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DATENREPORT ZUM BERUFSBILDUNGSBERICHT 2012

A2.2 Vorausschätzung der Ausbildungsmarktverhältnisse im Jahr 2012

Ausbildungsplatzangebot

Die Entwicklung des Ausbildungsplatzangebots ist von zahlreichen Determinanten abhängig, die sich teilweise gegenseitig beeinflussen und deren Veränderungen zum Teil nur schwer vorherzusagen sind. Dazu zählen unter anderem die gesamtwirtschaftliche Entwicklung (z. B. Veränderungen des Bruttoinlandsproduktes, des Auftragseingangs der Unternehmen) und die Entwicklung des Arbeitsmarktes (z. B. der Zahl der Erwerbstätigen und der Arbeitslosen).

Zur Abschätzung des Ausbildungsplatzangebots hat das BIBB deshalb den Aufbau eines „Ökonometrischen Prognose- und Simulationsmodells des Ausbildungssystems“ (PROSIMA) initiiert. Dabei handelt es sich um ein komplexes, zeitreihengestütztes Simulationsmodell, das vielfältige Einflussgrößen auf die Entwicklung des Ausbildungsplatzangebots berücksichtigt. Eine umfassende Beschreibung des Modells findet sich im BIBB-Datenreport 2010, Kapitel A2 und bei Lösch / Kau (2005).

Als ein bekannter und besonders relevanter Richtwert für die Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung dient die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsproduktes. Allerdings ist die Vorhersage dieser Größe mit größeren Herausforderungen verbunden. Dies gilt insbesondere für PROSIMA: „Können Regierung, internationale Organisationen sowie die Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognosen im Laufe des Jahres 2012 aufgrund der aktuell eingehenden Informationen nahezu stetig korrigieren, sind die Prognosen von PROSIMA, basierend auf den Informationen zu Beginn des Jahres, festgelegt. Daher sind die Vorhersagen für die zentralen Größen immer als Szenarioprognosen zu verstehen, die sich im Rahmen der prognostizierten konjunkturellen Entwicklung einstellen“ (Lösch / Maier 2012).

PROSIMA schätzt modellendogen die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsproduktes für das Jahr 2012 auf 2 % (Lösch / Maier 2012).38 Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2011, S. 11) geht in seinem Gutachten von einem Wachstum von ca. 0,9 % aus, auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nimmt in seiner Kurzfristprognose ein Wachstum von ca. 1 % an (Fuchs u. a. 2011). Versteht man diese Werte als weitgehend valide Richtgrößen, so würde das Wachstum in PROSIMA mit 2 % etwas überschätzt.

Allerdings besteht durch das Simulationsmodel PROSIMA auch die Möglichkeit, unterschiedliche Szenarien hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu berücksichtigen. Geht man nun von einem Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes von 1 % für 2012 aus, gelangt man zu einer Punktprognose des Ausbildungsplatzangebots von 606.245 Stellen. Demnach käme es gegenüber dem Vorjahr 2011 zu einer Steigerung des Ausbildungsplatzangebots um rund 6.400 Plätze Tabelle A2.2-1.39 

Bei einer Steigerung des realen Bruttoinlandsproduktes um 1 Prozentpunkt auf 2 % würde sich das Ausbildungsplatzangebot um weitere ca. 5.000 Plätze erhöhen. Nach den Simulationsergebnissen von PROSIMA ist ein Anstieg (Absinken) des wirtschaftlichen Wachstums um 1 Prozentpunkt somit gegenwärtig mit einer Angebotserhöhung (Verringerung) von ca. 5.000 Ausbildungsplatzstellen verbunden. Angesichts der Größe des Gesamtangebots an Ausbildungsplatzstellen sind die Auswirkungen wirtschaftlicher Änderungen für das kommende Jahr also als relativ gering und weniger bedeutsam als in früheren Zeiten einzuschätzen (vgl. dazu z. B. Werner 2005, S. 55 f.).40

Die Ursachen hierfür dürften zum einen „Deckeneffekte“ sein. Angesichts der zuletzt überdurchschnittlich positiven Wirtschaftskonjunktur stoßen weitere Angebotssteigerungen bei einem Teil der Unternehmen womöglich bereits auf Grenzen ihrer innerbetrieblichen Ausbildungskapazität; das Ausbildungsplatzangebot reagiert damit nicht mehr so elastisch auf eine weitere Verbesserung der Wirtschaftslage. Zum anderen dürfte auch das sinkende „Angebot“ an Jugendlichen (als potenzielle Ausbildungsplatznachfrager/- innen) eine Rolle spielen. Die Unternehmen reagieren darauf, dass die Möglichkeiten von Neueinstellungen begrenzter als in früheren Jahren sind, und passen ihr Ausbildungsplatzangebot dementsprechend an.

