Über junge Erwachsene ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung wurde bereits im Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2009, Kapitel A8.1 berichtet. Danach wurden nach Ergebnissen des Mikrozensus 2007 1,45 Mio. Erwachsene im Alter zwischen 20 und 29 Jahren ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung ermittelt. Es ergab sich ein Anteil der ungelernten jungen Erwachsenen dieser Altersgruppe an der entsprechenden Wohnbevölkerung von 15,2 %. Frauen (15,4 %) waren insgesamt etwas stärker von Berufslosigkeit betroffen als Männer (14,9 %).
Die Analysen des BIBB-Datenreports 2009 berücksichtigten alle Ungelernten in den untersuchten Altersgruppen und bezogen sich im Vergleich dazu auf alle Erwerbspersonen (Erwerbstätige, Erwerbslose und sonstige Nichterwerbspersonen). Die nachfolgende Datenanalyse beschränkt sich dagegen auf Erwerbstätige ohne Berufsabschluss und stellt insofern hinsichtlich der Integration in den Arbeitsmarkt eine „Positivauswahl“ der relativ „Erfolgreicheren“ dar. Dabei interessiert insbesondere, wie sich die Erwerbstätigen ohne Berufsabschluss in die Erwerbsarbeit integrieren und dort positionieren können. Gegenstand der Datenanalyse sind die Altersjahrgänge von 20 bis unter 35 Jahren. Gerade diese Gruppe ist von besonderer Bedeutung, weil ihr noch ein langes Erwerbsleben von 30 bis 40 Jahren bevorsteht. Das bedeutet gesellschaftlich eine große Chance, sie rechtzeitig durch geeignete Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu qualifizieren, um dem angesichts der demografischen Entwicklung bereits in vielen Wirtschaftszweigen aufkommenden Fachkräftemangel gegenzusteuern.
Unter der Bezeichnung „Nicht formal Qualifizierte“ bzw. „ungelernt“ werden alle (erwerbsfähigen) Personen zusammengefasst, die keine (duale oder rein schulische) Berufsausbildung bzw. kein Fachhochschul- oder Hochschulstudium (oder gleichwertigen Abschluss) abgeschlossen haben, also keine „erfolgreiche, zertifizierte Teilnahme an formalen (standardisierten, staatlich geregelten oder anerkannten) Bildungsgängen“ (Gottsleben 1987, S. 1) vorweisen können. Jugendliche mit Anlernausbildung bzw. mit einem Praktikum gelten insofern als nicht formal qualifiziert. In der untersuchten Alterskohorte der 20- bis 34-Jährigen befanden sich 2,23 Mio. Ungelernte, von denen sich 1,18 Mio. (53 %) als erwerbstätig bezeichneten. Nicht zu den Ungelernten zählten dabei, angepasst an die Merkmale des Mikrozensus,
- Schüler / -innen
- Studierende
- Auszubildende
- Wehr- und Zivildienstleistende und
- junge Erwachsene in Maßnahmen der beruflichen Fort- und Weiterbildung und Umschulung.
Rund 17 % aller Erwerbstätigen, absolut knapp 4,6 Mio., besaßen 2007 keinen beruflichen Abschluss und galten damit als nicht formal qualifiziert Schaubild A8-1. Darunter befanden sich 1,18 Mio. Erwerbstätige im Alter von 20 bis unter 35 Jahren, das ergab einen Ungelerntenanteil von 11,5 % an allen Erwerbstätigen bezogen auf diese Altersgruppe. Fast 9 von 10 erwerbstätigen jungen Frauen und Männern (87 %), die keinen schulischen Abschluss vorweisen konnten, blieben auch ohne Berufsabschluss. Bei Erwerbstätigen mit Abschluss der Sekundarstufe I zeigte sich ein Ungelerntenanteil von 13 %. Unter den Erwerbstätigen mit Hochschulzugangsberechtigung fand sich kaum noch jemand ohne einen Berufsabschluss. Deren Ungelerntenanteil lag bei nur 5 %. Bei erwerbstätigen Männern zeigte sich bei den untersuchten Altersjahrgängen mit 12,6 % ein merklich höherer Anteil an Ungelernten als bei erwerbstätigen Frauen (10,2 %). Im Vergleich zu allen Erwerbstätigen (insgesamt männlich 15 %, weiblich 19 %) wurde ein deutlich geringerer Anteil bei den jüngeren Erwerbstätigen ersichtlich. Differenziert man Letzere nochmals nach Altersgruppen, zeigt sich, dass die älteste untersuchte Jahrgangskohorte der 30- bis unter 35-Jährigen einen höheren Ungelerntenanteil (12,6 %) aufweist als die beiden jüngeren mit jeweils rund 11 %.
