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DATENREPORT ZUM BERUFSBILDUNGSBERICHT 2013

C2.5 Innovation für lernortübergreifendes Lehren und Lernen: Das Beispiel der Kompetenzwerkst@tt Elektrohandwerk

Digitale Medien bieten eine neue Qualität zur Gestaltung von Lernortkooperationen.318 Den Beleg dafür bieten die Ergebnisse des Projekts „Kompetenzwerkst@ tt Elektrohandwerk“ (s. u.), die mithilfe eines E-Portfolios319 die vielfältigen Medienformate zur unmittelbaren Information, Kommunikation sowie Erstellung und Dokumentation spezifischer Fachinhalte zum Einsatz bringen. Das Projekt wurde mit finanzieller Unterstützung des BMBF durchgeführt (vgl. Kapitel C3). Es entwickelte und erprobte einen auf sämtliche Berufe übertragbaren neuen Ansatz für eine inhaltliche Abstimmung und Verzahnung der an den verschiedenen Lernorten durchgeführten Berufsausbildung.

E Kompetenzwerkst@tt Elektrohandwerk

Im Projekt „Kompetenzwerkst@tt Elektrohandwerk“ wurde ein arbeitsprozessorientiertes und lernsoftwaregestütztes Ausbildungskonzept initial für den gewerblich-technischen Bereich entwickelt und erprobt. Die eigens im Projekt konzipierte Lernsoftware kann an allen Lernorten eingesetzt werden und zu einer neuen Form von Lernortkooperation führen. Sie steht gegenwärtig für den Beruf des Elektronikers der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik zur Verfügung. In 12 Lernsoftwaremodulen werden mithilfe von Arbeitsprozessvideos, Infopools mit zentralen fachlichen und überfachlichen Inhalten sowie umfangreichen Materialsammlungen die Arbeit, das Wissen und das Können des Elektronikers anschaulich und verständlich dargestellt. Aufgabenbeispiele für Betrieb, überbetriebliche Berufsbildungsstätte und Berufsschule regen ein arbeitsprozessorientiertes Lernen an. Ein elektronisches Berichtsheft unterstützt den übergreifenden Einsatz der Lernsoftware in Ausbildung und Unterricht. Nach dem Ansatz des „Rapid E-Learning“ lässt sich die auf PowerPoint basierende Lernsoftware ohne große medientechnische Kenntnisse leicht durch Anwender erweitern und an individuelle Bedürfnisse anpassen. Gegenwärtig wird das Modell der Kompetenzwerkst@tt auf weitere Berufe ausgedehnt und konzeptionell erweitert.

Das Projekt wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert.

Weitere Informationen unter: http://www.kompetenzwerkstatt.net/.

Die Projektarbeiten dokumentieren beispielhaft die Rolle, die digitale Medien in der Berufsbildung einnehmen: Sie unterstützen die Didaktik handlungsorientierter Ausbildung mit wichtigen zukunftsfördernden medialen Formaten, indem sie auf den spezifischen Bedarf heterogener Zielgruppen sowie technologisch komplexerer betrieblicher Arbeitsumgebungen ausgerichtetes individuelles berufliches Lehren und Lernen ermöglichen. Erst durch die Integration dieser Medienformate in eine anwendungsorientierte Didaktik kann deren Potenzial aktiviert werden und den erwünschten Ertrag für die Berufsbildung leisten.

Impuls für das mit der „Kompetenzwerkst@tt Elektrohandwerk“ verbundene Konzept war die Feststellung, dass moderne Arbeitsorganisationsformen mit ausgeprägter Prozessorientierung Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten auf die direkt wertschöpfende Produktions- oder Dienstleistungsebene, das mittlere Qualifikationssegment, verlagern. Diese Prozessorientierung verbindet Lernen und Arbeiten. Fachkräfte werden mit neuen und zusätzlichen anspruchsvollen Erwartungen konfrontiert wie z. B. Selbstständigkeit, Qualitäts- und Verantwortungsbewusstsein, Kooperations-, Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit, Verständnis für betriebliche Abläufe, Zusammenhänge und Wertschöpfungsketten, Flexibilität und Kreativität. Gefordert sind ganzheitlich ausgebildete Fachkräfte mit umfassender beruflicher Handlungs- und Gestaltungskompetenz (Howe/Berben 2005).

