A3.1 Berufliche Wünsche und beruflicher Verbleib von Schulabgängern und Schulabgängerinnen
Das BIBB führt regelmäßig Befragungen von Schulabgängern und Schulabgängerinnen46 durch, um ihre beruflichen Orientierungen und ihr Berufswahlverhalten (Verbleib) zu erfassen . Nachfolgend werden die Ergebnisse der Befragung 2010 nach dem Geschlecht, dem Wohnort, dem Vorhandensein eines Migrationshintergrunds sowie nach unterschiedlichen Schultypen und dem höchsten Schulabschluss differenziert dargestellt und Veränderungen zu voran gegangenen Befragungen aufgezeigt. Jugendliche ohne Schulabschluss und Jugendliche, die eine Sonderschule besucht haben, sind in der Stichprobe nur in geringer Anzahl vertreten; für diese Jugend lichen werden deshalb keine Ergebnisse ausgewiesen.
E BIBB-Schulabgängerbefragungen
In den Jahren 2004, 2005, 2006, 2008 und 2010 wurden in Zusammenarbeit mit Forsa (Berlin) jeweils rund 1.500 Schulabgänger / -innen befragt. Erfasst wurden Jugendliche aus
- allgemeinbildenden Schulen (Hauptschule, Realschule, Integrierte Gesamtschule, Gymnasium),
- beruflichen Schulen (Fachgymnasium, Fachoberschule FOS) und
- nicht vollqualifizierenden beruflichen Vollzeitschulen (Berufsvorbereitungsjahr [BVJ], Berufsgrundbildungsjahr [BGJ] und Berufsfachschule [BFS], die nicht zu einem Berufsabschluss führt).
Die Stichprobenziehung erfolgte über einen zufallsgesteuerten telefonischen Kontakt zu Haushalten und der Auswahl der Befragungspersonen. Die repräsentativen Befragungen fanden jeweils von Anfang September bis Ende November mittels computerunterstützter telefonischer Interviews statt (zur Methode siehe Friedrich 2009). Die beruflichen Pläne im Frühjahr wurden retrospektiv erfasst. Die Ergebnisse für das Jahr 2010 können unter Berücksichtigung von Strukturgewichten mit den Befragungsergebnissen aus früheren Jahren verglichen werden.47
Migrationshintergrund
Ein Migrationshintergrund von Schulabgängern und Schulabgängerinnen wird nicht direkt erfragt, sondern anhand von drei Fragen erschlossen (vgl. Kapitel A4.9). Gefragt wird, ob die Eltern der Befragungspersonen in Deutschland geboren wurden, ob die Kindheit in Deutschland verbracht wurde und ob als erste Sprache Deutsch gelernt wurde. Nach der hier verwendeten Definition liegt ein Migrationshintergrund vor, wenn
- ein Elternteil oder beide Eltern nicht in Deutschland geboren wurden und / oder
- die Kindheit und Jugend nicht in Deutschland verbracht wurde und / oder
- Deutsch nicht als erste Sprache oder gemeinsam mit einer anderen Sprache erlernt wurde.
Der Definition folgend, haben 22 % der 2010 befragten Jugendlichen einen Migrationshintergrund
Berufliche Pläne nach Ende des Schuljahres 2009/2010
Die Schulabgänger / -innen wurden retrospektiv danach befragt, welche beruflichen Pläne sie im Frühjahr 2010 hatten. Es zeigt sich, dass die Hälfte (51 %) der Befragten am Ende des Schuljahres 2009 / 2010 eine betriebliche Ausbildung angestrebt hat. Im Vergleich zu den Jahren 2004, 2005, 2006 und 2008 ist erstmals ein Rückgang zu verzeichnen (zur generellen Affinität zu einer dualen Berufsausbildung siehe nächsten Abschnitt). Bezogen auf die zuletzt durchgeführte Befragung im Jahre 2008 sind es minus 5 Prozentpunkte Schaubild A3.1-1. Dieser Rückgang dürfte zum Teil auf die demografischen Veränderungen innerhalb der Schulabgangspopulation zurückzuführen sein (vgl. Kapitel A2.2.1): So sank in Deutschland der Anteil der nicht studienberechtigten Abgänger aus allgemeinbildenden Schulen, für die an erster Stelle eine betriebliche Ausbildung infrage kommt, zwischen 2006 und 2010 von 74 % auf 68 % (minus 6 Prozentpunkte).
