A5.10.4 Die duale Ausbildung aus der Sicht von Nichtausbildungsbetrieben
Das Ausbildungssystem in Deutschland lebt von der Bereitschaft von Betrieben, Jugendliche auszubilden. Im Jahr 2007 haben rund ein Viertel aller Betriebe (24 % bzw. 493.000 Betriebe) Ausbildungsplätze angeboten Y vgl. Kapitel A5.10.1. Dies bedeutet aber auch, dass sich die überwiegende Zahl der Betriebe nicht an der dualen Ausbildung beteiligt. Warum verzichten diese Betriebe auf die Ausbildung? Wie schätzen sie den Nutzen einer möglichen Ausbildung ein? Was würde die Aufnahme der Ausbildung begünstigen? Wie gewinnen die Nichtausbildungsbetriebe neue Fachkräfte? Welche Strategien nutzen sie zur Deckung ihres Fachkräftebedarfs? Zur Beantwortung dieser Fragen hat das Bundesinstitut für Berufsbildung im Jahr 2008 eine postalische Befragung bei Nichtausbildungsbetrieben durchgeführt.
Ausbildende und nicht ausbildende Betriebe unterscheiden sich in Bezug auf strukturelle Merkmale wie Betriebsgröße und Wirtschaftszweig vgl. Kapitel A5.10.1 und Tabellen A5.10.1-1 bis A5.10.1-9 sowie Tabellen A5.10.1-19 bis A5.10.1-27 Internet. So nimmt die Ausbildungsleistung stark mit der Betriebsgröße zu. Weniger als ein Fünftel der Kleinstbetriebe mit weniger als 10 Beschäftigten, jedoch 9 von 10 Großbetrieben mit 500 und mehr Beschäftigten bilden aus. In den alten Ländern liegt die Ausbildungsbetriebsquote deutlich höher als im Osten. Nach Wirtschaftszweigen beteiligen sich vor allem Betriebe des verarbeitenden Gewerbes und des Handels an der Ausbildung. Die niedrigsten Ausbildungsbetriebsquoten finden sich in den Dienstleistungsbereichen.
E BIBB-Betriebsbefragung zur Gewinnung von Fachkräften
Die postalische Befragung richtete sich an Betriebe, die am 30.06.2007 (Stichtag für die Stichprobenziehung) nicht ausgebildet haben. Die nach Betriebsgrößenklassen und Region (alte bzw. neue Länder) geschichtete Stichprobe wurde aus der Betriebsdatei der Bundesagentur für Arbeit gezogen. 2001 wurde eine ähnliche Befragung bei 1.373 Betrieben durchgeführt, auf denen diese Erhebung aufbaute (siehe zu den Ergebnissen Beicht u. a. 2004, S. 257–268).
Insgesamt beteiligten sich 1.094 Betriebe an der Erhebung, davon bildeten 725 Betriebe zum Zeitpunkt der Befragung nicht aus, 369 Betriebe beschäftigten mittlerweile Auszubildende. Da die Adressinformationen zum 30.06.2007 vorlagen, die Erhebung jedoch erst im Sommer des nächsten Jahres durchgeführt wurde, sind Abweichungen unvermeidlich. Für die Auswertungen in diesem Kapitel wurden nur die nicht ausbildenden Betriebe berücksichtigt.
Die Rücklaufquote lag bei 5 %. Um Verzerrungen der Stichprobenergebnisse auszugleichen, die dadurch entstehen, dass die größeren Betriebe auskunftsfreudiger als die kleineren Betriebe waren, wurde der Datensatz durch ein Gewichtungsverfahren, das auf den Zahlen der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit basiert und nach Region, Wirtschaftszweig und Betriebsgröße differenziert wurde, an die realen Verhältnisse der Grundgesamtheit angepasst.
Erfüllung von gesetzlichen Ausbildungsvoraussetzungen bei Nichtausbildungsbetrieben
Um eine Ausbildung durchführen zu können, müssen nach dem Berufsbildungsgesetz im Betrieb bestimmte personelle und sächliche Voraussetzungen gegeben sein:
- Die Ausbildungsstätte muss nach Art und Einrichtung für die Berufsausbildung geeignet sein, d. h., der Betrieb muss über die nötigen Werkzeuge, Maschinen und Einrichtungen verfügen.
