A4.4 Berufsstrukturelle Entwicklungen in der dualen Berufsausbildung
In diesem Kapitel werden berufsstrukturelle Entwicklungen innerhalb der dualen Berufsausbildung (nach BBiG und HwO) analysiert, wie sie im Rahmen von Dauerbeobachtungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) auf Basis der Berufsbildungsstatistik durchgeführt werden. Betrachtet werden hierbei: Produktions- und Dienstleistungsberufe, technische Ausbildungsberufe, neue Ausbildungsberufe, zweijährige Ausbildungsberufe sowie Berufe nach Ausbildungsregelungen für Menschen mit Behinderung. Solche Strukturentwicklungen im dualen System sind zum einen vor dem Hintergrund der Frage der Entwicklungsperspektiven des dualen Systems von Interesse (vgl. Uhly / Troltsch 2009), zum anderen aber auch für die Chancen unterschiedlicher Gruppen von Jugendlichen von Bedeutung (zu Ausbildungschancen von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss im Kontext berufsstruktureller Entwicklungen siehe Uhly 2010).
Zur Analyse der berufsstrukturellen Entwicklungen wird der Indikator neu abgeschlossene Ausbildungsverträge (vgl. Kapitel A4.3) der Berufsbildungsstatistik (Erhebung zum 31. Dezember, vgl. Kapitel A4.2.1) herangezogen. Es werden nicht die Bestandszahlen verwendet, in denen die Berufe je nach Ausbildungsdauer unterschiedlich stark vertreten sind (zweijährige Ausbildungsberufe sind i. d. R. unterrepräsentiert, dreieinhalbjährige sind eher überrepräsentiert). Außerdem zeigen sich aktuelle Entwicklungen deutlicher in den Neuabschlussals in den Bestandszahlen. Seit dem Erhebungsjahr 2004 werden auch im Rahmen der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge alle Ausbildungsberufe einzeln erhoben, sodass auch mit diesen Daten Berufsstrukturen analysiert werden können100; langfristige Entwicklungen sowie die Repräsentanz von Jugendlichen mit unterschiedlichen allgemeinbildenden Schulabschlüssen in den Berufsgruppen (vgl. Kapitel A4.6.2) lassen sich allerdings nur auf Basis der Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länder betrachten.
E Klassifizierung der Produktions- und Dienstleistungsberufe
Die Berufsbildungsstatistik verwendet für die Erhebung nach Einzelberufen die Klassifikation der Berufe (KldB) des Jahres 1992 (Statistisches Bundesamt 1992); deren oberste Gliederungseinheit unterscheidet neben der Kategorie „sonstige Arbeitskräfte“ fünf „Berufsbereiche“. Entsprechend der Konzeption des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)101 werden in Anlehnung an Bells Konzept eines quartären Sektors (Informationsgesellschaft) nicht die drei Bereiche Landwirtschaft, Produktion und Dienstleistung unterschieden, sondern Produktionsberufe (Landwirtschaft, Bergbau und Fertigungsberufe) von den primären und sekundären Dienstleistungsberufen abgegrenzt (vgl. Wolff 1990, S. 64).
Im Folgenden werden auf der Basis der Berufskennziffern (KldB 1992) Produktions- von primären und sekundären Dienstleistungsberufen unterschieden:
Produktionsberufe
- I Berufe in der Land-, Tier-, Forstwirtschaft und im Gartenbau
- II Bergleute, Mineralgewinner
- III Fertigungsberufe ohne Berufsgruppe 52 „Warenprüfer/ Versandfertigmacher“
Primäre Dienstleistungsberufe
- Berufsgruppe 52 „Warenprüfer / Versandfertig macher“
- aus V Dienstleistungsberufe: Berufsgruppen 66–68 (Warenkaufleute), 71–74 (Verkehrsberufe), 771–773 (Buchhalter; Kassenfachleute), 78–81 (Büroberufe; Ordnungs- und Sicherheitsberufe), 90–93 (Berufe der Körperpflege; Hotel- und Gaststättenberufe; Haus- und ernährungswirtschaftliche Berufe; Reinigungs- und Entsorgungsberufe)
Sekundäre Dienstleistungsberufe
- IV Technische Berufe
- aus V Dienstleistungsberufe: Berufsgruppen 69 und 70 (Dienstleistungskaufleute), 75 und 76 (Berufe in der Unternehmensleitung, -beratung und -prüfung), 774–776 (Fachinformatiker / -in und Mathematisch-technische / -r Softwareentwickler / -in), 7791 (IT-Kaufleute), 82–89 (Schriftwerkschaffende, -ordnende und künstlerische Berufe, Gesundheitsdienstberufe; Sozial- und Erziehungsberufe)102
Eine vollständige Berufsliste (alle Einzelberufe) findet man unter: http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_dazubi_berufsliste-p-dl_2009.pdf.