Auf einem insgesamt niedrigeren Niveau ergeben sich für das Jahr 2010 ähnliche Muster wie in den Vorjahren48: Männliche Jugendliche (55 %) haben gegenüber weiblichen Jugendlichen (47 %) ein größeres Interesse an einer dualen Ausbildung. Letztere streben häufiger eine Schulberufs- oder Beamtenausbildung (10 % vs. 5 %) oder ein Studium (19 % vs. 13 %) an. Jugendliche mit Migrationshintergrund (58 %) sind 2010 wesentlich stärker an einer dualen Berufsausbildung direkt im Anschluss an die Schulzeit interessiert als Jugendliche ohne Migrationshintergrund (49 %). Im Gegensatz zu früheren Jahren, in denen sie in etwa gleichauf lagen, fällt die Differenz mit 9 Prozentpunkten sehr deutlich aus Tabelle A3.1-1. Dieser Unterschied in den Präferenzen hängt stark mit dem Schulabschlussniveau und den damit möglichen beruflichen Optionen zusammen. Jugendliche mit Migrationshintergrund haben zu einem höheren Anteil keinen oder nur einen Hauptschulabschluss als diejenigen ohne Migrationshintergrund; der Anteil der Studienberechtigten liegt bei 11 % (ohne Migrationshintergrund: 19 %).
Eine deutliche Veränderung im Vergleich zu frühe ren Befragungen zeigt sich außerdem bei den Schulabgängern und -abgängerinnen aus den neuen Ländern. In den Jahren 2004, 2005 und 2006 hatten diese jeweils noch ein stärkeres Interesse an einer betrieblichen Berufsausbildung direkt im Anschluss an die Schule bekundet. Bereits im Befragungsjahr 2008 war ein starker Rückgang zu verzeichnen. Jugendliche aus Ostdeutschland waren nur noch zu 53 % (West: 57 %) an einer solchen Ausbildung interessiert. Dieser Trend hat sich nun 2010 fortgesetzt. Gegenüber dem Jahr 2008 ist ein erneuter Rückgang von 10 Prozentpunkten zu verzeichnen; Jugendliche aus Ostdeutschland streben nur zu 43 % direkt im Anschluss an die Schule eine duale Ausbildung an. In Westdeutschland liegt die Quote noch bei 53 % und damit nur 4 Prozentpunkte unter dem Wert für 2008.
Ursächlich für diesen Rückgang dürften wiederum demografische Veränderungen innerhalb der Schulabgangspopulation sein: In den neuen Ländern ging der Anteil der nicht studienberechtigten Abgänger zwischen 2006 und 2010 mit minus 8 Prozentpunkten (von 70 % auf 62 %) etwas stärker zurück als in den alten Ländern (minus 6 Prozentpunkte; von 75 % auf 69 %). Der Anteil der studienberechtigten Abgänger stieg entsprechend von 30 % auf 38 % an (vgl. Kapitel A2.2.1). Zum anderen plant ein größerer Teil der Nichtstudienberechtigten in Ostdeutschland, eine duale Berufsausbildung erst zu einem späteren Zeitpunkt zu absolvieren (siehe unten).
Die differenzierte Betrachtung nach Schultypen zeigt – auf insgesamt niedrigerem Niveau – dieselben Muster wie in den Vorjahren: Aus allgemeinbildenden Schulen äußern vor allem Abgänger / -innen aus Hauptschulen (68 %) und Realschulen (54 %) den Wunsch nach einer betrieblichen Berufsausbildung im Ausbildungsjahr 2010 / 2011. Den stärksten Wunsch nach einer betrieblichen Ausbildung (73 %) haben wieder die Jugendlichen, die das allgemeinbildende Schulwesen bereits im Vorjahr bzw. in den Vorjahren verlassen haben und zuletzt ein Berufsgrundbildungsjahr (BGJ), ein Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) oder eine Berufsfachschule (BFS), die keinen Berufsabschluss vermittelt, besucht haben. Von den Abgängern und Abgängerinnen aus Gymnasien interessiert sich knapp ein Viertel (23 %) für eine betriebliche Berufsausbildung, 44 % möchten studieren. Bei den Abgängern und Abgängerinnen aus Fachoberschulen und Fachgymnasien ist der Wunsch nach einer dualen Ausbildung direkt im Anschluss an die Schule stark zurückgegangen: Hierfür interessiert sich nur noch ein Drittel (34 %; 2008: 45 %); im Gegenzug ist die Studierneigung auf ebenfalls ein Drittel (32 %; 2008: 25 %) angestiegen.
Im Hinblick auf die erreichten Schulabschlüsse zeigt sich, dass von den Jugendlichen mit Hauptschulabschluss unverändert gut drei Viertel (77 %) im Frühjahr 2010 eine betriebliche Ausbildung angestrebt haben. Von den Jugendlichen mit mittlerem Bildungsabschluss waren es mit minus 5 Prozentpunkten noch etwas mehr als die Hälfte (58 %; 2008: 63 %). Jede / -r vierte Studienberechtigte (26 %; 2008: 30 %) hat ebenfalls diesen Wunsch geäußert.
