C4.3 Prävention statt Reparatur: Anforderungen an das Personal im Übergangsbereich
Während die bisher beschriebenen Programme unmittelbar auf die jungen Menschen im Übergang abzielen, gibt es daneben eine Reihe von Maßnahmen und Förderprogrammen, die sich unmittelbar an das Personal im Übergangsbereich wenden.
BIBB-Forschungsprojekt „Anforderungen an die Professionalität des Bildungspersonals im Übergang von der Schule in die Arbeitswelt“
Im Übergangsbereich stellen sich nicht nur an spezielles Begleitpersonal neue Anforderungen; vielmehr gelten die Aufgaben „individuelle Bildungs- und Übergangsbegleitung“ und „Gestaltung eines strukturellen Übergangsmanagements“ für alle pädagogischen Fachkräfte. Ein BIBB-Forschungsprojekt zeigt, dass es „Anforderungen an die Professionalität des Bildungspersonals im Übergang von der Schule in die Arbeitswelt“322 gibt, die in Aus- und Weiterbildung des Bildungspersonals einen Platz haben müssen.
Die individuelle Bildungs- und Übergangsbegleitung beinhaltet eine kontinuierliche und verlässliche Begleitung des jungen Menschen von der Schule in den Beruf. Sie endet nicht an einzelnen Bildungsabschnitten, sondern verknüpft diese miteinander und stellt Anschlüsse her. Dieses setzt voraus, dass alle beteiligten Bildungsinstitutionen „Hand in Hand“ arbeiten. Damit stellt sich den beteiligten Bildungsinstitutionen und pädagogischen Fachkräften gemeinsam die Aufgabe, ein Konzept zu erarbeiten, das – von Kompetenzen, Stärken und Interessen des / der einzelnen Jugendlichen ausgehend – individuelle maßgeschneiderte Unterstützungsangebote entwickelt. Begleitung ist dann individuell an der Biografie des jungen Menschen orientiert und als Prozess zu verstehen, der system- und ressourcenorientiert angelegt ist und regional eingebettet sein muss. Ziel ist, gemeinsam mit der / dem Jugendlichen realisierbare Bildungs- und Ausbildungsperspektiven zu entwickeln.
Die Gestaltung eines strukturellen Übergangsmanagements bezieht sich auf die Vernetzung und die Kooperation aller am regionalen Übergangsgeschehen beteiligten Akteure. Hier sind Konzepte gefordert, die den Nutzen einer Zusammenarbeit für alle Beteiligten nachvollziehbar machen. Dies darf nicht außer Acht lassen, dass die Zusammenarbeit auch davon geprägt wird, dass jede Institution auf einer eigenen Handlungslogik aufbaut, jeweils unterschiedliche gesetzliche Grundlagen (bspw. Sozialgesetzbücher II, III, VIII, XII; Schulgesetze) bestehen und jede Profession andere Zugänge zum Handlungsfeld und zur Zielgruppe mitbringt – abgesehen davon, dass jede Institution einen jeweils spezifischen Auftrag erfüllen muss. Markant für die neue, veränderte Form der Zusammenarbeit ist, dass aufgrund der enormen Komplexität des Übergangsgeschehens keine Institution mehr alleine ihre spezifische Aufgabe erfüllen kann – zur Bewältigung der Probleme werden Handlungsstrategien notwendig, die die eigene Zuständigkeit überschreiten (vgl. Bylinski 2008). In einem vernetzten System von Erziehung, Bildung und Betreuung in kommunalen Bildungslandschaften wird etwa auch die Jugendhilfe zu einem wichtigen Glied in der Förderkette und zu einem bedeutenden Akteur im Rahmen einer Bildungsbegleitung.
Die Fähigkeit zur Netzwerkbildung und Kooperation der am Übergangsgeschehen beteiligten Bildungsinstitutionen und pädagogischen Fachkräfte werden zum neuen Segment von Professionalität am Übergang Schule – Beruf. Professionalisierung schließt formale Qualifikationen, (Berufs-)Erfahrungen und informell erworbene Kompetenzen ein. Dieses (berufs-) biografische Potenzial aufzugreifen und für „pädagogisches Übergangshandeln“ nutzbar zu machen, muss Aufgabe von Fort- und Weiterbildung sein.
Good Practice Center – Förderung von Benachteiligten in der beruflichen Bildung
Im Kontext einer effizienteren und bedarfsgerechteren Gestaltung des Übergangsbereichs hat die Förderung Benachteiligter große Bedeutung. Bereitserprobte und erfolgreiche Ansätze und Praxiserfahrungen sind gerade hier für die Akteure hilfreich. Das Good Practice Center (GPC) stellt für all diejenigen ein Erfahrungs- und Wissensforum zur Verfügung, die in der beruflichen Förderung von jungen Menschen im Übergang von der Schule in die Arbeitswelt engagiert sind. Die Angebote richten sich an Fachkräfte aus Berufsschulen, Betrieben und von Bildungsträgern sowie an Verantwortliche aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Ihnen bietet das GPC aktuelle Informationen aus Wissenschaft, Praxis und Politik, dabei bildet die praxisorientierte Aufbereitung und Verbreitung von Erfahrungen und Erkenntnissen (Good Practice) den Mittelpunkt der Arbeit.
