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DATENREPORT ZUM BERUFSBILDUNGSBERICHT 2013

A3.3.1 Bedeutung der Teilnahme an teilqualifizierenden Bildungsgängen und Maßnahmen am Übergang von der Schule zur Berufsausbildung

Die Bildungs- und Berufsverläufe von Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren sind Gegenstand der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten BIBB-Übergangsstudie 2011. Bei der Studie handelt es sich um eine Wiederholung der BIBB-Übergangsstudie aus dem Jahr 2006 (vgl. Beicht/Friedrich/Ulrich 2008). Seitdem haben sich die Rahmenbedingungen für die duale Berufsausbildung nach BBiG/HwO verändert. Hervorzuheben sind insbesondere demografische Veränderungen, die dazu geführt haben, dass sich das regionale Verhältnis von angebotenen Ausbildungsstellen zu Ausbildungsstellen nachfragenden Jugendlichen erhöht hat, und die Schaffung neuer institutioneller Unterstützungssysteme (z. B. Berufseinstiegsbegleitung). Ziel der zweiten Übergangsstudie ist es festzustellen, wie die Bildungs- und Berufswege der Jugendlichen aktuell verlaufen und wie sich ihre Übergangsprozesse in eine Berufsausbildung gestalten.56

Untersucht wurde unter anderem, welche Bedeutung teilqualifizierende Bildungsgänge und Maßnahmen am Übergang von der Schule zur Berufsausbildung derzeit haben.57 Diese Bildungsgänge sind sehr heterogen und unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich ihrer inhaltlichen Ausrichtung und ihrer Zielgruppen. Im letzten Jahrzehnt wurden die teilqualifizierenden Bildungsmöglichkeiten sehr stark ausgeweitet. Die Gründe hierfür lagen vor allem in dem mangelnden Ausbildungsplatzangebot sowie den gestiegenen Anforderungen in der beruflichen Ausbildung. Die Funktion der teilqualifizierenden Bildungsgänge und Maßnahmen besteht daher sowohl darin, Jugendliche zur Ausbildungsreife zu führen, als auch darin, ausbildungsreifen Jugendlichen, die ohne Ausbildungsplatz geblieben sind, eine Überbrückung zu bieten. Daneben haben teilqualifizierende Bildungsgänge, in denen Jugendliche nachträglich noch einen höherwertigen Schulabschluss erwerben können (z. B. höhere Handelsschule), bereits eine lange Tradition.

Mit dem starken Anwachsen der teilqualifizierenden Bildungsmöglichkeiten gerieten diese auch immer mehr in die Kritik. Es wurde diskutiert, ob sie ihre Funktionen tatsächlich erfüllen oder ob sie nicht vielmehr für die Jugendlichen lediglich Warteschleifen bedeuten. In jüngster Zeit sind aufgrund der demografischen Entwicklung und der verbesserten Situation auf dem Ausbildungsmarkt die Neuzugänge bei den teilqualifizierenden Bildungsgängen und Maßnahmen jedoch zurückgegangen (vgl. Kapitel A6). Vor diesem Hintergrund werden nachfolgend die wichtigsten Ergebnisse der auf Basis der BIBB-Übergangsstudie 2011 durchgeführten Analysen zur Bedeutung dieser Bildungsformen wiedergegeben. Zunächst wird beschrieben, in welchem Umfang Jugendliche derzeit an teilqualifizierenden Bildungsmöglichkeiten teilnehmen. Anschließend wird dargestellt, wie häufig hier ein Schulabschluss nachgeholt bzw. ein höherwertiger Schulabschluss erreicht wird, wie lange die Übergangsprozesse in Berufsausbildung nach Maßnahmenende dauern und von welchen Faktoren sie beeinflusst werden. Zudem werden die typischen Verläufe im Anschluss an die teilqualifizierenden Bildungsmöglichkeiten aufgezeigt. Das Kapitel endet mit einer kurzen Zusammenfassung und einem Fazit.