Diese Entwicklungen lassen sich u. a. auf die steigende „Intelligenz“ und Komplexität von Maschinen, Maschinenkommunikation und vernetzten technischen Systemen mit ihren leistungsstarken Softwarekomponenten zurückführen. Technische Dokumentationen existieren nur noch digital, da die eingebetteten Systeme, das „digitale Produktgedächtnis“ und Softwareagenten die Basistechnologien ressourcenschonender Produktionsprozesse sind. Wartungs- und Instandhaltungsaufwand steigen, die Kommunikationsfähigkeit zwischen den Maschinenherstellern, Monteuren und Servicetechnikern entwickelt sich zu einer überfachlichen medienaffinen Kompetenz.

Das Verständnis für solche abstrakten informationstechnisch geprägten Wertschöpfungsprozesse muss im realen Arbeitsprozess vermittelt werden, damit die künftigen Fachkräfte die notwendigen beruflichen Handlungskompetenzen erlangen können. Parallel dazu erfolgt die systematische Reflexion der in der Ausbildungspraxis vermittelten Inhalte im berufsschulischen Unterricht. Das handlungsorientierte Konzept der Lern- und Arbeitsaufgaben bietet dafür den didaktischen Rahmen, mit dem die Forderung nach der Gestaltung authentischer Lehr-/ Lernsituationen erfüllt werden kann.320 Die mithilfe digitaler Medien mögliche Unterstützung zur Gestaltung lernortübergreifender Berufsbildung bildete konsequenterweise den zentralen Schwerpunkt der Arbeiten der „Kompetenzwerkst@tt Elektrohandwerk“.

Ein Defizit der Vermittlung von technischem Wissen ist bisher gewesen, dass einerseits zwar Fachkenntnisse erworben werden. Andererseits werden die praktischen Zusammenhänge für reale Arbeitsaufträge in unterschiedlichen betrieblichen Alltagssituationen und damit der Gebrauchswert des erlangten Wissens zur Problemlösung im Arbeitsalltag erfahrungsgemäß aber nur bedingt deutlich. Der Praxistransfer bleibt oft unzureichend, berufliche Handlungskompetenz wird nicht im erwünschten Maße gefördert.

Dieses Defizit kann mithilfe des Konzepts der Kompetenzwerkst@ tt überwunden werden: Zentral für eine prozessorientierte Perspektive in der beruflichen Ausbildung ist die Anwendung der Technik in beruflichen Arbeitsprozessen. Technik wird nicht abstrakt, sondern immer als Gegenstand von Arbeit im Zusammenhang mit ihrem praktischen Einsatz sowie den zugehörigen Planungs-, Durchführungs- und Kontrollphasen betrachtet. Der Blick auf Technik erfolgt damit aus arbeitsorientierter Perspektive:

  • In welchem Zusammenhang tritt die Technik im Arbeitsprozess auf?
  • Welchen Gebrauchswert besitzt die Technik zur Realisierung eines Produktes oder einer Dienstleistung?

Der wesentliche Vorteil dieser Strukturierung liegt in dem nachvollziehbarer zu vermittelnden Transfer des Gelernten und Erfahrenen auf vergleichbare berufliche Aufgaben. Die Auszubildenden erkennen Handlungs- bzw. Problemsituationen wieder und erinnern sich an erprobte und bewährte Lösungswege. Werden Aufgabenstellungen prozessorientiert angelegt und beziehen sie sich auf authentische Aufträge, können darüber hinaus bei den Auszubildenden nicht nur fachliche, sondern gleichzeitig methodische und soziale Kompetenzen gefördert werden.

Prozessorientierung allein kann aber dazu führen, dass die Auszubildenden teilweise nur eine unklare und wenig überschaubare Fachstruktur erkennen können. Sie lernen unmittelbar in einem Arbeitsprozess, und es gelingt ihnen i. d. R. ohne Unterstützung nicht, das Gelernte zu reflektieren, einzuordnen und idealerweise auf weitere Aufgaben zu übertragen. Damit fehlt den Auszubildenden ggf. auch eine fachliche Geschlossenheit, die es ihnen ermöglicht, Problemlösungen aus theoretischen Zusammenhängen und Begründungen abzuleiten, wie es moderne, technologiegeprägte Facharbeit einfordert.

