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DATENREPORT ZUM BERUFSBILDUNGSBERICHT 2010

A5.4 Berufsstrukturelle Entwicklungen in der dualen Berufsausbildung

In diesem Beitrag werden – wie bereits im Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2009, Kapitel A5.2126 – berufsstrukturelle Entwicklungen innerhalb der dualen Berufsausbildung (nach BBiG und HwO) analysiert, wie sie im Rahmen von Dauerbeobachtungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) auf Basis der Berufsbildungsstatistik durchgeführt werden. Betrachtet werden hierbei: Produktions- und Dienstleistungsberufe, technische Ausbildungsberufe, neue Ausbildungsberufe, zweijährige Ausbildungsberufe sowie Berufe nach Ausbildungsregelungen für Menschen mit Behinderung. Solche Strukturentwicklungen im dualen System sind zum einen vor dem Hintergrund der Frage der Entwicklungsperspektiven des dualen Systems von Interesse (vgl. Uhly / Troltsch 2009), zum anderen aber auch für die Chancen unterschiedlicher Gruppen von Jugendlichen von Bedeutung (zu Ausbildungschancen von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss im Kontext berufsstruktureller Entwicklungen siehe Uhly 2010).

Zur Analyse der berufsstrukturellen Entwicklungen wird der Indikator neu abgeschlossene Ausbildungsverträge vgl. in Kapitel A5.3 der Berufsbildungsstatistik (Erhebung zum 31.12.) vgl. in Kapitel A5.2.1 herangezogen. Es werden nicht die Bestandszahlen verwendet, in denen die Berufe je nach Ausbildungsdauer unterschiedlich stark vertreten sind (zweijährige Ausbildungsberufe sind i. d. R. unterrepräsentiert, dreieinhalbjährige sind eher überrepräsentiert). Außerdem zeigen sich aktuelle Entwicklungen deutlicher in den Neuabschluss- als in den Bestandszahlen. Seit dem Erhebungsjahr 2004 werden auch im Rahmen der BIBB-Erhebung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge alle Ausbildungsberufe einzeln erhoben, sodass auch mit diesen Daten Berufsstrukturen analysiert werden können.127 Allerdings lassen sich die langfristigen Entwicklungen nur auf Basis der Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länder betrachten.

Tertiarisierung der dualen Berufsausbildung

Wie auch im Beschäftigungssystem ist in der dualen Berufsausbildung ein Zuwachs des Anteils an Personen in Dienstleistungsberufen  zu beobachten. Im langfristigen Zeitverlauf steigt seit Mitte der 90er-Jahre der Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den Dienstleistungsberufen (zwischen 2001 und 2003 blieb der Anteil allerdings nahezu konstant). Auch die Zahl der Neuabschlüsse in den Dienstleistungsberufen ist im längerfristigen Zeitverlauf gestiegen; in den Jahren 2001 bis 2005 und in 2008 (im Vergleich zum Vorjahr) waren jedoch auch hier Rückgänge zu verzeichnen. In den Produktionsberufen ist die Zahl der Neuabschlüsse dagegen seit 1999 gesunken; lediglich in 2006 und 2007 waren nochmals Zuwächse zu verzeichnen. Entsprechend ist der Anteil der Neuabschlüsse in den Dienstleistungsberufen von 50,1 % im Jahr 1995 auf 57,6 % in 2008 gestiegen Tabelle A5.2-1. Damit liegt der Dienstleistungsanteil in der dualen Berufsausbildung zwar immer noch deutlich unter dem in der Beschäftigung, wo er mehr als 70 % beträgt. Teilweise ist die große Differenz aber auch durch Spezifika der Berufsklassifikation bedingt sowie durch die Tatsache, dass im Bereich der mittleren Qualifikationsebene die Berufsausbildung insbesondere im Bereich von Dienstleistungsberufen nicht nach BBiG / HwO erfolgt, sondern (vollzeitschulisch) an Berufsfachschulen und insbesondere an Schulen des Gesundheitswesens. Die berufsstrukturelle Entwicklung in der dualen Berufsausbildung zeigt deutliche Entwicklungen hin zur Dienstleistungsund Wissensökonomie (Walden 2007).

