A4.6.3 Studienberechtigte mit dualer Berufsausbildung
Mit rund 492.700 neu eingeschriebenen Studentinnen und Studenten wurde im Studienjahr 2012 (Sommersemester 2012 und Wintersemester 2012/2013) nach dem Rekordhoch im Studienjahr 2011 (515.800) die zweithöchste Zahl an Erstsemestern erreicht.136 Die Studienanfängerquote, die den Anteil der Studienanfänger/-innen an der gleichaltrigen Bevölkerung wiedergibt, weist mit 54,7 % einen Höchststand auf. Weiterhin attraktiv ist für Studienberechtigte137 jedoch seit vielen Jahren auch die Aufnahme einer Berufsausbildung im dualen System von Betrieb und Berufsschule.138 Nach Daten der Berufsbildungsstatistik139 haben im Ausbildungsjahr 2011 rund 129.800 junge Leute mit Fachhochschul- oder Hochschulreife eine Berufsausbildung im dualen System begonnen; etwa die Hälfte davon sind Frauen (65.226). Mit Hochschulzugangsberechtigten wurde somit knapp ein Viertel (23,1 %) der im Jahr 2011 neu abgeschlossenen dualen Ausbildungsverträge geschlossen Tabelle A4.6.3-1.
In den alten Ländern fingen fast 110.900 Studienberechtigte eine duale Berufsausbildung an, rund 18.900 waren es in den neuen Ländern. Kaum Unterschiede gab es beim Anteil der Studienberechtigten an den Neuverträgen in den beiden Landesteilen. Dagegen liegt dieser Anteilswert bei den Frauen mit 28,7 % um 10 Prozentpunkte über dem der Männer (19,3 %). Des Weiteren zeigen sich teils beachtliche Unterschiede zwischen sowie auch in den Ausbildungsbereichen bezüglich der mit Studienberechtigten neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge. Überdurchschnittlich oft haben junge Leute mit Abitur in den Bereichen öffentlicher Dienst, Industrie und Handel sowie in freien Berufen eine duale Ausbildung begonnen. Mit Blick auf die Berufe ganz vorne in der Gunst der Abiturientinnen und Abiturienten lagen vor allem kaufmännische und Dienstleistungsberufe; verstärkt entschieden sie sich auch für informationstechnische Berufe und Medienberufe (vgl. Kapitel A4.6.2).
Tabelle A4.6.3-1: Studienberechtigte mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag im Berichtsjahr 2011 nach Ausbildungsbereichen, alten und neuen Ländern1 und Geschlecht; Anzahl und Anteil (in %) an den Neuverträgen2
Tabelle A4.6.3-1 (barrierefrei)
Ausbildungsabsichten von Studienberechtigten des Entlassjahrgangs 2012 ein halbes Jahr vor Schulabgang
Hinweise darauf, wie attraktiv aktuell eine nicht akademische Berufsausbildung für angehende Studienberechtigte des Schulabschlussjahrgangs 2011/2012 ist, gibt eine Repräsentativerhebung des HIS-Instituts für Hochschulforschung (HIS-HF). Nahezu 34.000 Schüler/-innen wurden im Dezember 2011 rund ein halbes Jahr vor Schulabgang und dem Erwerb der Fachhochschul-/Hochschulreife u. a. zu ihren weiteren Studien- und Ausbildungsplänen befragt. Grundsätzlich ist dabei zu beachten, dass es sich bei den erhobenen Angaben zum angestrebten Ausbildungsund Berufsweg um Absichten der angehenden Studienberechtigten zum Zeitpunkt der Befragung handelt. Der oft mehrjährige Prozess der Entscheidungsfindung ist komplex und von Übergängen begleitet (Lörz/Quast/Woisch 2011, S. 13 ff.). Nicht immer werden die Pläne später auch tatsächlich umgesetzt; geänderte persönliche Lebensumstände und Lebensplanung oder fehlende Ausbildungsplatzangebote oder Zugangsbeschränkungen im Hochschulbereich können dafür ursächlich sein.140
Wie frühere Entlassjahrgänge strebt auch ein größerer Teil der künftigen Studienberechtigten des Jahres 2012 nach dem Schulabgang eine nicht akademische Berufsausbildung141 an, entscheidet sich also (zunächst) gegen das sofortige Einlösen der Studienoption Tabelle A4.6.3-2. Etwas mehr als ein Fünftel der Befragten (22 %) plant danach, „auf jeden Fall“ bzw. sehr „wahrscheinlich“ eine berufliche Ausbildung zu absolvieren. Bezieht man zudem noch jene mit ein, die „eventuell“ eine solche aufnehmen wollen (17 %), wächst die Bandbreite für den Qualifizierungsschritt Berufsausbildung auf 39 % an. Ein Drittel der Studienberechtigten äußerte ein halbes Jahr vor dem Erlangen der Hochschulreife indes keine feste Berufsausbildungsabsicht (34 %), weitere 27 % schließen dies sogar ausdrücklich aus.
