A1.4 Regionale Entwicklung der Berufsausbildung
Die Ausbildungschancen von Jugendlichen und die Möglichkeiten von Betrieben, angebotene Ausbildungsstellen zu besetzen, können regional erheblich variieren. Um solche regionalen Unterschiede abzubilden, wird im Folgenden die Entwicklung des Ausbildungsangebots und der Ausbildungsnachfrage auf der Ebene von Arbeitsagenturbezirken vergleichend dargestellt. Neben einigen der bereits verwendeten Indikatoren, wie die Anzahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge und unbesetzter Ausbildungsstellen, die Zahl der Schulabsolventen / Schulabsolventinnen aus allgemeinbildenden Schulen, der Umfang überwiegend öffentlich finanzierter Ausbildungsverhältnisse und die Angebots-Nachfrage-Relation vgl. Kapitel A1.1 bis A1.3, dient die betriebliche Angebots-Nachfrage-Relation in der erweiterten Fassung als weiterer Indikator zur Beschreibung der regionalen Ausbildungsstellenmärkte.
E Betriebliche Angebots-Nachfrage-Relation in der erweiterten Fassung
Anders als die allgemeine Angebots-Nachfrage-Relation bezieht sich die betriebliche Angebots-Nachfrage-Relation ausschließlich auf betriebliche Ausbildungsverhältnisse und lässt überwiegend öffentlich finanzierte Ausbildungsplätze unberücksichtigt. In der erweiterten Fassung berücksichtigt sie bei der Nachfrage zusätzlich auch Jugendliche, die zwar in eine Alternative zur gewünschten Ausbildung eingemündet sind, sich aber weiterhin an einem betrieblichen Ausbildungsplatz interessiert zeigen. Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die ausgewiesenen betrieblichen Angebots- Nachfrage-Relationen auf die erweiterte Nachfragedefinition.
Im Berichtsjahr 2011 entfielen bundesweit 88 betriebliche Ausbildungsstellenangebote auf 100 Nachfragende nach erweiterter Definition Tabelle A1.4-1. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die betriebliche Angebots-Nachfrage-Relation um 4,5 Prozentpunkte, blieb aber noch immer weit von einem ausgeglichenen Verhältnis entfernt. Regional variierte das Verhältnis zwischen dem betrieblichen Lehrstellenangebot und der Ausbildungsplatznachfrage beträchtlich, wenn auch weniger stark als 2010 Schaubild A1.4-1. Die niedrigste Angebots-Nachfrage-Relation in einem Arbeitsagenturbezirk lag bei 67,9 und die höchste bei 106,4.
Die Situation am Ausbildungsstellenmarkt war 2011 durch eine erhöhte Zahl an Schulabgängern geprägt, die durch doppelte Abiturjahrgänge in 2 bevölkerungsreichen Bundesländern verursacht wurde. Sowohl in Bayern als auch in Niedersachsen legten Schüler / -innen mit 13-jähriger und Schüler / -innen mit 12-jähriger Schulzeit (G8) gleichzeitig ihr Abitur ab und ließen die Ausbildungsplatznachfrage entsprechend steigen. Nach den Erfahrungswerten aus früheren BIBB-Schulabgängerbefragungen wird davon ausgegangen, dass 2011 etwa 22 % aller studienberechtigten Schulabsolventen / Schulabsolventinnen an der sofortigen Aufnahme einer dualen Berufsausbildung interessiert waren.34
Doppelte Abiturjahrgänge tragen nicht nur zu einer verschärften Konkurrenz um Ausbildungs- und Studienplätze bei, sondern führen auch zu leichten Verzerrungen einiger der nachfolgend verwendeten Indikatoren, die sich in Zeitreihen und bei interregionalen Vergleichen bemerkbar machen. Dies gilt insbesondere für jene Indikatoren, die sich unmittelbar auf die Absolventen / Absolventinnen allgemeinbildender Schulen beziehen.35 Um eine bessere Vergleichbarkeit über verschiedene Zeitpunkte und Regionen hinweg zu gewährleisten, sind für die bayerischen und niedersächsischen Arbeitsagenturbezirke neben den tatsächlichen Quoten zusätzlich statistisch bereinigte Werte ausgewiesen. Die bereinigten Quoten und Veränderungsraten basieren auf Schulabgängerzahlen, die um die Hälfte der studienberechtigten Schulabsolventen und -absolventinnen vermindert wurden. Für Hamburg, wo bereits 2010 ein doppelter Abiturjahrgang auftrat, ist die Veränderungsrate zum Vorjahr in bereinigter und unbereinigter Form angegeben Tabelle A1.4-2 Internet.