Der Anteil der Neuabschlüsse in den sekundären Dienstleistungsberufen ist jedoch noch sehr gering, in 2008 beträgt er 16,6 % aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge. Dieser Berufsgruppe zugeordnete Ausbildungsberufe sind bislang beispielsweise Medizinische / -r und Zahnmedizinische / -r Fachangestellte / -r (14.649 und 10.821 Neuabschlüsse), Bankkaufmann /- frau (13.365), Fach informatiker / -in (9.525), Steuerfachangestellte / -r (6.378), Kaufmann / Kauffrau für Versicherungen und Finanzen (5.463), Technische / -r Zeichner / -in (3.387), Immobilienkaufmann /- frau (2.601) sowie Chemielaborant / -in (1.827). Im Umfeld von hoch qualifizierten Tätigkeiten sind auch Fachkräftetätigkeiten auf dem Qualifikationsniveau dualer Ausbildungsberufe relevant. Hier mögen besondere Potenziale für neue Ausbildungsberufe oder die Stärkung der Berufsausbildung in bereits existierenden Ausbildungsberufen bestehen, da sich im Bereich sekundärer Dienstleistungsberufe vergleichsweise günstige Beschäftigungsentwicklungen abzeichnen. Seit 1993 schwankt deren Anteil an allen Neuabschlüssen des dualen Systems zwischen ca. 16 % und 18 %, seit Ende der 1990er-Jahre war er zunächst angestiegen und von 2002 bis 2006 wieder gesunken. In 2007 blieb der Anteil im Vergleich zum Vorjahr erstmals wieder nahezu unverändert, und in 2008 ist wieder ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Hinter dieser Entwicklung der Berufsgruppe insgesamt stehen unterschiedlich verlaufende Entwicklungen in einzelnen Berufen, die durch verschiedene Determinanten beeinflusst werden (vgl. Uhly / Troltsch 2009, S. 15). Konjunkturelle Gründe mögen beispielsweise den stärkeren Einbruch der IT-Berufe zwischen 2002 und 2005 erklären können. Bei den Bankkaufleuten war der Rückgang eher auf Strukturveränderungen im Bankensektor zurückzuführen; zum Rückgang der Auszubildendenzahl durch Reorganisationsstrategien im Zusammenhang mit „Lean Banking“ siehe Brötz / Paulini-Schlottau / Trappmann-Webers 2007 oder Baethge 2001. Diese Befunde für den Bankensektor sind jedoch nicht generell auf die sekundären Dienstleistungsberufe übertragbar. Mit der Modernisierung der Berufsausbildung durch Neuordnung von Ausbildungsberufen sind bereits Erfolge erzielt worden, die auch den Bereich der sekundären Dienstleistungsberufe betreffen, sodass sich insgesamt der Anteil der Auszubildenden in den Wissensberufen stabilisiert hat. Ein längerfristiger Anstieg der Neuabschlusszahlen bzw. vergleichs weise hohe Neuabschlusszahlen bei der Neuordnung zeigen sich bei folgenden sekundären Dienstleistungsberufen (und deren Vorgängerberufen): Immobilienkaufleute, Kaufleute für Spedition und Logistikdienstleistung, Tiermedizinische Fachangestellte sowie Kaufleute für Dialogmarketing, Kaufleute im Gesundheitswesen und Veranstaltungskaufleute. Auch bei den Fachinformatikern und den Medien gestaltern Digital und Print sind in den letzten 2 bzw. 3 Jahren wieder Zuwächse zu verzeichnen

Deutlich höhere und nahezu kontinuierlich steigende Anteile liegen bei den primären Dienstleistungsberufen vor. Sehr stark besetzt – mit zwischen 34.000 und 12.000 Neuabschlüssen in 2008 – sind vor allem Warenkaufleute (Kaufleute im Einzelhandel, Kaufleute im Groß- und Außenhandel und Verkäufer / -in sowie Fachverkäufer / -in im Lebensmittelhandwerk), außerdem Büroberufe (Bürokaufleute, Industriekaufleute) sowie Friseur / -in und Hotelfachleute. Unter den zehn am stärksten besetzten Ausbildungsberufen des dualen Systems insgesamt findet man sechs primäre Dienstleistungsberufe, einen sekundären Dienstleistungsberuf (Medizinische / -r Fachangestellte / -r) und drei Produktionsberufe (Kfz-Mechatroniker / -in, Koch / Köchin sowie In dustriemechaniker / -in).