3 von 4 erwerbstätigen Ungelernten der untersuchten Altersgruppe befanden sich 2007 in einer abhängigen Beschäftigung als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, 9 % gaben im Mikrozensus selbstständige Tätigkeiten an. Etwa jeder Sechste war geringfügig beschäftigt Schaubild A8-2.
Die Tabelle A8-1 gibt einen nach Geschlecht differenzierten Überblick über Schulabschlüsse und Formen der Erwerbstätigkeit bei Ungelernten und Gelernten in der untersuchten Altersgruppe und ist Grundlage für die nachfolgenden Ergebnisse.
Ungelernte Erwerbstätige sind häufiger selbstständig Ungelernte gingen deutlich häufiger als gelernte Fachkräfte in die Selbstständigkeit Schaubild A8-3. 9 % aller jüngeren Ungelernten zwischen 20 und 34 Jahren bezeichneten sich im Mikrozensus als selbstständig, bei Gelernten betrug der Selbstständigenanteil lediglich 6 %. Dabei mündet ein erheblicher Anteil an Hochschulzugangsberechtigten (fast 16 % aller studienberechtigten Ungelernten) ohne eine weitere berufliche Qualifizierung in die Selbstständigkeit ein. Es ist hier zu vermuten, dass vor allem Studienabbrecher in der beruflichen Selbstständigkeit gute Erwerbschancen sehen.
Frauen ohne Berufsausbildung sind eher geringfügig beschäftigt
Rund 17 % der jungen Ungelernten (insgesamt rund 132.000) waren 2007 geringfügig beschäftigt. Hier zeigten die Daten des Mikrozensus hinsichtlich des allgemeinen Schulabschlusses keine erwähnenswerten Besonderheiten. Deutliche Unterschiede zeigten sich allerdings bei geschlechtsspezifischer Betrachtung. Verglichen mit männlichen Ungelernten, erwies sich das Niveau geringfügiger Beschäftigung bei ungelernten Frauen als bemerkenswert hoch Tabelle A8-2. Vor allem zeigt sich ein überproportionaler Anteil geringfügiger Beschäftigung bei Frauen zwischen 30 und 34 Jahren. Sofern erwerbstätig, arbeitete jede Dritte der 30- bis 34-jährigen ungelernten Frauen ohne Schulabschluss in geringfügiger Beschäftigung. Die Anteilsdifferenz zu den 20- bis 24-Jährigen betrug dabei 11 Prozentpunkte bei Ungelernten ohne einen schulischen Abschluss. Deutliche Differenzen dieser Altersgruppe gegenüber Jüngeren zeigten sich auch bei ungelernten jungen Frauen mit mittleren Bildungsabschlüssen. Auch bei studienberechtigten jungen Frauen ohne beruflichen Abschluss zeigten sich hohe Anteile an geringfügig Beschäftigten, die sich weit über den entsprechenden Anteilen junger Männer bewegten.
Hohe Konzentration auf wenige Wirtschaftszweige und Berufsordnungen
Die 5 am stärksten mit erwerbstätigen jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss besetzten Wirtschaftszweige („Zweisteller“ WZ 2003) sind Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen (10,7 %), Einzelhandel (9,7 %), Gastgewerbe (8,5 %), Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen (8,5 %) und das Baugewerbe (5,9 %). Die Hälfte aller nicht formal Qualifizierten arbeitet in 7 Wirtschaftszweigen. Zu den oben bereits genannten sind dies noch die öffentliche Verwaltung und Verteidigung (4,0 %) und das Ernährungsgewerbe (3,4 %).
3 von 4 Ungelernten sind in 16 Wirtschaftszweigen beschäftigt. Damit zeigt sich bereits hier eine hohe Konzentration der nicht formal Qualifizierten auf wenige Wirtschaftszweige.
Wenn die Ungelernten über keinen schulischen Abschluss verfügten, tritt die Konzentration noch deutlicher zutage. Die 5 „Spitzenreiter“ bleiben bei veränderter Reihenfolge. Dabei fällt insbesondere der hohe Anteil des Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesens auf. Allein 22 % der Erwerbstätigen konzentrierten sich auf diesen Wirtschaftszweig. Mit diesen 5 Wirtschaftszweigen ist auch bereits der Median erreicht, was besagt, dass die Hälfte aller Erwerbstätigen dort beschäftigt ist. Die 75 %-Marke ist bereits bei 12 Wirtschaftszweigen erreicht.
