A9.1.2 Die berufliche Situation bis zu 3 Jahre nach dem Abschluss
Nachfolgend wird die berufliche Einstiegsphase – hier die ersten 3 Jahre nach dem Ende der beruflichen Ausbildung – von Absolventen/Absolventinnen dualer Berufsausbildungen sowie schulischer Berufsausbildungen analysiert. Dabei steht der Vergleich von schulischen und dualen Berufsausbildungen im Vordergrund. Für den Bereich der dualen Berufsausbildung wird zusätzlich nach der Ausbildungsdauer differenziert.244 Aufgrund der nach wie vor unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse – die sich nicht zuletzt am Arbeitsmarkt widerspiegeln – sind sämtliche Darstellungen nach Ost und West differenziert, wobei Berlin komplett den neuen Bundesländern zugeschlagen wurde. Für die Auswertungen wurde die Stichprobe des Mikrozensus auf die hier interessierende Personengruppe der Absolventen/ Absolventinnen dualer und vollzeitschulischer Ausbildungen eingeschränkt .
E Mikrozensus
Der Mikrozensus ist eine amtliche Repräsentativstatistik des Statistischen Bundesamtes über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt. Jedes Jahr nehmen etwa 1 % aller Haushalte in Deutschland an der Befragung teil (laufende Haushaltsstichprobe). Insgesamt beteiligen sich rund 390.000 Haushalte mit 830.000 Personen an der Befragung. Im Gegensatz zu den meisten Befragungen besteht beim Mikrozensus eine gesetzliche Auskunftspflicht. Daher beantworten ca. 96 % der Befragten die Pflichtfragen im Mikrozensus. Diese Tatsache und die Zahl der befragten Personen machen ihn zur wichtigsten Repräsentativbefragung in Deutschland.
Untersuchungsgesamtheit im Mikrozensus
In die Untersuchung wurden Personen einbezogen, die zum Befragungszeitpunkt
- mindestens 15 und höchstens 35 Jahre alt waren,
- eine berufliche Ausbildung als höchsten beruflichen Abschluss angegeben haben und
- deren Abschluss nicht länger als 3 Jahre zurücklag.
Fälle mit fehlenden Angaben in benötigten Variablen wurden ausgeschlossen.
Zunächst werden anhand unterschiedlicher Kennzahlen das Ausmaß und die verschiedenen Qualitäten von Erwerbsarbeit gezeigt, mit denen die Absolventen/ Absolventinnen in den ersten 3 Jahren nach dem Abschluss konfrontiert sind Tabellen A9.1.2-1 bis A9.1.2-3. Anschließend wird erläutert, wie häufig eine weitere Ausbildung der vollen Erwerbstätigkeit vorgezogen wird Tabelle A9.1.2-4.
Prekäre Arbeitsmarktsituation für Absolventen/Absolventinnen in Ostdeutschland
Im Bereich der Erwerbsbeteiligung treten besonders gravierende Differenzen zwischen den Arbeitsmarktsituationen in Ost- und Westdeutschland zutage. So ist die Erwerbslosenquote im Osten Deutschlands unabhängig vom beruflichen Ausbildungsabschluss meist etwa doppelt so hoch wie im Westen Tabelle A9.1.2-1.
E Arbeitslosigkeit gegenüber Erwerbslosigkeit im Mikrozensus
Der Erwerbsstatus wird im Mikrozensus nach dem ILO-Konzept erfasst (Rengers 2004). Demnach gelten alle Personen, die in der Referenzwoche mindestens eine Stunde einer bezahlten Tätigkeit nachgehen, als Erwerbstätige. Diejenigen, auf die das nicht zutrifft und die zudem innerhalb von maximal 2 Wochen ab dem Befragungszeitpunkt bereit wären, eine Tätigkeit aufzunehmen, werden als erwerbslos eingestuft. Alle übrigen Personen werden zu den Nichterwerbspersonen gezählt.
Dieses Konzept ist nicht deckungsgleich mit dem Begriff und der Erfassung von Arbeitslosigkeit, für die eine Meldung bei der Bundesagentur für Arbeit ausschlaggebend ist.
Ein Vergleich von Ergebnissen, die auf diesen unterschiedlichen Konzepten der Erfassung von Ausgrenzung auf dem Arbeitsmarkt basieren, ist daher nur beschränkt möglich. Allenfalls Entwicklungsmuster (Trends) können mit Vorsicht verglichen werden.