Unter sekundären Dienstleistungstätigkeiten werden Tätigkeiten zusammengefasst, die auch als „Kopf-“ oder „Wissensarbeit“ bezeichnet werden, es handelt sich um Berufe mit den Tätigkeitsschwerpunkten Forschen, Entwickeln, Organisieren, Managen, Betreuen, Pflegen, Beraten, Lehren und Publizieren (vgl. Kupka / Biersack 2005). Unter die primären Dienstleistungsberufe fallen Berufe mit den Tätigkeitsschwerpunkten: Handels- und Bürotätigkeiten sowie allgemeine Dienste wie Reinigen, Bewirten, Lagern, Transportieren. Aufgrund von Plausi bilitätsüberlegungen, Analysen auf Basis der Berufsbildungsstatistik (Uhly 2007a) und Analysen der BIBB / BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2006 (Hall 2007), die eine Modifikation der Berufszuordnung ergeben haben, weicht die Abgrenzung teilweise von der IAB-Einteilung103 ab (vgl. Uhly / Troltsch 2009).
Wie auch im Beschäftigungssystem ist in der dualen Berufsausbildung ein Zuwachs des Anteils an Personen in Dienstleistungsberufen zu beobachten. Langfristig steigt seit Mitte der 1990er-Jahre der Anteil der Neuabschlüsse in den Dienstleistungsberufen (zwischen 2001 und 2003 blieb der Anteil allerdings nahezu konstant). Auch ist die Zahl seit Mitte der 1990er-Jahre gestiegen; trotz Schwankungen und Rückgängen in den letzten Jahren fällt sie im Jahr 2009 (329.028) immer noch höher aus als im Jahr 1996 (291.768). In den Produktionsberufen ist die Zahl der Neuabschlüsse dagegen seit dem Jahr 2000 gesunken – lediglich in 2006 und 2007 waren nochmals Zuwächse zu verzeichnen; in den Produktionsberufen liegt die Neuabschlusszahl in 2009 (232.140) deutlich unterhalb der des Jahres 1996 (287.607). Entsprechend ist der Anteil der Neuabschlüsse in den Dienstleistungsberufen von 50,4 % im Jahr 1996 auf 58,6 % in 2009 gestiegen Tabelle A4.4-1.104 Damit liegt der Dienstleistungsanteil in der dualen Berufsausbildung zwar immer noch deutlich unter dem in der Beschäftigung, wo er mehr als 70 % beträgt. Teilweise ist die große Differenz aber auch durch Spezifika der Berufsklassifikation bedingt sowie durch die Tatsache, dass im Bereich der mittleren Qualifikationsebene die Berufsausbildung insbesondere im Bereich von Dienstleistungsberufen nicht nach BBiG / HwO erfolgt, sondern (vollzeitschulisch) an Berufsfachschulen und insbesondere an Schulen des Gesundheitswesens. Die berufsstrukturelle Entwicklung in der dualen Berufsausbildung zeigt deutliche Entwicklungen hin zur Dienstleistungs- und Wissensökonomie (Walden 2007). Unter den insgesamt zehn am stärksten besetzten Ausbildungsberufen des dualen Systems findet man sechs primäre Dienstleistungsberufe, einen sekundären Dienstleistungsberuf und drei Produktionsberufe105.