E BIBB-Übergangsstudie 2011

Bei der BIBB-Übergangsstudie 2011 handelt es sich um eine retrospektive Längsschnitterhebung, in der auf repräsentativer Basis die gesamte Bildungs- und Berufsbiografie von Personen der Geburtsjahrgänge 1987 bis 1992 mit Wohnsitz in Deutschland detailliert erfasst wurde (vgl. auch Eberhard u. a. 2013). In der BIBB-Übergangsstudie 2011 wurde das Erhebungsinstrumentarium der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2006 weitgehend übernommen und um aktuelle Fragestellungen ergänzt. Die Befragung wurde von Juli bis September 2011 mittels computergestützter Telefoninterviews durchgeführt. Während in der Vorgängerstudie die Stichprobengewinnung und Befragung über das Telefon- Festnetz erfolgten, war die Übergangsstudie 2011 als reine Mobilfunkerhebung angelegt. Dies war erforderlich, weil die Zielgruppe (18- bis 24-Jährige) inzwischen häufig nicht mehr über das Festnetz erreichbar ist. Im Rahmen der Interviews konnten von 5.333 Personen ausreichend vollständige Angaben erzielt werden. Die Erhebungsdaten wurden durch Gewichtung nach zentralen Merkmalen (u. a. Schulabschluss, Geschlecht, Geburtsjahr) auf Basis des Mikrozensus an die Strukturen der Grundgesamtheit angepasst.

Gesamtumfang der Teilnahme an Übergangsmaßnahmen

Die teilqualifizierenden Bildungsgänge und Maßnahmen, an denen Jugendliche in der Übergangsphase von der allgemeinbildenden Schule zur vollqualifizierenden Ausbildung teilnehmen, werden im Folgenden als „Übergangsmaßnahmen“ bezeichnet.58 Da sich diese Maßnahmen in der Regel an nicht studienberechtigte Jugendliche richten, wurden die Analysen auf Personen begrenzt, die die allgemeinbildende Schule mit maximal mittlerem Schulabschluss verlassen haben.

Insgesamt nehmen 29,3 % aller nicht studienberechtigten Jugendlichen nach Beendigung der allgemeinbildenden Schule an mindestens einer Übergangsmaßnahme teil. Ein Fünftel dieser Jugendlichen durchläuft 2 bzw. mehrere Maßnahmen nacheinander. Im Durchschnitt sind es 1,2 Maßnahmen pro Teilnehmenden.59 Wie aus Tabelle A3.3.1-1 hervorgeht, haben teilqualifizierende Bildungsgänge an Berufsfachschulen (BFS) die größte Bedeutung, 10,4 % aller Jugendlichen mit maximal mittlerem Schulabschluss besuchen diese. Die Teilnahme an einer Einstiegsqualifizierung (EQ) kommt dagegen mit 2,0 % relativ selten vor. Die durchschnittliche Gesamtverweildauer in Übergangsmaßnahmen beträgt 16 Monate pro Teilnehmenden.

Jugendliche mit maximal Hauptschulabschluss münden im Vergleich zu denjenigen mit mittlerem Schulabschluss erheblich öfter in eine Übergangsmaßnahme (43,7 % vs. 17,9 %). Sie nehmen dann auch fast doppelt so häufig an mehreren Maßnahmen nacheinander teil (23,4 % vs. 12,3 %). Liegt maximal ein Hauptschulabschluss vor, werden neben Bildungsgängen an Berufsfachschulen (14,1 %) auch relativ oft ein Berufsvorbereitungsjahr o. Ä. (11,0 %) oder berufsvorbereitende Maßnahmen (8,8 %) besucht. Die durchschnittliche Gesamtverweildauer in Übergangsmaßnahmen von Teilnehmenden mit maximal Hauptschulabschluss und solchen mit mittlerem Schulabschluss unterscheidet sich dennoch nur wenig (17 vs. 15 Monate). Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass Jugendliche mit mittlerem Schulabschluss häufiger an zweijährigen Bildungsgängen in Berufsfachschulen teilnehmen, während Jugendliche mit maximal Hauptschulabschluss größtenteils in Maßnahmen mit höchstens einjähriger Dauer anzutreffen sind.

