A4.3 Neuabschlüsse in der Berufsbildungsstatistik (Erhebung zum 31.12.)
Mit der Revision der Berufsbildungsstatistik durch das Berufsbildungsreformgesetz (BerBiRefG) wurden neben der Umstellung auf eine Individualdatenerfassung auch zusätzliche Merkmale eingeführt . Im Folgenden wird zum einen eine Übersicht über die Neuabschlüsse 2009 nach ausgewählten neuen Merkmalen gegeben, und zum anderen wird ein Abgrenzungsversuch von „wirklichen“ Ausbildungsanfängern und anderen Arten von Neuabschlüssen vorgenommen.
E Neue Merkmale der Berufsbildungsstatistik
Folgende neue Merkmale werden seit dem Berichtsjahr 2007 im Rahmen der Berufsbildungsstatistik erfasst:
- Teilzeitberufsausbildungsverhältnisse
- Finanzierungsart (überwiegend öffentliche vs. betriebliche
Finanzierung)
- vorherige Berufsausbildung der Auszubildenden
- Anschlussverträge (werden aus den erfassten Angaben
zur vorherigen Berufsausbildung sowie zu Beginn und
Ende des Ausbildungsvertrages ermittelt)
- Monat und Jahr ausbildungsrelevanter Ereignisse
(Beginn, Lösung, Prüfung, Ende)
- Wirtschaftszweig der Ausbildungsstätte*82
- Ort der Ausbildungsstätte*
- Zugehörigkeit der Ausbildungsstätte zum öffentlichen
Dienst* (vgl. Kapitel A4.2.1)
- allgemeinbildender Schulabschluss* (vgl. Kapitel A4.6.2)
- Maßnahmen der Berufsvorbereitung oder beruflichen
Grundbildung* (vgl. Kapitel A4.6.1)
Der allgemeinbildende Schulabschluss sowie vorherige Maßnahmen der Berufsvorbereitung und -grundbildung sind zwar nicht gänzlich neue Merkmale der Berufsbildungsstatistik, sie stellen eine Modifikation und Erweiterung der früheren Erfassung der schulischen Vorbildung der Jugendlichen mit Neuabschluss dar.
In den ersten Jahren der Umstellung der Berufsbildungsstatistik wurden die Neuerungen in der Praxis der Datenmeldung und -erfassung noch nicht voll umgesetzt. Deshalb wurden für das Berichtsjahr 2007 – mit Ausnahme des allgemeinbildenden Schulabschlusses – keine Daten zu den neuen Merkmalen und für 2008 nicht zu allen neuen Merkmalen Daten veröffentlicht. Die im Folgenden dargestellten Daten und Analysen zum Berichtsjahr 2009 sind auch noch mit Vorsicht zu interpretieren; insbesondere ist nicht auszuschließen, dass sich hinter den Meldungen „Merkmal liegt nicht vor“ auch fehlende Angaben (die eigentlich nicht vorgesehen sind) verbergen und somit die Zahl der Neuabschlüsse mit entsprechenden Merkmalen zu gering ausgewiesen wird.
Da für Auszubildende, die bereits vor April 2007 in die Verzeichnisse der zuständigen Stellen eingetragen waren, die neuen Merkmale nicht rückwirkend erfasst werden, können diese zudem noch einige Jahre grundsätzlich nur für die Neuabschlüsse ausgewertet werden; siehe hierzu auch die Datenblätter im BIBB-Onlinedatensystem DAZUBI, in dem die Daten nach einzelnen Ausbildungsberufen und Ländern abgerufen werden können: http://www.bibb.de/dazubi.
Tabelle A4.3-1 stellt für ausgewählte neue Merkmale die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge 2009 nach Zuständigkeitsbereichen und Ländern dar. Da es in der Praxis der Datenmeldung und Erfassung noch Umsetzungsprobleme bei den Neuerungen der Berufsbildungsstatistik gibt und davon auszugehen ist, dass insbesondere die neuen Merkmale noch nicht vollständig korrekt gemeldet werden, werden sie hier nur in einem knappen Überblick dargestellt. Insgesamt haben im Kalenderjahr 2009 561.17183 Ausbildungsverträge begonnen.
E Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge (kurz: Neuabschlüsse)
Neuabschlüsse sind definiert als die in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) oder Handwerksordnung (HwO) eingetragenen Berufsausbildungsverträge, die im jeweiligen Kalenderjahr begonnen haben und die am 31. Dezember noch bestehen (Definition bis 2006) bzw. die bis zum 31. Dezember nicht gelöst wurden (Definition seit 2007); dabei werden nur solche Ausbildungsverhältnisse erfasst, die auch angetreten werden. Im Jahr 2007 hat sich die Abgrenzung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Rahmen der Berufsbildungsstatistik geringfügig geändert. Da einige Ausbildungsverhältnisse im Kalenderjahr abgeschlossen und durch eine erfolgreiche Prüfung vor dem 31. Dezember enden, stimmen beide Abgrenzungen nicht überein. Hätte man in 2009 entsprechend der vorherigen Definition abgegrenzt, würde die Neuabschlusszahl um 0,8 % geringer ausfallen.
Die Definition der Neuabschlüsse im Rahmen der Berufsbildungsstatistik und der BIBB-Erhebung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge zum 30. September stimmen aufgrund grundsätzlich konzeptioneller Unterschiede beider Erhebungen nicht gänzlich überein; siehe zum Vergleich beider Erhebungen Uhly u. a. 2009.
Zudem ist zu beachten, dass Neuabschlüsse nicht mit Ausbildungsanfängern gleichzusetzen sind.84 Ausbildungsverträge werden auch dann neu abgeschlossen, wenn sogenannte Anschlussverträge vorliegen (nach Abschluss einer dualen Berufsausbildung in einem der zweijährigen Berufe wird die Ausbildung in einem weiteren Ausbildungsberuf fortgeführt) oder wenn nach Abschluss einer dualen Berufsausbildung noch eine Zweitausbildung begonnen wird. Schließlich schließt auch ein Teil derjenigen mit vorzeitiger Lösung eines Ausbildungsvertrages erneut einen Ausbildungsvertrag ab (bei Wechsel des Ausbildungsbetriebs und / oder des Ausbildungsberufs).
Tabelle A4.3-1: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge nach ausgewählten neuen Merkmalender Berufsbildungsstatistik, Zuständigkeitsbereichen und Ländern 2009
Überwiegend öffentlich finanzierte Ausbildungsverhältnisse
Überwiegend öffentliche Finanzierung von Berufsausbildungsverhältnissen wird im Rahmen der Berufsbildungsstatistik analog der „BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30. September“ definiert (vgl. Kapitel A1). Überwiegend öffentlich finanzierte Berufsausbildungsverhältnisse dienen der Versorgung von Jugendlichen mit Marktbenachteiligung (wegen Lehrstellenmangels kann kein Ausbildungsplatz gefunden werden), mit sozia len Benachteiligungen, mit Lernschwäche sowie mit Behinderung. Im Rahmen der Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länder sowie der BIBB-Erhebung über die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge gelten solche Ausbildungsverhältnisse, bei denen die öffentliche Förderung mehr als 50 % der Gesamtkosten im 1. Ausbildungsjahr abdeckt, als überwiegend öffentlich finanziert.85 Etwaige Erträge durch die Mitarbeit der Auszubildenden bleiben dabei unberücksichtigt. Von allen neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen wurden für das Berichtsjahr 2009 im Rahmen der Berufsbildungsstatistik 8,4 % als überwiegend öffentlich finanziert gemeldet.Dieser Anteil variiert deutlich nach Bundesländern; er fällt in Ostdeutschland mit zwischen 19 % und 27,5 % deutlich höher aus als in Westdeutschland, wo eine überwiegend öffentliche Finanzierung für maximal 9 % der Neuabschlüsse (zum Teil auch deutlich geringer) gemeldet wurde. Für 2009 ergab die BIBBErhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30. September insgesamt ähnliche Werte; diese Daten der BIBB-Erhebung werden auch im Zusammenhang mit der Ausbildungsmarktbilanz ausgewertet (vgl. Kapitel A1).86
In Ausbildungsberufen des Zuständigkeitsbereichs der Hauswirtschaft machen sie bundesweit 63,5 % aller Neuabschlüsse aus, in den Landwirtschaftsberufen 14,8 %, im Handwerk 10,6 % und im Bereich Industrie und Handel 7,6 %. In Berufen der Zuständigkeitsbereiche freie Berufe und öffentlicher Dienst sind lediglich 1,2 % bzw. 0,6 % als überwiegend öffentlich finanziert gemeldet.