Bei der Betrachtung der verschiedenen beruflichen Ausbildungsabschlüsse zeigen sich deutliche Unterschiede: So sind die Absolventen/Absolventinnen bis zu 30-monatiger245 dualer Berufsausbildungen in Ost- wie Westdeutschland überdurchschnittlich häufig erwerbslos. Eher selten erwerbslos sind demgegenüber Absolventen/Absolventinnen beruflicher Ausbildungen in Gesundheitsberufen. Sie markieren in Ostdeutschland mit 12,1 % und auch in Westdeutschland mit 6,1 % die untere Grenze. Nur Personen mit einer 42-monatigen dualen Ausbildung haben ein ähnlich geringeres Risiko, erwerbslos zu sein.
In regionaler Hinsicht zeigen sich ebenfalls deutliche Unterschiede: Die Anteile der Erwerbstätigen liegen in Westdeutschland fast ausnahmslos etwa 10 Prozentpunkte oder mehr über denen Ostdeutschlands. Einzig die zuvor bereits genannten dualen Ausbildungen mit einer Dauer von 42 Monaten unterscheiden sich regional nur geringfügig, die Erwerbstätigenanteile liegen nur etwa 4 Prozentpunkte auseinander.
Die Anteile der Nichterwerbspersonen differieren regional deutlich weniger als die zuvor genannten Kennzahlen. Absolventen/Absolventinnen vollzeitschulischer Ausbildungen in sozialen Berufen haben erkennbar höhere Anteile bei Nichterwerbspersonen. Sie heben sich dabei besonders deutlich von allen weiteren Gruppen ab. In Ostdeutschland ist der Anteil der Nichterwerbspersonen in dieser Gruppe mit 28,1 % nahezu dreimal so hoch wie in den sonstigen Gruppen. Dieser besonders hohe Wert stellt einen Ausreißer dar, dessen Erklärung vermutlich in Tabelle A9.1.2-4 zu suchen ist. Die gleiche Personengruppe hat eine stark überdurchschnittliche Neigung, eine berufliche Weiterqualifizierung zu beginnen. Daher ist die Annahme naheliegend, dass diese Ausbildungen parallel keine Erwerbstätigkeit zulassen und folglich der Anteil der Nichterwerbspersonen ansteigt.
Tabelle A9.1.2-1: Erwerbsbeteiligung von Absolventen/Absolventinnen beruflicher Ausbildungen bis zu 3 Jahre nach Ausbildungsende (in %)
Tabelle A9.1.2-1 (barrierefrei)
Hoher Anteil atypischer Beschäftigungsverhältnisse in Ostdeutschland
Das bloße Ausmaß der Erwerbstätigkeit gibt nur begrenzt Auskunft über die Arbeitsmarktsituation. Um weitere Einblicke zu erhalten, werden nachfolgend die Befristung von Arbeitsverträgen und die Anteile von Teilzeitbeschäftigung betrachtet.
Der Anteil der befristeten Beschäftigungsverhältnisse liegt im Osten kontinuierlich auf einem höheren Niveau als im Westen Deutschlands Tabelle A9.1.2-2. Die Differenz ist mit etwa 6 bis zu etwa 16 Prozentpunkten noch vergleichsweise moderat. Angesichts der Tatsache, dass das Niveau der Erwerbstätigkeit in Ostdeutschland aber insgesamt bereits niedriger ist als in Westdeutschland, gewinnt der höhere Anteil atypischer Beschäftigung zusätzlich an Gewicht. Hinzu kommen noch die etwas höheren Anteile an Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung in Ostdeutschland Tabelle A9.1.2-3. Im Schnitt ist in Ostdeutschland der Anteil der Vollzeitbeschäftigung etwas geringer als in Westdeutschland, wobei die Anteile für Teilzeit- und geringfügige Beschäftigung entsprechend höher ausfallen. Die Differenzen verweisen auf strukturelle Defizite, die den beruflichen Einstieg in Ostdeutschland erschweren.