Nach den aktuellen Ergebnissen ist der Teilnahmeumfang an Übergangsmaßnahmen gegenüber der BIBB-Übergangsstudie 2006 (vgl. Beicht 2009) insgesamt leicht rückläufig: Seinerzeit durchliefen noch 32 % aller nicht studienberechtigten Jugendlichen mindestens eine Übergangsmaßnahme, also rund 3 Prozentpunkte mehr (2011er-Studie: 29,3 %). Der Rückgang betrifft allerdings nur die Jugendlichen mit mittlerem Schulabschluss, von denen früher noch 23 % in eine Übergangsmaßnahme mündeten und damit 5 Prozentpunkte mehr als bei der BIBB-Übergangsstudie 2011 (17,9 %). Bei den Jugendlichen mit maximal Hauptschulabschluss ist hingegen noch eine leichte Zunahme zu verzeichnen; der Anteil lag bei ihnen vormals bei 42 % (2011er-Studie: 43,7 %). An der durchschnittlichen Gesamtverweildauer der Teilnehmenden hat sich kaum etwas verändert, sie betrug bei der Übergangsstudie 2006 knapp 17 Monate (2011er-Studie: 16 Monate). Ob die Veränderungen insgesamt der realen Entwicklung entsprechen oder zumindest teilweise auch dem Methodenwechsel bei der 2011er-Studie geschuldet sind, ist allerdings schwierig zu beurteilen (vgl. Eberhard u. a. 2013).

Tabelle A3.3.1-1: Gesamtumfang der Teilnahme an Übergangsmaßnahmen
Tabelle A3.3.1-1 (barrierefrei)


Tabelle A3.3.1-1

Nachholen eines Schulabschlusses

Jugendliche, die nach Verlassen der allgemeinbildenden Schule an einer Übergangsmaßnahme teilnehmen, besitzen häufig keinen Schulabschluss oder einen Haupt- bzw. Sonderschulabschluss, und ihre Noten auf dem Schulabgangszeugnis sind oft relativ schlecht. Das Nachholen des Hauptschulabschlusses bzw. der Erwerb eines höherwertigen Schulabschlusses gelten daher als Erfolgskriterium von Übergangsmaßnahmen (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008). Solche Möglichkeiten sind aber nicht immer vorgesehen (z. B. bei EQ oder betrieblichen Praktika). In den Maßnahmen der Berufsvorbereitung (BVJ/BvB) kann in der Regel maximal ein Hauptschulabschluss erworben werden. Die Bildungsgänge in Berufsfachschulen führen oftmals zum mittleren Schulabschluss oder sogar zur (Fach-) Hochschulreife. Entsprechend der unterschiedlichen Ausrichtung der Maßnahmenarten variieren die schulischen Qualifikationen der Teilnehmenden relativ stark. So bringen die Jugendlichen bei den Maßnahmen der Berufsvorbereitung (BVJ/BvB) deutlich schlechtere schulische Voraussetzungen mit als bei den Bildungsgängen an Berufsfachschulen (BFS).60

Von allen Jugendlichen, die ihre (erste) Übergangsmaßnahme bis zum regulären Ende durchlaufen, erzielen 30,3 % einen Schulabschluss, über den sie bei Verlassen der allgemeinbildenden Schule noch nicht verfügten. Von ihnen erwerben 18,9 % den Hauptschulabschluss, 55,3 % den mittleren Schulabschluss und 25,8 % die (Fach-)Hochschulreife. Am günstigsten schneiden die Bildungsgänge an Berufsfachschulen (BFS) ab: Deutlich über die Hälfte der Teilnehmenden erreicht dort einen höherwertigen Schulabschluss, und zwar meist die mittlere Reife, relativ oft aber auch die Hochschulzugangsberechtigung Schaubild A3.3.1-1. In den Maßnahmen der Berufsvorbereitung (BVJ/BvB) gelingt es dagegen weniger als der Hälfte der Teilnehmenden, die bei Schulende keinen Hauptschulabschluss hatten, diesen nachzuholen. Nach Beendigung der (ersten) Übergangsmaßnahme ist der Personenkreis der Teilnehmenden in Bezug auf die erreichten Schulabschlüsse somit noch weit heterogener als vorher.

