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DATENREPORT ZUM BERUFSBILDUNGSBERICHT 2010

A9.1 Entwicklung der Ausbildungsvergütungen

Tarifliche Ausbildungsvergütungen

In der dualen Berufsausbildung sind die Ausbildungsvergütungen sowohl für die Auszubildenden als auch für die Betriebe von erheblicher finanzieller Bedeutung. Jeder Betrieb ist gesetzlich verpflichtet, seinen Auszubildenden eine angemessene und mit jedem Ausbildungsjahr ansteigende Vergütung zu zahlen (§ 17 Berufsbildungsgesetz). Diese soll spürbar zur Deckung der Lebenshaltungskosten beitragen und zugleich eine Entlohnung der Auszubildenden für die im Betrieb geleistete produktive Arbeit darstellen. Für die Betriebe sind die Ausbildungsvergütungen der größte Kostenfaktor bei der Durchführung der Berufsausbildung (vgl. Wenzelmann u. a. 2009).

Die Vergütungshöhe wird in den meisten Wirtschaftszweigen von den Tarifpartnern (Arbeitgeber und Gewerkschaften) im Rahmen der Tarifverhandlungen festgelegt.252 Bei einer Tarifbindung des Betriebs sind die tariflich vereinbarten Vergütungen verbindliche Mindestbeträge. Niedrigere Zahlungen sind dann nicht zulässig, übertarifliche Zuschläge jedoch erlaubt. Nicht tarifgebundene Betriebe können hingegen die in ihrer Branche und Region geltenden tariflichen Ausbildungsvergütungen unterschreiten, und zwar nach derzeitiger Rechtsprechung um bis zu 20 %. Dennoch zahlen auch diese Betriebe häufig freiwillig die tariflichen Vergütungssätze (vgl. Beicht 2006). Die tatsächlichen Vergütungszahlungen dürften somit – trotz der seit Mitte der 1990er-Jahre deutlich abnehmenden Tarifbindung der Betriebe (vgl. Kohaut / Ellguth 2008) – nach wie vor in relativ hohem Maße durch die tariflichen Vereinbarungen bestimmt sein.253 Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) beobachtet und analysiert seit 1976 die Entwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen.

E Tarifliche Ausbildungsvergütungen

Jährlich zum Stand 1. Oktober wird im BIBB eine Auswertung tariflicher Ausbildungsvergütungen durchgeführt. Die Grundlage bilden dabei rund 500 Vergütungsvereinbarungen aus den gemessen an den Beschäftigtenzahlen größten Tarifbereichen Deutschlands. Die Angaben werden jeweils vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Verfügung gestellt. Getrennt nach alten und neuen Ländern werden die Vergütungsdurchschnitte für stärker besetzte Ausbildungsberufe ermittelt. Derzeit sind 184 Berufe in den alten und 148 Berufe in den neuen Ländern einbezogen. In diesen werden 89 % aller Auszubildenden in den alten und 81 % in den neuen Ländern ausgebildet.

Tarifliche Vereinbarungen werden meistens für einen bestimmten Wirtschaftszweig in einer bestimmten Region (Tarifbereich) abgeschlossen. Innerhalb eines Tarifbereichs werden in der Regel für alle Auszubildenden – unabhängig vom Ausbildungsberuf – einheitliche Vergütungssätze festgelegt. Zwischen den Wirtschaftszweigen unterscheidet sich das Vergütungsniveau jedoch beträchtlich, hinzu kommen oft noch regionale Unterschiede innerhalb der Wirtschaftszweige. Im Rahmen der Auswertungen der tariflichen Ausbildungsvergütungen wird zunächst pro Ausbildungsberuf ein Durchschnitt über die Wirtschaftszweige bzw. Tarifbereiche berechnet, in denen der betreffende Beruf schwerpunktmäßig bzw. typischerweise ausgebildet wird (vgl. Beicht 2006). Anschließend werden die ermittelten berufsspezifischen Vergütungen zu weiteren Durchschnittswerten zusammengefasst, wobei die einzelnen Berufe jeweils mit dem Gewicht ihrer Auszubildendenzahlen berücksichtigt werden.