In den Berufen für Menschen mit Behinderung macht der Anteil der überwiegend öffentlich finanzierten Ausbildungsverhältnisse 62 % aus (alle anderen Ausbildungsberufe: 7 %).
Auf Basis der Individualdaten der Berufsbildungsstatistik können darüber hinausgehende Analysen durchgeführt werden, wie z. B. die Differenzierung der Neuabschlüsse mit überwiegend öffentlicher Finanzierung und Personenmerkmalen der Auszubildenden. Im Vergleich von Männern (ca. 9 %) und Frauen (knapp 8 %) zeigt sich nahezu der gleiche Anteil an überwiegend öffentlich finanzierten Neuabschlüssen. Bei Auszubildenden mit ausländischem Pass machen diese Verträge (ca. 10 %) nur einen wenig höheren Anteil als bei denen mit deutschem Pass (gut 8 %) aus. Differenziert nach Ost- und Westdeutschland fallen die Unterschiede zwischen den deutschen und ausländischen Auszubildenden jedoch stärker aus; in Ostdeutschland sind 34 % der mit ausländischen Jugendlichen abgeschlossenen Ausbildungsverträge überwiegend öffentlich finanziert, bei den Deutschen sind dies 23,5 %, und in Westdeutschland sind die jeweiligen Anteile 8,8 % bzw. 4,9 %. Der Anteil der überwiegend öffentlich finanzierten Ausbildungsverhältnisse variiert erwartungsgemäß deutlich nach Schulabschluss und ist bei Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss mit ca. 40 % deutlich höher als bei denjenigen mit Hauptschulabschluss (15 %), Realschulabschluss (gut 4 %) oder Studienberechtigung (1 %). Betrachtet man nur die Finanzierung auf Basis von Sonderprogrammen des Bundes bzw. der Länder (insgesamt knapp 2 % der Neuabschlüsse), die sich eher an Marktbenachteiligte richten, fallen die Unterschiede zwischen den Vorbildungsgruppen weniger stark aus (ohne bzw. mit Hauptschulabschluss unter 3 %, Realschulabschluss knapp 2 %, Studienberechtigte 0,5 %). Zu der Art der Finanzierung und vorherigen Maßnahmen der Berufsvorbereitung bzw. Grundbildung vgl. Kapitel A4.6.1.
Teilzeitberufsausbildung
Die Möglichkeit der Teilzeitberufsausbildung wurde in 2005 im Berufsbildungsgesetz verankert. Teilzeitausbildungsverhältnisse sind solche Berufsausbildungsverhältnisse mit einer Verkürzung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit nach § 8 Abs. 1 Satz 2 BBiG. Sie machen bislang einen sehr geringen Anteil aller Neuabschlüsse aus. Für das Berichtsjahr 2009 wurden 0,1 % aller Neuabschlüsse bzw. 795 Neuabschlüsse als Teilzeitberufsausbildungsverhältnisse gemeldet; in keinem Bundesland ist dieser Anteil größer als 0,5 %.
Wie zu erwarten war, ist der Teilzeitanteil bei den weiblichen Auszubildenden (ca. 0,3 %) höher als bei den männlichen, von denen nur sehr wenige mit einem Teilzeitausbildungsverhältnis gemeldet wurden (0,016 % bzw. 51 Neuabschlüsse). Hierbei erlaubt die Datenlage noch keine hinreichend abgesicherten differenzierten Auswertungen.
