A4.6.1 Vorherige Berufsvorbereitung und berufliche Grundbildung unter Auszubildenden mit Neuabschluss
Im Übergangssystem können Jugendliche, die nicht die notwendigen Voraussetzungen für die Aufnahme einer Berufsausbildung mitbringen oder aus anderen Gründen keinen Ausbildungsplatz finden, ihre individuellen Kompetenzen zur Aufnahme einer Ausbildung oder Beschäftigung verbessern (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008; Konsortium Bildungsberichterstattung 2006). Zu einem qualifizierten Berufsabschluss führen diese Bildungsgänge allerdings nicht. Seit Anfang der 1990er-Jahre fanden viele Jugendliche nur unter erschwerten Bedingungen eine Ausbildungsstelle (zu den Determinanten siehe Beicht / Friedrich / Ulrich 2007), und über einen großen Zeitraum hinweg kam es zu einer beträchtlichen Ausweitung des Übergangssystems. Zwischen 1992 und 2006 verdoppelte sich die Zahl der Neuzugänge in berufsvorbereitende und grundbildende Maßnahmen gar116, und der BIBB-Übergangsstudie zufolge mündete unter den nicht studienberechtig ten Jugendlichen jeder Dritte zunächst in das Übergangssystem ein (Beicht 2009). Die Bedeutung und Wirksamkeit der Maßnahmen hinsichtlich einer Verbesserung der Chancen für die Jugendlichen wird dabei kontrovers diskutiert und fällt für verschiedene Personengruppen unterschiedlich aus (Beicht 2009; Baethge / Solga / Wieck 2007). In jüngerer Zeit ist eine Trendwende zu beobachten; die Zahl der Neuzugänge in das Übergangssystem ist seit 2005 wieder rückläufig117 (vgl. Kapitel A7.1).
In der Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länder wird mit den Ausbildungsverträgen zwar auch die vorhandene Vorbildung der Auszubildenden und eine mögliche Teilnahme an Maßnahmen des Übergangssystems erfasst. Verlaufsdaten, die die Übergangsprozesse bis zum Einmünden in eine Ausbildungsstelle abbilden, liegen aber nicht vor, weil Angaben zum Zeitpunkt der absolvierten Qualifizierungen nicht miterhoben werden. Im Zuge der Revision der Berufsbildungsstatistik nach Artikel 2a des Berufsbildungsreformgesetzes vom 23. März 2005 erfolgte gleichwohl eine deutliche Differenzierung und Ausweitung der Datenmeldung (vgl. BIBB-Datenreport 2010, Kapitel A5.3 und Kapitel A5.5.1). Drei Vorbildungsarten werden seit 2007 als eigenständige Kategorien unterschieden . So kann u. a. ausgewiesen werden, ob die Auszubildenden mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag zuvor an einer berufsvorbereitenden oder berufsgrundbildenden Maßnahme teilgenommen haben und gegebenenfalls, an welcher Art von Maßnahme(n). Grundsätzlich sind mit dieser Ausweitung der Merkmale sowie der Umstellung auf eine Individualdatenerfassung spürbare Vorteile verbunden. Die Angaben zur vorherigen Teilnahme an Maßnahmen des Übergangssystems sind differenzierter und werden erstmals vollständig für alle Auszubildenden mit Neuabschluss erfasst. Zudem können entsprechende Analysen nach sämtlichen Merkmalen der Berufsbildungsstatistik durchgeführt werden. Die Umstellung der Berufsbildungsstatistik ging jedoch mit erheblichen Umsetzungsproblemen einher, die insbesondere die neu eingeführten Merkmale betrafen. Zwar ist zu beachten, dass in der Berufsbildungsstatistik nur Maßnahmen des Übergangssystems gemeldet werden, die mindestens 6 Monate andauern und von den Auszubildenden tatsächlich abgeschlossen wurden. Die Ergebnisse der BIBB-Übergangsstudie (Beicht / Friedrich / Ulrich 2007; Beicht 2009) geben jedoch Hinweise darauf, dass die bislang gemeldeten Anteile der Auszubildenden mit vorheriger Teilnahme an berufsvorbereitender Qualifizierung oder beruflicher Grundbildung noch deutlich untererfasst sind.118 Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse sind vor diesem Hintergrund noch mit entsprechender Vorsicht und eher als Untergrenzen zu interpretieren. Von tiefer gehenden Auswertungen wird daher auch für das Berichtsjahr 2009 noch abgesehen.