- Die Zahl der Auszubildenden muss in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der Ausbildungsplätze bzw. zur Zahl der beschäftigten Fachkräfte stehen.
- Der Arbeitgeber bzw. der Ausbilder muss persönlich und fachlich für eine Ausbildung geeignet sein (Nachweis z. B. durch eine Meisterprüfung oder eine Ausbildereignungsprüfung).
In der Betriebsbefragung wurde gefragt, ob die personellen und sächlichen Bedingungen für eine Ausbildung in den Betrieben vorhanden seien.211 In immerhin 48 % der Betriebe gibt es Personen, die über eine Ausbildungsberechtigung verfügen. Sogar 51 % der Betriebe besitzen die sächlichen Voraussetzungen, um eine Ausbildung nach den Regelungen des Berufsbildungsgesetzes bzw. der Handwerksordnung durchzuführen. 35 % der Betriebe erfüllen beide Bedingungen, 36 % keine der beiden. Insbesondere Handwerksbetriebe und Betriebe mit 10 bis 49 Beschäftigten erfüllen beide Bedingungen Y Schaubild A5.10.4-1. Für viele Betriebe ist die Aufnahme einer Ausbildung also möglich und scheitert nicht an fehlenden Voraussetzungen. Auch für einen Großteil der anderen Betriebe dürfte es mit externer Unterstützung, z. B. durch Kammern oder Ausbildungsberater der Bundesagentur für Arbeit, möglich sein, zumindest die personellen und sächlichen Bedingungen zu erfüllen.
Schaubild A5.10.4-1: Erfüllung der sächlichen und / oder personellen Voraussetzungen für eine Ausbildung bei Nichtausbildungsbetrieben nach verschiedenen Betriebsmerkmalen (in %)
Ausbildungsbeteiligung im Zeitverlauf
Viele Betriebe bilden nicht jedes Jahr aus, sondern in größeren Abständen und nach Bedarf. Es gibt einen regelmäßigen Wechsel von Ausbildungsbetrieben, die die Ausbildung einstellen, und von Nichtausbildungsbetrieben, die die Ausbildung (wieder) aufnehmen. Nicht auszubilden ist also keine auf Dauer gefällte Entscheidung (vgl. hierzu Fischer u. a. 2007). Auch von den befragten Betrieben haben immerhin 29 % früher ausgebildet, davon 23 % sogar in den letzten 3 Jahren. Besonders größere Betriebe mit 50 und mehr Beschäftigten sowie Handwerksbetriebe und Betriebe, die im Bereich der freien Berufe tätig sind, bildeten bereits Auszubildende aus. Knapp 16 % der Betriebe wollen in den nächsten Jahren in die Ausbildung (wieder) einsteigen. Ein auffallend großes Interesse, zukünftig junge Leute auszubilden, zeigen dabei die Betriebe mit 10 bis 49 Beschäftigten. Von ihnen denken 31 % an die Aufnahme der Ausbildung. 61 % der Betriebe haben allerdings noch nie ausgebildet und planen dies auch für die Zukunft nicht. Hier findet sich mit 69 % ein besonders hoher Anteil im Osten Deutschlands sowie bei den Kleinstbetrieben mit 63 %. Auch im öffentlichen Dienst mit 72 % und in Industrie und Handel mit 67 % ist der Anteil der kontinuierlich ausbildungsinaktiven Betriebe überdurchschnittlich hoch. Für viele Betriebe dient die Ausbildung dazu, einen zukünftigen Fachkräftebedarf zu decken. Dieser ist in kleineren Betrieben meist niedriger als in größeren Betrieben. Daher ist es für diese Betriebe oft nicht nötig, regelmäßig junge Leute auszubilden.
Gründe für die Nichtausbildung
Drei Viertel der Betriebe in Deutschland bilden keine Auszubildenden aus. Auf die Frage, was die Gründe für den Verzicht auf Ausbildung seien, gaben die Betriebe meist nicht nur einen Grund als besonders wichtig an, sondern entschieden sich für mehrere Argumente Tabelle A5.10.4-1.