Schaubild A3.1-1: Berufliche Pläne von Schulabgängern und Schulabgängerinnen 2004 bis 2010 jeweils im Frühjahr (in %)
Tabelle A3.1-1: Berufliche Pläne von Schulabgängern und Schulabgängerinnen im Frühjahr 2010 (in %)
Wunsch nach einer dualen Ausbildung zu einem späteren Zeitpunkt
Ein Teil der Jugendlichen entschied sich erst zwischen Frühjahr und Herbst 2010 für eine betriebliche Berufsausbildung oder strebt eine solche erst in den kommenden Jahren an Tabelle A3.1-2. So möchte 1 % der Befragten noch im laufenden, weitere 6 % im nächsten Ausbildungsjahr und 12 % erst zu einem späteren Zeitpunkt eine duale Ausbildung beginnen. Von allen Befragten haben demnach weitere 19 % (2008: 16 %) den Wunsch nach einer späteren dualen Ausbildung. Der Anteil der Befragten, die im laufenden Ausbildungsjahr oder später eine duale Ausbildung absolvieren möchten, addiert sich auf 70 % und liegt damit leicht unter dem im Jahr 2008 ermittelten Wert (72 %). Gegenüber früheren Befragungen zeigen sich für die Gesamtpopulation nur geringe Veränderungen. Die Befragungsergebnisse sind sehr stabil und verdeutlichen die ungebrochen hohe Affinität der Jugendlichen zum dualen System der Berufsausbildung (vgl. Friedrich 2009, S. 31).
Im Vorjahresvergleich fällt auf, dass bei jungen Frauen der Wunsch nach einer dualen Berufsausbildung nicht nur direkt im Anschluss an die Schulzeit stark zurückgegangen ist, sondern auch im Hinblick auf die längerfristige berufliche Perspektive ist eine Verringerung des Anteils der Frauen, die eine duale Berufsausbildung anstreben, von 69 % im Jahr 2008 auf 63 % zu verzeichnen. Bei den Männern ist hingegen eine leichte Steigerung zu erkennen (plus 2 Prozentpunkte), sodass der Abstand zwischen den Geschlechtern größer wurde.
Im Vergleich zu vorangegangenen Befragungen ist außerdem erkennbar, dass ostdeutsche Jugendliche die Aufnahme einer dualen Berufsausbildung häufiger auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Während der Wunsch, direkt nach der Schule mit einer dualen Ausbildung zu beginnen, stark abnahm (siehe oben), stieg der Anteil derjenigen an, die erst im nächsten Ausbildungsjahr oder zu einem noch späteren Zeitpunkt eine duale Ausbildung anstreben. In der Summe (68 %) ergeben sich deshalb praktisch keine Veränderungen gegenüber dem Jahr 2008 (67 %).
Jugendliche mit Migrationshintergrund sind nicht nur direkt im Anschluss an die Schulzeit, sondern auch in längerfristiger Perspektive viel stärker an einer dualen Ausbildung interessiert als Jugendliche ohne Migrationshintergrund (78 % vs. 68 %). Aufgrund einer gegenläufigen Entwicklung hat sich die Differenz im Vergleich zu 2008 (75 % vs. 71 %) noch erhöht: Bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist eine Steigerung um 3 Prozentpunkte zu erkennen, bei den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund kam es dagegen zu einer Verringerung um 3 Prozentpunkte.
Abgänger / -innen aus Hauptschulen zeigen das stärkste Interesse an einer dualen Berufsausbildung (92 %); der Anteil nahm gegenüber 2008 noch einmal um 3 Prozentpunkte zu. An zweiter Position liegen Jugendliche aus beruflichen Vollzeitschulen (83 %), wobei es hier im Vergleich zu 2008 (88 %) zu einer Verringerung um 5 Prozentpunkte kam. Es folgen Abgänger / -innen aus Realschulen (77 %) und Integrierten Gesamtschulen (72 %). Von den Abgängern und Abgängerinnen aus Fachoberschulen und Fachgymnasien strebt etwas mehr als die Hälfte (53 %) eine duale Ausbildung an. Gegenüber 2008 (60 %) kam es hier zu einer Verringerung des Anteils um 7 Prozentpunkte. Abgänger / -innen aus Gymnasien interessieren sich zu 42 % für eine solche Ausbildung. Im Vergleich zu 2008 (37 %) entspricht dies einer Steigerung um 5 Prozentpunkte.