Der folgende Regionalvergleich stellt die wichtigsten Unterschiede zwischen Regionen mit überdurchschnittlicher und Regionen mit unterdurchschnittlicher erweiterter Angebots-Nachfrage-Relation dar. In die erste Gruppe fallen 55 Arbeitsagenturbezirke (31,3 %), in denen mindestens 91 betriebliche Ausbildungsstellenangebote auf 100 Nachfrager / -innen kamen. Zur letzten Gruppe zählen 59 Bezirke (33,5 %), die weniger als 85 Ausbildungsstellenangebote pro 100 Nachfrager / -innen aufwiesen. Die Abgrenzung der Vergleichsgruppen erfolgte durch die Bildung von 3 annähernd gleich großen Quantilen mit ganzzahligen Quantilsgrenzen.
Tabelle A1.4-1: Ausgewählte Indikatoren zur regionalen Ausbildungsmarktsituation 2011
Tabelle A1.4-1 (barrierefrei)
Schaubild A1.4-1: Betriebliche Ausbildungsstellenangebote je 100 Nachfragende nach erweiterter Definition in den Arbeitsagenturbezirken 2011
Schaubild A1.4-1 (barrierefrei)
Regionen mit überdurchschnittlicher Angebots-Nachfrage-Relation
Ausbildungsstellenmarkt
In den Regionen mit überdurchschnittlicher Angebots- Nachfrage-Relation nach erweiterter Definition entfielen 95,7 betriebliche Ausbildungsplätze auf 100 Ausbildungsplatznachfrager / -innen, womit hier annähernd ausgeglichene Ausbildungsstellenmärkte existierten. Gegenüber dem Vorjahr verbesserte sich die Angebots-Nachfrage-Relation um 5,0 Prozentpunkte und überstieg 2011 den Bundesdurchschnitt um 7,7 Prozentpunkte. 10 Arbeitsagenturbezirke kamen auf Werte von über 100, wiesen also mehr Ausbildungsangebote als Nachfragende auf. Insgesamt reichte die Spanne von 91,3 bis zu 106,4.
Bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen zeigte sich eine positive Tendenz. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge nahm mit einem Plus von 3,0 % überdurchschnittlich stark zu.
Ausbildungsstellenangebot
Die Entspannung des Ausbildungsstellenmarktes ging vor allem auf einen deutlichen Zuwachs bei den betrieblichen Ausbildungsplätzen zurück, deren Anzahl gegenüber 2010 um 6,6 % zunahm. Während das betriebliche Ausbildungsangebot stieg, sank die Zahl der überwiegend öffentlich finanzierten Ausbildungsplätze um 20,6 %. Das Gesamtangebot an Ausbildungsplätzen vergrößerte sich um 5,5 %.
Die Zunahme des betrieblichen Ausbildungsangebotes wurde von einem massiven Anstieg bei den unbesetzten Ausbildungsstellen begleitet. Ihre Zahl erhöhte sich um 55,6 % und wuchs damit stärker als in den anderen Regionen. Insgesamt standen hier 85,2 unbesetzten Ausbildungsstellen 100 unversorgte Bewerber / -innen gegenüber.
Im Gegensatz zu den anderen Regionen verschlechterte sich das Verhältnis von betrieblichen Ausbildungsplätzen zu den Absolventen / Absolventinnen allgemeinbildender Schulen um 1,2 Prozentpunkte auf 68,4 %. Dieser Rückgang ist vor allem der hohen Anzahl der Arbeitsagenturbezirke mit doppelten Abiturjahrgängen zuzuschreiben. Insgesamt entfiel mehr als die Hälfte der Arbeitsagenturbezirke mit doppelten Abiturjahrgängen (25 von 47) auf Regionen mit deutlich überdurchschnittlicher Ausbildungs- Nachfrage-Relation. Bei Bereinigung der Schulabgängerzahlen um doppelte Abiturjahrgänge stellt sich das Verhältnis anders dar. Danach kamen in diesen Regionen 76,6 betriebliche Ausbildungsplätze auf 100 Schulabgänger / Schulabgängerinnen, was einer Steigerung um 6,9 Prozentpunkte gegenüber 2010 entspricht.