Fast die Hälfte der Nichtausbildungsbetriebe begründet ihren Verzicht auf die Ausbildung mit zu hohen Ausbildungskosten. Direkt danach folgt die fehlende Zeit. Auch auf den nächsten Plätzen finden sich Motive, die vor allem den zu hohen Aufwand und die Schwierigkeiten bei der Durchführung der Ausbildung berücksichtigten. So seien die zu vermittelnden Ausbildungsinhalte oftmals zu komplex oder es gäbe zu viele Vorschriften, die beachtet werden müssen. Immerhin 40 % der Betriebe verweisen auf eine zu geringe Anwesenheitszeit der Auszubildenden im Betrieb. 38 % der Betriebe beklagen, dass sie keine qualifizierten Bewerber / -innen finden können. Viele Betriebe sind auch zu spezialisiert, um alle vorgesehenen Ausbildungsinhalte vermitteln zu können.
Fehlende Verwertungsmöglichkeiten spielen dagegen deutlich seltener die entscheidende Rolle bei der Entscheidung für oder gegen eine Ausbildung: Rund 36 % der Betriebe verweisen auf einen zu geringen Nutzen, 35 % decken ihren Fachkräftebedarf durch die Weiterbildung des vorhandenen Personals, und in einem Drittel der Betriebe gibt es schlicht keinen Bedarf an entsprechenden Fachkräften. 32 % bemängeln, dass die Auszubildenden zu oft nach Ausbildungsende den Betrieb verlassen. Für 26 % der Betriebe ist es günstiger, qualifiziertes Personal direkt vom Arbeitsmarkt zu rekrutieren. Von geringer Bedeutung sind schlechte Erfahrungen, die mit früheren Auszubildenden gemacht wurden.
Betrachtet man nun die Betriebe nach verschiedenen Merkmalen, ergeben sich eine Reihe von interessanten Unterschieden. In den neuen Ländern wird sehr viel häufiger als in den alten Ländern auf die fehlende Zeit verwiesen sowie auf den nicht vorhandenen Bedarf, neue Fachkräfte einzustellen. Gerade in den neuen Ländern ist es für viele Betriebe auch kostengünstiger, neues Personal auf dem Arbeitsmarkt zu suchen, als eine eigene Ausbildung durchzuführen. Eine große Zahl von ostdeutschen Betrieben gibt auch an, den Fachkräftebedarf durch die Weiterbildung eigener Beschäftigter zu decken. Im Westen werden viele Betriebe durch zu viele Vorschriften, die bei der Durchführung einer Ausbildung beachtet werden müssen, abgeschreckt.
Die Wichtigkeit der zu hohen Ausbildungskosten nimmt mit der Betriebsgröße stark ab. Bei Kleinstbetrieben mit weniger als 10 Beschäftigten geben dies noch 50 % als sehr wichtigen bzw. wichtigen Grund an, bei den Betrieben mit 10 bis 49 Beschäftigten 44 % und bei den größeren Betrieben nur noch 33 %. Größere Betriebe verfügen über bessere Möglichkeiten, ihren Fachkräftebedarf auf anderen Wegen als durch Ausbildung zu decken. Sie verzichten daher häufiger auf die Ausbildung, weil es für sie günstiger ist, Personal über den Arbeitsmarkt zu suchen (47 % bei größeren Betrieben mit 50 und mehr Beschäftigten im Vergleich zu 24 % bei den Kleinstbetrieben) bzw. den Fachkräftebedarf über die Weiterbildung eigener Mitarbeiter / -innen zu decken (69 % bei größeren Betrieben, 32 % bei Kleinstbetrieben).
Bei Betrieben, die sowohl die sächlichen als auch die personellen Voraussetzungen für eine Ausbildung erfüllen, liegt mit einem Anteil von 56 %, die diesen Grund als sehr wichtig bzw. wichtig ansehen, der Mangel an qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern an der Spitze. An zweiter Stelle folgen die hohen Ausbildungskosten (55 %). Kaum von Bedeutung ist mit 19 % eine zu starke Spezialisierung dieser Betriebe. Bei den Betrieben, die die Voraussetzungen nicht erfüllen, ist dies mit 46 % jedoch der zweitwichtigste Grund für die Nichtausbildung. An erster Stelle steht mit 52 % die fehlende Zeit. Die Betriebe unterstreichen damit, dass sie ihren Betrieb grundsätzlich als ungeeignet halten, eine Ausbildung durchzuführen. Dies scheitert nicht an Erwägungen, die mit der Ausbildungspraxis zusammenhängen, wie der geringen Anwesenheit der Auszubildenden im Betrieb oder einem Mangel an qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern.
