnet die Lösungsquoten als Anteil der vorzeitigen Vertragslösungen an allen begonnenen Ausbildungsverträgen. Zu Letzteren werden dabei die Neuabschlüsse und jene begonnenen Ausbildungsverträge gezählt, die bis zum 31. Dezember des betreffenden Jahres wieder gelöst wurden. Zwar werden im jeweiligen Ausbildungsjahr alle gelösten Ausbildungsverträge einbezogen (nicht nur die der im Berichtsjahr begonnenen Verträge), doch würde die Berechnung bezogen auf die Bestandszahl an Auszubildenden das faktische Ausmaß an Lösungen unterschätzen. Denn im Bestand sind aus den in den Vorjahren begonnenen Ausbildungsverträgen nur noch die Verträge enthalten, die nicht gelöst wurden.

Berechnet man die Lösungsquote als Anteil an den begonnenen Verträgen, kann die Lösungszahl eines Jahres jedoch nicht einfach in Relation zur Zahl der begonnenen Verträge des betrachteten Jahres gesetzt werden. Denn die gelösten Verträge stammen aus unterschiedlichen Beginnjahrgängen. Insbesondere wenn man die Lösungsquote für einzelne Berufe oder Berufsgruppen berechnet, ist zu beachten, dass die Größe der Beginnjahrgänge von Jahr zu Jahr deutlich schwanken kann.

Deshalb berechnet das BIBB die Lösungsquote als Schichtenmodell, indem die Lösungen des aktuellen Berichtsjahres differenziert werden nach dem jeweiligen Jahr des Beginns des gelösten Ausbildungsvertrages. Es werden Teilquoten für die einzelnen Beginnjahre berechnet, die dann zur Lösungsquote summiert werden. Die so berechnete Quote kann interpretiert werden als die näherungsweise Berechnung des Anteils der gelösten Ausbildungsverträge an den im Berichtsjahr begonnenen Ausbildungsverträgen.144

Die Vertragslösungsquote liegt im Berichtsjahr 2009 bei 22,1 % Tabelle A4.8-2. Im Vergleich zur Studien abbruchquote von Studierenden deutscher Hochschulen, die im Jahr 2008 24 % betrug (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2010, S. 128 f.; vgl. auch Heublein u. a. 2010), fällt die Vertragslösungsquote vergleichsweise moderat aus. Insbesondere da auch zu berücksichtigen ist, dass ca. 50 % der Auszubildenden mit gelöstem Vertrag die duale Ausbildung noch fortsetzen (also keine endgültigen Ausbildungsabbrecher / -innen darstellen) und dass die Studienabbruchquote dagegen nur den Anteil der deutschen Studienanfänger angibt, die überhaupt kein Studium abschließen.145

E Alte und neue Berechnungsweise des Schichtenmodells im Vergleich

Berechnung auf Basis der Individualdaten (ab Berichtsjahr 2009)

Folgende Formel stellt die Berechnung der Lösungsquote für das Berichtsjahr 2009 nach der neuen Berechnungsweise auf Basis der Individualdaten der Berufsbildungsstatistik dar:

Die Lösungen werden nach dem Vertragsbeginn differenziert und auf die Anzahl der begonnenen Ausbildungsverträge mit entsprechendem Beginndatum bezogen. Da vor 2007 noch keine Individualdaten mit entsprechenden Differenzierungsmöglichkeiten vorlagen, können nur drei Teilquoten berechnet werden. Die Verträge mit Lösungen in 2009, die 2007 oder früher begonnen hatten, werden deshalb in Relation zu den begonnenen Ausbildungsverträgen des Jahres 2007 gesetzt.