Ausbildungsnachfrage
Mit einem Wachstum von 1,1 % fiel die Steigerung der Ausbildungsnachfrage zwar größer aus als im Bundesdurchschnitt (+0,4 %), blieb aber klar hinter dem Angebotszuwachs bei betrieblichen und überwiegend öffentlich finanzierten Ausbildungsplätzen (+5,5 %) zurück. Der Anteil der Nachfrager / -innen nach erweiterter Definition pro 100 Abgänger / -innen aus allgemeinbildenden Schulen verringerte sich um 5,3 Prozentpunkte auf einen Wert von 71,4 %. Auch bei dieser Entwicklung spielten die doppelten Abiturjahrgänge eine wesentliche Rolle. Bei Verwendung der bereinigten Schulabgängerzahlen ergibt sich ein Anteilswert von 80 %, was einer Steigerung um 3,2 Prozentpunkte entspricht. Erheblich verringert hat sich der Bestand an unversorgten Bewerbern. Ihre Zahl sank um 15,8 % und ging damit stärker als in den Regionen mit durchschnittlicher und unterdurchschnittlicher Angebots- Nachfrage-Relation zurück.
Regionen mit unterdurchschnittlicher Angebots-Nachfrage-Relation
Ausbildungsstellenmarkt
In der Gruppe der Regionen mit unterdurchschnittlicher Angebots-Nachfrage-Relation nach erweiterter Definition entfielen auf 100 Nachfragende lediglich 80,2 betriebliche Ausbildungsplätze; dies waren 7,8 weniger als im Bundesdurchschnitt. Im Vergleich zum Vorjahr verbesserte sich die Relation zwar um 4,9 Prozentpunkte, mit einer Spanne von 84,7 bis 67,9 blieb die Situation für Ausbildungsinteressierte aber insgesamt ungünstig.
Negativ verlief auch die Entwicklung bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Entgegen dem Bundestrend war ihre Zahl leicht rückläufig und nahm im Vergleich zu 2010 um 0,3 % ab.
Ausbildungsangebot
Während die Zahl der betrieblichen Ausbildungsangebote um 4,5 % stieg, nahm das Angebot an überwiegend öffentlich finanzierten Ausbildungsplätzen um 26,6 % ab. Insgesamt standen in den betreffenden Regionen 7,8 % weniger zu besetzende Ausbildungsstellen zur Verfügung als noch 2010. Trotz des deutlichen Nachfrageüberhanges blieben knapp 7.000 Ausbildungsplätze unbesetzt, was einem Anstieg um 42,8 % entspricht. Insgesamt kamen 21,9 unbesetzte Ausbildungsstellen auf 100 unversorgte Bewerber / -innen.
Bezogen auf die Absolventen / Absolventinnen allgemeinbildender Schulen konnte sich das Angebot an betrieblichen Ausbildungsstellen leicht verbessern. Pro 100 Schulabgänger / -innen standen 60,7 betriebliche Ausbildungsplätze zur Verfügung, das waren 2,5 mehr als im Vorjahr. Ausgehend von den bereinigten Schulabgängerzahlen lag die Quote bei 63,1 %.
Ausbildungsnachfrage
Entgegen dem positiven Bundestrend (+ 0,4 %) ging die erweiterte Ausbildungsplatznachfrage um 1,8 % zurück. Ebenfalls rückläufig war die Zahl der Nachfrager / -innen pro 100 Absolventen / Absolventinnen allgemeinbildender Schulen, die um 1,5 Prozentpunkte abnahm und auf 75,7 sank. Ähnlich wie in den anderen Regionen wurde die Entwicklung stark von den doppelten Abiturjahrgängen beeinflusst. So ergibt sich hier nach Abzug der doppelten Abiturjahrgänge ein positives Quotenwachstum um 1,3 Prozentpunkte auf 78,6. Deutlich rückläufig war der Bestand der unversorgten Lehrstellenbewerber / -innen, der gegenüber 2010 um 9,2 % abnahm. In Relation zur Anzahl der Abgänger / -innen aus allgemeinbildenden Schulen blieb die Zahl der unversorgten Bewerber / -innen jedoch überdurchschnittlich hoch. Während im Bundesdurchschnitt auf 100 Schulabgänger / -innen 8,9 (9,5) unversorgte Bewerber / -innen kamen, waren es in den hier betrachteten Regionen 11,9 (12,3).36
(Tobias Hucker)