Neuabschlüsse mit vorheriger Berufsausbildung
Die Berufsbildungsstatistik unterscheidet drei Ausprägungen einer vorherigen Berufsausbildung, und zwar eine vorherige duale Berufsausbildung, die erfolgreich abgeschlossen wurde, eine vorherige duale Berufsausbildung, die nicht abgeschlossen wurde und eine erfolgreich abgeschlossene schulische Berufsausbildung. Insgesamt wurde für knapp 12 % der Neuabschlüsse mindestens eine Art dieser Vorbildung gemeldet (Mehrfachnennungen sind möglich)87; für 7 % wurde eine vorherige begonnene, aber nicht abgeschlossene duale Berufsausbildung gemeldet, für 4,6 % eine zuvor bereits abgeschlossene duale Berufsausbildung und für weitere 0,5 % eine zuvor bereits abgeschlossene vollzeitschulische Berufsausbildung. Auch hierbei ergeben sich deutliche Unterschiede zwischen den Ländern sowie den Zuständigkeitsbereichen. Überdurchschnittlich hohe Anteile von Neuabschlüssen mit einer vorherigen Berufsausbildung werden vor allem im Handwerk gemeldet, in den neuen Ländern auch im Bereich Industrie und Handel sowie teilweise in der Landwirtschaft und in den freien Berufen. In den Berufen des öffentlichen Dienstes sowie der Hauswirtschaft fällt der Anteil derer mit vorheriger Berufsausbildung überwiegend unterproportional aus.
Auch bei der vorherigen Berufsausbildung zeigen sich Unterschiede nach Personengruppen. Beispielsweise fällt der Anteil derer, die mit einer nicht abgeschlossenen vorherigen dualen Berufsausbildung gemeldet wurden, je nach allgemeinbildendem Schulabschluss unterschiedlich hoch aus. Von den Auszubildenden ohne Hauptschulabschluss haben ca. 8 % vor Neuabschluss bereits eine duale Berufsausbildung nicht erfolgreich beendet; bei denen mit Hauptschulabschluss sind dies sogar 10,3 %, bei denjenigen mit Realschulabschluss gut 6 % und bei den Studienberechtigten gut 3 %. Der Anteil derjenigen, die zuvor bereits erfolgreich eine duale Berufsausbildung absolviert haben, unterscheidet sich zwischen den Auszubildenden mit unterschiedlichen allgemeinbildenden Abschlüssen allerdings nur wenig, er schwankt zwischen 4 % und 5 %.
Zwischen Männern und Frauen sowie Auszubildenden mit deutschem oder ausländischem Pass bestehen kaum Unterschiede in der vorherigen Berufsausbildung.
Das Merkmal der vorherigen Berufsausbildung sowie die Erhebung der faktischen Dauer des Ausbildungsverhältnisses (über die Merkmale Monat und Jahr des Beginns sowie des Endes des Ausbildungsverhältnisses) wurden in die Berufsbildungsstatistik u. a. aufgenommen, um künftig wirkliche Ausbildungsanfänger / -innen von anderen Arten von Neuabschlüssen abgrenzen zu können. Hierauf wird im folgenden Abschnitt genauer eingegangen.
Ausbildungsanfänger / -innen und andere Arten von Neuabschlüssen
Fälschlicherweise werden Neuabschlüsse häufig mit Ausbildungsanfängern gleichgesetzt. Nicht alle neuen Ausbildungsverträge werden aber von Ausbildungsanfängern abgeschlossen. Der Neuabschluss stellt ein vertragsbezogenes Merkmal dar, das auch in den folgenden Fällen vorliegt:
- Ein Ausbildungsvertrag wird vorzeitig gelöst und ein neuer Ausbildungsvertrag in einem anderen Beruf (Berufswechsler innerhalb des dualen Systems) und / oder mit einem anderen Ausbildungsbetrieb (Ausbildungsbetriebswechsler88 innerhalb des dualen Systems) abgeschlossen.
- Eine vorherige zweijährige Berufsausbildung wird in einem „Anschlussberuf“ fortgeführt (Anschlussverträge innerhalb des dualen Systems).
