Tabelle A9.2-1 dokumentiert die Ausgaben der öffentlichen Haushalte für die berufliche Ausbildung in den Jahren 2006 bis 2009. Es finden alle Aufwendungen Berücksichtigung, welche verursachungsgerecht in Zusammenhang mit der Entwicklung, Verbesserung, Durchführung und Förderung von Ausbildungsgängen nach § 1 Abs. 1 und 2 BBiG stehen. Durch entsprechende Markierung in der Tabelle wird angedeutet, ob eine Position eher durch die anerkannten Berufsausbildungen des dualen Systems (DS) und / oder durch die Maßnahmen des Übergangssystems (ÜS) verursacht wird. Diese Zurechnung ist allerdings nicht exakt; eine Position kann Ausgaben für beide Bereiche enthalten. kann. Die Zuordnung wird zudem erschwert, weil eine eindeutige definitorische Abgrenzung des Übergangssystems bislang nicht existiert. In einigen Fällen wird auf die Zuordnung gänzlich verzichtet, weil es nicht sachgerecht wäre, den Aufwand dem dualen System oder dem Übergangssystem anzulasten, so z. B. bei den Ausgaben für Berufsfachschulen oder den Maßnahmen für Behinderte. Zudem schließen einige Einzelpositionen Aufwendungen für Weiterbildung in teilweise beträchtlichem Umfang ein (vgl. Kapitel B3.5). Infolge dieser verschiedenen Abgrenzungsschwierigkeiten liefert eine Summierung der entsprechend markierten Zeilen lediglich eine obere Grenze für den öffentlichen Beitrag zur Finanzierung der beruflichen Ausbildung im dualen System und im Übergangssystem.
Folgende weitere Hinweise sind bei der Interpretation der Tabelle sowie bei Vergleichen mit Vorjahren zu berücksichtigen:
Für die Bundesministerien sind alle Aufwendungen erfasst, die im Sinne der oben stehenden Definition eindeutig der beruflichen Bildung zuzuordnen sind. In der Jahresrechnungsstatistik und im Bildungsfinanzbericht des Statistischen Bundesamtes werden die aufgeführten Positionen zwar zum größten Teil der Weiterbildung oder der Arbeitsmarktpolitik zugerechnet. Faktisch dienen die in Tabelle A9.2-1 ausgewiesenen Ausgaben aber zu großen Teilen der Ausbildungsförderung. Die Tabellenpositionen fassen teilweise mehrere Förderprogramme und Maßnahmen zusammen, welche verursachungsgerecht in Zusammenhang mit der beruflichen Ausbildung stehen. Detailliertere Informationen zu diesen Programmen sowie weiteren Fördermaßnahmen, die einen Bezug zur beruflichen Ausbildung aufweisen, finden sich in Kapitel D1. Ausgaben des Bundes, die nicht eindeutig der beruflichen Bildung zuzurechnen sind, sind in Tabelle A9.2-1 nicht enthalten. Dies betrifft z. B. die Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe des Bundesministeriums für Familie, Senioren und Jugend (BMFSFJ), da ein Teil davon zwar den Übergang in den Beruf erleichtern soll, aber nach dem Verursacherprinzip nicht dem Berufsbildungssystem zuzurechnen ist.
Änderungen der Bundesausgaben im Zeitablauf sind nur schwer zu interpretieren, da Abgrenzungsänderungen in den Haushaltstiteln vorliegen können und die Ausgabenstruktur stark durch vorübergehende Maßnahmen wie z. B. Sonderprogramme geprägt ist.