Differenziert nach den erreichten Schulabschlüssen zeigt sich erneut, dass eine Ausbildung im dualen System für 94 % (2008: 91 %) der Jugendlichen mit Hauptschulabschluss und für 78 % (2008: 80 %) derjenigen mit einem mittleren Schulabschluss noch immer den Königsweg darstellt. Auch für Jugendliche mit Hochschul- oder Fachhochschulreife scheint dieser Weg weiterhin erstrebenswert zu sein, denn obwohl ihnen auch andere berufliche Möglichkeiten offenstehen, interessieren sich insgesamt 43 % (2008: 44 %) für eine betriebliche Berufsausbildung.
Tabelle A3.1-2: Schulabgänger und Schulabgängerinnen, die im Ausbildungsjahr 2010/2011 oder zu einem späteren Zeitpunkt eine duale Ausbildung absolvieren möchten (in %)
Realisierte Bildungswege (Verbleib) im Herbst 2010
Im Herbst 2010 haben 29 % der Schulabgänger / -innen eine betriebliche und 1 % eine außerbetriebliche Ausbildung nach Berufsbildungsgesetz / Handwerksordnung (BBiG / HwO) begonnen bzw. werden im laufenden Ausbildungsjahr noch eine solche Ausbildung beginnen. Weitere 9 % sind in eine Schulberufs- oder Beamtenausbildung eingemündet, und 14 % studieren. 10 % besuchen eine weitere allgemeinbildende oder berufliche Schule und 10 % ein BVJ, ein BGJ oder eine BFS, die eine Grundbildung vermittelt. 3 % sind arbeitslos bzw. ohne Beschäftigung, und 24 % arbeiten, absolvieren ein Praktikum, leisten Wehr- / Zivildienst oder ein soziales / ökologisches Jahr oder machen etwas Sonstiges. Im Vergleich zu den vorangegangenen Befragungen des BIBB zeigen sich insgesamt betrachtet meist nur graduelle Veränderungen Schaubild A3.1-2. Obwohl der Anteil der Schulabgänger / -innen zurückgegangen ist, der direkt nach der Schule eine duale Berufsausbildung aufnehmen wollte, hat sich der Anteil der Schulabgänger / -innen, der in eine duale Berufsausbildung eingemündet ist, im Vergleich zu 2008 insgesamt kaum verändert. Im Vergleich zu früheren Befragungen (vgl. BIBB-Datenreport 2009, Kapitel A3.1; Friedrich 2009) sind sowohl relativ stabile Merkmalsstrukturen und -muster als auch Veränderungen im Zeitverlauf zu erkennen Tabelle A3.1-3: Männliche Jugendliche haben zu mehr als einem Drittel (34 % betrieblich plus 2 % außerbetrieblich), weibliche Jugendliche zu einem Viertel (23 % plus 1 %) eine duale Ausbildung begonnen. Letztere sind wiederum häufiger (13 %) in eine Schulberufs- oder Beamtenausbildung eingemündet als männliche Jugendliche (6 %), haben häufiger ein Studium begonnen (18 % vs. 10 %) oder besuchen weiter eine allgemeinbildende oder berufliche Schule (12 % vs. 8 %).
Hinsichtlich der lange Zeit bestehenden Unterschiede zwischen Ost und West haben sich folgende Veränderungen ergeben: Die Schulabgänger / -innen aus den alten und den neuen Ländern haben 2010 erstmals zu gleichen Teilen eine betriebliche Berufsausbildung aufgenommen (West: 29 %; Ost 28 %).49 Auch hinsichtlich der Einmündung in eine Schulberufs- oder Beamtenausbildung (9 % vs. 10 %) sind keine Unterschiede zwischen Ost und West mehr zu erkennen. Der Anteil derjenigen, die ein Studium begonnen haben, ist in den neuen Ländern (17 %; 2008: 13 %) etwas stärker angestiegen als in den alten Ländern (13 %; 2008: 11 %), sodass der Abstand weiter leicht zugenommen hat.
Starke Unterschiede bestehen weiterhin zwischen Jugendlichen, die einen Migrationshintergrund aufweisen, und Jugendlichen, die keinen Migrationshintergrund haben (vgl. BIBB-Datenreport 2009, Kapitel 3.1; vgl. Diehl / Friedrich / Hall 2009): Während Ju gendliche ohne Migrationshintergrund insgesamt zu 32 % (2008: 35 %) eine duale Ausbildung aufnahmen, waren es bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund nur 24 %. Im Vergleich zu 2008 (23 %) hat sich die Einmündungsquote der Jugendlichen mit Migrationshintergrund damit nur leicht erhöht; ein Unterschied zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund von 8 Prozentpunkten bleibt weiterhin bestehen. Außerdem ist die Einmündungsquote in ein Studium bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund (9 %) weiterhin niedriger als bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund (15 %). Hinsichtlich des Übergangs in eine Schulberufs- oder Beamtenausbildung (10 % vs. 9 %) zeigen sich 2010 hingegen kaum Unterschiede zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund.