In Bezug auf die unterschiedlichen beruflichen Ausbildungen zeigen sich sowohl in Hinblick auf die Befristung von Arbeitsverträgen Tabelle A9.1.2-2 als auch hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Beschäftigung Tabelle A9.1.2-3 nennenswerte Effekte. So wird deutlich, dass das Risiko, geringfügig beschäftigt zu sein, mit zunehmender Dauer der Ausbildung abnimmt: Personen mit einer 42-monatigen Ausbildung sind fast immer in Vollzeit berufstätig (West: 96,3 %, Ost: 95,7 %), während dieser Anteil bei bis zu 30-monatigen dualen Ausbildungen mit 77,3 % in Westdeutschland und 73,8 % in Ostdeutschland deutlich geringer ist. Im Anschluss an vollzeitschulische berufliche Ausbildungen sind mit etwa zwei Dritteln (West: 69,9 %, Ost: 66,8 %) der Absolventen/Absolventinnen besonders wenige vollzeiterwerbstätig.
Dieses Schema zeigt sich auch bezüglich befristeter Beschäftigungsverhältnisse. Absolventen/Absolventinnen vollzeitschulischer beruflicher Ausbildungen sind vergleichsweise häufig befristet beschäftigt (West: 37,3 %, Ost: 48,7 %). Den höchsten Anteil mit befristeter Beschäftigung haben Absolventen/ Absolventinnen vollzeitschulischer Ausbildungen in sozialen Berufen. Bei ihnen ist dieser Anteil im Vergleich mit den anderen Personengruppen teilweise nahezu doppelt so hoch (Ost: 65,9 %, West: 50,1 %). Zudem sind sie besonders selten vollzeiterwerbstätig Tabelle A9.1.2-3. Diese Tatsache kann viele Gründe haben, unter anderem den, dass der Frauenanteil in sozialen Berufen höher ist und Frauen häufiger freiwillig teilzeiterwerbstätig sind. Somit sollte die hohe Teilzeitquote in diesen Berufen nicht per se als Ausdruck prekärer Beschäftigungsverhältnisse angesehen werden. Gleiches gilt für den hohen Anteil befristeter Arbeitsverträge in dieser Personengruppe. Dieser kann zu einem erheblichen Teil durch die bei einigen Ausbildungen üblichen Anerkennungsjahre entstehen – beispielsweise bei Erzieherinnen und Erziehern.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass hinsichtlich der Qualität von Erwerbstätigkeit erstens sehr deutliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland zutage treten. In Ostdeutschland bestehen offenkundig nach wie vor strukturelle Defizite, die den beruflichen Einstieg in eine reguläre Erwerbstätigkeit erschweren. Zweitens begünstigen die hier betrachteten dualen und vollzeitschulischen Ausbildungswege in unterschiedlichem Maße den Übergang von der Ausbildung in eine Erwerbstätigkeit. Je länger die reguläre Ausbildungsdauer ist, desto günstiger verläuft bei dualen Ausbildungsberufen der Einmündungsprozess.
Tabelle A9.1.2-2: Absolventen/Absolventinnen beruflicher Ausbildungen nach Arbeitsvertrag und Region bis zu 3 Jahre nach Ausbildungsende (nur Erwerbstätige in %)
Tabelle A9.1.2-2 (barrierefrei)
An eine vollzeitschulische Ausbildung wird häufiger eine weitere berufliche Ausbildung angeschlossen
Relativ viele Absolventen/Absolventinnen einer Ausbildung entscheiden sich nach deren Ende nicht für den direkten Übergang in die Erwerbstätigkeit, sondern schließen eine weitere Ausbildung an. Die Motive dafür können vom Verbleib im Ausbildungssystem wegen eines schwierigen Arbeitsmarktumfeldes über Höherqualifizierungen bis hin zu Neuqualifizierungen reichen (vgl. Jacob 2004).