Die Ausgaben der Länder und Kommunen für berufliche Schulen (Teilzeit- und Vollzeitberufsschulen, Berufsaufbauschulen, Berufsfachschulen, Fachoberschulen, Berufsoberschulen, berufliche Gymnasien) sind der Jahresrechnungsstatistik des Statistischen Bundesamtes entnommen. Um die tatsächliche Belastung der öffentlichen Haushalte darzustellen, ist das Konzept der Grundmittel dem der Nettoausgaben vorzuziehen, da hier unmittelbare Einnahmen der öffentlichen Hand verrechnet werden. Dem Statistischen Bundesamt liegen jedoch auf kommunaler Ebene keine Grundmittel vor, weswegen nur die Nettoausgaben angegeben werden können. Die vorläufigen Ist-Ausgaben im Jahr 2007 betrugen 7,4 Mrd. €.260 Die vorläufigen Ist-Ausgaben für das Jahr 2008 werden mit 7,2 Mrd. € beziffert. Für das Jahr 2009 wurden in den öffentlichen Haushalten rund 7,3 Mrd. € veranschlagt. Zwischen 2001 und 2008 nahmen die öffentlichen Ausgaben damit nominal um 4,7 % zu. Der Anstieg pro Schüler beträgt lediglich 0,5 %. Bezogen auf die Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisindex sind die Ausgaben sogar rückläufig. Insgesamt gingen sie seit 2001 um 7,2 % zurück, pro Schüler sogar um 10,0 %. Von den für das Jahr 2009 eingestellten Haushaltsmitteln entfallen geschätzte 3,0 Mrd. € auf die Teilzeitberufsschulen. Dies folgt aus der Verwendung von Schülertagen des Ausbildungsjahres 2008 / 2009 (insgesamt 8.458.961) als Verteilungsschlüssel. Mit den verbleibenden 4,3 Mrd. € werden weitere Schularten im beruflichen Bildungswesen finanziert, wie z. B. Berufsfachschulen (ca. 2.483.001 Schülertage), Fachgymnasien (ca. 770.370 Schülertage), Fachoberschulen (ca. 550.921 Schülertage), das Berufsvorbereitungsjahr (ca. 246.750 Schülertage) und das Berufsgrundbildungsjahr (ca. 221.790 Schülertage).
Die landeseigenen Ausbildungsförderungsprogramme können nicht genau quantifiziert werden. Wie die Bundesprogramme werden sie in der Jahresrechnungsstatistik vermutlich größtenteils zum Bereich der Weiterbildung oder der Arbeitsmarktpolitik hinzugerechnet. Einen Überblick über die verschiedenen Förderprogramme zur Berufsausbildung sowie Informationen zu Fördergegenstand, -berechtigten und -bedingungen gibt Kapitel D1. Der Umfang der Fördermittel kann mithilfe dieser Studie allerdings nur grob abgeschätzt werden. Einerseits sind die Auskünfte der Ministerien zum Fördervolumen unvollständig. Andererseits führt die Studie einige Programme auf, die zwar einen Bezug zur Berufsbildung aufweisen, aber nicht ursächlich durch das Berufsausbildungssystem bedingt sein müssen. Größenordnungsmäßig dürfte der Umfang der für 2009 eingeplanten Ländermittel im Bereich einer halben Milliarde € liegen. Hierin sind auch Mittel des Europäischen Sozialfonds enthalten.261
Die berufsbildungsbezogenen Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) betreffen sowohl die Berufsausbildung als auch die Berufsvorbereitung. Die Förderung der Integration an der zweiten Schwelle hingegen stellt eine beschäftigungspolitische Maßnahme dar und ist in Tabelle A9.2-1 nicht berücksichtigt. Ein Großteil der BA-Mittel fließt der Unterstützung besonders benachteiligter Auszubildender und Behinderter zu. Allerdings ist zu beachten, dass es – je nach Aussagezweck – eventuell nicht sinnvoll ist, die in der Tabelle ausgewiesenen Kosten berufsfördernder Maßnahmen für Behinderte in voller Höhe dem Berufsausbildungssystem zuzurechnen, da sie nicht notwendigerweise ursächlich mit ihm in Zusammenhang stehen.
Der Finanzierungsbeitrag der öffentlichen Hand wird durch den Beitrag der ausbildenden Betriebe in Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst ergänzt. Deren Aufwendungen werden traditionell durch das Bundesinstitut für Berufsbildung geschätzt. Nach den neuesten Berechnungen, welche auf einer repräsentativen Erhebung für das Jahr 2007 basieren, betrugen die Bruttokosten, d. h. die Ausbildungskosten, ohne Berücksichtigung der Ausbildungserträge rd. 23,8 Mrd. €. Die Nettokosten der Betriebe für die Ausbildung im dualen System lagen bei rd. 5,6 Mrd. € (vgl. Schönfeld et al. 2010). Damit sind die Nettokosten im Vergleich zu den Bruttokosten seit der letzten Erhebung drastisch gesunken (vgl. Beicht / Walden 2002). Dies ist auf den produktiveren Einsatz der Auszubildenden in den Betrieben zurückzuführen. Letztlich stehen aber auch den Nettokosten Erträge gegenüber, die schwer zu quantifizieren sind, wie z. B. eingesparte Personalgewinnungskosten oder ein Imagegewinn.
(Normann Müller)