Übergänge von der Schule in die Ausbildung sind ein zentrales bildungspolitisches Thema. In hohem Maße werden daran Leistungsfähigkeit und Erfolg der dualen Berufsausbildung in Deutschland bemessen. In der Berufsbildungsforschung geht es darum, Bedarfe und Wünsche junger Menschen, ihre Bildungswege und Ausbildungschancen zu erfassen und auf dieser Grundlage systemische Schwachstellen am Übergang Schule – Beruf aufzuzeigen und Verbesserungsvorschläge zu formulieren.
Die Schwerpunkte und Zielrichtungen der Diagnosen und Diskussionen zum Thema „Übergänge“ haben sich im Verlauf der vergangenen Jahre verändert: Lange Zeit standen gleichermaßen die Übergänge an der ersten Schwelle, Schule – Ausbildung, und an der zweiten Schwelle, Ausbildung – Beruf, im Fokus von Problemanalysen. Aufgrund des Fachkräftebedarfs und sinkender Arbeitslosenzahlen haben sich inzwischen die Einmündungschancen von der Ausbildung in die Berufstätigkeit verbessert. An der ersten Schwelle haben sich die Übergangsprozesse durch den Rückgang der Schulabgängerzahlen und den steigenden Bedarf an Fachkräftenachwuchs zwar ebenfalls verändert. Diese Entwicklungen führen jedoch interessanterweise nicht dazu, dass in der bildungspolitischen Diskussion für die erste Schwelle ebenfalls Entwarnung signalisiert würde. Vielmehr hat eine breite Diskussion über Reformen, Systematisierung und methodische Ausgestaltung des Übergangs Schule – Ausbildung eingesetzt, in der die Begriffe„Übergangssystem“ und „Übergangsmanagement“ für 2 unterschiedliche konzeptionelle Vorstellungen und Argumentationsstränge stehen. Der eine zielt auf spezielle Systemelemente für nicht ausbildungsreife respektive leistungsschwächere Jugendliche, der andere auf ein Regelangebot für alle Jugendlichen im Übergang.
Anlass der Debatten sind die vielfältig differenzierten und ausgebauten Übergangsmaßnahmen, die der Entlastung des Ausbildungsstellenmarkts dienen und die für die vielen Jugendlichen, die ohne Ausbildungsplatz geblieben sind, ausbildungsähnliche und in Ausbildung führende Alternativen bieten sollten. Mit der Vielzahl der Maßnahmen wuchs die Kritik an ihnen, und sie hält weiter an. Im Mittelpunkt steht insbesondere die mangelnde Effizienz all jener Maßnahmen, die nicht in eine reguläre Ausbildung, sondern lediglich in weitere schulische oder außerbetriebliche Ausbildung führen, in sogenannte Warteschleifen, sowie die Unübersichtlichkeit der Angebote im Übergangsbereich. Bessere Übersichtlichkeit – oder gar die Ordnung der Maßnahmen als „Übergangssystem“ – ist die Forderung in dem einen Argumentationsstrang der bildungspolitischen Diskussion, bessere Passgenauigkeit von Maßnahmen – oder gar die nachhaltige Etablierung eines Übergangsmanagements auch zur Prävention von Benachteiligung – ist die Forderung in dem anderen Argumentationsstrang.
In den vergangenen Jahren ist der Zeitraum, der in den Blick genommen wird, zu einem Übergangsbereich im weiteren Sinne ausgedehnt worden, indem Berufsorientierungsmaßnahmen mit einbezogen wurden. Sie gelten als ein Schlüssel zur Reduzierung der Zahl der Jugendlichen im Übergangssektor, weil sie Berufswahlkompetenzen verbessern und damit den direkten Übergang von der Schule in die Ausbildung unterstützen. Der Übergangsbereich im engeren Sinne , der neuerdings im Rahmen der integrierten Ausbildungsberichterstattung betrachtet wird, bezieht demgegenüber zeitlich begrenzte Berufsorientierungsmaßnahmen und vollzeitschulische Maßnahmen ohne starke berufspraktische Komponente, die ergänzend zum Schulunterricht in allgemeinbildenden Schulen stattfinden, nicht mit ein. Vielmehr werden hier in den Sektor „Integration in Berufsausbildung“ nur Maßnahmen und Bildungsgänge einbezogen, die der Vorbereitung oder Hinführung auf eine Berufsausbildung dienen. Diese Daten geben Hinweise darauf, welche Anforderungen sich aus den Bildungspräferenzen und Voraussetzungen der Teilnehmenden im Integrationssektor ableiten und welche Konzepte hier als Teil eines regulären Angebots „Übergangsmanagement“ verankert werden oder bleiben sollten.