Ein breiteres Spektrum an Wirtschaftszweigen bietet sich Hochschulzugangsberechtigten. Bei ihnen treten Wirtschaftszweige stärker in den Vordergrund, die überwiegend von qualifiziertem Personal und anspruchsvolleren Aufgaben geprägt sind (Erziehung und Unterricht, Datenverarbeitung und Datenbanken, Kultur, Sport, Unterhaltung sowie das Verlagsgewerbe und die Handelsvermittlung). Auch als Ungelernte finden Hochschulzugangsberechtigte hier noch interessante Erwerbsmöglichkeiten. Ein Vergleich, der die schulische Vorbildung der Ungelernten einbezieht, findet sich in Tabelle A8-3. Ungelernte Erwerbstätige der untersuchten Altersgruppe sind in fast allen der rund 360 Berufsordnungen251 vertreten. Das Berufsspektrum war dabei relativ stark konzentriert: Die Hälfte aller Ungelernten arbeitete in 18 Berufsordnungen, die 10 am stärksten besetzten Berufsordnungen kamen auf einen Anteil von rund 40 % Tabelle A8-4. Es handelt sich dabei überwiegend um Berufsordnungen, die zu einem größeren Anteil durch einfache Arbeiten und Hilfstätigkeiten gekennzeichnet sind.
Ein im Vergleich zu allen Ungelernten noch stärker eingeschränktes Berufsspektrum bietet sich jungen Erwachsenen, denen neben einem Ausbildungsabschluss auch ein Schulabschluss fehlt. Bereits die Hälfte aller Erwerbstätigen findet sich in nur 10 Berufen Tabelle A8-5. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Reinigungsberufe, Lager- und Transportberufe und Berufe aus der Gastronomie und im Gartenbau. Mehr als jeder vierte Ungelernte ohne Schulabschluss ist als Hilfsarbeiter oder in Reinigungsberufen tätig.
Eine wesentlich größere und breiter gestreute Auswahl an Berufen (Median: 29 Berufsordnungen) zeigt sich bei den jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss, die über eine Studienberechtigung verfügten. Neben dem bei dieser Gruppe deutlich stärkeren Trend zur Selbstständigkeit rücken bei ihnen auch Berufe mit höheren und komplexeren Anforderungen in den Vordergrund. Zu nennen wären hier die Berufsordnungen Unternehmer, Geschäftsführer, Softwareentwickler und Publizisten, die bei ihnen zu den 10 am stärksten besetzten Berufsordnungen gehören und bei den übrigen ungelernten Erwerbstätigen so gut wie überhaupt nicht auftauchen.
Berufliche Weiterbildung junger Ungelernter stagniert auf sehr niedrigem Niveau
Gerade betriebliche Weiterbildung wird in Zukunft angesichts des sich beschleunigenden technologischen Wandels und der jetzt schon absehbaren demografischen Entwicklung eine wachsende Bedeutung sowohl für Arbeitnehmer – unabhängig von ihren aktuellen Qualifikationsniveaus – als auch für die Unternehmen erlangen. Die gezielte Erhaltung und Weiterentwicklung der Fähigkeiten und Fertigkeiten der Erwerbstätigen stützt sowohl die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Beschäftigungsfähigkeit der dort Erwerbstätigen (vgl. Leszczensky u. a. 2009).
Betrachtet man die vorliegenden Zeitreihen aus den Mikrozensen seit 1996, so zeigen sich hinsichtlich des Qualifikationsniveaus der Erwerbstätigen erhebliche Unterschiede in der Weiterbildungsbeteiligung Schaubild A8-4. Während junge Erwerbstätige mit Hochschulabschluss sich in erheblichem, seit einigen Jahren noch steigendem Umfang weiterbilden konnten, stagnierte die Weiterbildungsbeteiligung der ungelernten und gering qualifizierten 25- bis 34-Jährigen über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg auf sehr niedrigem Niveau.
Ungelernte Erwerbstätige stellen nach den bisherigen Ergebnissen des Mikrozensus keine homogene Gruppe dar. Sie lassen sich damit auch nicht in ihrer Gesamtheit als eine Gruppe definieren, in der einheitliche Problemlagen angetroffen werden. Eine Unterscheidung nach Schulabschlüssen zeigt erhebliche Differenzen in der beruflichen Einmündung: Bei jungen Erwachsenen ohne Schulabschluss überwiegen Tätigkeiten in Hilfsarbeiterberufen und in geringfügiger Beschäftigung – Letzteres v. a. bei jungen Frauen. Bei Ungelernten mit Studienberechtigung hingegen reicht das Erwerbsspektrum nicht selten bis in Selbstständigkeit sowie in qualifizierte kaufmännische und IT-Berufe hinein. Bei Ungelernten ohne schulischen Abschluss finden sich letztere Erwerbsmöglichkeiten so gut wie gar nicht.
Bei Ungelernten ergibt sich damit angesichts steigender Anforderungen in der Erwerbsarbeit und des damit einhergehenden Abbaus von Arbeitsplätzen, auf denen sie beschäftigt werden könnten, eine sehr labile Erwerbssituation. Diese hat sich in den vergangenen Jahren noch weiter zugespitzt, weil ihnen die Teilnahme an Qualifizierung durch betriebliche Weiterbildung versagt blieb bzw. weil sie diese nicht wahrnahmen.
(Uta Braun, Felix Bremser, Klaus Schöngen, Sabrina Inez Weller)