Weibliche Studienberechtigte streben nach dem Schulabgang häufiger als männliche das Ziel „Berufsausbildung“ an – so reicht die Spannweite der geplanten Aufnahme einer Berufsausbildung bei Frauen von 24 % mit fester Absicht (auf jeden Fall/wahrscheinlich) bis 41 % (auf jeden Fall/ wahrscheinlich bzw. eventuell). Die vergleichbaren Anteile der Männer für diesen Qualifizierungsschritt liegen niedriger bei 20 % bzw. 35 %. Eine feste Berufsausbildungsabsicht äußerten weiterhin deutlich häufiger die Befragten, die eine Fachhochschulreife anstreben (31 %), als jene mit Hochschulreife (19 %). In den alten (22 %) und neuen Ländern (20 %) liegen die Anteile mit fester Berufsbildungsabsicht nahe beieinander. In den neuen Ländern (20 %) fällt jedoch die Gruppe etwas größer aus, die eine Berufsausbildung „eventuell“ in Betracht zieht, als in Westdeutschland (16 %).
Die Studie der HIS-HF erfasste zudem auch vorhandene Berufsbildungsabschlüsse der angehenden Studienberechtigten des Entlassjahres 2012, die diese schon vor/mit dem Schulabgang erworben hatten. Wie Tabelle A4.6.3-3 ausweist, haben insgesamt rund 14 % der Befragten bereits vor dem Erwerb der Hochschulreife eine betriebliche, schulische oder Beamtenausbildung erfolgreich absolviert. Männer besaßen dabei mit 17 % häufiger einen nicht akademischen Berufsbildungsabschluss als Frauen (12 %). Von Befragten mit angestrebter Fachhochreife hatte fast die Hälfte (47 %) eine berufliche Ausbildung abgeschlossen, bei denjenigen mit dem Ziel Hochschulreife waren es lediglich 4 %. Attraktiv war vor allem die betriebliche Ausbildung im dualen System; offenbar motiviert sie besonders zum sozialen Aufstieg und erfüllt eine wichtige Scharnierfunktion zur hochschulischen Qualifikation. Fast ein Zehntel der künftigen Studienberechtigten 2012 war schon vor dem Schulbesuch im Besitz eines dualen Berufsabschlusses. Mit 12 % übertrifft der Anteil der Männer den der Frauen (5 %) um mehr als das Doppelte. Traditionell öffnet sich vor allem für Schüler/-innen, die die Fachhochschulreife anstreben und eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, der Zugang zum Hochschulbereich. So hatten 28 % derjenigen, die die Fachhochschulreife anstreben, zuvor bereits eine duale Ausbildung absolviert. Von denjenigen, die die allgemeine Hochschulreife erwerben möchten, traf dies nur auf 2 % zu.