Der Anteil der Neuabschlüsse in den sekundären Dienstleistungsberufen ist jedoch noch sehr gering, in 2009 beträgt er 16,8 % aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge.106 Seit 1993 schwankt der Anteil der sekundären Dienstleistungsberufe an allen Neuabschlüssen des dualen Systems zwischen ca. 16 % und 18 %. Hinter der Entwicklung dieser Berufsgruppe insgesamt stehen unterschiedlich verlaufende Entwicklungen in einzelnen Berufen, die durch unterschiedliche Determinanten beeinflusst werden (vgl. Uhly / Troltsch 2009, S. 15). Konjunkturelle Gründe mögen beispielsweise den stärkeren Einbruch der IT-Berufe zwischen 2002 und 2005 erklären können. Bei den Bankkaufleuten war der Rückgang eher auf Strukturveränderungen im Bankensektor zurückzuführen (zum Rückgang der Auszubildendenzahl durch Reorganisationsstrategien im Zusammenhang mit „lean banking“ siehe auch Brötz u. a. 2007 oder Baethge 2001). Diese Befunde für den Bankensektor sind jedoch nicht generell auf die sekundären Dienstleistungsberufe übertragbar. Mit der Modernisierung der Berufsausbildung durch Neuordnung von Ausbildungsberufen sind bereits Erfolge erzielt worden, die auch den Bereich der sekundären Dienstleistungsberufe betreffen, sodass sich insgesamt der Anteil der Auszubildenden in den Wissensberufen stabilisiert hat. Im Umfeld von hoch qualifizierten Tätigkeiten sind auch Fachkräftetätigkeiten auf dem Qualifikationsniveau dualer Ausbildungsberufe relevant. Hier mögen besondere Potenziale für neue Ausbildungsberufe oder die Stärkung der Berufsausbildung in bereits existierenden Ausbildungsberufen bestehen, da sich im Bereich sekundärer Dienstleistungsberufe vergleichsweise günstige Beschäftigungsentwicklungen abzeichnen.
Frauen sind in den Dienstleistungsberufen (Frauenanteil in 2009: ca. 64 %) deutlich überrepräsentiert, Männer in den Produktionsberufen (Männeranteil 2009: ca. 87 %). Der berufsstrukturelle Wandel der Tertiarisierung verlief jedoch nicht zuungunsten der Männer, vielmehr ist der Männeranteil innerhalb der Dienstleistungsberufe von 28,3 % im Jahr 1993 auf ca. 36,4 % deutlich gestiegen. Die Neuabschlusszahl der Frauen in den sekundären Dienstleistungsberufen war stark rückläufig, die der Männer ist angewachsen Tabelle A4.4-1. In den primären Dienstleistungsberufen ist sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen die Neuabschlusszahl seit 1993 angestiegen; bei den Männern fiel dieser Anstieg jedoch deutlich höher aus. Die steigende Neuabschlusszahl der Männer bei den Dienstleistungsberufen (35.250) hat den Rückgang bei den Produktionsberufen (-38.646) nahezu kompensiert; entsprechend sind die Frauen- und Männeranteile im dualen System seit 1993 kaum verändert (vgl. Kapitel A4.2.1).