Die Betrachtung der besuchten Schultypen zeigt, dass Jugendliche aus Haupt- und aus Realschulen in etwa zu gleichen Teilen (37 % bzw. 38 %) in eine betriebliche Berufsausbildung eingemündet sind. Der Anteil der außerbetrieblichen Ausbildung liegt bei 3 % bzw. 2 %. Außerdem hat insgesamt jede / -r Dritte (34 %) aus Integrierten Gesamtschulen eine betriebliche Ausbildung begonnen. Von den Abgänger / -innen aus Gymnasien mündeten 13 % in eine betriebliche Ausbildung ein, 42 % begannen zu studieren. Bei denjenigen aus Fachoberschulen und Fachgymnasien hat nur noch jede / -r Fünfte (22 %; 2008: 30 %) eine duale Ausbildung begonnen; 27 % (2008: 20 %) nahmen ein Studium auf. Bei den Abgängern und Abgängerinnen aus beruflichen Vollzeitschulen ging der Anteil, der in eine betriebliche Ausbildung einmündete, gegenüber dem Jahr 2008 von 38 % auf 31 % zurück. Bei dieser Gruppe ist der Anteil derjenigen, die arbeitslos bzw. ohne Beschäftigung sind, mit 8 % (2008: 10 %) weiterhin am größten.
Die Einmündungsquoten in das Übergangssystem, also der Besuch einer BFS, die nicht zu einem Berufsabschluss führt, oder die Teilnahme an einem BVJ oder BGJ (hier: berufliche Vollzeitschule) haben sich im Zeitverlauf von 2004 bis 2010 insgesamt betrachtet verringert. Dennoch münden erneut 28 % (2008: 25 %) der Abgänger / -innen aus Hauptschulen in dieses System ein. Von den Realschulabgängern und -abgängerinnen sind es 11 % (2008: 10 %) und von denjenigen aus Integrierten Gesamtschulen 14 % (2008: 19 %). Von den Abgängern und Abgängerinnen aus beruflichen Vollzeitschulen besuchen 8 % im Herbst erneut eine nicht vollqualifizierende berufliche Vollzeitschule; hier ist eine Verringerung gegenüber dem Jahr 2008 (13 %) um 5 Prozentpunkte zu vermerken.
Differenziert nach dem höchsten erreichten Schulabschluss zeigt sich, dass die Übergangsquote in das duale System – betriebliche und außerbetriebliche Formen zusammengenommen – bei Jugendlichen mit Hauptschulabschluss auf 40 % (2008: 36 %) angestiegen ist. Ein Viertel dieser Gruppe (24 %) ist in eine berufliche Vollzeitschule eingemündet. Bei Jugendlichen mit mittlerem Abschluss ging die Übergangsquote auf 37 % (2008: 42 %) zurück; ein Fünftel (20 %) besucht weiter eine allgemeinbildende oder berufliche Schule. Bei Studienberechtigten (16 %; 2008: 17 %) gab es keine gravierenden Veränderungen; mehr als jede / -r Dritte (38 %) hat ein Studium aufgenommen.
Tabelle A3.1-3: Realisierte Bildungs- und Berufswege von Schulabgängern und Schulabgängerinnen im Herbst 2010 (in %)
Schaubild A3.1-2: Realisierte Bildungs- und Berufswege von Schulabgängern und Schulabgängerinnen 2004 bis 2010 jeweils im Herbst (in %)
Wunsch nach einer dualen Ausbildung und Wirklichkeit
Von den Schulabgängern und Schulabgängerinnen, die sich im Frühjahr 2010 für eine duale Ausbildung interessierten, begann etwas mehr als die Hälfte (54 %) im Herbst 2010 tatsächlich eine duale (betriebliche und außerbetriebliche) Ausbildung. Im Zeitverlauf ist folgende Entwicklung zu erkennen Tabelle A3.1-4: Im Jahr 2005, in dem die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge stark gesunken war, ging die Einmündungsquote auf 47 % (2004: 54 %) zurück. Im Jahr 2006 führte ein starker Zuwachs bei den neuen Ausbildungsverträgen50 wieder zu einer verbesserten Einmündungsquote (52 %). Dieser Trend setzte sich 2008 (53 %) fort, und 2010 wird wieder der Wert von 2004 erreicht.