E Klassifizierung der Produktions- und Dienstleistungsberufe

Die Berufsbildungsstatistik verwendet für die Erhebung nach Einzelberufen die Klassifikation der Berufe (KldB) des Jahres 1992 (Statistisches Bundesamt [StBA] 1992), deren oberste Gliederungseinheit neben der Kategorie „sonstige Arbeitskräfte“ fünf „Berufsbereiche“ unterscheidet. Entsprechend der Konzeption des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung (IAB)128 werden in Anlehnung an Bells Konzept eines quartären Sektors (Informationsgesellschaft) nicht die drei Bereiche Landwirtschaft, Produktion und Dienstleistung unterschieden, sondern Produktionsberufe (Landwirtschaft, Bergbau und Fertigungsberufe) von den primären und sekundären Dienstleistungsberufen abgegrenzt (vgl. Wolff 1990, S. 64).

Im Folgenden werden auf der Basis der Berufskennziffern (KldB 1992 StBA) Produktions- von Dienstleistungsberufen unterschieden.

Produktionsberufe:

  • I Berufe in der Land-, Tier-, Forstwirtschaft und im Gartenbau
  • II Bergleute, Mineralgewinner
  • III Fertigungsberufe ohne Berufsgruppe 52 „Warenprüfer / Versandfertigmacher“

Primäre Dienstleistungsberufe:

  • Berufsgruppe 52 „Warenprüfer / Versandfertigmacher“
  • aus V Dienstleistungsberufe: Berufsgruppen 66–68 (Warenkaufleute), 71–74 (Verkehrsberufe), 771–773, 78–81 (Büroberufe; Ordnungs- und Sicherheitsberufe), 90–93 (Berufe der Körperpflege; Hotel- und Gaststättenberufe; haus- und ernährungswirtschaftliche Berufe; Reinigungs- und Entsorgungsberufe)
  • Dienstleistungsberufe für Menschen mit Behinderung (§ 66 BBiG bzw. § 42m HwO)

Sekundäre Dienstleistungsberufe:

  • IV Technische Berufe
  • aus V Dienstleistungsberufe: Berufsgruppen 69 und 70 (Dienstleistungskaufleute), 75 und 76 (Berufe in der Unternehmensleitung, -beratung und -prüfung), 774–776 (Fachinformatiker / -in und Mathematischtechnischer Softwareentwickler / -in), 7791 (IT-Kaufleute), 82–89 (Schriftwerkschaffende, -ordnende und künstlerische Berufe, Gesundheitsdienstberufe; Sozial- und Erziehungsberufe)

Eine vollständige Berufsliste (alle Einzelberufe) findet man unter: www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_ausweitstat_berufeliste-p-dl_2008.pdf.

Unter sekundären Dienstleistungstätigkeiten werden Tätigkeiten zusammengefasst, die auch als „Kopf-“ oder „Wissensarbeit“ bezeichnet werden, es handelt sich um Berufe mit den Tätigkeitsschwerpunkten Forschen, Entwickeln, Organisieren, Managen, Betreuen, Pflegen, Beraten, Lehren und Publizieren (vgl. Kupka / Biersack 2005). Unter die primären Dienstleistungsberufe fallen Berufe mit den Tätigkeitsschwerpunkten: Handels- und Bürotätigkeiten sowie allgemeine Dienste wie Reinigen, Bewirten, Lagern, Transportieren. Aufgrund von Plausibilitätsüberlegungen, Analysen auf Basis der Berufsbildungsstatistik (Uhly 2007a) und Analysen der BIBB / BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2006 (Hall 2007), die eine Modifikation der Berufszuordnung ergeben haben, weicht die Abgrenzung teilweise von der IAB-Einteilung129 ab (vgl. Uhly / Troltsch 2009).