E Berufsbildungsstatistik: Erfassung der berufsvorbereitenden Qualifizierung oder beruflichen Grundbildung seit 2007
Mit der Neukonzeption und Umstellung der Berufsbildungsstatistik in 2007 auf eine Individualstatistik mit erweitertem Merkmalskatalog werden drei Vorbildungsarten getrennt voneinander erfasst: der höchste allgemeinbildende Schulabschluss (Kapitel A4.6.2), die berufsvorbereitende Qualifizierung und berufliche Grundbildung sowie Angaben zu einer vorherigen Berufsausbildung. So ist eine jeweils vollständige Ausweisung der Daten für alle Auszubildenden mit Neuabschluss möglich. Die vorausgegangene Teilnahme an berufsvorbereitender Qualifizierung oder beruflicher Grundbildung wird dabei wie folgt erfasst:
Als berufsvorbereitende Qualifizierung und berufliche Grundbildung werden nur abgeschlossene berufsvorbereitende und grundbildende Qualifizierungen von mindestens 6 Monaten Dauer erfasst. Unterschieden werden:
1. Betriebliche Qualifizierungsmaßnahme (Einstiegsqualifizierung [EQ], Einstiegsqualifizierungsjahr [EQJ], Qualifizierungsbaustein, Betriebspraktika)
2. Berufsvorbereitungsmaßnahme
3. Schulisches Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) (damit ist nicht das BGJ in kooperativer Form [Teilzeit] gemeint)
4. Schulisches Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) (damit ist nicht das BGJ in kooperativer Form [Teilzeit] gemeint)
5. Berufsfachschule ohne vollqualifizierenden Berufsabschluss (BFS)
Mehrfachnennungen sind möglich.
Aufgrund von Umsetzungsschwierigkeiten der revidierten Berufsbildungsstatistik wurde dieses Merkmal erst ab dem Berichtsjahr 2008 veröffentlicht. Generell gilt, dass die neu eingeführten Merkmale der Berufsbildungsstatistik in den ersten Jahren der Umstellung noch mit Vorsicht zu interpretieren sind, da v. a. nicht ausgeschlossen werden kann, dass unter der Rubrik „liegt nicht vor“ auch fehlende Angaben gemeldet wurden. Analysen auf Basis der BIBB-Übergangsstudie geben Hinweise darauf, dass auch bei dem Merkmal „berufsvorbereitende Qualifizierung und berufliche Grundbildung“ davon auszugehen ist, dass die Vorbildung der Auszubildenden im Übergangssystem noch deutlich untererfasst ist.
Für Zeitreihen des früheren Merkmals „schulische Vorbildung“ bis 2006 und dessen Erfassung siehe BIBB-Datenreport 2009, Kapitel A5.4.
Auszubildende mit vorheriger Teilnahme an Berufsvorbereitung und berufl icher Grundbildung 2009
Insgesamt wurde im Berichtsjahr 2009 von den 561.171 Auszubildenden mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag für 65.469 Auszubildende eine vorherige Teilnahme an einer Maßnahme des Übergangssystems gemeldet Tabelle A4.6.1-1. Der prozentuale Anteil beträgt 11,7 % (Vorjahr: 11,6 %). Bei den einzelnen Maßnahmen119 ergaben sich geringfügige Verschiebungen. Als häufigste Einzelmaßnahme wurde unverändert die Berufsfachschule mit einem Anteil von 3,4 % (19.311) gemeldet. Der Anteil der Auszubildenden, die zuvor eine Berufsvorbereitungsmaßnahme absolviert hatten, erhöhte sich leicht von 2,6 % auf 2,9 % (16.299). Sie standen in 2009 somit an zweiter Stelle, an der im Vorjahr noch das schulische Berufsgrundbildungsjahr gestanden hatte. Dieses folgte nun mit 2,3 % und 13.059 Meldungen an dritter Stelle (2008: 2,7 %).120 Das Berufsvorbereitungsjahr und die betrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen waren mit je 1,8 % eher nachrangig.
Regional fällt der Anteil der Auszubildenden mit vorheriger Teilnahme an Maßnahmen der Berufsvorbereitung oder beruflichen Grundbildung sehr unterschiedlich aus Tabelle 4.6.1-1. Die höchsten Anteile liegen mit je 18,8 % in den Ländern Sachsen und Brandenburg sowie mit 15,3 % auch in Niedersachsen. Die niedrigsten Werte ergeben sich in Bayern (6,9 %), Hessen (8,0 %) und im Saarland (8,4 %). Generell haben in den östlichen Bundesländern relativ viele Jugendliche zuvor an einer Berufsvorbereitung oder beruflichen Grundbildung teilgenommen. Ihr Anteil unter den Neuabschlüssen liegt mit 14.316 Auszubildenden bei 14,6 %, während er im Westen mit 51.150 Auszubildenden durchschnittlich 11,0 % erreicht. Auch gibt es zwischen beiden Regionen Abweichungen bei der Verteilung der Einzelmaßnahmen. Im Westen dominieren die Berufsfachschule ohne vollqualifizierenden Berufsabschluss und das schulische Berufsgrundbildungsjahr. Im Osten finden sich eher Auszubildende mit vorheriger Teilnahme an Berufsvorbereitungsmaßnahmen und schulischem Berufsvorbereitungsjahr.