Tabelle A9.1.2-4 gibt einige Hinweise auf Art und Umfang dieser Mehrfachausbildungen.246 Zunächst ist deutlich zu erkennen, dass sich die Absolventen/ Absolventinnen dualer und vollzeitschulischer Ausbildungsgänge hinsichtlich ihrer Entscheidungen zu einer weiteren Ausbildung unterscheiden. Absolventen/ Absolventinnen vollzeitschulischer Ausbildungen insgesamt und hier vor allem der sozialen Berufe haben eine überdurchschnittliche Weiterqualifizierungsquote. Demgegenüber ist bei dualen Ausbildungen der Anteil der Weiterqualifikationen insgesamt geringer und stärker auf die berufliche Ausbildung konzentriert. So absolvieren von den Personen mit einer bis zu 30-monatigen Ausbildung mehr als 11 % in Westdeutschland und 6 % in Ostdeutschland eine weitere berufliche Ausbildung.247 Die Anteile für den Besuch einer Hochschule sind mit 1,5 % (West) bzw. 1,3 % (Ost) vergleichsweise gering. Bei den dualen Ausbildungen mit einer Dauer von 36 und 42 Monaten liegt der Anteil der weiteren beruflichen Ausbildungen auf einem ähnlichen Niveau, wobei die Differenz zwischen den Regionen etwas geringer ausfällt. Die Anteile für den Besuch einer Hochschule liegen zwischen 4 % und 5 %.
Die Absolventen/Absolventinnen der vollzeitschulischen Ausbildungen sind bezüglich der Übergangsrate zur Hochschulausbildung (West: 4,5 %, Ost 5,2 %) vergleichbar mit Absolventen/Absolventinnen dualer Ausbildungen mit einer Ausbildungsdauer von mindestens 36 Monaten. Demgegenüber weisen sie mit fast 15 % in Ostdeutschland und über 10 % in Westdeutschland in Bezug auf die Weiterqualifizierung mittels einer beruflichen Ausbildung überdurchschnittliche Quoten auf. Die Absolventen/ Absolventinnen vollzeitschulischer Ausbildungen in sozialen Berufen entscheiden sich hierbei überdurchschnittlich häufig für eine Weiterqualifizierung. Von ihnen nehmen im Osten mehr als 30 % eine weitere berufliche Ausbildung auf, während es im Westen mit knapp 18 % deutlich weniger, aber dennoch viele sind. In den Gesundheitsberufen liegen dagegen alle Anteile auf durchschnittlichem Niveau.
Tabelle A9.1.2-3: Absolventen/Absolventinnen beruflicher Ausbildungen nach Arbeitszeittyp und Region bis zu 3 Jahre nach Ausbildungsende (nur Erwerbstätige in %)
Tabelle A9.1.2-3 (barrierefrei)
Tabelle A9.1.2-4: Weitere Bildungsbeteiligung von Absolventen/Absolventinnen beruflicher Ausbildungen bis zu 3 Jahre nach Ausbildungsende (in %)
Tabelle A9.1.2-4 (barrierefrei)
Fazit
Gegenstand dieses Kapitels war es, den Übergang von der Ausbildung in Beschäftigung näher zu beschreiben. Dafür wurde die berufliche Situation von Absolventen/Absolventinnen einer beruflichen Ausbildung bis einschließlich 3 Jahre nach dem Abschluss unter Verwendung von Mikrozensusdaten ausgewertet.
Anhand der Daten zeigte sich, dass innerhalb der ersten 3 Jahre nach dem beruflichen Abschluss die berufliche Festigung der Absolventen/Absolventinnen in vielen Fällen noch nicht abgeschlossen ist. Dabei sind innerhalb der untersuchten Personengruppe starke Unterschiede der Arbeitsmarktintegration zu erkennen. Bei den dualen Ausbildungsberufen gelingt sie besser, wenn die Ausbildungsdauer mindestens 36 Monate beträgt. Vollzeitschulische Ausbildungen scheinen ebenfalls eine gute Grundlage für den Übergang in die Erwerbstätigkeit zu sein. Unabhängig von den hier differenzierten Merkmalen zeigt sich, dass in Ostdeutschland schlechtere Bedingungen für den Übergang von der Ausbildung in die Erwerbstätigkeit vorherrschen. Weitere Befunde sind:
- In Ostdeutschland schließt nahezu jede/-r dritte Absolvent/-in in sozialen Ausbildungsberufen eine weitere berufliche Ausbildung an. In Westdeutschland ist es fast jede/-r fünfte. Unter den Absolventen/Absolventinnen dualer Ausbildungsberufe ist es dagegen nur etwa jede/r zehnte.
- In Ostdeutschland ist etwa jede/-r sechste Absolvent/-in erwerbslos, während es in Westdeutschland etwa jede/-r zwölfte ist.
- Etwa jede/-r dritte Absolvent/-in hat einen befristeten Arbeitsvertrag.
(Manuel Schandock, Ralf Dorau)