- Außerdem kann nach erfolgreichem Abschluss einer dualen Berufsausbildung erneut ein Ausbildungsvertrag in einem Beruf des dualen Systems abgeschlossen werden, der keinen Anschlussvertrag darstellt (Mehrfachausbildungen innerhalb des dualen Systems).
Insofern sind nicht alle Neuabschlüsse mit Anfängern im dualen System (nach BBiG bzw. HwO) gleichzusetzen.
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Zudem haben einige Auszubildende des dualen Systems zuvor eine Ausbildung außerhalb des dualen Systems begonnen oder abgeschlossen89 (Mehrfachausbildungen).
Um eine Abgrenzung von wirklichen Ausbildungsanfängern vornehmen zu können, sind verschiedene Wege denkbar. Bezieht man sich alleine auf die Anfänger / -innen innerhalb des dualen Systems, würde auch eine bundesweite (zuständigkeits- und regionenübergreifende) fixierte Personennummer für die Auszubildenden entsprechende Analysen erlauben. Man könnte dann anhand der Personennummern verschiedene Meldungen für die jeweilige Person bei der Datenanalyse verknüpfen und wäre nicht auf die Erfassung von vorherigen dualen Berufsausbildungen angewiesen. Der Einführung einer solchen Personennummer stehen jedoch datenschutzrechtliche Bedenken entgegen; sie ist derzeit nicht realisierbar. Deshalb wurde in der Berufsbildungsstatistik der Weg der Erfassung der vorherigen Berufsausbildung sowie der Ausbildungsdauer gewählt, auch wenn die Erhebung von vorherigen Berufsausbildungen im Rahmen der Berufsbildungsstatistik nicht unproblematisch ist.90
Im Berichtsjahr 2009 wurde für 11,8 % bzw. 66.084 der Auszubildenden mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag eine vorherige Berufsausbildung gemeldet. Es handelt sich hierbei mehrheitlich um vorherige duale Berufsausbildungen, und zwar sowohl nicht abgeschlossene (7,0 % bzw. 39.405) als auch erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildungen im dualen System (4,6 % bzw. 26.061); für vergleichsweise wenige Auszubildende mit Neuabschluss (0,5 % bzw. 3.030) wurde eine vorherige abgeschlossene schulische Berufsausbildung91 gemeldet.
E Anschlussverträge (in Fortführungsberufen)
Als Anschlussverträge werden solche Neuabschlüsse bezeichnet, die eine Fortführung einer bereits erfolgreich abgeschlossenen zweijährigen Berufsausbildung darstellen. Eine zuvor bereits abgeschlossene (zweijährige) Berufsausbildung wird in einem (i. d. R. drei- oder vierjährigen)Ausbildungsberuf angerechnet. Wobei nur solche Fortführungen zu Anschlussverträgen gezählt werden, bei denen die Ausbildungsordnung die Anrechnung der zweijährigen Berufsausbildung explizit vorsieht (§ 5 Abs. 2 Nr. 4 BBiG). Bislang sind solche Fortführungen ausschließlich in Berufen der Zuständigkeitsbereiche Industrie und Handel sowie Handwerk vorgesehen. In den Ausbildungsordnungen ist von Fortführung / Fortsetzung der Berufsausbildung, von aufbauenden Ausbildungsberufen, von Anrechnungsregelungen und in älteren Ausbildungsordnungen auch (noch) von Stufenausbildung92 die Rede. Die dualen Ausbildungsberufe, auf die eine abgeschlossene zweijährige duale Berufsausbildung laut Ausbildungsordnung angerechnet werden kann, werden im Folgenden „Fortführungsberufe“ genannt.
Dieses Merkmal wird im Rahmen der Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länder nicht gemeldet, sondern auf Basis von Berufsinformationen und Meldungen zum Ausbildungsvertrag sowie zur Vorbildung ermittelt.