E Übergänge von der Schule in die Ausbildung: Terminologie
Übergangsbereich im engeren Sinne
Dieser Bereich umfasst Maßnahmen und Bildungsgänge, die der Vorbereitung oder Hinführung auf eine Berufsausbildung dienen und die sich an Jugendliche wenden, die nicht unmittelbar in eine Ausbildung im dualen Berufsbildungssystem einmünden. Ausgenommen sind vollzeitschulische Maßnahmen ohne starke berufspraktische Komponenten (entspricht dem Sektor „Integration in Berufsausbildung“/„Übergangssektor“ in der integrierten Ausbildungsberichterstattung).
Übergangsbereich im weiteren Sinne
Zum Übergangsbereich im weiteren Sinne werden zusätzlich vollzeitschulische Maßnahmen ohne starke berufspraktische Komponenten und Berufsorientierungsmaßnahmen (z. B. Berufsorientierungsprogramm des BMBF, vertiefte Berufsorientierung, Berufseinstiegsbegleitung) gezählt.
Übergangssystem
Dieser Begriff ist umstritten, da es bisher kein konsistentes System des Übergangs gibt. Aktuell verfolgen jedoch eine Reihe von Initiativen in den Bundesländern das Ziel, ein solches Übergangssystem aufzubauen.
Übergangsmanagement
Aktive Gestaltung des Übergangsbereichs im engeren oder weiteren Sinne, in der Regel durch Akteurinnen und Akteure auf regionaler Ebene (= Regionales Übergangsmanagement).
Zum besseren Verständnis der Komplexität des Gegenstandes wird im Folgenden in Kapitel C1 die Reformdiskussion der letzten 5 Jahre im Bereich Übergang Schule – Ausbildung referiert. In Kapitel C2 werden Daten zur aktuellen Situation (insbesondere Teilnehmerzahlen) im Übergangsbereich im engeren Sinne dargestellt, so wie sie die integrierte Ausbildungsberichterstattung liefert. Eine vertiefte Betrachtung der Teilnehmendenzahlen in den letzten Jahren im Übergangsbereich aus Sicht der integrierten Ausbildungsberichterstattung findet sich in Kapitel A6. Darüber hinaus werden in Kapitel A7.1 aus Sicht der Benachteiligtenförderung auch vollzeitschulische Maßnahmen ohne starke berufspraktische Komponente mit betrachtet. In Kapitel C3 wird der Versuch einer Prognose für die Weiterentwicklung des Übergangsbereichs in den nächsten Jahren unternommen. Anschließend erfolgt eine Darstellung derzeitiger Programme und Ansätze zur Gestaltung des Übergangsbereichs sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne, die entweder vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) initiiert wurden oder an denen das BIBB beteiligt ist (vgl. Kapitel C4). Besonderer Wert wird dabei auf die in den letzten Jahren zunehmend in den Mittelpunkt rückenden Berufsorientierungsmaßnahmen gelegt. Zum Modellversuchsprogramm „Neue Wege in die duale Ausbildung – Heterogenität als Chance für die Fachkräftesicherung“ finden sich zudem weitere Ausführungen in Kapitel D2. Eine Darstellung der Initiativen in den Bundesländern, die neuerdings wieder in Richtung eines konsistenten Übergangssystems tendieren (vgl. Kapitel C5), sowie ein kurzes Fazit (vgl. Kapitel C6) beschließen die Darstellung.