Differenziert nach soziodemografischen und individuellen Merkmalen sowie regionalen Faktoren zeigen sich zum Teil beträchtliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Personengruppen Tabelle A3.1-5: Männliche Jugendliche (60 %) konnten 2010 erneut ihren Wunsch nach einer dualen Ausbildung sehr viel häufiger realisieren als weibliche Jugendliche (47 %). Der Abstand zwischen den Geschlechtern liegt weiterhin bei 13 Prozentpunkten (2008: 15 Prozentpunkte). Weibliche Jugendliche, die sich für eine duale Ausbildung interessierten, mündeten dagegen wie bisher häufiger in eine Schulberufsoder Beamtenausbildung ein, besuchen eine allgemeinbildende oder berufliche Schule oder begannen ein Studium.
In Ostdeutschland hat sich der Anteil der Schulabgänger / -innen, der in das duale System eingemündet ist, um mindestens 6 Prozentpunkte von 54 % (2008) auf 60 % erhöht.51 Die Quote für Westdeutschland (54 %) ist dagegen nur geringfügig höher als im Jahr 2008 (52 %). In Ostdeutschland wirken sich bereits jetzt die demografischen Faktoren aus, die zu einem weiteren Rückgang der an einer Ausbildung interessierten Personen und damit zu einer Verbesserung der Chancen des / der Einzelnen auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz führen werden.
Jugendliche mit Migrationshintergrund konnten von der Entwicklung am Ausbildungsstellenmarkt nur leicht profitieren. Im Vergleich zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund haben sie weiterhin signifikant schlechtere Realisierungsmöglichkeiten. Der Unterschied fällt mit 35 % zu 58 %, d. h. mit einer Differenz von 23 Prozentpunkten, ähnlich hoch aus wie im Jahr 2008 (32 % vs. 54 %). Statt eine betriebliche Ausbildung zu absolvieren, gehen 11 % (vs. 4 %) der Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf eine allgemeinbildende oder berufliche Schule. Weitere 11 % (vs. 5 %) besuchen ein BVJ oder ein BGJ und 6 % (vs. 3 %) eine BFS, die keinen Berufsabschluss vermittelt (unter beruflicher Vollzeitschule zusammengefasst), 7 % (vs. 6 %) arbeiten oder jobben, und 7 % (vs. 4 %) absolvieren ein Praktikum (unter Sonstiges zusammengefasst). Der Anteil derjenigen, die angeben, arbeitslos bzw. ohne Beschäftigung zu sein, hat sich von 11 % (2008) auf 4 % verringert.
Die Quote der Abgänger / -innen aus beruflichen Vollzeitschulen, die eine betriebliche Ausbildung begonnen haben, ist um 5 Prozentpunkte auf 43 % (2008: 48 %) zurückgegangen. Die im Rahmen eines BVJ, BGJ oder einer BFS (ohne Berufsabschluss) vermittelten beruflichen Grundqualifikationen und ggf. (höheren) Schulabschlüsse reichen offensichtlich nicht immer aus, um den Jugendlichen den Weg in eine betriebliche Ausbildung zu ebnen.
Die Betrachtung der höchsten Schulabschlüsse zeigt, dass sich die Chancen von Jugendlichen mit einem Hauptschulabschluss auf einen Ausbildungsplatz auf insgesamt 48 % (2008: 44 %) verbessert haben. Der Zuwachs fand dabei ausschließlich bei den betrieblichen Stellen statt: Dieser Anteil stieg um 7 Prozentpunkte (45 %; 2008: 38 %) an, während der Anteil der außerbetrieblichen Ausbildung bei den Abgänger / -innen mit Hauptschulabschluss um 3 Prozentpunkte zurückging (3 %; 2008: 6 %). Der Anteil derjenigen, die ins Übergangssystem einmündeten, ist mit 19 % (2008: 21 %; 2006: 23 %; 2005: 27 %; 2004: 27 %) auch weiterhin hoch. Bei Jugendlichen mit mittlerem Schulabschluss ist der Anteil, der eine betriebliche Ausbildung aufnahm, leicht zurückgegangen (2008: 62 %); er ist mit 58 % aber immer noch am höchsten. Von den Studienberechtigten haben wieder 56 % eine betriebliche Ausbildung begonnen; 2008 waren es nur 45 %. Der Anteil der an einer dualen Ausbildung interessierten Studienberechtigten, die im Herbst stattdessen in ein Studium eingemündet sind, sank wieder auf 12 % (2008: 20 %; 2006: 8 %; 2005: 9 %; 2004: 14 %).