Anschlussverträge werden in der Berufsbildungsstatistik folgendermaßen abgegrenzt:
es handelt sich um einen Ausbildungsberuf, bei dem laut Ausbildungsordnung die Fortführung einer abgeschlossenen zweijährigen dualen Berufsausbildung vorgesehen ist („Fortführungsberuf“),
- es liegt eine zuvor abgeschlossene duale Berufsausbildung vor, und
- die Dauer des Ausbildungsvertrags liegt in einem Bereich + / - drei Monate um die laut Ausbildungsordnung vorgesehene Restdauer93 bei Anschlussverträgen.
Zunächst wurde das dritte Kriterium zur Operationalisierung folgendermaßen angewandt: Die Dauer des Ausbildungsvertrags entspricht maximal der laut Ausbildungsordnung vorgesehenen Restdauer.
Im BIBB-Datenreport 2010 (Kapitel A5.3) sowie in den Auszubildenden-Datenblättern des Online-Datensystems DAZUBI des BIBB (http://www.bibb.de / dazubi) wurde noch diese frühere Operationalisierung der Anschlussverträge verwendet. Nach einer detaillierten Auswertung der Individualdaten hat sich gezeigt, dass die frühere Operationalisierung problematisch ist. Deshalb wurde sie modifiziert (zu den Details siehe Uhly 2011). Diese geringfügige Veränderung der Berechnung hat zu einer deutlich höheren Anzahl an Anschlussverträgen geführt.
Generell bleibt die Einschränkung zu beachten, dass die auf Basis der Berufsbildungsstatistik ermittelte Anschlussvertragszahl nur als Höchstwert zu interpretieren ist. Denn hinsichtlich des dritten Abgrenzungskriteriums wird angenommen, dass die kürzere Ausbildungsdauer aufgrund der Anrechnung einer vorherigen zweijährigen dualen Berufsausbildung erfolgt ist, die laut Ausbildungsordnung auf den „Fortführungsberuf“ angerechnet wurde; es ist jedoch nicht auszuschließen, dass hierbei auch Neuabschlüsse im Anschluss an eine zuvor abgeschlossene duale Berufsausbildung gezählt werden, die keine Anschlussverträge im engeren Sinne der Definition von „Anschlussverträgen“ sind (vgl. Uhly 2011).
Gemäß der hier verwendeten Abgrenzung handelt es sich bei nur ca. 1,9 %94 der Neuabschlüsse um Anschlussverträge , also um die Fortführung einer zuvor abgeschlossenen zweijährigen Berufsausbildung im dualen System. Bei ca. 2,7 % der Neuabschlüsse handelt es sich folglich um Mehrfachausbildungen innerhalb des dualen Systems. Weitere 7 % der Jugendlichen mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag kann man auf Basis der Datenmeldungen Ausbildungs- oder Betriebswechslern innerhalb des dualen Systems zuordnen. Wenn man annimmt, dass Befunde einer Studie zu Vertragslösungen und Ausbildungsabbruch, die im Herbst 2002 durchgeführt wurde, noch zutreffen (vgl. Schöngen 2003, S. 37), wäre mit mehr als 10 % Neuabschlüssen95, die zuvor bereits eine duale Berufsausbildung begonnen, aber wieder gelöst hatten, zu rechnen; denn ca. die Hälfte aller Auszubildenden mit einem vorzeitig gelösten Ausbildungsvertrag schließt erneut einen Ausbildungsvertrag im dualen System ab. Vermutlich ist die vorherige duale Berufsausbildung ohne Abschluss und somit auch die Zahl der Ausbildungsoder Betriebswechsler noch untererfasst.