Die Folgen des sinkenden Nachfragepotenzials spiegeln sich allerdings auch in einem Anstieg der unbesetzten Ausbildungsplatzstellen wider. Nach PROSIMA wird sich deren Volumen im Jahr 2012 um ca. 5.000 Stellen auf 34.600 (2011: 29.700) erhöhen Tabelle A2.2-1.41 

Ausbildungsplatznachfrage

Die Vorausschätzung der Ausbildungsplatznachfrage bezieht sich wie beim Ausbildungsplatzangebot auf den Stichtag 30. September. Da zu den Ausbildungsplatznachfragern neben den erfolgreichen Jugendlichen mit neuem Ausbildungsvertrag nur jene Ausbildungsstellenbewerber / -innen zählen, die zu diesem Stichtag noch nach einer Ausbildungsstelle suchen, bleiben im Rahmen der Nachfrageprognose all jene erfolglosen Bewerber / -innen unberücksichtigt, die ihre Suche bereits aufgegeben bzw. auf das nächste Jahr verschoben haben. Ihre Zahl war in den vergangenen Jahren durchaus beträchtlich, zumal zum Bilanzierungszeitpunkt das neue Ausbildungsjahr bereits mehrere Wochen alt ist und die Wahrscheinlichkeit, im Zuge des Nachvermittlungsgeschäfts in eine vollqualifizierende Berufsausbildungsstelle zu gelangen, relativ gering ausfällt (vgl. Kapitel A1.1).

Da der Anteil der Bewerber / -innen, die ihre Suche vor dem 30. September einstellen, in Abhängigkeit von den Marktverhältnissen schwankt, ist es erforderlich, diese Größe bei der Vorausschätzung der offiziellen Ausbildungsplatznachfrage zumindest als ergebnisrelevante Hintergrundvariable in das Schätzmodell einzubeziehen. PROSIMA erreicht dies, indem es mit einer endogenen Variablen operiert, die sich als Nachfragepotenzial interpretieren lässt.

Im Allgemeinen wird das Nachfragepotenzial definiert als die Zahl der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich im Laufe einer Berichtsperiode (1. Oktober des Vorjahres bis zum 30. September) an einer Ausbildung im entsprechenden Jahr interessiert zeigen. Es stammt aus 3 unterschiedlichen Personenkreisen:

  1. aus dem Kreis der aktuellen Abgänger / -innen und Absolventen / Absolventinnen aus allgemeinbildenden Schulen,
  2. aus dem Kreis der aktuell Entlassenen aus den (teilqualifizierenden) beruflichen Schulen sowie
  3. aus dem Kreis der Jugendlichen aus früheren Schulentlassjahren, die aber ebenfalls noch eine Berufsausbildung beginnen möchten.

E Nachfragepotenzial

Zum Nachfragepotenzial werden alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen gerechnet, die sich zwischen dem 1. Oktober des Vorjahres und dem 30. September für eine duale Berufsausbildung interessierten. Im Unterschied zur Ausbildungsplatznachfrage zählen hierzu auch jene Personen, die ihr Ausbildungsinteresse noch vor dem 30. September wieder aufgeben oder auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.

Das Nachfragepotenzial wird in PROSIMA nun durch eine endogene Größe abgebildet, die neben den Schulabgängern und Schulabgängerinnen des entsprechenden Jahres Bewerber / -innen berücksichtigt, die sich im Laufe des Jahres an einer Ausbildungsstelle interessiert zeigten. Darin sind auch jene Bewerber / -innen enthalten, die nicht in eine Berufsausbildungsstelle einmünden und dennoch ihre Suche vor dem 30. September einstellen oder sich im Zuge ihrer Berufswahl freiwillig umorientieren.42

PROSIMA rechnet nun für 2012 mit einem deutlichen Rückgang des Nachfragepotenzials um rund 30.000 Personen. Zum einen ebben die Auswirkungen der Aussetzung der Wehrpflicht ab (die 2011 zu einer zusätzlichen Nachfrage geführt hatten), und zum anderen werden in 2012 erneut die Zahl der nicht studienberechtigten Schulabgänger / -innen und Schulabsolventen / -absolventinnen als auch die Zahl der Altbewerber / -innen zurückgehen vgl. Tabelle A2.3-1.

