A1 Ausbildungsmarktbilanz 2009
Im Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2009 wurden bundesweit 566.004 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen, 50.338 bzw. 8,2 % weniger als im Jahr zuvor. Im Westen sank die Zahl um 35.598bzw. -7,1 % auf nunmehr 467.006, im Osten1 um 14.740 bzw. -13,0 % auf 98.998 Tabelle A1-1. Das ist das Ergebnis der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30. September 2009. Als Ursachen für den starken Rückgang der Ausbildungsvertragszahl im Berichtsjahr 20092 sind im Wesentlichen die Finanzund Wirtschaftskrise sowie der starke demografische Einbruch zu nennen. Die ökonomische Krise trug dazu bei, dass bundesweit 52.623 Ausbildungsplätze weniger als im Vorjahr angeboten wurden. Gleichzeitig gingen aber auch die Zahl der Schulabgänger / -innen aus allgemeinbildenden bzw. teilqualifizierenden beruflichen Schulen (vgl. dazu auch Statistisches Bundesamt 2009) sowie die Zahl der bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) registrierten „Altbewerber“ (Ausbildungsstellenbewerber / -innen aus früheren Schulentlassjahrgängen) deutlich zurück.
Von den Rückgängen war wie bereits in den Vorjahren vor allem der Osten Deutschlands betroffen. Die Zahl der nicht studienberechtigten Abgänger und Absolventen aus allgemeinbildenden Schulen – die Hauptklientel der dualen Berufsausbildung – verminderte sich um 13,1 % bzw. 12.034 auf nur noch 79.802. 8 Jahre zuvor, im Jahr 2001, waren es noch 175.163 gewesen. Verschärft wurde die Entwicklung im Osten zudem dadurch, dass der demografische Einbruch nach der Wende 1990 nun auch bei den Abiturienten ankam und zudem anders als im Vorjahr in keinem der 6 Länder ein doppelter Abiturientenjahrgang die Schulen verließ.3 Die Zahl der studienberechtigten Absolventen und Absolventinnen sank um -11.270 bzw. -17,3 % auf nur noch 54.030. Im Westen stieg die Zahl der studienberechtigten Absolventen und Absolventinnen aus den allgemeinbildenden Schulen zwar noch einmal an (um +9.916 bzw. +4,8 % auf 217.090), doch wurde dieser Anstieg durch den Rückgang bei den nicht studienberechtigten Abgängern und Absolventen (-20.591 bzw. -3,8 % auf 522.182) deutlich übertroffen. Stark entlastet wurde die Ausbildungsmarktlage im Westen zudem durch eine wesentlich niedrigere Zahl der bei den Arbeitsagenturen und ARGEn4 registrierten Ausbildungsstellenbewerber, welche ihre Schulzeit bereits im Vorjahr oder in den Vorvorjahren beendet hatten (sogenannte „Altbewerber“).5
Die Gründe für die (in diesem Ausmaß) unerwartet niedrige Zahl an Altbewerbern sind derzeit nicht genau auszumachen. Nach Angaben der BA ist ein eindeutiger Vorjahresvergleich infolge einer geänderten Datenermittlung bei der Identifizierung der Bewerber / -innen mit früherem Schulentlassjahr nicht möglich (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2009a). Neben den statistischen Ursachen dürfte die Altbewerberzahl aber auch aufgrund einer besseren Ausbildungsmarktlage in den Vorjahren sowie aufgrund eines tendenziell veränderten Bewerbungs- und Suchverhaltens aufseiten der Jugendlichen gesunken sein. Womöglich auch infolge des stark ausgebauten Netzangebots zur Unterstützung bei der Berufswahl und Ausbildungsplatzsuche nahm der Anteil der Jugendlichen, der sich bei der BA als Ausbildungsstellenbewerber / -in registrieren ließ, in den letzten Jahren ab.6 Dies betraf selbst jene Jugendlichen, die letztlich bei ihrer Ausbildungsplatzsuche erfolglos blieben.
E BIBB-Erhebung zum 30. September
Die BIBB-Erhebung zum 30. September wird jährlich auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) in Zusammenarbeit mit den für die Berufsausbildung zuständigen Stellen durchgeführt. Berücksichtigt werden alle Ausbildungsverträge, die zwischen dem 1. Oktober des Vorjahres und dem 30. September des laufenden Jahres neu abgeschlossen und nicht vorzeitig wieder gelöst wurden. Die Meldungen über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge werden bis Ende November von den zuständigen Stellen an das BIBB übermittelt. Erste Auswertungsergebnisse liegen bereits Mitte Dezember vor. Die Daten sind in tabellarischer Form auf den Internetseiten des BIBB unter der URL www.bibb.de/naa309 abrufbar und fließen in den Berufsbildungsbericht der Bundesregierung und den BIBB-Datenreport zum Berufsbildungsbericht ein.