In Betrieben, die seit dem Jahr 2000 zumindest einmal ausgebildet haben, es derzeit aber nicht mehr tun, wird ebenfalls der Mangel an geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern mit Abstand als der wichtigste Grund für den Verzicht auf die Ausbildung eingestuft (66 %). Deutlich wichtiger als in der Gruppe der Betriebe, die in den letzten Jahren keine Auszubildenden ausgebildet haben, sind auch die schlechten Erfahrungen, die die Betriebe mit den Auszubildenden gesammelt haben (32 % zu 11 %). Die Betriebe mit Ausbildungserfahrung bemängeln zudem, dass die Ausgebildeten später zu oft den Betrieb verlassen und so der zusätzliche Nutzen durch eine Übernahme der Ausgebildeten entfällt (40 % zu 30 %) und die Auszubildenden zu selten im Betrieb sind (47 % zu 38 %).
Tabelle A5.10.4-1: Gründe von Nichtausbildungsbetrieben für den Verzicht auf Ausbildung nach verschiedenen Betriebsmerkmalen (Nennung der Antwortmöglichkeit sehr wichtig / wichtig in %)
Motive für die Aufnahme einer Ausbildung
Die Durchführung einer Ausbildung kann aus einer Reihe von Gründen für einen Betrieb attraktiv und von Nutzen sein. Die Nichtausbildungsbetriebe wurden daher gefragt, was aus ihrer Sicht am ehesten für die Aufnahme der Ausbildung sprechen würde.212 Dabei ist zu beachten, dass der größte Teil der Nichtausbildungsbetriebe noch nie ausgebildet hat und dies auch in Zukunft nicht plant. Somit verfügen diese Betriebe über keine direkten Erfahrungen bzw. Berührungspunkte mit der Ausbildung. Den größten Vorteil einer eigenen Ausbildung sehen die Nichtausbildungsbetriebe in der Möglichkeit, Nachwuchskräfte zu qualifizieren, die genau den betrieblichen Anforderungen entsprechen Schaubild A5.10.4-2. Ebenfalls einen hohen Stellenwert nimmt der Aspekt ein, dass durch die Ausbildung Fachkräfte gewonnen werden können, die bei einem Mangel an qualifiziertem Personal auf dem Arbeitsmarkt sonst nicht zu finden wären. Darüber hinaus wird die Vermeidung einer hohen Personalfluktuation durch die Gewinnung besonders betriebsverbundener Fachkräfte sowie die Möglichkeit, bei der Übernahme von Auszubildenden die „Besten“ auswählen zu können, häufig als besonders wichtig genannt. Es stehen also Aspekte der Qualifizierung und der Gewinnung von Fachkräften im Vordergrund. Diese setzen die Übernahme eines / einer Ausgebildeten voraus.
Soziale und gesellschaftliche Motive sind dagegen für Nichtausbildungsbetriebe von geringerer Bedeutung. Während die Gesichtspunkte „Ausbildung als Gemeinschaftsaufgabe der Wirtschaft und als Leistung für die Gesellschaft“ sowie „Ausbildung zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses in der Branche / Region“ noch von 44 % bzw. 40 % der Betriebe als wichtig angesehen werden, messen nur wenige Betriebe dem Aspekt der Erhöhung des Ansehens des Betriebs bei Kunden, Lieferanten und in der Öffentlichkeit eine große Bedeutung bei.