Dennoch prognostiziert PROSIMA den offiziellen Umfang der Ausbildungsplatznachfrage zum Stichtag 30. September 2012 auf einen Wert von 644.800. Dies wären lediglich 2.100 weniger als ein Jahr zuvor Tabelle A2.2-1. Demnach würde ein größerer Einbruch der Ausbildungsplatznachfrage in 2012 durch jene Bewerberkreise verhindert, die in früheren Jahren bzw. bei schlechterer Ausbildungsmarktlage ihre Ausbildungsplatzsuche vorzeitig abgebrochen hätten, nun aber – infolge der verbesserten Ausbildungschancen – ihre Suche erfolgreich beenden können. Damit gelangt PROSIMA auch zu einer verhalten optimistischen Vorausschätzung in Hinblick auf die weitere Entwicklung der Zahl der erfolglosen Ausbildungsplatznachfrager / -innen. Sie dürfte um 3.400 Personen auf insgesamt 73.300 Personen sinken. PROSIMA geht davon aus, dass sich darunter 10.300 unversorgte Bewerber / -innen (-1.300) und 63.000 noch suchende Bewerber / -innen mit Alternative (-2.200) befinden.

Tabelle A2.2-1: Einschätzung der Ausbildungsmarktentwicklung zum 30.09.2012 (Angaben in Tausend)
Tabelle A2.2-1 (barrierefrei)


Tabelle A2.2-1

Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge

Nach PROSIMA führen die unterstellte positive wirtschaftliche Entwicklung (Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes um 1 %), der mäßige Anstieg des Ausbildungsplatzangebots (+6.400) und der geringfügige Rückgang der Nachfrage im Jahr 2012 zu 571.600 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen und damit zu einem ähnlichen Ergebnis wie ein Jahr zuvor (2011: 570.140)43 Tabelle A2.2-2.

Angebots-Nachfrage-Relation

Vor dem Hintergrund der oben skizzierten Schätzergebnisse sollte sich die Ausbildungsmarktlage für die Jugendlichen im Jahr 2012 weiter verbessern. PROSIMA rechnet mit einer Steigerung der Angebots-Nachfrage-Relation auf ANR = 94,0 (+1,3 Prozentpunkte gegenüber 2011) nach der neuen, erweiterten Berechnungsformel bzw. auf ANR = 104,2 (+1,1 Prozentpunkte gegenüber 2011) nach der alten, traditionellen Berechnungsformel.

Wie die Zeitreihen in Tabelle A2.2-2 zeigen, dürften die Ausbildungschancen der Jugendlichen im Jahr 2012 somit so gut ausfallen wie noch nie seit Beginn des neuen Jahrhunderts. Zwar fiel im Jahr 2001 das Ausbildungsplatzangebot mit 638.800 noch deutlich höher aus, als dies für 2012 erwartet wird. Doch ermöglichen die demografische Entwicklung und die daraus resultierende sinkende Ausbildungsplatznachfrage eine wesentlich bessere Marktposition der ausbildungsinteressierten Jugendlichen.

Tabelle A2.2-2: Entwicklung der Ausbildungsmarktlage in Deutschland von 2001 bis 2012 (Ist-Werte bis 2011, Vorausschätzung für 2012)
Tabele A2.2-2 (barrierefrei)


Tabelle A2.2-2

Fußnoten

38 Die Standardabweichung beträgt 0,5 %. Mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % liegt das modellendogen prognostizierte Wachstum für 2012 somit zwischen 1 % und 3 %.

39 Unter Berücksichtigung des üblichen Schätzfehlers ist der tatsächliche Wert des Ausbildungsplatzangebots mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % im Bereich zwischen 587.000 und 625.000 zu vermuten. Damit liegt die Untergrenze des Vertrauensintervalls leicht unter dem im Jahr 2011 erreichten Wert von 599.702.

40 Werner (2005, S. 55) veranschlagte für den Zeitraum 1993 bis 2003 den Effekt eines einprozentigen BIP-Wachstums auf 14.300 zusätzliche Ausbildungsplatzangebote, kam aber zugleich auch zu dem Schluss, dass in diesem Zeitraum zusätzliche Ausbildungsplätze „erst ab einem Wachstum des BIP von etwa 2,1 % angeboten wurden“.

41 Bei einem Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes von 1 % liegt das Vertrauensintervall zwischen 20.000 und 44.000 unbesetzten Ausbildungsplatzstellen.

42 Da es auch zu freiwilligen Umorientierungen kommt, darf das Nachfragepotenzial nicht pauschal mit dem Versorgungsbedarf der Jugendlichen gleichgesetzt werden. Dieser ist niedriger, als er sich in der Potenzialgröße widerspiegelt.

43 PROSIMA geht dabei davon aus, dass Industrie und Handel ihre dominierende Marktstellung im Jahr 2012 noch weiter ausbauen dürften. Denn die doppelten Abiturientenjahrgänge, die 2012 in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg und Bremen die Schulen verlassen, fragen vor allem Ausbildungsplätze in den kaufmännischen bzw. sonstigen Dienstleistungsberufen nach.

Bibliografischer Hinweis

Internetversion des BIBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2012 - Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2012).

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