C4.1 Frühzeitig und praxisnah: Trends bei der Berufsorientierung
Trotz einer Entspannung der Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt, regional sogar eines Überangebots an Ausbildungsplätzen, wird ein direkter Übergang von der Schule in die duale Ausbildung auch zukünftig nicht allen ausbildungsinteressierten Jugendlichen gelingen. Der Bedarf der Wirtschaft an bestimmten Qualifikationen deckt sich nicht automatisch mit den Interessen und Fähigkeiten der ausbildungsinteressierten Jugendlichen (Stichwort: mangelnde Ausbildungsreife). Deswegen setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass eine frühzeitige Berufsorientierung und Förderung berufsübergreifender Schlüsselkompetenzen für gelungene Übergänge von der Schule in den Beruf unerlässlich sind. Große Erfolgserwartungen werden in dieser Hinsicht laut BIBB-Expertenmonitor in die Kombination von Potenzialanalyse und individueller Übergangsbegleitung sowie die Steigerung betrieblicher Praxis in der Übergangsphase gesetzt (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung 2011). Diesen Grundgedanken folgend setzt auch die BMBF-Bildungsketteninitiative auf Prävention, Kontinuität, sowie Kompetenz- und Handlungsorientierung. 2 zentrale Säulen der Bildungsketteninitiative sind das BMBFBerufsorientierungsprogramm BOP und das Sonderprogramm Berufseinstiegsbegleitung (BerEb-BK). Beide BMBF-Programme starten in der Regel bereits in Klasse 7 mit einer Potenzialanalyse.
Das Berufsorientierungsprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
Mit der Verstetigung des vom BIBB umgesetzten Programms zur „Förderung von Berufsorientierung in überbetrieblichen und vergleichbaren Berufsbildungsstätten“ im Juni 2010 ist die Durchführung einer Potenzialanalyse obligatorischer Bestandteil des Berufsorientierungsprogramms geworden. Fast 150.000 Schülerinnen und Schülern konnte bisher die Teilnahme an der Potenzialanalyse und den sich anschließenden Werkstatttagen zugesichert werden. Etwa 100.000 Schülerinnen und Schüler durchliefen das Programm in der Pilot- und Übergangsphase noch ohne Potenzialanalyse. Bisher wurden insgesamt über 100 Mio. € in das Programm investiert. Angesichts der weiterhin hohen Nachfrage wird das Fördervolumen auf 60 Mio. € Projektmittel pro Jahr aufgestockt.
Für die meisten Jugendlichen in der 7. Klasse spielt die Berufswahl noch keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle. Vielmehr ist ihre Lebensphase geprägt vom Beginn der Pubertät, von Abgrenzungstendenzen und Identitätsfragen (vgl. Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik 2010). Durch systematische Selbst- und Fremdeinschätzung unterstützt die Potenzialanalyse diese ersten Phasen der Selbstreflexion und fördert eine realistische Selbstwahrnehmung im Hinblick auf externe Anforderungen. Sie zeigt, welche verborgenen Talente in den Jugendlichen schlummern, und gibt Hinweise, wie Kompetenzen durch individuelle Förderung weiterentwickelt werden können.
Im Rahmen der Werkstatttage (in der Regel in der 8. Klasse) haben die Jugendlichen anschließend die Gelegenheit, für 80 Stunden in einer Berufsbildungsstätte unter Anleitung erfahrener Ausbilder / -innen praktische Erfahrungen in mindestens 3 Berufsfeldern bzw. 5 Berufsfeldern in der ab dem Jahr 2012 geltenden neuen Förderrichtlinie zu machen. Im praktischen Tun eröffnen sich gerade auch den Jugendlichen neue Chancen, die sich mit schulischen Leistungen schwerer tun. Besonders motivierend ist, wenn die Aufgaben in den Berufsfeldern produktund prozessorientiert angelegt sind. Das fördert das Selbstvertrauen der jungen Menschen und den Stolz auf die eigene Leistung.
Das Gesamtpaket einer Berufsorientierung wird mit einer Zertifizierung abgeschlossen, die Schülern und Schülerinnen als Entscheidungshilfe für die spätere Berufswahl dienen und Betriebe bei der Einstellung von Auszubildenden unterstützen soll.
Sonderprogramm Berufseinstiegsbegleitung
Durch das Sonderprogramm Berufseinstiegsbegleitung werden die bereits etablierten Instrumente Potenzialanalyse (siehe Berufsorientierungsprogramm) und Berufseinstiegsbegleitung verzahnt. Das Programm sieht bis Ende 2014 die Etablierung von rund 1.000 hauptamtlichen Berufseinstiegsbegleiterinnen und Berufseinstiegsbegleitern (BerEb) an bundesweit 1.070 Haupt- und Förderschulen vor. Sie betreuen über mehrere Jahre insgesamt bis zu 30.000 Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf. Die BerEb entwickeln individuelle Förderpläne und stimmen ihre Begleitung der Jugendlichen eng mit dem Schulpersonal, mit Eltern, Unternehmen, der BA und weiteren relevanten Akteuren ab. Zu den Aufgaben der Berufseinstiegsbegleitung gehören insbesondere die Unterstützung beim Erreichen des Schulabschlusses, bei der Persönlichkeitsentwicklung und der Erlangung der Ausbildungsreife, bei Berufsorientierung, Berufswahl und Ausbildungsplatzsuche. Die Begleitung im Übergang kann als Stabilisierung bis ins erste Ausbildungsjahr hineinreichen.
Umgesetzt wird das Sonderprogramm Berufseinstiegsbegleitung von der BA. Die Länder haben die 1.000 Haupt- und Förderschulen benannt, die sich an der Initiative Bildungsketten beteiligen. Seit 2011 nehmen jährlich rund 60.000 Schülerinnen und Schüler an Potenzialanalysen teil. Die ersten 500 starteten am 29. November 2010. Damit ergänzen sie die über 1.000 Berufseinstiegsbegleiter / -innen der BA, die seit 2009 bundesweit bereits ca. 20.000 junge Menschen betreuen. Zur Evaluation der Berufseinstiegsbegleitung nach § 421s SGB III für Leistungsschwächere vgl. Kapitel A7.2.
Bund-Länder-Begleitgruppe zur Initiative Bildungsketten
Zur Begleitung der Initiative Bildungsketten wurde ein Bund-Länder-Gremium ins Leben gerufen, welches Ergebnisse und aktuelle Entwicklungen diskutiert, unterschiedliche Ansätze abgleicht und gute Praxis und Konzepte transferiert. Neben 16 Ländervertretern aus den Kultusministerien sind das BMBF, die BA und Ländervertreter aus der Wirtschafsministerkonferenz (WMK) und der Arbeitsministerkonferenz (ASMK) in diesem Gremium vertreten.