Schaubild A3.3.1-1: Erwerb eines höherwertigen Schulabschlusses durch abgeschlossene Übergangsmaßnahmen (Anteil der Personen in %)

Schaubild A3.3.1-1

Übergang in vollqualifizierende Ausbildung

Ziel der Übergangsmaßnahmen ist, den Teilnehmenden anschließend zu einem raschen Übergang in vollqualifizierende Ausbildung zu verhelfen. Die Dauer bis zum Beginn einer Berufsausbildung gilt daher als zentraler Indikator für die Effizienz von Übergangsmaßnahmen (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008). Um hierüber Aufschluss zu erhalten, wurden Schätzungen der Einmündungswahrscheinlichkeit und -dauer nach der Kaplan-Meier-Methode durchgeführt. Beobachtet wurde dabei ein Zeitraum von 38 Monaten nach regulärer oder vorzeitiger Beendigung der (ersten) Übergangsmaßnahme.61 Als Berufsausbildung wurden dabei alle vollqualifizierenden Ausbildungsarten, d. h. die duale Berufsausbildung in betrieblicher, außerbetrieblicher und schulischer Form, die Ausbildung in Schulberufen und in einer Beamtenlaufbahn sowie das (Fach-)Hochschulstudium, berücksichtigt.

Insgesamt münden 42 % aller Teilnehmenden einer (ersten) Übergangsmaßnahme innerhalb von 6 Monaten nach Beendigung62 in eine Ausbildung ein. Nach 14 Monaten, also nach gut einem Jahr, hat mehr als die Hälfte (54 %) der betreffenden Jugendlichen eine Ausbildung aufgenommen, und nach 38 Monaten, d. h. nach gut 3 Jahren, sind es 70 %. Wie Schaubild A3.3.1-2 verdeutlicht, unterscheiden sich die Übergangsverläufe allerdings sehr stark danach, mit welchem Schulabschluss die Jugendlichen die Übergangsmaßnahme beendet haben.63 Für Teilnehmende, die ohne einen Hauptschulabschluss geblieben sind, ist die Wahrscheinlichkeit einer Einmündung in Ausbildung über den gesamten Beobachtungszeitraum mit Abstand geringer als für jene, die einen Hauptschulabschluss erworben haben oder diesen bereits vor der Übergangsmaßnahme besaßen. Den günstigsten Verlauf weisen die Jugendlichen auf, die in der Übergangsmaßnahme die (Fach-)Hochschulreife erreicht haben, sie münden größtenteils sehr rasch in eine Ausbildung bzw. ein Studium ein. Zumindest längerfristig gesehen nimmt aber auch ein fast ebenso hoher Anteil der Teilnehmenden mit mittlerem Schulabschluss eine Ausbildung auf. Im Vergleich dazu ist der Verlauf für die Jugendlichen, die die Übergangsmaßnahme mit Hauptschulabschluss verlassen haben, wesentlich ungünstiger.

Die Ergebnisse der Kaplan-Meier-Schätzungen haben verdeutlicht, dass der Schulabschluss, der bei Maßnahmenende vorliegt, eine zentrale Rolle für die Übergangschancen in Ausbildung spielt. Dies gilt auch dann, wenn gleichzeitig weitere wichtige Einflussgrößen berücksichtigt werden, wie sich anhand von Cox-Regressionsmodellen64 zeigen lässt. Einbezogen wurden dabei – neben dem Schulabschluss – weitere Merkmale der Jugendlichen (Geschlecht, Alter, Migrationshintergrund, Bildung der Eltern, beruflicher Status des Vaters), Merkmale der Maßnahmenteilnahme (Maßnahmenart, Form der Beendigung) sowie institutionelle Rahmenbedingungen (Wohnregion, Situation auf dem regionalen Ausbildungsstellenmarkt). Untersucht wurden in getrennten Analysen die Einmündungswahrscheinlichkeiten zum einen in betriebliche Ausbildung und zum anderen in vollqualifizierende Ausbildung insgesamt (duale Berufsausbildung in betrieblicher, außerbetrieblicher, schulischer Form, Ausbildung in Schulberufen und in einer Beamtenlaufbahn sowie (Fach-)Hochschulstudium).