Aspekte, die sich direkt in Ersparnissen bemerkbar machen, werden lediglich von einem kleineren Teil der Betriebe als wichtig eingestuft. Größten Anklang finden dabei mit 41 % noch der Arbeitseinsatz der Auszubildenden während der Ausbildung und das Einsparen von Einarbeitungskosten für betriebsfremde Fachkräfte mit 37 %. Den anderen drei Motiven, die sich auch monetär bemerkbar machen können (Einsparen von Kosten der Personalsuche auf dem Arbeitsmarkt, unter Kosten- und Nutzenaspekten attraktiv und Einsatz der Ausgebildeten bei der Einarbeitung neu eingestellter Arbeitskräfte), wird dagegen von weniger als einem Drittel der Betriebe ein hoher Stellenwert eingeräumt. In einer Befragung von rund 3.000 Ausbildungsbetrieben zu den Kosten und Nutzen der betrieblichen Ausbildung wurde die monetäre Bedeutung einiger dieser Aspekte genauer untersucht. Es zeigte sich, dass durch den Arbeitseinsatz der Auszubildenden bei einem Drittel der Betriebe die Ausbildungskosten bereits gedeckt werden konnten. Bei den anderen Betrieben können die verbliebenen Kosten durch die Übernahme von Auszubildenden und der damit verbundenen Einsparung von Personalgewinnungs- und Einarbeitungskosten sowie weiterer, weniger gut messbarer Faktoren wie etwa Imagegewinn zu einem großen Teil kompensiert werden. Mit einem Anteil von 60 % war der überwiegende Teil der Ausbildungsbetriebe mit dem Kosten-Nutzen-Verhältnis der Ausbildung zufrieden bzw. sogar sehr zufrieden. Allerdings unterscheiden sich Nichtausbildungsbetriebe und Ausbildungsbetriebe in ihren Strukturen, sodass man nicht ohne Weiteres daraus schließen kann, dass die Nichtausbildungsbetriebe in ähnlichem Umfang von der Ausbildung profitieren würden.
Schaubild A5.10.4-2: Gründe für die Ausbildung aus der Sicht von Nichtausbildungsbetrieben (in %)
E Kosten- und Nutzenerhebung 2007 des Bundesinstituts für Berufsbildung
In einer persönlichen Befragung von 2.986 Ausbildungsbetrieben aller Branchen und Betriebsgrößenklassen wurden in detaillierter Form die Ausbildungskosten und -erträge sowie Informationen zum Übernahmeverhalten der Betriebe und (möglicherweise) eingesparten Personalgewinnungskosten bei der Einstellung von Fachkräften vom externen Arbeitsmarkt abgefragt. Die Erhebung wurde im Jahr 2008 mit dem Bezugsjahr 2007 durchgeführt. Sie baute auf drei Vorgängerbefragungen des Bundesinstituts für Berufsbildung in den Jahren 1980, 1991 und 2000 auf.213
Personalgewinnung bei Nichtausbildungsbetrieben
Um neue Fachkräfte zu gewinnen, gibt es für die Betriebe verschiedene Möglichkeiten. Ausbildungsbetriebe setzen erwartungsgemäß hauptsächlich auf die eigene Ausbildung – für 84 % der Betriebe, die sich an der oben erwähnten Befragung zu den Kosten und Nutzen der betrieblichen Ausbildung beteiligt haben, ist sie eine sehr wichtige bzw. wichtige Möglichkeit zur Deckung des Qualifikationsbedarfs im Fachkräftebereich. Welche Personalgewinnungsstrategien verfolgen nun die Nichtausbildungsbetriebe?
Bei ihnen ist die Einstellung berufserfahrener Fachkräfte vom externen Arbeitsmarkt die wichtigste Möglichkeit Tabelle A5.10.4-2. Vor allem größere Betriebe mit 50 und mehr Beschäftigten setzen mit einem Anteil von 72 % auf diese Strategie. Daneben wird auch häufig auf eine interne Qualifizierung und Weiterbildung von Beschäftigten ohne Berufsausbildung zurückgegriffen. Fast die Hälfte aller Betriebe mit 10 bis 49 Beschäftigten stuft diese Möglichkeit als wichtig ein. Die Einstellung von Berufsanfängern und -anfängerinnen, die entweder schulisch oder von anderen Betrieben ausgebildet wurden, ist von geringerer Bedeutung. In größeren Betrieben finden jedoch zumindest die in anderen Betrieben Ausgebildeten häufiger Chancen zum Einstieg – der Anteil der Betriebe, die diese Möglichkeit nutzen, beträgt 213 Zu den Ergebnissen siehe ausführlich Schönfeld u. a. 2010, für eine Zusammenfassung vgl. BIBB-Datenreport 2009, Kapitel A9.3. bei den Betrieben mit 10 bis 49 Beschäftigten 30 % und bei den größeren Betrieben sogar 43 %. Schulisch ausgebildete Berufsanfänger erhalten vor allem im öffentlichen Dienst und bei den freien Berufen Chancen zum Einstieg.