Tabelle A5.4-1: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in Produktions- und Dienstleistungsberufen1, Bundesgebiet 19802 und 1993 bis 2008

Tabelle A5.4-1

E Technische Ausbildungsberufe

An dieser Stelle wird eine breiter gefasste Abgrenzung von technischen Ausbildungsberufen als die des Berufsbereichs IV der Klassifikation der Berufe des Statistischen Bundesamtes herangezogen, denn diese ist eng begrenzt auf Ingenieure, Chemiker, Physiker, Mathematiker sowie Techniker und technische Sonderfachkräfte. Technische Berufe des Berufsbereichs der Fertigungsberufe sind dort nicht erfasst. Auch in der Fachliteratur findet sich keine konkrete Definition der technischen Berufe des gewerblich-technischen Bereichs. Die hier verwendete Berufsauswahl basiert auf der im Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit des Jahres 2002 (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2003, S. 12 ff.) zugrunde gelegten Abgrenzung (vgl. auch Troltsch 2004), die in zwei Einzelstudien (Uhly 2005 und 2007a) fortgeführt wurde. Technische Ausbildungsberufe sind demnach solche, deren Tätigkeits- und Kenntnisprofile hohe Technikanteile (z. B. hohe Anteile von Überwachen, Steuern von Maschinen, Anlagen, technischen Prozessen etc.) ergeben haben.

Eine vollständige Berufsliste (alle Einzelberufe) findet man unter: www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_ausweitstat_berufeliste-technik_2008.pdf.

Tabelle A5.4-2: Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in technischen Ausbildungsberufen1, Bundesgebiet 19802 und 1993 bis 20083

Tabelle A5.4-2

Duale Berufsausbildung in technischen Ausbildungsberufen

Von 1980 bis Mitte der 90er-Jahre ist der Anteil der technischen Ausbildungsberufe im dualen System stark zurückgegangen. Seit Mitte der 90er-Jahre zeigten sich Erfolge der Modernisierung der dualen Berufsausbildung insbesondere bei den Technikberufen, sodass eine Trendwende in Richtung steigender Anteile130 technischer Ausbildungsberufe zu verzeichnen war Tabelle A5.4-2. Im Zeitraum von 2002 bis 2006 zeigen sich am Ausbildungsstellenmarkt allerdings auch Probleme bei den Technikberufen. Der erneute Einbruch der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge betraf die technischen Ausbildungsberufe noch stärker als die dualen Ausbildungsberufe insgesamt (vgl. Uhly 2005 und 2007a).131

In den Jahren 2007 und insbesondere 2008 steigt der Anteil der Neuabschlüsse in Technikberufen wieder, inwieweit eine erneute Trendwende eingeleitet ist, wird sich erst im längerfristigen Zeitverlauf zeigen.

Tabelle A5.4-3: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in neuen Ausbildungsberufen 1996 bis 2008 (Teil 1)

Tabelle A5.4-3

Tabelle A5.4-3: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in neuen Ausbildungsberufen 1996 bis 2008 (Teil 2)

Tabelle A5.4-3 (Teil 2)

Modernisierung der dualen Berufsausbildung

Im Folgenden werden als neue duale Ausbildungsberufe die Berufe betrachtet, die seit 1996 neu geschaffen wurden.132 Seit 1996 wurde die Modernisierung der dualen Berufsausbildung durch die Neuordnung von Ausbildungsberufen intensiviert. Hintergrund war die „Diskussion um die qualifikatorischen Konsequenzen aus den Entwicklungen in strategisch bedeutsamen Technologien, dem Sprung von der Industrie- zur Informations- und Wissensgesellschaft, der Globalisierung des Wirtschaftens und der damit verbundenen Umgestaltung der Arbeitsorganisation“ (Bundesinstitut für Berufsbildung 1998, S. 1). Im Jahr 1999 haben sich die Sozialpartner auf eine Fortführung dieser Modernisierungsoffensive geeinigt (Arbeitsgruppe Aus- und Weiterbildung 1999; Bundesministerium für Bildung und Forschung 2002, S. 26 ff.). Von 1996 bis 2008 wurden 79 Ausbildungsberufe neu geschaffen. In diesen Berufen wurden im Jahr 2008 mehr als 67.000 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen Tabelle A5.4-3. Dies entspricht einem Anteil von 11,1 % aller Neuabschlüsse.