Für die Handlungsfelder Berufsorientierung, Schulsozialarbeit, Berufsvorbereitung, Ausbildung, Übergänge und Nachqualifizierung gestaltet und betreut das GPC inhaltlich und technisch 2 thematisch mit- einander verbundene Internetangebote. Konzeptionell neu aufgestellt wurde der Bereich der „guten Praxis“. Qualitätskriterien lassen alle Interessierten nachvollziehen, was „gute Praxis“ eigentlich ausmacht, und neue, ausführliche Erfahrungsberichte schildern anschaulich, wie „gute Praxis“ im Alltag aussieht.
Das Portal Benachteiligtenförderung online ist das zentrale Medium für die Aufbereitung und den Transfer guter Praxis in der Benachteiligtenförderung. Es bietet aufbereitetes Fachwissen, Grundlageninformationen, Datenbanken mit Good-Practice- Lösungen, Materialien und Qualifizierungsbausteinen und weist auf aktuelle Veranstaltungen hin. Regelmäßig informieren Berichte über neue Entwicklungen und gute Projekte mit übertragbaren Ansätzen. Das Portal Länder aktiv ist die Plattform für die Aktivitäten der Bundesländer im Übergang Schule – Beruf und dokumentiert die vielfältigen Förderprogramme und -projekte aller 16 Bundesländer.
Monatlich verschickt das GPC aktuelle Informationen aus der Benachteiligtenförderung, der Forschung, dem BIBB und dem GPC an interessierte Fachleute. 2011 bezogen knapp 7.000 Abonnentinnen und Abonnenten den Newsletter.
Ausbildungswege begleiten, Ausbildungsabbrüche verhindern (Jobstarter-Programm)
Im Rahmen der Bildungsketten-Initiative (vgl. Kapitel C4.1) wird das Prinzip der individuell zugeschnittenen Begleitung und Unterstützung auch auf den Bereich der Ausbildung übertragen. Dabei steht die Prävention von Ausbildungsabbrüchen im Mittelpunkt.
In Deutschland wird etwa jeder fünfte Ausbildungsvertrag vorzeitig gelöst (2010: 23,0 %, vgl. Kapitel A4.7), oft schon im ersten Lehrjahr. Daher haben der Senior Experten Service (SES)323 – eine gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Bonn – zusammen mit den Spitzenverbänden der deutschen Industrie, des Handwerks und der freien Berufe Ende 2008 die Initiative VerA aufgelegt. Förderer ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung über sein vom BIBB administriertes JOBSTARTER-Programm.
VerA ist ein Angebot an Jugendliche, die in der Ausbildung auf Schwierigkeiten stoßen und mit dem Gedanken spielen, ihre Lehre abzubrechen. Auf Wunsch stellt der SES diesen Jugendlichen berufsund lebenserfahrene Senior-Expertinnen und -Experten zur Seite – Vertrauenspersonen, die ihnen Stärke und Orientierung vermitteln und individuell helfen: Sie beantworten fachliche Fragen, begleiten Übungen für die Berufspraxis, unterstützen die Vorbereitung auf Prüfungen, kümmern sich um den Ausgleich sprachlicher Defizite, fördern die soziale Kompetenz und Lernmotivation und stärken das Vertrauensverhältnis zwischen Auszubildendem und Ausbildenden.
SES-Ausbildungsbegleiter sind ehrenamtlich tätig. Eine VerA-Begleitung ist für den/die Auszubildende/-n und den Ausbildungsbetrieb kostenlos. Sie läuft zunächst über maximal 12 Monate, kann aber bis zum Abschluss der Lehre verlängert werden.
Der SES hat mit den Kammern ein Netz von mittlerweile 1.160 geschulten Senior-Expertinnen und -Experten aufgebaut und nimmt Anfragen nach Ausbildungsbegleitern von Auszubildenden selbst, den Beratern bei den Kammern, den Ausbildungsbetrieben und den Berufsschulen entgegen. Die Expertinnen und Experten werden auf ihre Aufgabe vorbereitet und bringen das Fachwissen aus Industrie, Handwerk und vielen technischen, kaufmännischen und sozialen Berufen mit. Die Zahl der Anfragen steigt stetig an; derzeit sind gibt es 1.500 Anfragen nach Begleitungen, und es werden 900 aktive Begleitungen von Senior-Expertinnen und -Experten durchgeführt.