Die Vertragszahlen werden differenziert für Einzelberufe auf der Ebene der Arbeitsagenturbezirke erhoben. Anschlussverträge werden hierbei gesondert erfasst. Sie werden im Gegensatz zur Berufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes (StBA) nicht zu der Gesamtsumme der Neuabschlüsse hinzugerechnet, da die Anschlussverträge in der Regel eine Ausbildungsdauer von 24 Monaten unterschreiten.
Die Daten der BIBB-Erhebung zum 30. September können mit den Ende September von der Bundesagentur für Arbeit (BA) bilanzierten Ergebnissen ihrer Vermittlungsstatistik verbunden werden. Damit lassen sich zeitnah wichtige Informationen zum Marktgeschehen und zur Entwicklung von Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage gewinnen.
Tabelle A1-1: Entwicklung der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge, der Schulabsolventen und der „Altbewerber“ im Bundesgebiet sowie in West- und Ostdeutschland von 2008 bis 2009
Stellt man nun der Zahl der 2009 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge die Zahl der Schulabgänger und -absolventen sowie der „Altbewerber“ gegenüber und berücksichtigt man dabei das aus diesen Gruppen resultierende Nachfragepotenzial, dürften die Ausbildungschancen für die Jugendlichen in Deutschland insgesamt trotz des starken Vertragsrückgangs in etwa wieder auf dem Vorjahresniveau gelegen haben (siehe dazu auch Kapitel A2). Somit konnten bundesweit die negativen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Ausbildungsmarkt durch die demografische Entwicklung weitgehend kompensiert werden. Dabei hat sich die Versorgungslage in Ostdeutschland trotz des im Vergleich zum Westen noch deutlich stärkeren Angebotsrückgangs (-12,8 % im Osten gegenüber -7,3 % im Westen) sogar weiter verbessert, während sie im Westen Deutschlands wahrscheinlich etwas ungünstiger als 2008 ausfiel.7
Bei insgesamt ähnlichen Marktverhältnissen wie 2008 blieb es im Jahr 2009 für viele Jugendliche schwierig, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu finden. Zum Ende des Berichtsjahres (Ende September 2009) registrierten die Arbeitsagenturen und ARGEn bundesweit noch 83.059 Ausbildungsstellenbewerber / -innen, für die die Vermittlungsbemühungen weiterliefen (2008: 96.325). Ihnen standen 17.255 noch unbesetzte betriebliche Ausbildungsplatzangebote gegenüber (2008: 19.507). Hinzu kamen noch rund 10.000 weitere Jugendliche, die bei den zugelassenen kommunalen Trägern (zkT) als Ausbildungsstellenbewerber / -innen gemeldet waren und für die Ende September die Vermittlungsbemühungen ebenfalls noch nicht abgeschlossen waren.8 Insgesamt waren zum Abschluss des Berichtsjahres weiterhin deutlich mehr Ausbildungsstellenbewerber / -innen auf Ausbildungsplatzsuche, als noch offene Ausbildungsstellen registriert waren Tabelle A1-2.