Mit 9.525 Neuabschlüssen in 2008 ist der Beruf Fachinformatiker / -in der am stärksten besetzte neue Ausbildungsberuf, gefolgt vom Beruf Mechatroniker / -in mit 8.031 Neuabschlüssen. Mit deutlichem Abstand folgen die Ausbildungsberufe Mediengestalter / -in Digital und Print und Automobilkaufmann /- frau mit 4.425 bzw. 3.711 Neuabschlüssen. Sowohl bei den Mechatronikern als auch bei den Automobilkaufleuten ist die Zahl der Neuabschlüsse seit 1998 (Jahr des Inkrafttretens der Ausbildungsordnung) nahezu stetig gestiegen. In den Berufen Fachinformatiker / -in (neu seit 1997) sowie Mediengestalter / -in Digital und Print (Vorgängerberuf neu seit 1998) ist die Auszubildendenzahl nach einem anfänglich starken Anstieg bis auf 10.506 bzw. 5.484 neu abgeschlossener Ausbildungsverträge in den Jahren 2002 bis 2005 stark eingebrochen; seit 2006 steigen die Neuabschlüsse auch in diesen Berufen wieder. Insgesamt bleibt ein Großteil der neuen Ausbildungsberufe auch nach einigen Jahren seit ihrer Neuordnung vergleichsweise gering besetzt. Von den 7 im Jahr 2008 neu geschaffenen dualen Ausbildungsberufen wurden in dem am stärksten besetzten Ausbildungsberuf Personaldienstleistungskaufmann / -frau 1.107 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen; im Beruf Servicekraft für Schutz und Sicherheit waren es 192 Ausbildungsverträge, in allen 5 weiteren Ausbildungsberufen weniger als 100 Neuabschlüsse. Eine Konzentration auf wenige Ausbildungsberufe erfolgt nicht allein bei den neuen Ausbildungsberufen, sondern ist für die duale Berufsausbildung insgesamt zu beobachten. In ca. 60 % aller staatlich anerkannten Ausbildungsberufe werden jeweils weniger als 500 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen; in den 20 am stärksten besetzten staatlich anerkannten Ausbildungsberufen findet man mehr als die Hälfte aller Jugendlichen mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag.

Die Entwicklung zweijähriger Ausbildungsberufe

Neben den oben genannten Neuordnungsmotiven wird in den letzten Jahren auch wieder verstärkt das Ziel verfolgt, zweijährige (theoriegeminderte) Ausbildungsberufe speziell für Jugendliche mit schlechten Startchancen zu schaffen (Kath 2005; Bundesministerium für Bildung und Forschung 2005). Auszubildende in staatlich anerkannten Ausbildungsberufen, deren Ausbildungsordnung eine zweijährige Ausbildungsdauer vorsieht (kurz zweijährige Ausbildungsberufe), machen im Jahr 2008 8,8 % aller Neuabschlüsse aus Tabelle A5.4-4.133 Der am stärksten besetzte zweijährige Ausbildungsberuf ist mit 25.008 Neuabschlüssen der Beruf Verkäufer / -in. In den 80er-Jahren lag der Anteil zweijähriger Ausbildungsberufe in den alten Ländern noch deutlich höher (1980: 13,7 %). Mit dem Wegfall von sogenannten gestuften Ausbildungen in den Elektroberufen im Jahr 1987 ist deren Anteil bis Mitte der 90er-Jahre auf unter 3 % stark geschrumpft. Bereits seit 1995 steigt deren Anteil wieder an. Zudem sind seit 2003 11 neue Ausbildungsordnungen für zweijährige Ausbildungsberufe in Kraft getreten. In Westdeutschland fällt der Anteil der zweijährigen Ausbildungsberufe mit 7,8 % (2008) deutlich geringer aus als in Ostdeutschland (13,5 %).