Schaubild A9.1-1: Entwicklung der Ausbildungsvergütungen von 1992 bis 2009 Durchschnittliche monatliche Beträge in € / Anstieg gegenüber dem Vorjahr (in %)

Schaubild A9.1-1

Schaubild A9.1-2: Tarifliche Ausbildungsvergütungen 2009 in jeweils acht ausgewählten männer- bzw. frauendominierten Berufen (durchschnittliche monatliche Beträge in €)

Schaubild A9.1-2

Aktuelle Vergütungsstrukturen 2009

In den alten Ländern erhöhten sich die tariflichen Ausbildungsvergütungen 2009 um durchschnittlich 3,3 % gegenüber dem Vorjahr, womit ein Durchschnittswert von 679 € pro Monat erreicht wurde.254 In den neuen Ländern stieg der monatliche Vergütungsdurchschnitt um 4,9 % auf 595 € an. Sowohl in den alten als auch in den neuen Ländern ist damit die höchste Vergütungssteigerung seit 1995 zu verzeichnen Schaubild A9.1-1. In den neuen Ländern wurden nunmehr 88 % der westlichen Vergütungshöhe erreicht, womit sich der Abstand zum Tarifniveau der alten Länder leicht verringerte (2008: 86 %). Bezogen auf das Bundesgebiet wurde 2009 ein Gesamtdurchschnitt von monatlich 666 € ermittelt, dies bedeutet einen Anstieg um 3,7 % gegenüber dem Vorjahr (642 €).

Zwischen den einzelnen Ausbildungsberufen weichen die durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütungen beträchtlich voneinander ab.255 Die höchsten Beträge waren 2009 im Beruf Binnenschiffer / Binnenschifferin mit 949 € pro Monat zu verzeichnen, und zwar einheitlich für alte und neue Länder. Sehr hoch lagen insbesondere in den alten Ländern auch die Vergütungen in den Ausbildungsberufen des Bauhauptgewerbes (z. B. Maurer / Maurerin) mit 895 €; in den neuen Ländern lag der Durchschnitt mit 709 € allerdings deutlich darunter. Sehr niedrig waren im Vergleich dazu in den alten und den neuen Ländern die Ausbildungsvergütungen in den Berufen Maler und Lackierer / Malerin und Lackiererin (421 € bzw. 388 €), Friseur / Friseurin (449 € bzw. 269 €) und Florist / Floristin (460 € bzw. 312 €).

Insgesamt stellt sich die Verteilung der Berufe nach Vergütungshöhe – bei einer Gewichtung mit den Auszubildendenzahlen – wie folgt dar: In den alten Ländern fielen die monatlichen Beträge für 9 % der Auszubildenden mit weniger als 500 € vergleichsweise niedrig aus. Für 52 % betrugen die Vergütungen zwischen 500 € und 749 €. 39 % der Auszubildenden kamen auf relativ hohe Beträge von 750 € und mehr. In den neuen Ländern wurden demgegenüber wesentlich seltener hohe Vergütungen erreicht, nur 21 % der Auszubildenden erhielten mindestens 750 € pro Monat. Auch Beträge zwischen 500 € und 749 € waren mit 40 % deutlich weniger verbreitet. Für weitere 40 % der Auszubildenden waren dagegen relativ niedrige Vergütungen von weniger als 500 € zu verzeichnen, für 10 % lagen sie sogar unter 400 €.

Das Niveau der tariflichen Ausbildungsvergütungen unterscheidet sich erheblich nach Ausbildungsbereichen. In den alten Ländern wurde 2009 in Industrie und Handel mit 751 € pro Monat ein relativ hoher Durchschnitt erreicht, ebenso im Öffentlichem Dienst mit 739 €. Weit darunter befanden sich die durchschnittlichen Beträge in der Landwirtschaft (588 €), bei den freien Berufen (573 €) und im Handwerk (556 €). Noch größere Unterschiede traten in den neuen Ländern auf: Hier lag der Vergütungsdurchschnitt im öffentlichen Dienst mit 740 € mit Abstand am höchsten, gefolgt von Industrie und Handel mit 656 € und den freien Berufen mit 571 €. Sehr niedrig waren die Durchschnittswerte in der Landwirtschaft (482 €) und im Handwerk (429 €). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass vor allem innerhalb der Ausbildungsbereiche Industrie und Handel sowie Handwerk die Vergütungen der einzelnen Berufe sehr stark differieren.