Abbildung: Formel

Frühere Berechnung auf Basis der Aggregatdaten (fortgeführt bis Berichtsjahr 2008)146

Da die frühere Aggregatstatistik nur für die Neuabschlüsse (die bis zum 31. Dezember nicht wieder gelöst wurden) das Beginnjahr erfasste, lag diese Information weder für die gelösten Verträge vor, noch konnte die Anzahl der begonnenen Ausbildungsverträge genau ermittelt werden. Vielmehr mussten stellvertretend andere Variablen herangezogen werden. Erfasst waren die Lösungen differenziert nach dem Ausbildungsjahr (1., 2., 3. oder 4. Ausbildungsjahr). Man musste die Annahme treffen, dass die Verträge, die im 1. Ausbildungsjahr im aktuellen Berichtsjahr gelöst wurden, im aktuellen Berichtsjahr begannen; die, die im 2. Ausbildungsjahr gelöst wurden, im Vorjahr begannen usw. Außerdem hat man angenommen, dass sich die Zahl der begonnenen Ausbildungsverträge aus der Summe der Neuabschlüsse und der Summe der Lösungen in der Probezeit ergibt.

Folgende Formel stellt die Berechnung der Lösungsquote für das Berichtsjahr 2009 nach der früheren, auf Aggregatdaten basierenden Berechnungsweise dar:

Abbildung: Formel

„AJ“= Ausbildungsjahr; „NeuabKorr“= Neuabschlüsse + Lösungen in der Probezeit

Diese Quotenberechnung ist deshalb problematisch, da – wie sich jetzt auf Basis der Individualdaten zeigt – ein Großteil (ca. 50 %) der im 1. Ausbildungsjahr gelösten Verträge nicht im aktuellen Jahr begannen, sondern im Vorjahr; bei einem Großteil der in 2009 im 2. Ausbildungsjahr gelösten Verträge war das Beginnjahr nicht 2008 usw. Diese Zuordnung der Lösung zum Jahr des Beginns basierend auf den Angaben zum Ausbildungsjahr, in dem der Vertrag gelöst wurde, war demnach als Näherung problematisch. Die Berechnung der begonnenen Verträge als Summe aus den Neuabschlüssen und der Lösungen in der Probezeit dagegen waren als näherungsweise Berechnung tragfähiger.

Die Lösungsquote variiert deutlich zwischen den Zuständigkeitsbereichen und Ländern Tabelle A4.8-2. In den Berufen des Handwerks zeigt sich mit 27,7 % die höchste durchschnittliche Lösungsquote. Eine extrem niedrige durchschnittliche Lösungsquote von nur 5 % ergibt sich lediglich in den Berufen des Zuständigkeitsbereichs öffentlicher Dienst. In allen anderen Zuständigkeitsbereichen liegt sie bei 19 % bis 23 %. Auch zwischen den Ländern unterscheiden sich die Lösungsquoten, sie reichen von durchschnittlich 18,3 % in Baden- Württemberg bis hin zu 30,2 % in Mecklenburg-Vorpommern. Insgesamt fallen die Lösungsquoten in Ostdeutschland höher aus; allerdings liegen sie auch in Schleswig-Holstein, im Saarland, in Rheinland-Pfalz und Hamburg bei über 24 %. Die auffallend niedrigen Werte in der Land- und / oder Hauswirtschaft in den Ländern Bayern, Bremen, Hamburg und Sachsen sind mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auf Meldefehler zurückzuführen und dürften auf eine deutliche Untererfassung zurückzuführen sein. Da beide Bereiche, gemessen an allen begonnenen Ausbildungsverträgen, vergleichsweise klein ausfallen, verzerren diese Fehlmeldungen die Lösungsdaten insgesamt nur in geringem Maße.

Seit der Revision der Berufsbildungsstatistik ist eine Differenzierung von Lösungen und Lösungsquoten nach allen erfassten Merkmalen der Berufsbildungsstatistik möglich. Erstmals lassen sich damit neben berufsspezifischen und regionalen Lösungsquoten auch personengruppenspezifische Quoten berechnen; zudem können nun auch Zusammenhänge zwischen verschiedenen berufs-, personenbezogenen und regionalen Variablen einerseits sowie der „Lösungswahrscheinlichkeit“ andererseits betrachtet werden.