Die Versorgung der 93.179 zum Ende des Berichtsjahres bei den Agenturen für Arbeit, Arbeitsgemeinschaften und zugelassenen kommunalen Trägern gemeldeten, noch suchenden Ausbildungsstellenbewerber und -bewerberinnen9 erfolgte überwiegend über Ersatzangebote. Für 76.740 hatte sich bereits bis Ende September 2009 eine (vorläufige) Alternative zum Beginn einer vollqualifizierenden Berufsausbildung abgezeichnet. In 36,7 % der Fälle waren dies ein erneuter Schulbesuch oder ein Praktikum, in 37,7 % Fördermaßnahmen (z. B. berufsvorbereitende Maßnahme, Einstiegsqualifizierung), in 10,9 % eine Erwerbstätigkeit, in ebenfalls 10,9 % der Fälle die Fortsetzung einer bereits begonnenen Berufsausbildung10 und in 3,8 % der Fälle gemeinnützige oder soziale Dienste (vgl. dazu auch Kapitel A1.2). Für die 16.439 Bewerber / -innen, für die am Ende des Berichtsjahres noch keine Berufsausbildung oder Alternative gefunden worden war (sogenannte „unversorgte Bewerber“), standen im Nachvermittlungsgeschäft neben den noch offenen Ausbildungsplätzen auch betriebliche Einstiegsqualifizierungsplätze zur Verfügung: Zwischen Anfang Oktober 2009 und Ende Dezember 2009 wurden 17.636 solcher Plätze gemeldet, von denen Ende Dezember 2009 noch 11.373 nicht besetzt waren (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2009c). Zu diesem Zeitpunkt waren von den ehemals 16.439 „unversorgten Bewerbern“ 1.167 bzw. 7,1 % in eine Berufsausbildungsstelle eingemündet. Für weitere 3.826 bzw. 23,3 % konnten die Vermittlungsbemühungen eingestellt werden, weil sie entweder eine Alternative gefunden hatten und an keiner weiteren Vermittlung interessiert waren oder weil sie unbekannt verblieben waren. Bei 11.446 bzw. 69,6 % liefen die Vermittlungsbemühungen weiter, wobei sich für 2.534 Bewerber / -innen von diesen bereits eine alternative Verbleibsmöglichkeit abgezeichnet hatte (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2009d).11 In Tabelle A1-3 sind die Eckwerte zum Ausbildungsmarkt im Jahr 2009 nach Ländern dargestellt.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich 2009 ungeachtet der Finanz- und Wirtschaftskrise und trotz des beträchtlichen Vertragsrückgangs die Lage auf dem Ausbildungsmarkt nicht wesentlich verändert hat. In relativer Hinsicht gab es kaum weniger Angebote für die Jugendlichen als im Vorjahreszeitraum, und die Zahl der Ausbildungsstellenbewerber / -innen, für die auch noch am Ende des Berichtsjahres die Vermittlungsbemühungen weiterliefen, verringerte sich. Gleichwohl bedeutete dies nicht, dass die Lage auf dem Ausbildungsmarkt als entspannt gelten konnte. Noch immer suchten am Ende des Berichtsjahres weitaus mehr Ausbildungsstellenbewerber / -innen einen Ausbildungsplatz, als noch offene Ausbildungsstellen zur Verfügung standen. Eine „Versorgung“ der Jugendlichen gelang weiterhin nur dadurch, dass viele Jugendliche zunächst auf Ersatzangebote wie einen erneuten Schulbesuch, den Beginn einer Einstiegsqualifizierung oder die Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Maßnahme ausweichen mussten.
Ungeachtet der Übergangsprobleme, die für einen Teil der Jugendlichen weiterhin fortbestanden, waren 2009 die demografischen Effekte auf den Ausbildungsmarkt und auf die Akquisitionsmöglichkeiten der an Ausbildung interessierten Betriebe unübersehbar. Das Nachfragepotenzial aufseiten der Jugendlichen sank 2009 sehr deutlich Kapitel A2, und der Wandel von einem Anbieter- zu einem Nachfragermarkt wird sich 2010 und in den kommenden Jahren fortsetzen. Die künftigen Verhältnisse könnten somit zunehmend von zwei scheinbar widersprüchlichen Wirklichkeiten gekennzeichnet sein: von einer weiterhin substanziellen Zahl von Jugendlichen mit Problemen beim Übergang von der Schule in die Berufsausbildung und von einer wachsenden Zahl von Betrieben, die ihre Auszubildenden aus einer stetig geringeren Zahl an Bewerbern auswählen müssen.
Tabelle A1-2: Zum Ende des Berichtsjahres1 noch unbesetzte Ausbildungsplatzangebote bzw. noch weiter suchende Ausbildungsplatzbewerber / -innen, soweit sie bei den Arbeitsagenturen, den ARGEn oder zugelassenen kommunalen Trägern gemeldet waren
Tabelle A1-3: Eckwerte zum Ausbildungsmarkt im Jahr 2009
1 Abweichungen in den Summen von „Alte Länder“ und „Neue Länder und Berlin“ zum „Bundesgebiet“ können sich durch regional nicht zuordenbare Daten ergeben.
Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung, Erhebung zum 30. September; Bundesagentur für Arbeit, Ausbildungsmarktstatistik zum Abschluss des Berichtsjahres 2008 / 2009