Wie groß der gemeldete Anteil der Auszubildenden mit Neuabschluss ist, der zuvor an einer Maßnahme im Übergangssystem teilgenommen hat, variiert nach Zuständigkeitsbereich Tabelle A4.6.1-2. Mit Abstand am höchsten war der Anteil an Auszubildenden mit Vorbildung im Übergangssystem in der Hauswirtschaft mit 44,1 %. Angesichts der geringen Neuabschlusszahlen in diesem Bereich betraf dies allerdings nur 1.731 der insgesamt 65.469 Auszubildenden mit entsprechender Vorbildung. Als häufigste Einzelmaßnahme wurden die Berufsvorbereitungsmaßnahmen (23,6 %) und das schulische Berufsvorbereitungsjahr (14,5 %) genannt. Deutlich höher ist der Anteil der Auszubildenden mit vorheriger Teilnahme im Übergangssystem im Handwerk, dem zweitgrößten Zuständigkeitsbereich. Dort wurde mit 31.281 Neuabschlüssen für 20,1 % der Auszubildenden eine vorherige Teilnahme an einer Maßnahme des Übergangssystems gemeldet. Unter den Bildungsgängen überwog hier das schulische Berufsgrundbildungsjahr (5,9 %) und die Berufsvorbereitungsmaßnahme (4,9 %). Der dritthöchste Anteil fand sich in den Berufen des Zuständigkeitsbereichs Landwirtschaft. Er erreichte dort 16,9 %. Am häufigsten wurden in diesem Bereich den Meldungen zufolge die Berufsvorbereitungsmaßnahmen (6,0 %) und das schulische Berufsgrundbildungsjahr (5,4 %) absolviert. Deutlich unterdurchschnittlich waren die Anteile der Auszubildenden mit berufsvorbereitender Qualifizierung oder beruflicher Grundbildung dagegen in Industrie und Handel. In dem größten der Zuständigkeitsbereiche hatten von 332.232 Neuabschlüssen 25.218 Auszubildende (7,6 %) zuvor eine Maßnahme im Übergangssystem absolviert. Darunter fand sich am häufigsten der Besuch einer Berufsfachschule (3,3 %). Ebenfalls unterdurchschnittlich war der entsprechende Anteil bei den freien Berufen mit 7,4 %. Hier wurden neben der Berufsfachschule betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen am häufigsten genannt. Ein durchschnittlicher Anteil von 12,4 % zeigte sich wiederum unter den Auszubildenden im öffentlichen Dienst. Mit Abstand am häufigsten hatten die Auszubildenden hier eine betriebliche Qualifizierungsmaßnahme absolviert (8,6 %).
Tabelle A4.6.1-1: Vorausgegangene Teilnahme an berufsvorbereitender Qualifizierung oder beruflicher Grundbildung nach Bundesländern 2009 (Mehrfachnennungen möglich)
Tabelle A4.6.1-2: Vorausgegangene Teilnahme an berufsvorbereitender Qualifizierung oder beruflicher Grundbildung nach Zuständigkeitsbereich, Bundesgebiet 2009 (Mehrfachnennungen möglich)
Auszubildende nach Geschlecht
Zwischen Männern und Frauen deuten sich bezüglich der Vorbildung im Übergangssystem erkennbare Unterschiede an Tabelle A4.6.1-3. Tendenziell wurde für die männlichen Auszubildenden im dualen System häufiger eine berufsvorbereitende oder grundbildende Maßnahme gemeldet. Ihr Anteil lag 2009 bei 12,9 %. Am häufigsten wurde die Berufsfachschule (3,6 %) und das Berufsgrundbildungsjahr (3,3 %) absolviert. Unter den weiblichen Auszubildenden wiesen dagegen nur 9,9 % vor Abschluss des Ausbildungsvertrags eine berufsvorbereitende Qualifizierung oder berufliche Grundbildung auf. Neben der Berufsfachschule (3,2 %) hatten sie am häufigsten an Berufsvorbereitungsmaßnahmen (2,6 %) teilgenommen.
