Die Analyse der Wirkungen von Modellversuchen ist eine wesentliche Aufgabe ihrer wissenschaftlichfach lichen Begleitung. Mit der modellhaften Ausgestaltung und Verankerung der Leitthemen „Prozessorientierung“, „Erfahrungslernen“ und „Wissensmanagement“ in der beruflichen und betrieblichen Bildungspraxis haben 29 Modellversuche über einen Zeitraum von insgesamt zwölf Jahren einen Beitrag dazu geleistet, die Qualität, Praxisnähe und Transparenz beruflicher Aus- und Weiterbildung zu erhöhen.353 Der Veränderungsdruck in den Unternehmen wurde genutzt, um neuartige Konzepte und Kompetenzen zu erproben. Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung bezogen sich sowohl unmittelbar auf die Arbeitsprozesse als auch auf die damit verbundenen Lernprozesse. Die Ansätze erstreckten sich von der Analyse von Lernpotenzialen in der Facharbeit bis zur Evalution beruflicher Kompetenzen. Sie haben deutlich gemacht: Lernen ist mehr als Anpassung an veränderte Umwelten und mehr als die Summe individueller Lernprozesse (vgl. Probst / Büchel 1998). Auf der Basis von Beratungsund Strategiekonzepten, Bildungsbedarfsanalysen und geeigneten Instrumenten konnten maßgeschneiderte und bedarfsgerechte Angebote, die übertragbar sind, entwickelt und erprobt werden. Die Verbindung von Praxisgestaltung und Begleitforschung lieferte Grundlagen, Anstöße und Beiträge für die Weiterentwicklung der Berufs- und Erwachsenenpädagogik und die darauf bezogene Forschung.
Mit den praktischen Operationalisierungs- und Entwicklungsarbeiten gingen Präzisierungen und Differenzierungen im wissenschaftlichen Sinne und wechselseitige Fundierungen einher. Über Analysen, Exploration und Experimentieren mit Alternativen gelang es, im Rahmen der Theorie-Praxis-Kommunikation neues Wissen zu generieren, die Terminologie zu schärfen sowie theoretische und methodische Konzepte für eine differenzierte Anwendung zu präzisieren. Vielfältige Konzepte, Handreichungen, Methoden und Instrumente sind entwickelt und auf Praxistauglichkeit erprobt worden. Sie stehen heute zur Nutzung bereit.354
Die breite Beteiligung relevanter Akteure fördert(e) die Innovationsbereitschaft von Betrieben. Allein durch die Öffentlichkeit und den Demonstrationscharakter eines Modellversuchs erhielten betriebliche und berufliche Reformprozesse im Bildungswesen mehr Bedeutung und Stabilität nach innen und eine Vorbildfunktion nach außen. Position und Anliegen der Bildungsverantwortlichen in Betrieben wurden zumindest temporär gestärkt. Die Zusammenführung des Sachverstandes aus Praxis, Wissenschaft und Politik hat zahlreiche Synergien freigesetzt. Gleichwohl ist bekannt, dass die Verankerung von Einzelmaßnahmen in umfassende Gesamtkonzepte (z. B. eines betrieblichen Wissens- und Qualitätsmanagements) und Prozesse der Organisationsentwicklung (OE) andere Zeithorizonte erfordert als die Laufzeit eines Modellversuchs. Daher ist von einer prinzipiellen Unabgeschlossenheit solcher Prozesse auszugehen. Aufgrund der Langfristigkeit von OE-Prozessen und Unternehmenskulturveränderungen konnten entsprechende Prozesse angestoßen und implementiert, aber im Berichtszeitraum der Modellprojekte nicht weiter überprüft werden.
Die Modellversuche haben mit unterschiedlicher Akzentsetzung ihren Beitrag zur Entwicklung einer Wissens- und Lernkultur in Unternehmen und damit zu einer Qualitätssicherung und Professionalisierung beruflicher Bildung geleistet – unzureichende Rahmenbedingungen konnten sie nicht ändern. Die Erfahrung zeigt: Dort, wo tragfähige Strukturen und Einsicht vorhanden sind, werden Modellversuchsergebnisse, die in verschiedenen Anwendungen auf ihre Wirksamkeit geprüft worden sind, aufgenommen und fließen in die Alltagspraxis der beruflichen und betrieblichen Bildung ein – wo dies nicht der Fall ist, da besteht die Gefahr, dass sie ins Leere laufen.
Netzwerke und Verbünde, die ein Zentrum, einen „Motor“ benötigen, stehen zum Förderende, wenn die Rahmenfinanzierung wegfällt, häufig vor der Frage, wie sie verstetigt werden könnten. Deshalb wurde in verschiedenen Modellen untersucht, wie Netzwerke auf Dauer erhalten werden können: von der Befähigung zur Selbstorganisation bis zur Überleitung und Einbindung in bestehende Strukturen einer institutionalisierten Bildungsberatung oder Branche. Dabei hat sich wiederholt gezeigt, dass, wo dauerhafte Strukturen existieren oder gebildet werden können, eine Überführung der Referenzmodelle in den Berufsalltag besonders aussichtsreich ist.
Voraussetzung für die Verbindlichkeit des Transfers war eine frühzeitige Einbeziehung potenzieller Adressaten. Nach innen wie nach außen erfolgte ein regelmäßiger Austausch mit Fach- und Führungskräften aus der betrieblichen und schulischen Praxis, Bildungsdienstleistern, Vertretern von Unternehmerverbänden und Gewerkschaften sowie Wissenschaftler / -innen im Rahmen von über 60 Workshops und Fachtagungen in fachpolitischen Zusammenhängen im gesamten Förderzeitraum. Die Veranstaltungen unterstützten die Vernetzung der Akteure in den Regionen und den Aufbau von Netzwerkstrukturen.
(Dorothea Schemme)