Tabelle A5.10.4-2: Personalgewinnungsstrategien von Nichtausbildungsbetrieben nach verschiedenen Betriebsmerkmalen (Nennung der Antwortmöglichkeit sehr wichtig / wichtig in %)
Unterstützungsmaßnahmen für die Aufnahme der Ausbildung
In den letzten Jahren überstieg die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen das Angebot, sodass ein Teil der Jugendlichen nicht versorgt werden konnte vgl. Kapitel A1.1. Es bleibt daher weiterhin ein wichtiges Ziel aller an der Ausbildung beteiligten Parteien (Wirtschaft, Bund und Länder), die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen, z. B. durch die Gewinnung neuer Ausbildungsbetriebe. Wie können die Betriebe aber bei der Aufnahme der Ausbildung unterstützt werden? Die Nichtausbildungsbetriebe wurden gebeten, einige Maßnahmen danach zu beurteilen, wie geeignet sie sind, um ihrem Betrieb die Aufnahme der Ausbildung zu ermöglichen.
Eine Reduzierung des bürokratischen Aufwands halten die meisten der Betriebe für eine besonders geeignete Maßnahme, um ihnen die Aufnahme der Ausbildung zu erleichtern Tabelle A5.10.4-3. Es scheint, dass sich viele Nichtausbildungsbetriebe von dem vermeintlichen oder tatsächlichen hohen bürokratischen Aufwand, z. B. bei der Auswahl der Bewerber / -innen, der Zusammenarbeit mit den zuständigen Kammern und der Vermittlung der in den Ausbildungsordnungen vorgeschriebenen Inhalten, abschrecken lassen. Vor allem in den neuen Ländern und bei Betrieben mit 50 und mehr Beschäftigten findet diese Maßnahme großen Anklang.
Finanzielle und steuerliche Anreize können ein vielversprechendes Mittel sein, neue Ausbildungsplätze in Betrieben zu gewinnen. Insbesondere Betriebe, die über Ausbildungserfahrungen seit dem Jahr 2000 verfügen, halten diese Maßnahme für sehr geeignet. Ob sie die Ausbildung wegen zu hoher Kosten eingestellt haben, kann durch die Erhebung nicht belegt werden, auffällig ist jedoch, dass sie ebenfalls in deutlich stärkerem Maße als die Betriebe ohne Ausbildungserfahrung für eine Senkung der Ausbildungsvergütungen plädieren. Sie setzen also sehr stark auf eine finanzielle Unterstützung. Auch Betriebe, bei denen die Voraussetzungen für die Aufnahme einer Ausbildung gegeben sind, halten diese beiden Maßnahmen für besonders geeignet. Ob diese finanziellen Anreize allerdings tatsächlich die Ausbildungsneigung steigern würde, muss offenbleiben: Es gibt bereits eine große Zahl von Unterstützungsprogrammen vonseiten des Bundes bzw. der Länder vgl. Kapitel A7.1, A9.2 und D1, ohne dass es zu einer größeren Änderung der Ausbildungsbetriebsquote gekommen ist.
Weitere wichtige Maßnahmen sind eine stärkere Abstimmung zwischen Berufsschulen, Kammern und Betrieben214 sowie die Verbesserung der schulischen Vorbildung der Ausbildungsplatzbewerber / -innen. Letztere Maßnahme wird dabei von Betrieben mit Ausbildungserfahrung als deutlich wichtiger eingeschätzt als von Betrieben, die noch nie Auszubildende hatten. Durch ihre Erfahrungen mit Auszubildenden können sie eher einschätzen, welche Auswirkungen für den Zeitaufwand und die Kosten durch leistungsschwächere Auszubildende entstehen.