Trotz der weiteren Entspannung am Ausbildungsstellenmarkt konnte erneut fast die Hälfte der Jugendlichen (46 %), die eine duale Ausbildung anstrebte, im Herbst keine solche Ausbildung antreten. Stattdessen haben 6 % einen schulischen Ausbildungsgang an einer BFS oder eine Laufbahn im öffentlichen Dienst begonnen, 2 % studieren, und 6 % besuchen eine allgemeinbildende oder eine berufliche Schule. Insgesamt 10 % sind in das Übergangssystem eingemündet: darunter 7 % in ein BGJ oder BVJ und 3 % in eine BFS, die nicht zu einem Berufsabschluss führt (in Tabelle A3.1-5 unter beruflicher Vollzeitschule zusammengefasst). Weitere 3 % der Jugendlichen sind arbeitslos. Von den Verbleibenden gehen 6 % arbeiten bzw. jobben, 5 % machen ein Praktikum, und 3 % absolvieren den Wehr- bzw. Zivildienst oder ein freiwilliges soziales oder freiwilliges ökologisches Jahr (unter „Sonstiges“ zusammengefasst).
Von den Schulabgängern und Schulabgängerinnen, die sich im Frühjahr 2010 für eine duale Berufsausbildung interessierten, im Herbst aber keine betriebliche Ausbildung aufnahmen, hält die Mehrzahl an ihrem ursprünglichen Berufswunsch fest. Trotz alternativen Verbleibs (vgl. Kapitel A1, Kapitel A1.2, Kapitel A3.2) suchen 27 % noch für das laufende Ausbildungsjahr eine Ausbildungsstelle, und 43 % möchten im nächsten Ausbildungsjahr eine Ausbildung beginnen. Weitere 15 % möchten erst zu einem späteren Zeitpunkt eine betriebliche Berufsausbildung absolvieren. Nur 14 % der Schulabgänger und Schulabgängerinnen, die ihren Wunsch nach einer betrieblichen Ausbildung im Herbst 2010 nicht realisieren konnten, haben ihre Absicht ganz aufgegeben.
Für das laufende Ausbildungsjahr 2010 / 2011 sind insbesondere männliche Jugendliche (35 %), Jugendliche mit Migrationshintergrund (29 %), Abgänger / -innen aus nicht vollqualifizierenden beruflichen Vollzeitschulen (40 %) und Jugendliche mit Hauptschulabschluss (36 %) weiterhin an einer Ausbildungsstelle interessiert. Für das nächste Ausbildungsjahr 2011 / 2012 zeigen weibliche Jugendliche (48 %), Jugendliche mit Migrationshintergrund (46 %), Abgänger / -innen aus nicht vollqualifizierenden beruflichen Vollzeitschulen (45 %) und Jugendliche mit Hauptschulabschluss (49 %) ein überdurchschnittliches Interesse. Bei Studienberechtigten, denen verschiedene alternative Ausbildungswege offenstehen, ist mit 44 % der Anteil am größten, der den ursprünglichen Berufswunsch aufgegeben hat.
Tabelle A3.1-4: Einmündungsquote in duale Berufsausbildung der Schulabgänger / -innen, die sich jeweils im Frühjahr für eine betriebliche Ausbildung interessierten (in %)
Tabelle A3.1-5: Realisierte Bildungs- und Berufswege (Herbst 2010) von Schulabgängern und Schulabgängerinnen, die sich im Frühjahr 2010 für eine betriebliche Ausbildung interessierten (in %)
Übereinstimmung von Ausbildungsberuf und Wunschberuf
Die Mehrzahl der Jugendlichen, die eine betriebliche Berufsausbildungsstelle bekommen haben, konnten ihre beruflichen Vorstellungen bei der Berufswahl umsetzen Schaubild A3.1-3. Drei Viertel (77 %) der Schulabgänger / -innen mit Ausbildungsvertrag gaben an, dass der Ausbildungsberuf ihrem Wunschberuf entspreche. Für 17 % stimmt der tatsächliche Ausbildungsberuf nur teilweise mit dem Wunschberuf überein, und 6 % erlernen einen Ausbildungsberuf, der nicht dem Wunschberuf entspricht. Im Zeitverlauf zeigt sich von 2004 bis 2006 zunächst eine kontinuierliche Verringerung des Anteils der Jugendlichen, bei denen Ausbildungs- und Wunschberuf übereinstimmten. Die angespannte Lage am Ausbildungsstellenmarkt hatte damals dazu geführt, dass sich viele Ausbildungsplatzbewerber / -innen in ihrer Berufswahl flexibel zeigten und Ausbildungsstellenangebote annahmen, die mit den ursprünglichen Berufswünschen oftmals nicht oder nur teilweise übereinstimmten. Die Entspannung am Ausbildungsstellenmarkt führte 2008 wieder dazu, dass ein größerer Anteil den angestrebten Ausbildungsberuf erlernen konnte. 2010 hat die Wahlfreiheit für die Jugendlichen noch einmal leicht zugenommen.