Neben der Angabe der vorherigen Berufsausbildung kann man die Daten zur faktischen96 Dauer der Ausbildungsverträge als Hinweis auf Auszubildende mit Neuabschluss, die keine Ausbildungsanfänger / -innen darstellen, erhalten. Allerdings kann man nicht alleine aus der Verkürzung darauf schließen, dass es sich bei einem Neuabschluss nicht um Ausbildungsanfänger / -innen handelt. Aus verschiedenen Gründen können sich im Vergleich zur Ausbildungsordnung deutlich kürzere Dauern von Ausbildungsverträgen ergeben. Zum einen muss bei Anschlussverträgen die vorherige zweijährige Berufsausbildung entsprechend den Regelungen der jeweiligen Ausbildungsordnungen angerechnet werden. Zum anderen hat gemäß § 8 BBiG auf gemeinsamen Antrag von Auszubildenden und Ausbildenden die zuständige Stelle die Ausbildungszeit zu kürzen, wenn zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel in kürzerer Zeit erreicht wird. Für die Entscheidung über Verkürzung (oder Verlängerung) hat der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung Richtlinien erlassen.97 Da nicht nur eine vorherige begonnene (und nicht abgeschlossene) Berufsausbildung im gleichen Beruf sowie eine berufliche Grundbildungsmaßnahme einen möglichen Verkürzungsgrund darstellen, sondern auch ein Alter von mindestens 22 Jahren oder das Vorliegen einer Studienberechtigung, kann auch bei Ausbildungsanfängern eine deutliche Verkürzung der vertraglichen Ausbildungsdauer vorliegen. Tabelle A4.3-2 stellt die Zahl der Neuabschlüsse nach verschiedenen Verkürzungsausmaßen dar.
Demnach war im Jahr 2009 bei knapp 15 % der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge die vertragliche Ausbildungsdauer um mindestens 12 Monate kürzer als die Regelausbildungsdauer des jeweiligen Berufs; knapp 23 % waren um mindestens 6 Monate kürzer. Wie bereits erläutert, kann es sich bei einigen Personen mit solch verkürzten Ausbildungsverträgen dennoch um Ausbildungsanfänger / -innen handeln. Wenn man diejenigen, die mindestens 22 Jahre alt sind und / oder über eine Studienberechtigung verfügen, unberücksichtigt lässt, bleiben immer noch gut 12 % bzw. fast 18 % der Neuabschlüsse mit einer um mindestens 12 bzw. 6 Monate kürzeren Dauer.
Im Folgenden werden auf Basis der Angaben zur vorherigen Berufsausbildung und der Dauer des Ausbildungsvertrages (bzw. der Abweichung der vertraglichen Ausbildungsdauer von der regulären Ausbildungsdauer – nach Ausbildungsordnung – im jeweiligen Beruf) folgende Neuabschlüsse als Ausbildungsanfänger / -innen im dualen System definiert:
- Es liegt keine vorherige Berufsausbildung im dualen System vor (weder eine erfolgreich beendete noch eine begonnene); außerdem98 für diejenigen, die weder älter als 21 Jahre sind noch über eine Studienberechtigung verfügen: Es liegt keine im Vergleich zur regulären Ausbildungsdauer um mindestens 12 Monate kürzere vertragliche Ausbildungsdauer vor. Außerdem gelten auch die Jugendlichen mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag als Anfänger / -in, bei denen zwar eine vorherige begonnene, nicht beendete Berufsausbildung im dualen System vorliegt, die Verkürzung jedoch weniger als 12 Monate beträgt.99
Entsprechend dieser Abgrenzung von Ausbildungsanfängern handelt es sich bei nur 491.349 bzw. 87,6 % der Neuabschlüsse um Ausbildungsanfänger / -innen; 12,4 % der Auszubildenden mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag sind keine Anfänger / -innen im dualen System Schaubild A4.3-1. Der Anteil derjenigen, die keine Ausbildungsanfänger / -innen sind, fällt bei ausländischen und deutschen Auszubildenden nahezu gleich hoch aus. Bei Männern fällt der Anteil der Ausbildungsanfänger etwas geringer aus als bei Frauen. Aufgrund dieser Abgrenzung von Neuabschlüssen, die Ausbildungsanfänger / -innen sind, lassen sich weitere Indikatoren zum dualen System verbessern; beispielsweise kann die Ausbildungsbeteiligungsquote der Jugendlichen im dualen System entsprechend korrigiert werden (vgl. Kapitel A4.5).
(Alexandra Uhly)
Tabelle A4.3-2: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge 2009 mit verkürzter1 Dauer des Ausbildungs vertrages nach Ländern (absolut und in % aller Neuabschlüsse)
Schaubild A4.3-1 Ausbildungsanfänger unter den Neuabschlüssen, Bundesgebiet 2009