Zwei Maßnahmen, die sich auf die Gestaltung der Ausbildung am betrieblichen Arbeitsplatz beziehen, halten mehr als die Hälfte der Betriebe für besonders geeignet, um ihre Ausbildungsbereitschaft zu erhöhen. 61 % der Nichtausbildungsbetriebe setzen auf eine stärkere Einbeziehung der Auszubildenden in den Arbeitsprozess. Diese Maßnahme wird besonders in den neuen Ländern, bei Betrieben mit 10 bis 49 Beschäftigten und bei Betrieben ohne Ausbildungserfahrung geschätzt. Die Betriebe würden es darüber hinaus begrüßen, wenn sie insgesamt eine größere Freiheit bei der Gestaltung der Ausbildung hätten und z. B. die Auszubildenden betriebsspezifischer ausbilden könnten.
Kaum eine Rolle spielen Änderungen in der Ausbildungsdauer – weder eine Verkürzung noch eine Verlängerung hätten größere Auswirkungen auf die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe. Wie bereits angesprochen, sehen zwar 41 % der Betriebe mit Ausbildungserfahrung eine Senkung der Ausbildungsvergütungen als eine geeignete Maßnahme an, den Betrieben die Aufnahme einer Ausbildung zu erleichtern. Insgesamt findet diese Möglichkeit jedoch nur geringen Anklang. Bei zu geringen Vergütungen besteht auch die Gefahr, dass die Bewerber / -innen zu anderen Unternehmen abwandern bzw. andere Bildungsgänge einschlagen und das Interesse an einer betrieblichen Ausbildung verlieren.
Die Nichtausbildungsbetriebe äußern sich zu einer Reihe von möglichen Maßnahmen zur Steigerung der Ausbildungsbereitschaft sehr positiv. Die Umsetzung dieser Instrumente liegt in der Hand verschiedener Ansprechpartner: Zum einen geht es um die Organisation der Ausbildung und damit um das Zusammenspiel zwischen Betrieben, Berufsschulen, Kammern und den Verantwortlichen für die Erstellung der Ausbildungsordnungen. Zum anderen ist aber auch die Politik durch die Gewährung finanzieller Unterstützung angesprochen sowie die allgemeinbildenden Schulen, die für die schulische Vorbildung der Ausbildungsplatzbewerber / -innen sorgen.
Tabelle A5.10.4-3: Nichtausbildungsbetriebe, die die jeweiligen Maßnahmen für sehr geeignet bzw. geeignet halten, um ihrem Betrieb die Aufnahme der Ausbildung zu ermöglichen (in %)
Schlussfolgerungen
Die betriebliche Ausbildung genießt weiterhin ein hohes Ansehen unter den Jugendlichen in Deutschland. Ein großer Prozentsatz der Schulabgänger / -innen möchte jedes Jahr eine Berufsausbildung beginnen. Es ist daher besonders wichtig, dass ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen von den Betrieben zur Verfügung gestellt wird. Nicht immer ist dies in den letzten Jahren gelungen. Es ist daher ein wichtiges Ziel der Berufsbildungspolitik, die Zahl der Ausbildungsplätze zu vergrößern. Dies kann durch eine Ausweitung der Plätze in bereits ausbildenden Betrieben geschehen, aber auch durch die Gewinnung neuer bzw. früherer Ausbildungsbetriebe. Wie gezeigt, verfügen viele Nichtausbildungsbetriebe über die sächlichen und / oder personellen Voraussetzungen, um eine Ausbildung ordnungsgemäß nach den Vorgaben des Berufsbildungsgesetzes durchführen zu können. Ein großer Teil der Betriebe ist sich auch des möglichen Nutzens einer Ausbildung durchaus bewusst. Diese Befunde signalisieren der Berufsbildungspolitik, dass das Ausbildungsplatzpotenzial gerade bei Nichtausbildungsbetrieben noch nicht ausgeschöpft ist und es durch geeignete Unterstützungsmaßnahmen möglich ist, Betriebe zur Aufnahme der Ausbildung zu motivieren.
(Gudrun Schönfeld, Felix Wenzelmann)