Es sind auch deutliche Vergütungsunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Auszubildenden feststellen. In den alten Ländern betrug 2009 der durchschnittliche Monatsbetrag für männliche Auszubildende 692 € und für weibliche 658 €. In den neuen Ländern kamen männliche Auszubildende auf 610 € und weibliche auf 569 €. Die abweichenden Vergütungsdurchschnitte resultieren ausschließlich aus der unterschiedlichen Verteilung von männlichen und weiblichen Auszubildenden auf die Berufe. In Berufen, in denen weit überwiegend junge Männer ausgebildet werden, sind die Ausbildungsvergütungen oft sehr hoch. Umgekehrt werden in den Berufen, in denen sehr stark junge Frauen vertreten sind, häufig relativ niedrige Vergütungen gezahlt.

Werden Vergütungsdurchschnitte ausschließlich für die Berufe berechnet, in denen der Anteil männlicher bzw. weiblicher Auszubildender mindestens 80 % erreicht, so ergeben sich beträchtliche Abweichungen: In den alten Ländern lag 2009 der monatliche Durchschnittswert in den männerdominierten Berufen mit 688 € um 27 % über dem der frauendominierten Berufe mit 542 €. In den neuen Ländern waren die Vergütungen in den „Männerberufen“ mit 628 € um 31 % höher als in den „Frauenberufen“ mit 478 €. In Schaubild A9.1-2 sind die Vergütungen in jeweils acht ausgewählten männer- und frauendominierten Berufen dargestellt. Hier wird deutlich, dass auch innerhalb der Männer- bzw. Frauenberufe das Vergütungsspektrum sehr breit ist. Insgesamt ist zu beachten, dass es wesentlich mehr männer- als frauendominierte Berufe gibt.256

Bei den bisherigen Angaben handelte es sich immer um Durchschnittswerte über die gesamte Ausbildungsdauer der Berufe. Für die einzelnen Ausbildungsjahre wurden folgende Vergütungsdurchschnitte pro Monat ermittelt: In den alten Ländern betrugen sie im 1. Ausbildungsjahr 610 €, im 2. Jahr 673 €, im 3. Jahr 749 € und im 4. Jahr 784 €. In den neuen Ländern lagen die Vergütungen im 1. Ausbildungsjahr durchschnittlich bei 534 €, im 2. Jahr bei 597 €, im 3. Jahr bei 653 € und im 4. Jahr bei 732 € pro Monat.257

Tabelle A9.1-1: Nominaler und realer Anstieg der tariflichen Ausbildungsvergütungen (AV) insgesamt von 2005 bis 2008

Tabelle A9.1-1

Tabelle A9.1-2: Anstieg der tariflichen Ausbildungsvergütungen (AV) im Vergleich zu den Tariflöhnen und -gehältern von 2005 bis 2008

Tabelle A9.1-2

Der Vergütungsanstieg 2005 bis 2008 vor dem Hintergrund der Preissteigerung sowie der Lohn- und Gehaltsentwicklung

In den alten Ländern erhöhten sich die tariflichen Ausbildungsvergütungen von 2005 bis 2008 um insgesamt 5,5 % Tabelle A9.1-1.258 In den neuen Ländern betrug der entsprechende Gesamtanstieg 7,2 %. Hierbei handelt es sich um die nominalen Vergütungssteigerungen. Um Aufschluss über den realen Zuwachs zu bekommen, d. h. den tatsächlichen Zugewinn an Kaufkraft, muss die Preissteigerung berücksichtigt werden. Hierfür kann der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Verbraucherpreisindex (Gesamtindex für Deutschland) herangezogen werden. Danach stiegen die Verbraucherpreise in Deutschland von 2005 bis 2008259 um insgesamt 6,6 %. In den alten Ländern gab es somit in diesem Zeitraum keine reale Erhöhung der tarifl ichen Ausbildungsvergütungen, sondern sogar einen leichten Rückgang um 1,1 %. In den neuen Ländern ist mit einem Plus von lediglich 0,6 % ebenfalls kaum ein realer Anstieg festzustellen. Allerdings ist für das Jahr 2009 aufgrund der relativ starken nominalen Vergütungssteigerungen und des zu erwartenden sehr geringen Preisanstiegs mit einem spürbaren realen Zuwachs bei den tariflichen Ausbildungsvergütungen in den alten und neuen Ländern zu rechnen.

