A5.1.3 Zukünftige Entwicklungen hinsichtlich der Neuordnung anerkannter Ausbildungsberufe nach BBiG/HwO
Um den Bedarf der Wirtschaft nach praxisgerechten Ausbildungsberufen auch weiterhin decken zu können, erfordern der immer schneller werdende Strukturwandel und der demografisch bedingte Rückgang bei den Bewerberzahlen Ausbildungsstrukturen und Prüfungskonzepte, die erhöhte Flexi bilität und Durchlässigkeit ermöglichen. Deshalb sollten bei künftigen Neuordnungen anerkannter Ausbildungsberufe u. a. auch die Möglichkeiten verstärkt werden, „verwandte“ Ausbildungsberufe zu Berufsgruppen zusammenzufassen (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2007, S. 18 f.). Darüber hinaus wird auch das Thema der Kompetenzen – sowohl Orientierung als auch Erfassung – eine verstärkte Bedeutung bei der möglichen Gestaltung sowohl der Ausbildungsordnungen als auch der Prüfungsstrukturen gewinnen. Ebenso sollen – mittels des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) – die im deutschen Bildungssystem erworbenen und angebotenen Qualifikationen in Relation zum Europäischen Qualifikationsrahmen (EQF) gesetzt werden. In diesem Zusammenhang gewinnen Ergebnisse des informellen Lernens an Bedeutung. Mittelfristig ist geplant, die in informellen Lernprozessen erworbenen Kompetenzen zu berücksichtigen.
Berufsgruppen im dualen Ausbildungssystem
Im Rahmen der Qualifizierungsinitiative (QI) „Aufstieg durch Bildung“ hat die Bundesregierung 2008 beschlossen, die ca. 350 Ausbildungsberufe gemeinsam mit den Sozialpartnern und den Ländern in Berufsgruppen zu bündeln, gemeinsame Kernqualifikationen zu identifizieren und – darauf aufbauend – Spezialisierungsmöglichkeiten und -wege zu eröffnen. Da die Sozialpartner künftig vor jeder Neuordnung eines Einzelberufes die Zusammenführung mit anderen Berufen in Berufsgruppen prüfen sollen, haben sie verschiedene Modelle entwickelt. Exemplarisch seien die Modelle der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) sowie des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) genannt:
- Das Modell der BDA („2 plus x“) sieht eine Strukturierung in zwei Phasen vor: eine Erstausbildungsphase in den ersten beiden Jahren, in der Kern- und grundlegende Fachqualifikationen in Form von gemeinsamen Wahl- und / oder Pflichtbausteinen einer Berufsgruppe vermittelt werden. Des Weiteren ist eine Spezialisierung in einem dritten Ausbildungsjahr durch die Vermittlung berufsspezifischer Bausteine möglich. Diese Spezialisierung kann als integrierte Weiterbildung oder als abschlussorientierte Fortbildung organisiert werden (Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände 2007).
- Das Modell des DIHK („Dual mit Wahl“) sieht ebenfalls eine Unterteilung der Ausbildungszeit in zwei Abschnitte vor: In der ersten Phase, die je nach Beruf ein bis zwei Jahre dauern kann, werden die wichtigsten Kernkompetenzen einer Branche oder Berufsgruppe vermittelt. Der anschließende zweite Abschnitt, der bis zum Abschluss der Berufsausbildung dauert, dient der berufstypischen Spezialisierung, in dem die profilgebenden Kompetenzen in Form von Wahlbausteinen (inklusive eines unternehmensspezifischen Moduls) vermittelt werden (Deutscher Industrie- und Handelskammertag 2007).
- Das Modell des ZDH („Ganzheitlich – passgenau – anschlussfähig“) hat Ähnlichkeiten mit dem DIHK-Modell, sieht aber bereits in der ersten Phase der Qualifizierung die Vermittlung in Form von Bausteinen vor. Dabei wird zwischen Grund-, Kern- und Spezialmodulen unterschieden. Grundmodule sind berufsübergreifend und für alle Berufe einer Berufsgruppe identisch, Kernmodule sind berufsprägend, und Spezialmodule berücksichtigen innerhalb eines Berufes verschiedene Spezialisierungsmöglichkeiten, wie z. B. Schwerpunkte oder Fachrichtungen (Zentralverband des Deutschen Handwerks 2007).
Allen Modellen gemeinsam ist, dass die Ausbildung mindestens in zwei Abschnitte unterteilt wird, wobei im ersten Abschnitt die gemeinsamen Grund- und Kernqualifikationen einer Berufsgruppe vermittelt werden und mindestens im letzten Spezialisierungsabschnitt Module oder Bausteine die verschiedenen Differenzierungsmöglichkeiten eines Berufes abdecken. In allen Fällen schließt die Ausbildung mit einer bundesweit anerkannten öffentlich-rechtlichen Prüfung ab. Das BIBB hat ein Konzept zur Strukturierung von Berufsgruppen vorgelegt, dessen Umsetzung in Neuordnungsverfahren mit den zuständigen Ministerien und Sozialpartnern intensiv erörtert wird.