Hierbei zeigt sich, dass sich ein möglichst hoher Schulabschluss vor allem bei einer angestrebten Einmündung in eine betriebliche Berufsausbildung sehr positiv auswirkt. Werden alle vollqualifizierenden Ausbildungsformen betrachtet, so schwächt sich dieser Einfluss ab. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich die außerbetriebliche duale Ausbildung vor allem an leistungsschwächere Jugendliche richtet und sich hier somit ein niedrigerer Schulabschluss als förderlich erweist (vgl. Eberhard 2012).

Darüber hinaus lassen sich vor allem folgende weitere Einflüsse auf die Einmündungschancen in Ausbildung nach einer erfolgten Übergangsmaßnahme feststellen:

  • Beim angestrebten Übergang in betriebliche Berufsausbildung wirkt sich insbesondere noch die Lage auf dem regionalen Ausbildungsmarkt aus: Steigt das betriebliche Ausbildungsstellenangebot im Verhältnis zu den ausbildungsinteressierten Jugendlichen, so begünstigt dies einen schnellen Ausbildungsbeginn. Für junge Frauen sind nach einer Übergangsmaßnahme die Aussichten auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz deutlich geringer als für junge Männer.
  • Die Übergangschancen in alle vollqualifizierenden Ausbildungsformen werden positiv beeinflusst, wenn Jugendliche die Übergangsmaßnahme regulär abgeschlossen haben,65 auch wenn sie dabei keinen (höherwertigen) Schulabschluss erreichten. Zurückgeführt werden kann dies vor allem auf die institutionelle Verknüpfung von außerbetrieblicher Ausbildung und Übergangssystem (vgl. Eberhard 2012). Das heißt, um einen außerbetrieblichen Ausbildungsplatz zu erhalten, wird sehr häufig das vorherige Absolvieren einer berufsvorbereitenden Maßnahme vorausgesetzt. Die Chance auf eine rasche Einmündung in vollqualifizierende Ausbildung steigt zudem mit dem Bildungsstand der Eltern.

Schaubild A3.3.1-2: Übergang in vollqualifizierende Ausbildung nach einer (ersten) Übergangsmaßnahme (kumulierte Einmündungswahrscheinlichkeit in %)

Schaubild A3.3.1-2

Typische Verlaufsmuster nach einer Übergangsmaßnahme

Ein relativ großer Teil der Jugendlichen, die an einer Übergangsmaßnahme teilgenommen haben, mündet anschließend nicht rasch in eine Ausbildung ein. Daher sollen nun die weiteren Wege der Teilnehmenden anhand einer Sequenzmusteranalyse noch genauer betrachtet werden. Hierzu wurde für einen Zeitraum von 2 Jahren nach Beendigung der (ersten) Übergangsmaßnahme der Verbleib der Jugendlichen monatsgenau ermittelt, wobei 7 Statusarten unterschieden wurden Schaubild A3.3.1-3.66 Die bildungs- und berufsbiografischen Verläufe lassen sich so als Sequenzen, d. h. als zeitliche Abfolge verschiedener Zustände, darstellen. Unter Anwendung der Optimal-Matching-Technik mit anschließender Clusterung können dann unterschiedliche Typen von Verlaufsmustern identifiziert werden.67

In der Analyse bildeten sich 4 biografische Verlaufstypen heraus. Um diese zu veranschaulichen, sind in Schaubild A3.3.1-3 die Sequenzmuster von je 20 zufällig ausgewählten Jugendlichen der einzelnen Verlaufstypen abgebildet worden. Bezogen auf diese Verlaufstypen werden in Tabelle A3.3.1-2 die (soziodemografischen) Merkmale der Jugendlichen dargestellt. Die typischen Verläufe und die Personengruppen, die einen solchen Werdegang aufweisen, lassen sich wie folgt beschreiben:

Typ 1: sehr schneller Übergang in betriebliche Berufsausbildung
Diese Jugendlichen sind bereits während der Übergangsmaßnahme bei der Suche nach einem betrieblichen Ausbildungsplatz erfolgreich gewesen. Sie können nach Beendigung der Maßnahme unmittelbar mit der Ausbildung beginnen und führen diese dauerhaft fort. Insgesamt zählt knapp ein Drittel (31,5 %) der Jugendlichen, die (erstmals) an einer Übergangsmaßnahme teilgenommen haben, zu diesem Verlaufstyp. Relativ oft haben diese Jugendlichen einen teilqualifizierenden Bildungsgang an einer Berufsfachschule besucht (41,4 %). Bei Maßnahmenende verfügen die Jugendlichen dieses Verlaufstyps häufig über einen mittleren Schulabschluss (47,6 %), relativ oft aber auch über einen höheren Schulabschluss (7,9 %). Nur selten sind hier Jugendliche anzutreffen, die keinen Hauptschulabschluss erreicht haben (2,6 %). Junge Frauen sind bei diesem Verlaufstyp unterproportional vertreten, was mit ihren deutlich schlechteren Einmündungschancen in betriebliche Ausbildung zusammenhängt.

Typ 2: rascher Übergang in nicht betriebliche Berufsausbildung
Hier wird nach der (ersten) Maßnahme in den meisten Fällen rasch eine nicht betriebliche Ausbildung (außerbetriebliche oder schulische duale Ausbildung, Schulberufsausbildung, Studium) aufgenommen und diese meistens auf Dauer besucht. Gut ein Fünftel (21,5 %) der Teilnehmenden an einer Übergangsmaßnahme weist einen solchen Verlauf auf. Relativ viele von ihnen haben an einem Berufsvorbereitungsjahr o. Ä. (BVJ) oder einer berufsvorbereitenden Maßnahme (BvB) teilgenommen (41,4 %). Jugendliche ohne Hauptschulabschluss haben mit 12,6 % einen verhältnismäßig hohen Anteil; sie sind nach der Übergangsmaßnahme in der Regel in eine außerbetriebliche duale Ausbildung eingemündet. Überdurchschnittlich häufig haben die Jugendlichen dieses Verlaufstyps ihren Wohnort in Ostdeutschland (34,2 %), was darauf zurückzuführen ist, dass dort die außerbetriebliche Ausbildung eine wesentlich größere Verbreitung als in Westdeutschland hat. Auch junge Frauen sind relativ stark repräsentiert, denn sie nehmen, sofern sie über einen mittleren Schulabschluss verfügen, häufig eine Ausbildung in Schulberufen auf.

Typ 3: nicht glückender oder (noch) nicht beabsichtigter Übergang in Berufsausbildung
Die betreffenden Jugendlichen münden in den ersten 2 Jahren nach der (ersten) Übergangmaßnahme nicht in eine vollqualifizierende Ausbildung ein. In den weitaus meisten Fällen nehmen sie an einer weiteren Übergangsmaßnahme teil, jobben oder sind zu Hause, und zwar entweder aus familiären bzw. privaten Gründen oder weil sie nach einer Ausbildungs- bzw. Arbeitsmöglichkeit suchen. In einigen wenigen Fällen handelt es sich um Jugendliche, die nach der Übergangsmaßnahme noch die Fachoberschule oder ein Fachgymnasium besuchen. Deutlich über ein Drittel (36,6 %) der Teilnehmenden an Übergangsmaßnahmen sind diesem größtenteils als problematisch einzuschätzenden Verlaufstyp zuzurechnen. Jugendliche ohne Hauptschulabschluss sind mit 16,5 % stark vertreten, 45,4 % haben einen Hauptschulabschluss. Einen deutlich überproportionalen Anteil nehmen junge Menschen mit Migrationshintergrund (38,8 %) ein. Relativ häufig stammen die Jugendlichen aus Familien, in denen die Eltern keinen Berufsabschluss besitzen (20,1 %) und der Vater eine niedrig qualifizierte Tätigkeit ausübt (33,6 %).