Inwieweit entsprach die Anhebung der tariflichen Ausbildungsvergütungen von 2005 bis 2008 der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung? Das lässt sich anhand der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Indizes der Tariflöhne und -gehälter beurteilen, die den Steigerungsraten der Ausbildungsvergütungen in den Arbeiter- und Angestelltenberufen gegenübergestellt werden können. Den Arbeiterberufen wurden dabei alle gewerblichen bzw. gewerblichtechnischen Ausbildungsberufe zugeordnet, in denen nach der Ausbildung eine Beschäftigung als Facharbeiter / Facharbeiterin üblich ist. Den Angestelltenberufen wurden die kaufmännischen, verwaltenden und technischen Ausbildungsberufe zugerechnet, in denen später in der Regel eine Tätigkeit als Angestellter / Angestellte erfolgt.

In den alten Ländern stiegen die tariflichen Ausbildungsvergütungen in den Arbeiterberufen von 2005 bis 2008 um durchschnittlich 6,0 % an, im gleichen Zeitraum erhöhten sich die Tariflöhne um 7,2 % Tabelle A9.1-2. Die Ausbildungsvergütungen in den Angestelltenberufen wurden um 5,3 % angehoben, der Anstieg der Tarifgehälter betrug 6,2 %. In den neuen Ländern erhöhten sich die Ausbildungsvergütungen in den Arbeiterberufen um 7,6 %, die Löhne stiegen um 7,4 % an. In den Angestelltenberufen nahmen die Ausbildungsvergütungen um 6,9 % zu, die Steigerung der Gehälter lag bei 7,2 %. Der Anstieg der Ausbildungsvergütungen fiel damit in den alten Ländern etwas schwächer aus als bei den Tariflöhnen und -gehältern, während in den neuen Ländern der Vergütungsanstieg nahezu der Lohnund Gehaltsentwicklung entsprach.

(Ursula Beicht)

Fußnoten

252 Es gibt allerdings vor allem im Dienstleistungssektor auch eine Reihe von Bereichen, in denen keine oder keine flächendeckenden tariflichen Regelungen der Ausbildungsvergütungen getroffen werden.´

253 Die tariflichen Ausbildungsvergütungen gelten jedoch ausschließlich in der betrieblichen Berufsausbildung. In der aus öffentlichen Mitteln finanzierten außerbetrieblichen Ausbildung erhalten die Auszubildenden in der Regel wesentlich niedrigere Vergütungen, die gesetzlich bzw. durch Verordnung festgelegt sind.

254 Die tariflichen Ausbildungsvergütungen stellen Bruttobeträge dar. Überschreitet die monatliche Vergütung die Geringverdienergrenze von 325 €, so muss der Auszubildende hiervon den Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung leisten, andernfalls trägt der Ausbildungsbetrieb die gesamten Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil). Unter Umständen erfolgt ein Lohnsteuerabzug von der Ausbildungsvergütung.

255 Eine Gesamtübersicht mit den Ergebnissen für alle erfassten Berufe 2009 ist abrufbar unter www.bibb.de/de/783.htm.

256 In die Auswertungen einbezogen waren in den alten und neuen Ländern 110 bzw. 90 männerdominierte Berufe und 20 bzw. 14 frauendominierte Berufe.

257 Beim 4. Ausbildungsjahr ist zu beachten, dass in den Vergütungsdurchschnitt nicht alle erfassten Berufe eingingen, sondern nur diejenigen mit einer dreieinhalbjährigen Ausbildungsdauer.

258 Zur Langzeitentwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen seit 1992 vgl. BIBB-Datenreport 2009, Kapitel A9.1.

259 Für 2009 lagen die Angaben noch nicht vor.

Bibliographischer Hinweis

Internetversion des BIBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2010 - Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2010).

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