Die überwiegende Mehrheit (94 %) der Jugendlichen, die im Jahr 2008 in einem zweijährigen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben, befindet sich in einem Beruf, der die Möglichkeit der Anrechnung der Ausbildung in einem drei- bzw. dreieinhalbjährigen Ausbildungsberuf vorsieht. Von den zweijährigen Ausbildungsberufen, die keine Fortführung vorsehen, ist allein der aus dem Jahr 1940 stammende Beruf Teilezurichter / -in mit 2.253 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen stärker besetzt. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass die Berufsbildungsstatistik nicht erfasst, ob die Ausbildung nach Abschluss der zweijährigen Berufsausbildung auch wirklich fortgeführt wird. Ausbildungsverläufe lassen sich aufgrund der fehlenden festen Personennummer nicht ermitteln. Allerdings wird seit dem Berichtsjahr 2008 die Zahl der Anschlussverträge ausgewiesen, definiert als neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in potenziellen Fortführungsberufen mit einer entsprechend kürzeren Vertragsdauer und dem Vorliegen einer vorherigen abgeschlossenen dualen Berufsausbildung der Auszubildenden vgl. Kapitel A5.3. Der rechnerische Anteil der Anschlussverträge an den erfolgreichen Absolventen in zweijährigen staatlich anerkannten Ausbildungsberufen in 2008 kann als Indikator für den Anteil derer, die eine zweijährige Ausbildung in einem dualen Ausbildungsberuf fortführen, herangezogen werden. Von allen Neuabschlüssen des Jahres 2008 lassen sich 3.570 als Anschlussverträge ausmachen; dies entspricht einem rechnerischen Anteil von nur ca. 10 % der erfolgreichen Absolventen134 in zweijährigen Ausbildungsberufen. In den ersten Jahren sind die neuen Merkmale der Berufsbildungsstatistik noch mit Vorsicht zu interpretieren vgl. Kapitel A5.3, allerdings ergibt sich auch in der BIBBErhebung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge eine ähnlich hohe Zahl an Anschlussverträgen. Selbst wenn die Zahl der Anschlussverträge faktisch dop pelt so hoch als ausgewiesen ausfallen würde, bliebe aus den Datenmeldungen zu folgern, dass der Anteil derer, die eine zweijährige duale Berufsausbildung tatsächlich fortführt, relativ gering ausfällt. Letztendlich aber lässt sich die Frage, in welchem Ausmaß Jugendliche nach Abschluss einer zweijährigen Berufsausbildung eine duale Berufsausbildung fortführen und wie sich die genauen Bildungs- und Erwerbschancen dieser Personen darstellen, nicht auf Basis der Berufsbildungsstatistik ermitteln. Hierzu sind spezifische Evaluationsstudien erforderlich (siehe z. B. Gruber / Weber 2007).

Tabelle A5.4-4: Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in zweijährigen Berufen an allen Neuabschlüssen, Westdeutschland 1980 und 1993 bis 2008, Ostdeutschland und Bundesgebiet 1993 bis 20081

abelle A5.4-4

Tabelle A5.4-5: Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Berufen für Menschen mit Behinderung1, Bundesgebiet, Westdeutschland und Ostdeutschland 1993 bis 2008 (in %)

Tabelle A5.4-5

Die Entwicklung der Ausbildungsberufe für Menschen mit Behinderung

In Berufen für Menschen mit Behinderung (§ 66 BBiG und § 42m HwO) wurden im Jahr 2008 14.841 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen (insgesamt 38.883 Auszubildende ausgebildet); diese Ausbildungsberufe machen im Jahr 2008 einen Anteil von 2,4 % aller Neuabschlüsse aus Tabelle A5.4-5.

In Ostdeutschland liegt der Anteil der Neuabschlüsse in den Berufen für Menschen mit Behinderung im gesamten Beobachtungszeitraum fast dreimal so hoch wie in Westdeutschland (in 2008 Ost: 5,2 % und West: 1,8 %). In Westdeutschland ist er bis 2004 kontinuierlich angestiegen, in Ostdeutschland insbesondere zwischen 1993 und 1996 sowie 1998 und 2003; hier bleibt er seither bei ca. 5 %, in Westdeutschland bei unter 2 %.