Typ 4: verzögerter oder nicht dauerhafter Übergang in betriebliche Berufsausbildung
Bei diesem Verlaufstyp beginnen die meisten Jugendlichen erst mit einer längeren Verzögerung eine betriebliche Berufsausbildung. Oft durchlaufen sie zunächst noch eine weitere Übergangsmaßnahme, oder sie jobben, zum Teil ist ihr zwischenzeitlicher Verbleib aber auch nicht bekannt. Zugeordnet sind hier auch Jugendliche, die in eine betriebliche Ausbildung eingemündet sind, diese aber relativ schnell wieder abgebrochen haben. Insgesamt entfällt ein Anteil von 10,4 % der Teilnehmenden an Übergangsmaßnahmen auf diesen Verlaufstyp. Was die Merkmalsverteilung der betreffenden Jugendlichen betrifft, ist eine große Ähnlichkeit mit dem ersten Verlaufstyp festzustellen, bei dem der Übergang in betriebliche Ausbildung erfolgreicher verläuft.

Schaubild A3.3.1-3: Biografische Verlaufstypen von Jugendlichen nach Beendigung einer (ersten) Maßnahme des Übergangssystems – zufällig ausgewählte Verlaufsmuster von je 20 Personen

Schaubild A3.3.1-3

Tabelle A3.3.1-2: Soziodemografische Merkmale der Jugendlichen der 4 biografischen Verlaufstypen (Anteil der Personen in %)

Tabelle A3.3.1-2

Zusammenfassung und Fazit

Übergangsmaßnahmen sind im deutschen Berufsbildungssystem trotz der sich verändernden Rahmenbedingungen noch immer von großer Bedeutung. 29 % aller in Deutschland lebenden nicht studienberechtigten Jugendlichen nehmen nach Verlassen der allgemeinbildenden Schule einen teilqualifizierenden Bildungsgang auf. Insgesamt 30 % aller Jugendlichen, die ihre Übergangsmaßnahme regulär beenden, erreichen einen höherwertigen Schulabschluss und verbessern hierdurch nachweislich ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz.

Insbesondere für die Einmündungschancen in eine betriebliche Ausbildung ist die Höhe des Schulabschlusses zentral. Eine Übergangsmaßnahme, die zu keinem (höherwertigen) Schulabschluss führt, dürfte daher die Aussichten auf eine betriebliche Ausbildungsstelle meist nicht wesentlich verbessern. Darüber hinaus hängt die Wirksamkeit von Übergangsmaßnahmen aber immer auch in hohem Maße von der jeweiligen Lage auf dem Ausbildungsmarkt ab: Fehlen regional betriebliche Ausbildungsstellen, haben selbst Jugendliche mit guten individuellen Zugangsvoraussetzungen relativ schlechte Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Werden die nicht betrieblichen Ausbildungsformen mitberücksichtigt, schwächt sich der starke Einfluss des Schulabschlusses auf die Übergangschancen etwas ab. Dies liegt vor allem an der außerbetrieblichen dualen Berufsausbildung, deren Zielgruppe leistungsschwächere Jugendliche sind.

Insgesamt 70 % der Teilnehmenden an einer (ersten) Übergangsmaßnahme münden innerhalb von 3 Jahren nach Beendigung in eine vollqualifizierende Ausbildung ein. Bei vielen dieser Jugendlichen dauern die Übergangsprozesse jedoch relativ lange, und immerhin 30 % gelingt die Aufnahme einer Ausbildung nicht. Werden die Wege der Jugendlichen nach der Übergangsmaßnahme genauer analysiert, so lassen sich 4 unterschiedliche Verlaufstypen feststellen. Demnach hat mindestens ein Drittel der Teilnehmenden anschließend einen als problematisch einzuschätzenden Werdegang. Sie besuchen häufig weitere Übergangsmaßnahmen, jobben, sind arbeitslos oder bleiben aus privaten Gründen zu Hause. Für sie besteht ein hohes Risiko, dauerhaft von Ausbildungslosigkeit betroffen zu sein und keine tragfähige Integration ins Erwerbsleben zu erreichen.

