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DATENREPORT ZUM BERUFSBILDUNGSBERICHT 2013

C2.3 Medienkompetenz des Ausbildungspersonals

Die effektive Nutzung des Potenzials digitaler Medien erfordert spezifisches Wissen, um einen strukturierten und zielorientierten Umgang mit ihnen im Betriebsalltag erreichen zu können. Fachkräfte können z. B. die erforderlichen Informationen zur Lösung einer Arbeitsaufgabe selbstständig recherchieren und damit gleichzeitig eigenverantwortlich Wissen erwerben. Gleichzeitig kann unkontrolliertes oder „inkompetentes“ Browsen in einer Informations- und Lernumgebung zum Phänomen des „Lost in Hyperspace“ führen. Orientierungslosigkeit verbunden mit dem Gefühl der Überforderung kann damit systematisches Informieren und Lernen verhindern und Barrieren aufbauen, die zu einem Akzeptanzverlust und auch zu einem Imageproblem digitaler Medien führen. Es entstehen Reibungsverluste und Redundanzen zwischen der bisherigen und den neuen Lernmöglichkeiten und ihren verantwortlichen Akteuren im Betrieb.

Die umfassende Implementierung digitaler Medien in betriebliche Lern- und Arbeitsumgebungen stellt sich als komplex und schwierig dar. Sie folgt keinem Automatismus, der digitale Medien bruchlos mit dem Aus- und Weiterbildungskontext und die betrieblichen Prozesse verschmelzen lässt. Es handelt sich um viel mehr als einen Technologietransfer. Die mit der Internettechnologie ermöglichte Flexibilisierung und Individualisierung für selbstbestimmtes Informieren, Lernen und Kommunizieren kann nur auf der Grundlage lernförderlicher Rahmenbedingungen geschehen.

Die anspruchsvolle Rolle des Bildungspersonals als professioneller Lernprozessbegleiter zeichnet sich hier deutlich ab. Die zum Informieren und Lernen erforderliche Lernumgebung, die notwendige Informations- und Lernstrategie sowie Zeitkontingente sind zu bestimmen und in den übergreifenden betrieblichen Prozess sinnvoll zu integrieren Die Ergebnissicherung und -kontrolle ist zu gewährleisten. Der Einsatz unterschiedlicher digitaler Medien erfolgt inzwischen oft unter Nutzung verschiedener Formate und Anwendungen, die aufeinander abgestimmt und sequenziert werden müssen. Gruppen- und Einzelarbeit benötigen ebenfalls Organisation und Koordination. Digitale Medien sind in diesem Rahmen explizit als umfangreiches Bildungs- und Managementkonzept zu verstehen. Sie dürfen weder begrifflich auf Technologie reduziert noch technologiegetrieben in Betrieben als „Top-down-Projekt“ eingeführt werden.

Die entscheidende Schlüsselposition, die das Ausbildungspersonal in der Ausbildungspraxis einnimmt, wird hier besonders deutlich. Ausbildungspersonal kann den ergebnisorientierten Einsatz digitaler Medien im täglichen Ausbildungsgeschehen nur dann auf dem erforderlichen Niveau vermitteln, wenn es selbst den Umgang mit digitalen Medien beherrscht. Die Anforderungen an das Ausbildungspersonal, den Umgang mit digitalen Medien im jeweiligen Fachgebiet auf Grundlage einer ausgewiesenen Medienkompetenz315 souverän vermitteln zu können, sind sehr hoch und werden vielfach noch nicht erfüllt. Dies hat unmittelbar Konsequenzen auf die Akzeptanz und Nutzung digitaler Medien und führt zurzeit ebenfalls zu entsprechenden Begrenzungen.

Medienkompetenz im Sinne der von der Expertenkommission des BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2010) zur Medienbildung geforderten 4 Merkmale

1. Information und Wissen: Informationen bewerten, auswählen und nutzen,

2. Kommunikation und Kooperation: Informations- und Erfahrungsaustausch im Netz,

3. Identitätssuche und Orientierung: selbstorganisierte Lernprozesse gestalten und vermitteln, Teilhabe an der Gesellschaft,

4. digitale Wirklichkeiten und produktives Handeln: proaktive Nutzung virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen für berufliche Aus- und Weiterbildungsprozesse

kann nicht als eigenes geschlossenes Profil verstanden werden. In ihr kombiniert sich eine Vielfalt an Kompetenzen, die vom technischen Verständnis über berufspädagogisches Know-how zur Gestaltung selbstorganisierter Lernprozesse bis hin zur Organisation sogenannten Wissensmanagements reicht. Dies führt zu neuen anspruchsvollen Aufgaben und einer neuen Rolle des Ausbildungspersonals, die am ehesten als die eines Lernprozessbegleiters eines moderierenden und koordinierenden Coaches zur Gestaltung des Lernens im Prozess der Arbeit charakterisiert werden kann (Schmidt-Hertha u. a. 2011, S. 180).