Tabelle A4.8-2: Vertragslösungsquoten (in %) der begonnenen Ausbildungsverträge1 nach Zuständigkeitsbereichen2 und Ländern 2009

Tabelle A4.8-2

Lösungsquoten nach Geschlecht und Staatsangehörigkeit

Wie auch nach der näherungsweisen Berechnung früherer Berichtsjahre zeigt sich im Berichtsjahr 2009, dass die Lösungsquote der mit Frauen abgeschlossenen Ausbildungsverträge mit durchschnittlich 22,9 % insgesamt etwas höher ausfällt als die der Männer (21,5 %) Tabelle A4.8-3. Bei den Frauen finden die Lösungen häufiger zu einem früheren Zeitpunkt statt (während der Probezeit bzw. im 1. Jahr nach Ausbildungsbeginn) als bei den Männern. Im Vergleich zu den Männern ergeben sich höhere Lösungsquoten der Frauen in den Zuständigkeitsbereichen Industrie und Handel sowie insbesondere in der Landwirtschaft und im Handwerk. In den Ausbildungsberufen der Hauswirtschaft, der freien Berufe und des öffentlichen Dienstes fallen die Lösungsquoten der Frauen niedriger aus als die der Männer. Auffallend ist, dass die Lösungsquoten der Frauen in jenen Zuständigkeitsbereichen besonders hoch ausfallen, in denen Frauen weniger stark vertreten sind; umgekehrt fallen die Lösungsquoten der Männer in den Zuständigkeitsbereichen vergleichsweise hoch aus, in denen der Männeranteil an allen Auszubildenden geringer ausfällt.147, 148 

Deutliche Unterschiede in den Lösungsquoten zeigen sich auch bei den Verträgen der Auszubildenden mit deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit Tabelle A4.8-3. Von den Ausbildungsverträgen der ausländischen Auszubildenden werden im Durchschnitt 27,4 % vorzeitig gelöst, von den Ausbildungsverträgen der Auszubildenden mit deutschem Pass nur 21,8 %; höhere Lösungsquoten bei den ausländischen Auszubildenden ergeben sich in nahezu allen Zuständigkeitsbereichen. Die Abstände fallen in der Landwirtschaft, in Industrie und Handel sowie im Handwerk am höchsten aus. Gering bis sehr gering sind die Unterschiede zwischen beiden Gruppen dagegen im öffentlichen Dienst und bei den freien Berufen. In der Hauswirtschaft liegt die Quote bei den Verträgen der Ausländer sogar unter der Lösungsquote der Deutschen. Teilweise sind die Unterschiede in den Lösungsquoten zwischen deutschen und ausländischen Auszubildenden auch auf Unterschiede hinsichtlich des höchsten allgemeinbildenden Schulabschlusses zurückzuführen.

Lösungsquoten nach allgemeinbildendem Schulabschluss

Bei der Betrachtung der Lösungsquoten nach allgemeinbildendem Schulabschluss (vgl. Kapitel A4.6.2) zeigt sich deutlich, dass die Lösungsquote umso höher ausfällt, je niedriger der allgemeinbildende Schulabschluss der Auszubildenden ist Tabelle A4.8-3. So weisen Auszubildende ohne Hauptschulabschluss mit 36,3 % eine nahezu dreimal höhere Lösungsquote auf als Studienberechtigte (12,9 %). Bei den Verträgen der Auszubildenden mit Hauptschulabschluss beträgt die Lösungsquote 30,8 %, die Verträge von Auszubildenden mit Realschulabschluss werden zu 19,6 % vorzeitig gelöst. Diese Rangfolge der Abschlussgruppen ergibt sich mit Ausnahme der Hauswirtschaft innerhalb aller Zuständigkeitsbereiche.

Obwohl die Lösungsquoten im Zuständigkeitsbereich Industrie und Handel insgesamt leicht unterdurchschnittlich ausfallen, ergeben sich hier bei den Verträgen der Auszubildenden mit maximal Hauptschulabschluss sogar etwas höhere Quoten als im Zuständigkeitsbereich Handwerk. Für die Ausbildungsverträge der Jugendlichen mit mindestens Realschulabschluss gilt jedoch, dass die Lösungsquoten jeweils im Handwerk und in den freien Berufen am höchsten ausfallen. In den Ausbildungsberufen des öffentlichen Dienstes fallen die Lösungsquoten in allen Schulabschlussgruppen deutlich unterdurchschnittlich aus.