Tabelle A4.4-1: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in Produktions- und Dienstleistungsberufen1, Bundesgebiet 19802 und 1993 bis 2009
Duale Berufsausbildung in technischen Ausbildungsberufen
Von 1980 bis Mitte der 1990er-Jahre ist der Anteil der technischen Ausbildungsberufe im dualen System stark zurückgegangen. Mitte der 1990er- Jahre zeigten sich Erfolge der Modernisierung der dualen Berufsausbildung insbesondere bei den Technikberufen, sodass eine Trendwende steigender Anteile107 technischer Ausbildungsberufe zu verzeichnen war Tabelle A4.4-2
Im Zeitraum von 2002 bis 2006 zeigen sich am Ausbildungsstellenmarkt allerdings auch Probleme bei den Technikberufen. Der erneute Einbruch der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge betraf die technischen Ausbildungsberufe noch stärker als die dualen Ausbildungsberufe insgesamt (vgl. Uhly 2005 und 2007b).108 Auch in 2009 geht der Anteil der Neuabschlüsse in technischen Ausbildungsberufen nach einem Anstieg in 2007 und (insbesondere) 2008 wieder zurück.In den technischen Ausbildungsberufen ist der Frauenanteil sehr gering, er schwankt seit 1993 zwischen 10 % und 12 %. Damit konnte der Frauenanteil in dieser Berufsgruppe trotz vielfältiger Maßnahmen zur Förderung der Ausbildung von Frauen in technischen Berufen nicht erhöht werden (vgl. hierzu auch Uhly 2007b, S. 22 ff.). Insgesamt zeigt sich, dass berufsstrukturelle Unterschiede bei weiblichen und männlichen Auszubildenden seit Mitte der 1980er- Jahre (von wenigen Ausnahmen in einzelnen Ausbildungsberufen abgesehen) nahezu unverändert sind, sodass man von geschlechtsspezifischer Segregation sprechen kann (vgl. Kapitel A4.2.1). Berufswahlentscheidungen und geschlechtsspezifisches Rekrutierungsverhalten sind offensichtlich in tief verwurzelte Werte und Normen hinsichtlich der Geschlechterrollen und der Berufsanforderungen eingebettet, was zu dieser Beharrungstendenz der geschlechtsspezifischen beruflichen Segregation führt (vgl. Uhly 2007b, S. 34 ff.).
E Technische Ausbildungsberufe
Hier wird eine breiter gefasste Abgrenzung von technischen Ausbildungsberufen als die des Berufsbereichs IV der Klassifikation der Berufe des Statistischen Bundesamtes herangezogen, denn diese ist eng begrenzt auf Ingenieure, Chemiker, Physiker, Mathematiker sowie Techniker und technische Sonderfachkräfte. Technische Berufe des Berufsbereichs der Fertigungsberufe sind dort nicht erfasst. Auch in der Fachliteratur findet sich keine konkrete Definition der technischen Berufe des gewerblich-technischen Bereichs. Die hier verwendete Berufsauswahl basiert auf der im Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit des Jahres 2002 (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2003, S. 12 ff.) zugrunde gelegten Abgrenzung (vgl. auch Troltsch 2004), die in zwei Einzelstudien (Uhly 2005 und 2007b) fortgeführt wurde. Technische Ausbildungsberufe sind demnach solche, deren Tätigkeits- und Kenntnisprofile hohe Technik anteile (z. B. hohe Anteile von Überwachen, Steuern von Maschinen, Anlagen, technischen Prozessen etc.) ergeben haben. Eine vollständige Berufsliste (alle Einzelberufe) findet man unter: http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_dazubi_berufsliste-t_2009.pdf.
Tabelle A4.4-2: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in technischen Ausbildungsberufen1, Bundesgebiet 19802 und 1993 bis 20093
Modernisierung der dualen Berufsausbildung
Im Folgenden werden als neue duale Ausbildungsberufe die Berufe des dualen Systems betrachtet, die seit 1996 neu geschaffen wurden. Seit 1996 wurde die Modernisierung der dualen Berufsausbildung durch die Neuordnung von Ausbildungsberufen intensiviert. Hintergrund war die „Diskussion um die qualifikatorischen Konsequenzen aus den Entwicklungen in strategisch bedeutsamen Technologien, dem Sprung von der Industrie- zur Informations- und Wissensgesellschaft, der Globalisierung des Wirtschaftens und der damit verbundenen Umgestaltung der Arbeitsorganisation“ (Bundesinstitut für Berufsbildung 1998, S. 1). Im Jahr 1999 haben sich die Sozialpartner auf eine Fortführung dieser Modernisierungsoffensive geeinigt (Arbeitsgruppe Aus- und Weiterbildung 1999; Bundesministerium für Bildung und Forschung 2002, S. 26 ff.). Von 1996 bis 2009 wurden 81 Ausbildungsberufe neu geschaffen. In diesen Berufen wurden im Jahr 2009 60.771 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen Tabelle A4.4-3. Dies entspricht einem Anteil von 10,8 % aller Neuabschlüsse. Damit ist der Anteil der Neuabschlüsse in den seit 1996 neu geschaffenen Ausbildungsberufen geringfügig zurückgegangen.