Bisher gehört eine systematische Medienbildung, die insbesondere die vielfältigen Voraussetzungen für einen gewinnbringenden Einsatz digitaler Medien im betrieblichen Alltag vermittelt, nicht zum Standard der Ausbildung der Ausbilder/-innen. Lediglich im Curriculum für den Berufspädagogen/die Berufspädagogin ist eine Position „E-Learning einsetzen“ abgebildet. Inwieweit damit umfassende Medienkompetenz erlangt werden kann, die der Vielfalt der Aspekte digitaler Medien gerecht wird, muss abgewartet werden.

Bereits Baacke (1999) definierte aus medienpädagogischer Sicht bis heute gültige Standards zur Bewertung von Medienkompetenz, die zwischen Vermittlungsebene und Ergebnis- bzw. Zielorientierung im Kontext des Medieneinsatzes unterscheiden Schaubild C2.3-1. Seine Kategorien „Medienkritik“, Medienkunde“, „Mediennutzung“ und „Mediengestaltung“ können als Grundlage neuerer Definitionen zur Erfassung von Medienkompetenz gewertet werden.

Schaubild C2.3-1: Standards zur Kategorisierung von Medienkompetenz

Schaubild C2.3-1

Für das Ausbildungspersonal stellt sich auch die Frage der Berücksichtigung von Online-Prüfungen. Angesichts des umfangreichen Leistungsspektrums und -vermögens digitaler Medien zeichnet sich vor dem Hintergrund der jährlich durchgeführten ca. 650.000 Prüfungen (auftrags- bzw. prozessbezogen) eine erhöhte Aufmerksamkeit ab, Online-Prüfungen als Alternative zu den bisher durchgeführten Präsenzprüfungen zu wählen. Laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag (DIHK) nutzen 26 Industrie- und Handelskammern (IHKs) in Deutschland onlinegestützte Prüfungen.316 7.000 Online-Prüfungen wurden 2011 durchgeführt, im Handwerk liegt die Zahl für das Jahr 2012 bei 2.804 Online-Prüfungen (im Jahr 2007 waren es erst 488).317 Inzwischen gewinnen Online-Prüfungen erhöhte Aufmerksamkeit, da Erfahrungen aus Pilotprojekten deren Nutzen und Qualität nachgewiesen haben (ebd.). Bedingt durch die demografische Entwicklung stehen perspektivisch immer weniger Prüfer/-innen für die Durchführung von Präsenzprüfungen zur Verfügung, sodass Online- Prüfungen hier auch eine wichtige Kompensationsfunktion übernehmen können. Prüfungen können an mehreren Standorten gleichzeitig durchgeführt werden, Computersimulationen vermögen komplexe und gleichzeitig reale Aufgabenstellungen handlungsorientiert abzubilden. PC-gestützte Auswertungen bieten schnelle Ergebnisse sowie Vergleichsparameter.

Fußnoten

315 Der komplexe Ausbildungsauftrag, den das Ausbildungspersonal zu verantworten hat, kristallisiert sich bei dem Begriff „Medienkompetenz“ deutlich heraus, da eine qualitativ hochwertige Medienkompetenz nicht gleichzusetzen ist mit „Ausbildungs- bzw. Lehrkompetenz“. Ausbildungspersonal muss insgesamt als die strategische Ziel- und Multiplikatorengruppe für die Gewährleistung der Ausbildungsqualität im Betrieb (und in der Berufsschule) charakterisiert werden

316 Siehe: http://www.dihk-bildungs-gmbh.de/weiterbildung/pruefungen-von-a-z/pc-pruefungen/.

317 Vgl. http://www.zwh.de.

Bibliografischer Hinweis

Internetversion des BIBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2013 - Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2013).

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