Tabelle A4.8-3: Vertragslösungsquoten (in %) der begonnenen Ausbildungsverträge1 nach Zuständigkeitsbereichen2 und Ländern 2009

Tabelle A4.8-3

Lösungsquoten in Ausbildungsberufen

Die Lösungsquoten variieren deutlich zwischen den einzelnen Ausbildungsberufen Tabelle A4.8-4. Betrachtet man die Berufe149 mit den jeweils höchsten und niedrigsten Lösungsquoten, ergeben sich weitgehend übereinstimmende Ergebnisse gegenüber den Vorjahren. Unter den Berufen mit sehr hohen Lösungsquoten von 38,8 % bis 44,0 % sind vor allem die Berufe des Hotel- und Gaststättengewerbes (Koch / Köchin, Restaurantfachmann / -frau, Fachkraft im Gastgewerbe) sowie weitere primäre Dienstleistungsberufe150 (Fachkraft für Schutz und Sicherheit, Kosmetiker / -in, Berufskraftfahrer / -in und Gebäudereiniger / -in) vertreten. Dagegen weisen neben den Ausbildungsberufen des Zuständigkeitsbereichs öffentlicher Dienst vor allem sekundäre Dienstleistungsberufe (Technische / -r Produktdesigner / -in, Kaufmann / -frau für Verkehrsservice, Bankkaufmann / -frau und Biologielaborant / -in) mit 3,0 % bis 6,5 % sehr niedrige Lösungsquoten auf.

Betrachtet man die 20 am stärksten besetzten Ausbildungsberufe des dualen Systems Tabelle A4.8-5, die zusammen mehr als die Hälfte aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge umfassen, so zeigt sich auch hier die große Bandbreite an Lösungsquoten von unter 5 % bis über 40 %. In den meisten dieser Berufe ist die Lösungsquote der Verträge von Frauen geringer als die der Männer, obwohl die Lösungsquote bei den Frauen im Gesamtdurchschnitt etwas höher ausfällt als bei den Männern. Die Ausbildungsverträge ausländischer Auszubildender werden in nahezu allen dieser 20 Berufe zu größeren Anteilen gelöst als die der Auszubildenden mit deutschem Pass.

Bei diesen bivariaten Befunden ist jedoch zu beachten, dass eine höhere Lösungsquote bei einer bestimmten Personengruppe nicht bedeutet, dass diese Personen in stärkerem Maße Verträge lösen, die Ausbildung oder den Ausbildungsbetrieb wechseln oder gar gänzlich die Berufsausbildung abbrechen würden. Ebenso wenig kann man schlussfolgern, dass Ausbildungsbetriebe grundsätzlich eher die Ausbildungsverträge mit diesen Jugendlichen lösten. Zum einen erfasst die Berufsbildungsstatistik nicht, von welcher Seite der Vertragspartner die Lösung ausging und was der Grund für die Lösung war. Zum anderen sind die Zusammenhänge komplex. Lösungen können bei einer Personengruppe hoch ausfallen, weil sie stärker in Ausbildungsberufen, Betrieben oder Regionen mit hohen Lösungsquoten zu finden sind. Zum anderen können die Lösungsquoten in Berufen höher oder niedriger ausfallen, weil Personen mit geringerer Lösungswahrscheinlichkeit in diesen Berufen zu finden sind oder weil sie in Betrieben, Branchen oder Regionen mit geringeren Lösungsquoten vorzufinden sind. Zur Klärung dieser Zusammenhänge besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf (vgl. Jasper u. a. 2009). Teilweise sind hierzu Forschungsprojekte mit eigenen Datenerhebungen zu den spezifischen Fragestellungen (Primärerhebungen) erforderlich. Teilweise kann man nun – nach verbesserter Datenlage – die Individualdaten der Berufsbildungsstatistik auswerten. Solche Sekundäranalysen werden derzeit im BIBB durchgeführt; diese Arbeiten stehen jedoch noch in den Anfängen. Erste Ergebnisse multivariater Zusammenhangsanalysen auf Basis der Individualdaten der Berufsbildungsstatistik bestätigen eine höhere „Lösungswahrscheinlichkeit“ bei älteren Auszubildenden, bei Jugendlichen, die zuvor bereits einmal einen Ausbildungsvertrag gelöst haben, im Handwerk, in Regionen mit einer höheren Arbeitslosenquote, bei Ausbildungsverträgen von Frauen, in primären Dienstleistungsberufen und bei Auszubildenden mit maximal Hauptschulabschluss; in geringerem Maße ist die „Lösungswahrscheinlichkeit“ auch bei den Ausbildungsverträgen ausländischer Auszubildender151 und in den freien Berufen erhöht. In diesen Modellen wurden verschiedene berufs-, personenbezogene und regionale Variablen aufgenommen, wobei die soeben genannten Effekte unter Kontrolle aller berücksichtigten Variablen bestätigt wurden.

