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DATENREPORT ZUM BERUFSBILDUNGSBERICHT 2013

C2.1 Social Media: „Many to many”-Kooperation im Netz

Eine völlig neue Dimension für die betriebliche Aus- und Weiterbildung sowie Facharbeit ist mit der zunehmenden Nutzung von Web-2.0-Anwendungen im betrieblichen Kontext entstanden. Digitale Medien verbinden mit ihren Web-2.0-Formaten ehemals deutlich voneinander getrennte Bildungs- bzw. Qualifizierungsbereiche und eröffnen damit neue Möglichkeiten zur Gestaltung beruflichen Lernens, der Kooperation der an der Berufsausbildung beteiligten Lernorte und der betrieblichen Facharbeit. Alte „Wissensmonopole“ verschwinden zugunsten gemeinsam genutzter virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen. Digitale Medien führen zu Entgrenzungen, Lehren und Lernen verschmelzen zusehends mit der ausgeübten Facharbeit. Nutzer von Informationen werden zu Produzenten von Informationen und umgekehrt. Sogenannter „User Generated Content“ gehört in Social-Web-Umgebungen zum Alltag des gemeinsamen Erfahrungsaustausches im Betrieb, auf der Baustelle oder beim Kunden Schaubild C2.1-1.

Schaubild C2.1-1: Web 2.0 – Veränderte Wahrnehmung und Nutzung des Internets in der Aus- und Weiterbildung

Schaubild C2.1-1

Die Informationsbeschaffung wird durch den schnellen Zugriff auf ein breit gefächertes Angebot aufbereiteter oder offener Wissenspools erleichtert. Die vielfältigen Interaktionsmöglichkeiten innerhalb eines Lernprogramms bis hin zu hypermedialen Strukturen können gezielt dazu genutzt werden, den Lernenden eine aktive Rolle im Lernprozess zuzuweisen. Sie fördern ein exploratives Vorgehen und ein selbstbestimmtes Lernen. Der Einsatz kommunikativer und kollaborativer Techniken erleichtert die gemeinschaftliche Erarbeitung, Präsentation und Reflexion der Arbeitsergebnisse durch die Fachkräfte. Die schnelle Verbreitung von Apps ermöglicht den Zugriff auf themenspezifische Informationseinheiten, die am Arbeitsplatz und während der Durchführung fachlicher Tätigkeiten authentische Informationen bereitstellen.

Software hat sich in diesem Kontext in kurzer Zeit von einem Produkt, installiert und gewartet von Spezialisten, zu einem Informationsdienst oder auch Service, der über das Internet allgemein öffentlich bereitgestellt wird, gewandelt (Schmidt/Hasebrink/ Paus-Hasebrink 2011). Der damit mögliche Gebrauch vielfältiger Medienformate des sogenannten Web 2.0 zum Austausch von Informationen, zur Kommunikation, zur Erarbeitung eigener Inhalte und der kontinuierlichen Dokumentation betrieblicher Facharbeit eröffnet einerseits eine völlig neue Dimension der Wissensrepräsentation und des Wissensaustausches. Andererseits erhöht er den Druck auf alle Akteure (Ausbildungspersonal, Auszubildende, Fachkräfte), das dazu erforderliche Know-how zu beherrschen sowie zielgerichtet und sachgerecht einsetzen zu können. Diese Medienkompetenz nimmt den Charakter einer „vierten Kulturtechnik“ an (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2010), die es den Nutzern ermöglicht, aus ihrer Rolle der Konsumenten in die Rolle von Produzenten zu wechseln. Die seit Langem im Zusammenhang mit digitalen Medien diskutierte Möglichkeit vernetzter Lerngemeinschaften wird Realität. Das Web 2.0 bietet seinen Nutzern interaktive Räume zum unmittelbaren Austausch, es wird zum lernerzentrierten Social Web.

Eine der treibenden Kräfte für Betriebe ist nun nicht mehr allein die Verfügbarkeit über modernste technologische Ausstattung, sondern das gemeinsame Wissen der Beschäftigten, das mithilfe digitaler Medien kommuniziert, ausgetauscht und kontinuierlich aktualisiert werden kann. Angesichts kürzer werdender Halbwertszeiten einmal erworbenen Fachwissens und technologischer Innovationen bei gleichzeitig kontinuierlich wachsenden Informationsbeständen besteht für Betriebe eine wichtige Herausforderung darin, funktionale Lösungen für die Wissensdokumentation, -strukturierung, -aktualisierung sowie Weitergabe zu etablieren. Eine erfolgreich implementierte Web-2.0-Umgebung bietet die Möglichkeit, dass alle Wissensträger ihr fachliches Know-how dokumentieren, austauschen, aktualisieren sowie immer wieder abfragen können.

Besonders ältere Beschäftigte können ihr über Jahrzehnte erworbenes Fachwissen, das einen originären Wertschöpfungsfaktor für den betreffenden Betrieb darstellt, individuell dokumentieren, lange bevor sie aus dem Betrieb ausscheiden. Dieses aus dem Arbeitsprozess generierte informelle Wissen kann in Form von Präsentationen, Textdokumenten, Filmen, Audiodateien oder anderen Medienformaten zur weiteren Nutzung bereitgestellt werden. Wikis als die momentan wohl populärste Form für betriebsinterne Wissensmanagementsysteme des Social Web bieten eine dafür geeignete Infrastruktur.