(Ursula Beicht, Verena Eberhard)

Fußnoten

56 Erste zentrale Ergebnisse sind veröffentlicht in Eberhard u. a. 2013.

57 Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse wurde veröffentlicht in Beicht/Eberhard 2013. Die hier vorliegende stark gekürzte Fassung wurde jedoch um wichtige Untersuchungsergebnisse, insbesondere eine Sequenzmusteranalyse, ergänzt.

58 Neben den Maßnahmen und Bildungsgängen, die in der integrierten Ausbildungsberichterstattung dem Sektor „Integration in Berufsausbildung“ (Übergangsbereich) zugeordnet sind, wurden hier auch Bildungsgänge an Berufsfachschulen berücksichtigt, die zur (Fach-)Hochschulreife führen. Zudem wurden alle Arten von betrieblichen Langzeitpraktika, die im Anschluss an die allgemeinbildende Schule durchgeführt wurden, einbezogen. Dies erfolgte aus Gründen der Vergleichbarkeit mit den entsprechenden Analysen der BIBB-Übergangsstudie 2006 (vgl. Beicht 2009).

59 Einbezogen wurden hier ausschließlich Befragungspersonen, die mindestens 20 Jahre alt waren, da die Übergangsprozesse nicht studienberechtigter Jugendlicher in diesem Alter in der Regel weitgehend abgeschlossen sein sollten.

60 Die Ergebnisse beziehen sich im Folgenden immer auf die erste Übergangsmaßnahme, an der Jugendliche teilgenommen haben. Einbezogen sind jeweils alle befragten Teilnehmenden, unabhängig von ihrem Alter. Aufgrund der begrenzten Fallzahlen ist eine Differenzierung nach Maßnahmenarten nur eingeschränkt möglich. Die Ergebnisse können daher nur gesondert nach den Bildungsgängen an Berufsfachschulen (BFS) und der Berufsvorbereitung (d. h. BVJ und BvB zusammengefasst) ausgewiesen werden.

61 Mithilfe dieser Methode konnten auch Fälle berücksichtigt werden, in denen die Zeitspanne von Maßnahmenende bis zum Erhebungszeitpunkt kürzer als 38 Monate war (rechtszensierte Fälle).

62 Einbezogen wurden dabei sowohl regulär beendete als auch abgebrochene Teilnahmen.

63 Zu beachten ist, dass die Fallzahlen bei den Personen ohne Hauptschulabschluss (n = 79) bzw. mit (Fach-)Hochschulreife (n = 49) relativ niedrig waren.

64 Der Vorteil von Cox-Regressionen ist, dass nicht nur betrachtet wird, ob in eine Ausbildung eingemündet wurde oder nicht, sondern auch die Zeitdauer bis zur Einmündung in die Analyse eingeht. Es wurde – wie bei den Kaplan-Meier- Schätzungen – eine Beobachtungsdauer von 38 Monaten zugrunde gelegt, auch hier konnten rechtszensierte Fälle einbezogen werden. Die Ergebnisse der Regressionsmodelle sind genau dokumentiert in Beicht/Eberhard (2013).

65 Insgesamt haben 18 % der Teilnehmenden die Maßnahme abgebrochen.

66 Bei dieser Analyse musste die Zeitspanne von Maßnahmenende bis zum Erhebungszeitpunkt mindestens 2 Jahre betragen haben. Die engere zeitliche Begrenzung auf 2 Jahre war notwendig, um eine ausreichend große Fallzahl zu erreichen, denn eine Berücksichtigung rechtszensierter Fälle war hier nicht möglich.

67 Zum Verfahren der Sequenzmusteranalyse vgl. Erzberger/Prein 1997. Zu den beim Optimal-Matching-Verfahren zugrunde gelegten Substitutionskosten, die hier analog angewandt wurden, vgl. Beicht/Friedrich/Ulrich 2008, S. 165 ff.

Bibliografischer Hinweis

Internetversion des BIBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2013 - Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2013).

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