Zur Förderung einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz liegt es nahe, das betriebliche, überbetriebliche und schulische Lernen zunächst prozessorientiert, also bezogen auf die Arbeitsprozesse des Berufs, zu gestalten. Daran anschließend oder auch eingebettet wird das Gelernte entlang der bewährten Strukturen und Begrifflichkeiten der Fachsystematik reflektiert. Auf diese Weise kommen die Stärken beider Ansätze zum Tragen.

Schaubild C2.5-1: Digitale Medien fördern Handlungskompetenz

Schaubild C2.5-1

Auszubildende

  • lernen Technik in ihren Anwendungszusammenhängen kennen, wodurch ein einfacher Transfer des Gelernten möglich wird;
  • können durch die Integration in authentische Arbeitsprozesse fachliche, soziale und methodische Kompetenzen entwickeln;
  • können berufliche Problemstellungen auf Basis theoretischer Herleitungen lösen, da sie die fachsystematischen Zusammenhänge beherrschen;
  • kennen die bewährten Fachstrukturen und einschlägigen Fachbegriffe und können diese bei der Zusammenarbeit mit Fachkollegen oder der Beratung von Kunden einsetzen.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen gewinnen die Potenziale digitaler Medien zur Förderung einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz noch zusätzlich an Bedeutung. Die Erfahrungen aus dem Projekt „Kompetenzwerkst@tt Elektrohandwerk“ gaben den Impuls für eine Expertise über die Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien in Lern- und Arbeitsaufgaben (Howe/Knutzen 2012).321 In dieser Expertise werden 6 Potenzialkategorien ausgewiesen:

1. Verfügbarmachen von Informationen und Inhalten

2. Visualisieren, Animieren, Simulieren

3. Kommunizieren, Kooperieren, Kollaborieren

4. Strukturieren, Systematisieren

5. Diagnostizieren, Testen

6. Reflektieren

Damit können Auszubildende, Ausbildungspersonal sowie Fachkräfte in die Lage versetzt werden, sich lernortübergreifend

  • in hochdynamischen Informationswelten zu orientieren, diese effizient für die eigene Aufgabendurchführung zu nutzen sowie an der betriebsinternen Wissenskommunikation zu partizipieren;
  • in größerem Maße den Anforderungen interdisziplinärer (und interkultureller) Zusammenarbeit zu stellen, Kommunikationswege zu bestimmen sowie den virtuellen Kommunikationsfluss zu organisieren;
  • in mehreren Webanwendungen mit ihren jeweiligen Features parallel bewegen zu können (Schmidt-Hertha u. a. 2011).

Sie erlangen die (Handlungs-)Kompetenz, (gemeinsam) im virtuellen Raum in unterschiedlich organisierten Lern- und Arbeitsumgebungen aktiv zu kommunizieren, Lernergebnisse zu reflektieren, auf Arbeitsprozesse zu beziehen, mit Kundenbewertungen umzugehen und daraus die richtigen Entscheidungen zu fällen Schaubild C2.5-1

Fußnoten

318 Überlegungen zur Verbesserung dieses konstituierenden Elements dualer Ausbildung sind kontinuierlich Gegenstand berufsbildungspolitischer Diskussionen. Diese Dualität zwischen praktischer und theoretischer Ausbildung mit ihrer systemischen Einbettung kristallisiert sich aktuell zu einem der herausragenden Alleinstellungsmerkmale des Berufsbildungssystems Deutschlands im internationalen Vergleich heraus.

319 Das E-Portfolio dient außerdem der Dokumentation von fortlaufend erworbenen beruflichen Kompetenzen und kann daher auch als ein Modell für den Nachweis beruflichen Erfahrungswissens im Kontext der DQR-Entwicklungen dienen.

320 Im Internetportal des BIBB für Ausbilderinnen und Ausbilder (http://www.foraus.de/html/, vgl. Kapitel C2.6) hat das Ausbildungspersonal Zugriff auf Weiterbildungsmöglichkeiten zur entsprechenden Ausbildungsplanung, zu virtuellen Lern- und Arbeitsaufgaben und weiteren Lernbausteinen, die ihnen bei der Bewältigung ihres Ausbildungsauftrages Unterstützung anbieten.

321 Die Expertise ist unter http://datenreport.bibb.de/media2013/expertise_howe-knutzen.pdf einzusehen.

Bibliografischer Hinweis

Internetversion des BIBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2013 - Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2013).

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