Tabelle A4.6.1-3: Vorausgegangene Teilnahme an berufsvorbereitender Qualifizierung oder beruflicher Grundbildung nach Personengruppen, Bundesgebiet 2009 (Mehrfachnennungen möglich)
Auszubildende nach Staatsangehörigkeit
Die Meldungen lassen auch deutliche Unterschiede zwischen Deutschen und Ausländern bezüglich ihrer Vorbildung im Übergangssystem erkennen. Bei den Auszubildenden mit ausländischer Staatsangehörigkeit liegt der Anteil mit 15,4 % etwas höher als unter den deutschen Auszubildenden (11,5 %). Die ausländischen Auszubildenden besuchten wie die deutsche Vergleichsgruppe am häufigsten die Berufsfachschule und die Berufsvorbereitungsmaßnahmen, allerdings mit je 4,4 % und 3,7 % etwas häufiger. An dritter Stelle folgten bei ihnen das schulische Berufsvorbereitungsjahr, dann die betrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen und das schulische Berufsgrundbildungsjahr. Bei den deutschen Auszubildenden wurden häufiger das Berufsgrundbildungsjahr und dann zu gleichen Teilen das Berufsvorbereitungsjahr und betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen absolviert.
Auszubildende nach höchstem allgemeinbildenden Schulabschluss
Bei der Betrachtung der Anteile unter den verschiedenen Abschlussgruppen wird die eingangs erwähnte Untererfassung besonders deutlich. Die jeweiligen Abstände der Vorbildungsanteile, die hier als Untergrenzen aufgefasst werden sollten, geben dennoch wieder, dass die vorherige Teilnahme an Maßnahmen des Übergangssystems generell in engem Zusammenhang mit der Höhe des allgemeinbildenden Schulabschlusses der Jugendlichen steht. Im Berichtsjahr 2009 wurde unter den Auszubildenden ohne Hauptschulabschluss für jeden Dritten (31,9 %) eine vorherige Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Maßnahme gemeldet. Mit Abstand am häufigsten wurden in dieser Personengruppe Berufsvorbereitungsmaßnahmen und das Berufsvorbereitungsjahr genannt. Unter den Auszubildenden mit Hauptschulabschluss machen die bisherigen Meldungen einen Anteil von 17,7 % aus. Hier verteilten sich die Maßnahmen insgesamt etwas gleichmäßiger, am häufigsten wurden jedoch Berufsvorbereitungsmaßnahmen und ein Berufsgrundbildungsjahr angegeben. Auszubildende mit Realschulabschluss hatten zu 8,3 % und Auszubildende mit Studienberechtigung zu 5,3 % zuvor eine Maßnahme im Übergangssystem absolviert. In beiden Gruppen wurde am häufigsten die Berufsfachschule besucht (3,7 % und 3,6 %). Da insbesondere an Berufsfachschulen höhere Schulabschlüsse nachgeholt werden können und in der Berufsbildungsstatistik nicht erhoben wird, wo der gemeldete Schulabschluss der Auszubildenden erworben wurde, ist nicht auszuschließen, dass ein Teil der Auszubildenden ihren Schulabschluss bei Absolvieren dieser Maßnahme erreicht hat.
Berufsvorbereitung und überwiegend öffentlich finanzierte Ausbildungsplätze
Der im Vergleich zum Westen höhere Anteil der vorherigen Teilnahme an einer Berufsvorbereitung hängt offenbar mit dem deutlich größeren Umfang des außerbetrieblichen Stellenangebots im Osten und den entsprechenden Fördervoraussetzungen zusammen (Eberhard / Ulrich 2010). Denn förderfähig sind Stellen nach SGB III § 242 u. a., wenn bei dem Auszubildenden eine vorherige Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Maßnahme von mindestens 6 Monaten Dauer vorliegt. 2009 wurden im Osten 23,7 % der östlichen Ausbildungsplätze (23.151 Stellen) überwiegend öffentlich finanziert. Unter den Auszubildenden in den östlichen Bundesländern, die zuvor eine berufsvorbereitende oder grundbildende Maßnahme absolviert hatten, befanden sich 64,1 % in einer außerbetrieblichen Stelle. Da das entsprechende Stellenangebot im Westen quantitativ eingeschränkter ist – nur 5,1 % (23.832 Stellen) wurden hier öffentlich finanziert –, besetzten hier nur 15,5 % der Auszubildenden mit berufsvorbereitender Vorbildung eine überwiegend öffentlich finanzierte Stelle. Wäre der Anteil an außerbetrieblichen Stellen im Osten geringer, würde der Anteil der Auszubildenden mit berufsvorbereitender oder grundbildender Vorbildung unter den Neuabschlüssen sehr wahrscheinlich entsprechend niedriger ausfallen.
(Naomi Gericke)