Mit 8.505 Neuabschlüssen in 2009 ist der Beruf Fachinformatiker / -in der am stärksten besetzte neue Ausbildungsberuf, gefolgt vom Beruf Mechatroniker / -in mit 7.080 Neuabschlüssen. Mit deutlichem Abstand folgen die Ausbildungsberufe Mediengestalter / -in Digital und Print (3.726) und Automobilkaufmann / -frau (3.246). In den Berufen Mechatroniker / -in und bei Automobilkaufleuten ist die Zahl der Neuabschlüsse seit 1998 (Jahr des Inkrafttretens der Ausbildungsordnung) nahezu stetig gestiegen bzw. auf hohem Niveau verblieben, in 2009 geht auch in diesen beiden Berufen die Zahl der Neuabschlüsse deutlich zurück. In den Berufen Fachinformatiker / -in (neu seit 1997) sowie Mediengestalter / -in Digital und Print (Vorgängerberuf neu seit 1998) ist die Neuabschlusszahl nach einem anfänglich starken Anstieg bis auf 10.506 bzw. 5.484 neu abgeschlossener Ausbildungsverträge in den Jahren 2002 bis 2005 stark eingebrochen, danach sind sie bis 2008 wieder gestiegen, in 2009 erfolgt auch dort ein Rückgang. Insgesamt bleibt ein Großteil der neuen Ausbildungsberufe auch nach einigen Jahren nach ihrer Neuordnung vergleichsweise gering besetzt. Eine Konzentration auf wenige Ausbildungsberufe erfolgt jedoch nicht allein bei den neuen Ausbildungsberufen, sondern ist für die duale Berufsausbildung insgesamt zu beobachten. In ca. 64 % aller staatlich anerkannten Ausbildungsberufe bzw. dualen Ausbildungsberufe in Erprobung werden jeweils weniger als 500 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen; in den 20 am stärksten besetzten staatlich anerkannten Ausbildungsberufen findet man mehr als die Hälfte aller Jugendlichen mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag.
Tabelle A4.4-3 Tabelle A4.4-3: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in den seit 1996 neu geschaffenen dualen Ausbildungsberufen1, Bundesgebiet 1996 bis 2009 (Teil 1)
Tabelle A4.4-3: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in den seit 1996 neu geschaffenen dualen Ausbildungsberufen1, Bundesgebiet 1996 bis 2009 (Teil 2)
Tabelle A4.4-3: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in den seit 1996 neu geschaffenen dualen Ausbildungsberufen1, Bundesgebiet 1996 bis 2009 (Teil 3)
Tabelle A4.4-4: Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in zweijährigen Ausbildungsberufen1 an allen Neuabschlüssen, Westdeutschland 1980 und 1993 bis 2009, Ostdeutschland und Bundesgebiet 1993 bis 20092
Die Entwicklung zweijähriger Ausbildungsberufe
Neben den oben genannten Neuordnungsmotiven wird in den letzten Jahren auch wieder verstärkt das Ziel verfolgt, zweijährige (theoriegeminderte) Ausbildungsberufe speziell für Jugendliche mit schlechten Startchancen zu schaffen (Kath 2005; Bundesministerium für Bildung und Forschung 2005). Seit 2003 sind 12 neue Ausbildungsordnungen für zweijährige Ausbildungsberufe in Kraft getreten. Auszubildende in staatlich anerkannten Ausbildungsberufen oder Ausbildungsberufen in Erprobung, deren Ausbildungsordnung eine zweijährige Ausbildungsdauer vorsieht (kurz: zweijährige Ausbildungsberufe), machen im Jahr 2009 51.786 Neuabschlüsse bzw. 9,5 % aller Neuabschlüsse aus Tabelle A4.4-4. 109