(Alexandra Uhly, Naomi Gericke)

Tabelle A4.8-4: Ausbildungsberufe1 mit den höchsten und niedrigsten Vertragslösungsquoten in %2, Bundesgebiet 2009

Tabelle A4.8-4

Tabelle A4.8-5: Vertragslösungsquoten (in %)1 in den 20 am stärksten besetzten dualen Ausbildungsberufen, Bundesgebiet 2009

Tabelle A4.8-5

Fußnoten

141 Siehe hierzu z. B. die JOBSTARTER-Initiative VerA: http://www.jobstarter.de/de/1760.php.

142 Weitere Fälle vorzeitiger Vertragslösung können sein: der Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen; das Schließen eines gerichtlichen Vergleichs, der eine Aufhebung zum Gegenstand hat; die Anfechtung des Ausbildungsvertrags, z. B. wegen Irrtums oder wegen Täuschung nach §§ 119 ff. BGB; der Tod des Auszubildenden (nicht der Tod des Ausbildenden, da dann in der Regel dessen Rechtsnachfolger Ausbilder wird); die tatsächliche Beendigung wegen Fernbleibens von der Ausbildung oder wegen unterlassener Ausbildung.

143 Siehe hierzu http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_dazubi_berichtsjahre.pdf.

144 Zur detaillierten Beschreibung des Schichtenmodells und dessen Interpretation siehe http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_dazubi_daten.pdf.

145 Fach- und Hochschulwechsel, die zu einem Abschluss führen, bedeuten also keinen Studienabbruch.

146 Die Wahl des Schichtenmodells und dessen Umsetzung auf Basis der Aggregatdaten wird von Werner (2003) erläutert; in diesem Sammelband findet man außerdem eine Diskussion weiterer Modelle zur Berechnung von Vertragslösungsquoten.

147 Hierbei ist allerdings zu beachten, dass Vertragslösungen auch bei einem Wechsel von einem öffentlich finanzierten in ein betrieblich finanziertes Berufsausbildungsverhältnis auftreten können. Zumindest aus Brandenburg liegen entsprechende Hinweise vor.

148 In den Bereichen Landwirtschaft und Handwerk sind mehr als 70 % aller Auszubildenden Männer. In den Bereichen öffentlicher Dienst, freie Berufe und Hauswirtschaft beträgt der Frauenanteil 65 % bis 95 % (vgl. Kapitel A4.2.1). Auf Basis der Betrachtung von Lösungsquoten bei einzelnen (männlich bzw. weiblich dominierten) Ausbildungsberufen weist auch Huth (2000, S. 37 f.) auf einen solchen Zusammenhang hin.

149 Einbezogen wurden Ausbildungsberufe mit mindestens 300 neu abgeschlossenen Verträgen im Jahre 2009.

150 Zur Unterscheidung von primären und sekundären Dienstleistungsberufen sowie Fertigungsberufen siehe Kapitel A4.4.

151 Die Einflussgröße (Effektkoeffizient) der Staatsangehörigkeit geht im multivariaten Modell stark zurück.

Bibliographischer Hinweis

Internetversion des BIBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2011 - Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2011).

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