Auch wenn solche Ausbildungsregelung ausschließlich für Menschen mit Behinderung vorgesehen sind, legen die Bedeutungszunahme dieser Berufe sowie die erheblichen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland die Vermutung nahe, dass – wie auch bei Maßnahmen und Ausnahmeregelungen für Benachteiligte oder Lernbeeinträchtigte schon lange bekannt (siehe hierzu Ulrich 1998) – solche Ausbildungsregelungen nicht alleine durch das Vorliegen entsprechender Merkmale bei den Jugendlichen zu erklären sind, sondern auch als Problemlösungsstrategien dienen, um Jugendliche trotz Ausbildungsplatzmangel mit Ausbildungsplätzen zu versorgen. Es bleibt zu berücksichtigen, dass auf Basis der Berufsbildungsstatistik nicht die Situation von Menschen mit Behinderung in der dualen Berufsausbildung analysiert werden kann, da auf Basis der Berufsbildungsstatistik lediglich eine berufsbezogene Betrachtung möglich ist, ein personenbezogenes Merkmal zur Behinderung wird nicht erfasst. Menschen mit Behinderung werden auch in den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet, das BBiG sieht dies sogar als Regelfall vor (§ 64 BBiG). (Alexandra Uhly)

E Duale Ausbildungsberufe für Menschen mit Behinderung

Im Regelfall sollen „behinderte Menschen … in anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet werden“ (§ 64 BBiG). Nur wenn aufgrund der Behinderung eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf nicht infrage kommt, sollen Menschen mit Behinderung nach besonderen Regelungen ausgebildet werden. Bei diesen Ausbildungsberufen handelt es sich um Berufe mit speziellen Ausbildungsregelungen der zuständigen Stellen (§ 66 BBiG bzw. § 42m HwO).

Bei den Daten der Berufsbildungsstatistik ist zu beachten, dass kein personenbezogenes Merkmal zur Behinderung erhoben wird. Erfasst ist lediglich, ob es sich bei den jeweiligen Meldungen der Ausbildungsverträge um staatlich anerkannte Ausbildungsberufe oder um Ausbildungsgänge gemäß einer Regelung der zuständigen Stellen für Menschen mit Behinderung handelt.

Fußnoten

126 Im BIBB-Datenreport 2009 konnten die Daten der Berufsbildungsstatistik des Berichtsjahres 2007 noch nicht auf der Ebene der Einzelberufe einbezogen werden, deshalb wird hier hinsichtlich der aktuellen Entwicklungen nochmals insbesondere auf die Berichtsjahre 2007 und 2008 eingegangen.

127 Zum Vergleich beider Erhebungen, insbesondere den konzeptionellen Unterschieden, siehe Uhly u. a. 2009.

128 Siehe Berufsgliederung des IAB: www.pallas.iab.de / bisds / erlaeuterungen. htm.

129 Dienstleistungskaufleute werden dort den primären Dienstleistungsberufen zugerechnet. Außerdem werden in der Zuordnung des IAB die Berufe der Körperpflege (Friseur und Kosmetiker) unter den sekundären und Datenverarbeitungsfachleute / Informatiker unter den primären Dienstleistungsberufen erfasst.

130 Auch absolut ist die Zahl der Neuabschlüsse in den Technikberufen gestiegen.

131 Insbesondere die IT-Berufe zeigten eine hohe Konjunkturabhängigkeit in der Nachwuchsrekrutierung, aber auch bei den Technikern bzw. technischen Sonderfachkräften und in den Elektro- und Metallberufen wie auch in den Papier- bzw. Druckberufen war ein stärkerer Rückgang zu beobachten.

132 Seit 2003 wird im Bundesinstitut für Berufsbildung eine engere Definition der neuen Berufe verwendet, insofern alle neu geordneten Berufe, die Vorgängerberufe (die mit der Neuordnung außer Kraft treten) aufweisen, als nicht neu gelten; in früheren Jahren wurden auch solche neu geordneten Berufe als neu bezeichnet, bei denen zwar Vorgängerberufe existierten, aber wesentliche Änderungen der Ausbildungsordnung erfolgt sind (z. B. Mediengestalter / -in für Digital- und Printmedien).

133 Alle Werte zu den zweijährigen Ausbildungsberufen beziehen sich ausschließlich auf die staatlich anerkannten Ausbildungsberufe ohne die Berufe nach Ausbildungsregelungen für Menschen mit Behinderung (nach § 66 BBiG bzw. § 42m HwO). 134 Da in 2007 keine Prüfungsdaten der Berufsbildungsstatistik veröffentlicht wurden, wurde hier die Prüfungszahl aus 2008 herangezogen.

Bibliographischer Hinweis

Internetversion des BIBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2010 - Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2010).

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