Web-2.0-Technologien oder das „Social Web“ ermöglichen diese neuen Formen der Wissensrepräsentation, der Wissensteilung, der kontinuierlichen Wissensgenerierung und -dokumentation durch die Nutzer/-innen selbst. Eine eindeutige und allgemein anerkannte Definition zum Web 2.0 und dem Social Web existiert bisher nicht. Allgemein akzeptiert ist aber, dass die unter dem Oberbegriff subsumierten Web-2.0-Applikationen völlig neue Anwendungen ermöglichen, die sich unter dem Begriff Social Web etabliert haben.

„… zeigen sich Web-2.0-Anwendungen nicht als Spezialanwendungen einzelner Nutzer, sondern finden weite Verbreitung und zeigen sich als Bestandteil unserer Lebenswelt. Genau hierdurch zeichnen sich Web-2.0-Anwendungen aus, dass sie technologische Möglichkeiten eröffnen wie die Verknüpfung von Informationen (Mash-up), Rückmelde- und Annotationsmöglichkeiten, Social Tagging oder Möglichkeiten zum Abrufen und Herunterladen von Filmsequenzen, Tonbeiträgen oder Texten, welche die Möglichkeit bieten, dass die Bereitstellung von Informationen nicht durch ein einfaches Sender-Empfänger-Modell, sondern durch eine partizipative Mediengestaltung geprägt wird und damit Wissensräume entstehen, die gemeinsam von Individuen gestaltet werden und die ein Werkzeug anbieten, die eigene Person darzustellen“ (Pferdt 2012, S. 115).

Zu seinen zahlreichen Social-Media-Anwendungen zählen u. a. Online Social Networks (wie XING, LinkedIN, StudiVZ oder Facebook), Microblogging- Angebote (wie Twitter), Foto-Communitys (wie Flickr oder Picasa), Lesezeichen-Verzeichnisse (wie Delicious oder Mister Wong), Videoplattformen (wie YouTube, MyVideo oder Sevenload) sowie News-Sourcing- Systeme (wie Digg.com, Yigg.de oder Webnews).313

Die große Vielfalt an Medienformaten und -diensten zum Informationsaustausch war bisher einer der Gründe für den eher zögerlichen Einsatz von Web-2.0-Anwendungen in Betrieben. Er intensiviert sich allerdings zusehends. Wie bei vielen anderen Innovationen auch muss das Web 2.0 erst einen gewissen Reifegrad und eine gewisse Belastbarkeit aufweisen, da seine Implementierung in betriebliche Prozesse einen umfassenden organisatorischen und sozialen Wandel initiiert. Eine der wichtigsten Erkenntnisse liegt darin, dass auch die durch Web-2.0- Formate getragenen Anwendungen des Social Web keine Automatismen entwickeln, sondern erst im Rahmen einer gezielten und auf Langfristigkeit angelegten ganzheitlichen Projektierung die kritische Masse an Nutzen in Betrieben erzielt, die es für eine stabile Akzeptanz benötigt.

Für Ausbildungspersonal und auch Fachkräfte fällt es schwer, den für einen sinnvollen Bedarf in der betrieblichen Ausbildungspraxis und Facharbeit jeweils aktuellen Entwicklungsstand von Social-Media-Formaten zu beobachten und deren betrieblichen bzw. ökonomischen Wert einzuschätzen. Es geht u. a. um Social Communities, Social Commerce, Interaktionsplattformen, Networking, Kollaboration, Kooperation und Kommunikation in beruflichen und privaten Kontexten, Social Learning, Social Publishing und diverse weitere Facetten aktueller Strömungen in der Nutzung digitaler Medien. Eine strukturierte Einbindung dieser Medienformate in die betriebliche Ausbildungspraxis und Facharbeit folgt keinem einheitlichen Muster.

Am Beispiel kaufmännischer Berufe zeigt sich, dass zahlreiche Social-Media-Elemente in den Marketingkonzepten fast aller Unternehmen fest integriert sind und einen inzwischen unverzichtbaren Stellenwert erreicht haben. Ausbildungsverantwortliche in der beruflichen Bildung haben keine Alternative, als sich mit „Social Media“ als Ausbildungs- und Unterrichtsgegenstand in betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen zu befassen und entsprechende Konzepte zu gestalten. Auszubildende müssen lernen, welche Bandbreite an Plattformen, Anbietern, Tools und Interessen im Social-Media-Bereich vorhanden sind, wie sie in betriebliche Strategien und Abläufe eingebunden sind und welche Einflüsse sie auf Arbeitsplätze und -formen haben. Sie müssen befähigt werden, professionell und reflektiert „Social Media“ zu bewerten, zu nutzen und entsprechende Entwicklungstrends einzuschätzen.

Das Ausbildungspersonal in Betrieben und an Berufsschulen weist vielfach noch grundlegende Defizite in Social-Media-Kompetenzen auf. Weder in der Ausbildung der Ausbilder/-innen noch an den Hochschulen noch in den Einrichtungen der zweiten Phase der Lehrerausbildung (Referendariat) ist eine entsprechend fundierte Medienkompetenzanbahnung vorgesehen. Häufig fehlen systematische Fortbildungen dazu.

Fußnoten

313 Siehe: http://www.prsse.de.

Bibliografischer Hinweis

Internetversion des BIBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2013 - Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2013).

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