(Jorg-Günther Grunwald)
Kompetenzorientierung in Ausbildungsordnungen
Um die Anschluss-, Anrechnungs- und Anerkennungsmöglichkeiten zwischen den Bildungsbereichen in Deutschland sowie die Transparenz und Vergleichbarkeit der deutschen Abschlüsse auch in Europa verbessern zu können, hat sich als Leitkonzept für die Festlegung der Curricula sowohl auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene das Kompetenzkonzept allgemein durchgesetzt. Aus diesem Grunde sollen künftig auch Ausbildungsordnungen kompetenzorientiert gestaltet werden. Das BIBB hat daher in einem Forschungsprojekt ein Konzept zur Gestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen entwickelt, mit dessen Hilfe Kompetenzen konkretisiert und systematisch in den Ordnungsmitteln verankert werden können.94 Die darin enthaltenen Vorschläge richten sich insbesondere an Expertinnen und Experten in Ordnungsverfahren. Das Konzept ist berufsübergreifend angelegt und soll dazu beitragen, die Gestaltung von Ausbildungsordnungen einheitlich und transparent am Leitprinzip der Kompetenzorientierung auszurichten. Dies betrifft insbesondere:
- die verbindliche Festlegung der Kompetenzen in der Ausbildungsordnung, wobei nach fachlichen, methodischen, sozialen und personalen Dimensionen unterschieden wird,
- die lernergebnisorientierte Beschreibung der Kompetenzen, wobei dargelegt wird, was ein Lernender nach Abschluss eines Lernprozesses weiß, versteht und in der Lage ist zu tun,
- die Orientierung an Arbeits- und Geschäftsprozessen, die Ausgangspunkt für die inhaltliche Strukturierung und Bündelung der Ausbildungsinhalte bzw. der zu erwerbenden Kompetenzen ist.
Um das „Konzept zur Gestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen“ zu erproben, hat das BMBF das BIBB beauftragt, eine Umsetzung exem plarisch unter Mitwirkung der Sozialpartner und der Kultusministerkonferenz in zwei Berufen, einem gewerblich- technischen und einem kaufmännisch-verwaltenden, vorzunehmen. Ziel ist es, kompetenzbasierte Verordnungsentwürfe zu entwickeln, die die Basis für eine Beurteilung der Plausibilität und Handhabbarkeit kompetenzbasierter Ordnungsmittel in der Praxis bilden können. Die Ergebnisse liegen Mitte 2011 vor.
(Barbara Lorig, Daniel Schreiber)
Kompetenzbasierte Prüfungen
Die Bestrebungen zur Verankerung des Kompetenzkonzepts in den Ausbildungsordnungen haben auch Auswirkungen auf das Prüfungsgeschehen im dualen System. Es stellt sich daher die Frage, welches die Elemente kompetenzbasierter Prüfungen sind und wie sie künftig gestaltet werden können. Antworten auf diese Fragen soll ein Forschungsprojekt des BIBB geben, das Mitte 2010 beginnen wird. Dabei soll ein Instrumentarium erarbeitet werden, welches die für Kompetenzorientierung der Prüfungen wesentlichen Elemente und Kriterien beschreibt und das auch als Grundlage für die Analyse in der Prüfungspraxis herangezogen werden kann. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen als Empfehlungen für die kompetenzbasierte Weiterentwicklung der Prüfungen im dualen System genutzt werden können.
(Barbara Lorig)
Deutscher Qualifikationsrahmen (DQR)
Im Oktober 2006 haben das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Kultusministerkonferenz (KMK) beschlossen, gemeinsam einen Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen zu entwickeln. Dieser unterstützt die Umsetzung des Europäischen Qualifikationsrahmens, welcher die Vergleichbarkeit der jeweils nationalen Qualifikationen im europäischen Bildungsraum ermöglichen soll.
Erprobung eines Deutschen Qualifikationsrahmens
Der DQR-Entwurf – mit derzeit acht Niveaustufen, den Deskriptoren für die einzelnen Niveaustufen und Kategorien zur Beschreibung von Kompetenzen – wird durch das BIBB in vier ausgewählten Wirtschaftsdomänen (Metall / Elektro, Handel, Gesundheit und Informationstechnologie) erprobt. Diese Erprobung wird von Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und der Bildungspraxis begleitet.
Das Projekt zielt darauf, die Entwicklung des DQR zu unterstützen. Dabei sollen die Trennschärfe der gewählten Niveaustufen, die Verständlichkeit der Deskriptoren und die Kompatibilität mit dem EQF geprüft werden. Die Ergebnisse des Projekts werden im laufenden Jahr vorliegen und sollen der Weiterentwicklung und Implementierung des DQR zugrunde gelegt werden.
Mit der Entwicklung des DQR waren – in Abstimmung zwischen BMBF und KMK – die nachfolgenden Ziele vereinbart worden:
- mehr Transparenz des deutschen Qualifikationssystems,
- die Förderung von beruflicher Mobilität,
- verbesserte Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung,
- eine stärkere Orientierung an Lernergebnissen (Outcome) und
- die Möglichkeit der Anerkennung und Anrechnung von informell erworbenen Kompetenzen.
Offene Fragen ergeben sich auch noch hinsichtlich der Erfassung informell erworbener Kompetenzen.
(Irmgard Frank, Andreas Stöhr)