In den 1980er-Jahren lag der Anteil zweijähriger Ausbildungsberufe in den alten Ländern noch deutlich höher (1980: 13,7 %). Mit dem Wegfall von sogenannten gestuften Ausbildungen in den Elektroberufen im Jahr 1987 ist deren Anteil bis Mitte der 1990er-Jahre auf unter 3 % stark geschrumpft. Bereits seit 1995 steigt deren Anteil wieder an. In Westdeutschland fällt der Anteil der zweijährigen Ausbildungsberufe mit 8,5 % (2009) deutlich geringer aus als in Ostdeutschland (14,1 %). Der am stärksten besetzte zweijährige Ausbildungsberuf ist mit 26.235 Neuabschlüssen der Beruf Verkäufer / -in, es folgen mit deutlichem Abstand die Berufe Fachlagerist / -in (6.045), Fachkraft im Gastgewerbe (3.900), Maschinen- und Anlagenführer / -in (2.811), Teilezurichter / -in (1.860), Kraftfahrzeugservicemechaniker / -in (1.776), Bauten- und Objektbeschichter / -in (1.686), Hochbaufacharbeiter / -in (1.443), Tiefbaufacharbeiter / -in (1.293) und Ausbaufacharbeiter / -in (1.107). Alle anderen sind mit deutlich geringeren Neuabschlusszahlen besetzt.
Die überwiegende Mehrheit (95 %) der Jugendlichen, die im Jahr 2009 in einem zweijährigen Ausbildungs beruf einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben, befindet sich in einem Beruf, der die Möglichkeit der Anrechnung der Ausbildung in einem drei- bzw. dreieinhalbjährigen Ausbildungsberuf vorsieht. Von den zweijährigen Ausbildungsberufen, deren Ausbildungsordnung keine Fortführung explizit vorsieht, ist allein der aus dem Jahr 1940 stammende Beruf Teilezurichter / -in mit 1.860 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen stärker besetzt. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass die Berufsbildungsstatistik nicht erfasst, ob die Ausbildung nach Abschluss der zweijährigen Berufsausbildung auch wirklich fortgeführt wird. Echte Ausbildungsverläufe lassen sich aufgrund der fehlenden festen Personennummer auf Basis der Berufsbildungsstatistik nicht ermitteln. Allerdings wird seit dem Berichtsjahr 2008 die Zahl der Anschlussverträge ermittelt. Berechnet wird sie als Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in potenziellen Fortführungsberufen mit einer entsprechend kürzeren Vertragsdauer und dem Vorliegen einer vorherigen abgeschlossenen dualen Berufsausbildung der Auszubildenden (vgl. Kapitel A4.3). Somit kann der rechnerische Anteil der Anschlussverträge an den Absolventen (erfolgreiche Abschlussprüfungen) in zweijährigen Ausbildungsberufen als näherungsweise Berechnung des Anteils derer, die eine zweijährige Ausbildung in einem dualen Ausbildungsberuf fortführen, herangezogen werden. Die Zahl der Anschlussverträge lässt sich auf Basis der Meldungen zur Berufsbildungsstatistik nicht exakt ermitteln; sie kann lediglich als Höchstwert betrachtet werden, der eine Überschätzung darstellen kann (vgl. Uhly 2011). Von allen Neuabschlüssen des Jahres 2009 lassen sich maximal 10.506110 als Anschlussverträge ausmachen. Folglich kann man ableiten, dass maximal 28 % der Absolventen zweijähriger Ausbildungsberufe, deren Ausbildungsordnungen eine Fortführung grundsätzlich vorsehen, bzw. 26 % aller Absolventen zweijähriger Ausbildungsberufe des Berichtsjahres 2009 die Ausbildung fortführen. Der Anteil derer, die eine zweijährige duale Berufsausbildung fortführen, fällt vergleichsweise gering aus. Letztendlich lassen sich jedoch der exakte Anteil sowie die Frage, wie sich die genauen Bildungs- und Erwerbschancen dieser Personen darstellen, auf Basis der Berufsbildungsstatistik nicht ermitteln. Hierzu sind spezifische Evaluationsstudien erforderlich (siehe z. B. Gruber / Weber 2007).