Weibliche Jugendliche (83 %) konnten 2010 zu einem viel größeren Anteil ihren Wunschberuf realisieren als männliche Jugendliche (74 %). Im Vergleich zu den vorangegangenen Befragungen haben sich die Verhältnisse sogar umgekehrt: Männliche Jugendliche (2008: 79 %; 2006: 72 %) hatten bislang bessere Realisierungsmöglichkeiten als weibliche Jugendliche (2008: 70 %; 2006: 62 %). Bei jedem Fünften (20 %; weiblich: 12 %) stimmt der erlernte Beruf nur teilweise mit dem Wunschberuf überein.
Die Realisierungsmöglichkeiten in Ostdeutschland (75 %; 2008: 67 %; 2006: 54 %) haben sich im Vergleich zu den Vorjahren deutlich verbessert und sich denen in Westdeutschland angenähert (78 %; 2008: 78 %; 2006: 71 %).
Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist gegenüber 2008 die Übereinstimmung zwischen Ausbildungsberuf und Wunschberuf wieder stark zurückgegangen (66 %; 2008: 78 %; 2006: 59 %). Im Gegenzug ist der Anteil einer teilweisen Übereinstimmung sehr stark von 8 % auf 25 % (ohne Migrationshintergrund 15 %; 2008: 16 %) angestiegen. Bei jeder / jedem Zehnten mit Migrationshintergrund (10 %; 2008: 13 %) stimmen Ausbildungs- und Wunschberuf gar nicht überein (ohne Migrationshintergrund 5 %; 2008: 8 %).
Hinsichtlich der erreichten Schulabschlüsse ist keine eindeutige Tendenz zu erkennen: Bei Jugendlichen mit Hauptschulabschluss (72 %) und Jugendlichen mit Fach-/Hochschulreife (73 %) fallen die Übereinstimmungsquoten ähnlich hoch aus (teilweise Übereinstimmung: 22 % bzw. 20 %). Jugendliche mit mittlerem Abschluss konnten zu 82 % den gewünschten Beruf erlernen (teilweise Übereinstimmung: 13 %).
Schaubild A3.1-3: Übereinstimmung von Wunschberuf und Ausbildungsberuf 2004 bis 2010 (in %)
Zusammenfassung
Die BIBB-Schulabgängerbefragung 2010 zeigt, dass weiterhin ein großes Interesse von Jugendlichen an einer dualen Berufsausbildung besteht. Im Vergleich zu vorangegangenen Befragungen ist jedoch erstmals ein Rückgang bei dem Wunsch, direkt nach der Schulzeit oder zu einem späteren Zeitpunkt eine duale Ausbildung aufzunehmen, erkennbar. Mehr als die Hälfte der an einer dualen Ausbildung Interessierten hat im Herbst 2010 eine duale Ausbildung begonnen. Vor allem für die Schulabgänger / -innen in Ostdeutschland ist im Jahresvergleich eine deutliche Verbesserung der Ausbildungssituation festzustellen.
Insgesamt konnten drei Viertel der Jugendlichen ihren Wunschberuf realisieren. Der Anteil derjenigen, die teilweise oder gar nicht ihren angestrebten Ausbildungsberuf erlernen konnten, ging weiter zurück. Ursächlich hierfür sind insbesondere die demografischen Veränderungen hinsichtlich der Stärke der Schulabgangskohorten, die zu einer weiteren Entspannung des Ausbildungsstellenmarktes führten (vgl. Kapitel A1).
Auf der anderen Seite konnte auch 2010 wieder knapp die Hälfte derjenigen, die sich für eine duale Ausbildung interessierten, ihren Ausbildungswunsch nicht realisieren. Nach wie vor gilt dies insbesondere für Jugendliche aus beruflichen Vollzeitschulen, also aus dem Übergangssystem, bei denen sich die Übergangsquoten gegenüber 2008 wieder verringert haben. Weiterhin sehr stark betroffen sind Jugendliche mit Migrationshintergrund. Bei diesen stagniert die Übergangsquote bei etwa einem Drittel; statt in eine duale Ausbildung münden sie viel häufiger als Jugendliche ohne Migrationshintergrund in eine allgemeinbildende oder berufliche Schule oder in das Übergangssystem ein.
Nur unterdurchschnittlich sind die Übergänge in eine duale Ausbildung weiterhin bei weiblichen Jugendlichen. Diese erlernen zwar, wenn sie keine betriebliche Ausbildungsstelle bekommen haben, häufiger einen Schulberuf, nehmen eine Beamtenausbildung auf oder studieren. In der Summe mündet dennoch ein geringerer Anteil in vollqualifizierende Ausbildungsgänge ein als bei männlichen Jugendlichen.
(Michael Friedrich)