Tabelle A4.6.3-2: Berufsausbildungsabsicht von Studienberechtigten des Entlassjahres 2012 nach Geschlecht, Art der Hochschulreife und regionaler Herkunft1 (in %)
Tabelle A4.6.3-2 (barrierefrei)
Tabelle A4.6.3-3: Studienberechtigte des Entlassjahrgangs 2012 mit vor/beim Schulabgang abgeschlossener Berufsausbildung nach Geschlecht, Art der Hochschulreife und regionaler Herkunft1 (in %)
Tabelle A4.6.3-1 (barrierefrei)
Studienanfänger/-innen im Wintersemester 2011/2012 mit dualer Berufsausbildung
Auch an Universitäten und Fachhochschulen gehören Studierende mit betrieblichem Berufsbildungsabschluss seit Jahrzehnten zum Alltag (Willich u. a. 2011). Mit Blick auf ihren Ausbildungsweg sind dies erstens jene Studierenden, die schon vor dem Schulbesuch zum Erwerb der Hochschulreife eine betriebliche Lehre abgeschlossen haben; also etwa aufstiegswillige junge Menschen des sog. zweiten Bildungsweges.142 Zweitens gibt es als eine weitere Studierendengruppe jene, die im Anschluss an den Erwerb der Fachhochschul-/Hochschulreife zunächst eine nicht akademische Berufsausbildung aufgenommen und abgeschlossen hat. Seit Mitte der 1980er- bis weit in die 1990er-Jahre war das eine besonders oft gewählte Ausbildungsstrategie (sog. Doppelqualifizierung) von Abiturientinnen und Abiturienten; äußerst begehrt war dabei stets eine Ausbildung im dualen System (Herget 1997; Heine u. a. 2008).
Nach der aktuellen HIS-HF-Studienanfängerbefragung besitzt im Wintersemester 2011/2012 ein knappes Fünftel der deutschen Erstsemester bereits einen betrieblichen Ausbildungsabschluss (17 %) und strebt demnach eine berufliche Mehrfachqualifikation an Tabelle A4.6.3-4. Der Anteil der männlichen Studienanfänger mit einem dualen Berufsabschluss lag bei 19 % und damit um 5 Prozentpunkte über dem der Studienanfängerinnen. Bemerkenswert ist außerdem: Nahezu doppelt so viele Männer wie Frauen (11 % zu 6 %) hatten die betriebliche Ausbildung bereits vor dem Erwerb der Studienberechtigung absolviert. Keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt es dagegen für die Teilgruppe, die erst nach dem Schulabgang eine duale Ausbildung gemacht hat (jeweils 8 %). Große Unterschiede zeigen sich nach der Art der erworbenen Hochschulberechtigung. Gleiches gilt auch für die Neuimmatrikulierten, die Fachhochschulen bzw. Universitäten besuchen. Während beispielsweise ein Zehntel der Erstsemester, die eine schulische Hochschulreife (allgemeine bzw. fachgebundene) erworben haben, bereits auch einen dualen Berufsabschluss haben, gilt dies sogar für nahezu die Hälfte der Studienanfänger/-innen mit Fachhochschulreife (48 %).
Insgesamt trägt das duale System somit wesentlich zur Durchlässigkeit zwischen den Bildungsbereichen bei. Viele junge Leute motiviert die Lehre offenbar zum weiterführenden Schulbesuch und ist wichtiges Bindeglied zum Hochschulbereich. Auf diesem Weg gelangt somit ein zusätzliches Potenzial leistungswilliger junger Menschen, das bereits über erste Berufs- und Betriebserfahrung verfügt, (noch) zu einer hochschulischen Qualifikation.
(Hermann Herget)
Tabelle A4.6.3-4: Deutsche Studienanfänger/-innen mit abgeschlossener betrieblicher Berufsausbildung an Hochschulen und Fachhochschulen im Wintersemester 2011/2012 nach Geschlecht, Region und Art der Hochschulreife (in %)