Tabelle A4.4-5: Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Berufen für Menschen mit Behinderung1, Bundesgebiet, Westdeutschland und Ostdeutschland 1993 bis 20092, in % aller Neuabschlüsse
Die Entwicklung der Ausbildungsberufe für Menschen mit Behinderung
In Berufen für Menschen mit Behinderung (§ 66 BBiG und § 42m HwO) wurden im Jahr 2009 14.178 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen (insgesamt wurden 37.404 Auszubildende in diesen Berufen ausgebildet); die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in diesen Ausbildungsberufen machen im Jahr 2009 einen Anteil von 2,5 % aller Neuabschlüsse aus Tabelle A4.4-5.
In Ostdeutschland liegt der Anteil der Neuabschlüsse in den Berufen für Menschen mit Behinderung im gesamten Beobachtungszeitraum mehr als doppelt so hoch wie in Westdeutschland (in 2009 Ost: 5,1 % und West: 2,0 %). In Westdeutschland ist er bis 2004 kontinuierlich angestiegen und liegt seither bei ca. 2 %. In Ostdeutschland stieg er insbesondere zwischen 1993 und 1996 sowie 1998 und 2003, verblieb bis 2005 auf 5,5 % und liegt bis 2009 bei ca. 5 %.
E Duale Ausbildungsberufe für Menschen mit Behinderung
Im Regelfall sollen „behinderte Menschen … in anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet werden“ (§ 64 BBiG). Nur wenn aufgrund der Behinderung eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf nicht infrage kommt, sollen Menschen mit Behinderung nach besonderen Regelungen ausgebildet werden. Bei diesen Ausbildungsberufen handelt es sich um Berufe mit speziellen Ausbildungsregelungen der zuständigen Stellen (§ 66 BBiG bzw. § 42m HwO).
Bei den Daten der Berufsbildungsstatistik ist zu beachten, dass kein personenbezogenes Merkmal zur Behinderung erhoben wird. Erfasst ist lediglich, ob es sich bei den jeweiligen Meldungen der Ausbildungsverträge um staatlich anerkannte Ausbildungsberufe (bzw. duale Ausbildungsberufe in Erprobung) oder um Ausbildungsgänge gemäß einer Regelung der zuständigen Stellen für Menschen mit Behinderung handelt.
Auch wenn solche Ausbildungsregelungen ausschließlich für Menschen mit Behinderung vorgesehen sind, legen die Bedeutungszunahme dieser Berufe sowie die erheblichen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland die Vermutung nahe, dass – wie auch bei Maßnahmen und Ausnahmeregelungen für Benachteiligte oder Lernbeeinträchtigte schon lange bekannt (siehe hierzu Ulrich 1998) – solche Ausbildungsregelungen nicht alleine durch das Vorliegen entsprechender Merkmale bei den Jugendlichen zu erklären sind, sondern auch als Problemlösungsstrategien dienen, um Jugendliche trotz Ausbildungsplatzmangel mit Ausbildungsplätzen zu versorgen.
Es bleibt zu berücksichtigen, dass auf Basis der Berufsbildungsstatistik nicht die Situation von Menschen mit Behinderung in der dualen Berufsausbildung analysiert werden kann, da auf Basis dieser Statistik lediglich eine berufsbezogene Betrachtung möglich ist, ein personenbezogenes Merkmal zur Behinderung wird nicht erfasst. Menschen mit Behinderung werden auch in den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet, das BBiG sieht dies sogar als Regelfall vor (§ 64 BBiG).
(Alexandra Uhly)