Tabelle A8.2-1 dokumentiert die Ausgaben der öffentlichen Haushalte für die berufliche Ausbildung von 2001 bis 2012. Es finden alle Aufwendungen Berücksichtigung, welche verursachungsgerecht in Zusammenhang mit der Entwicklung, Verbesserung, Durchführung und Förderung von Ausbildungsgängen nach § 1 Abs. 1 und 2 BBiG stehen. Ausgaben, die zwar einen Bezug zur beruflichen Bildung aufweisen, aber nach dem Verursacherprinzip nicht eindeutig dem Berufsbildungssystem zugerechnet werden können, sind in Tabelle A8.2-1 nicht enthalten. Dies betrifft z. B. die Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe des Bundesministeriums für Familie, Senioren und Jugend (BMFSFJ), die teilweise zwar den Übergang in den Arbeitsmarkt erleichtern sollen, aber mit großer Wahrscheinlichkeit auch stattfinden würden, wenn ein Berufsbildungssystem nicht existierte.
Durch Kreuze wird in Tabelle A8.2-1 angedeutet, ob eine Ausgabenposition eher durch die anerkannten Berufsausbildungen des dualen Systems (DS), durch die Maßnahmen des Übergangssystems (ÜS) und/oder durch das Schulberufssystem (SBS) verursacht wird. Die Einteilung ist allerdings nicht exakt; eine Position kann Ausgaben für einen oder mehrere Bereiche enthalten. Zudem existiert keine eindeutige definitorische Abgrenzung des ÜS.227 Weiterhin schließen einige Einzelpositionen Aufwendungen für Weiterbildung in teilweise beträchtlichem Umfang ein (vgl. Kapitel B3.5). Durch Summierung der entsprechend markierten Zeilen der Tabelle erhält man infolge dieser Abgrenzungsschwierigkeiten jeweils lediglich eine Obergrenze der öffentlichen Gesamtausgaben für die berufliche Ausbildung in DS, ÜS und SBS. Die tatsächlich den jeweiligen Sektoren zurechenbaren Ausgabenvolumina liegen vermutlich etwas niedriger.
Folgende weitere Hinweise sind bei der Interpretation der Tabelle sowie bei Vergleichen mit Vorjahren zu berücksichtigen:
Für die Bundesministerien sind alle Aufwendungen erfasst, die nach sachlichen Erwägungen der beruflichen Bildung zuzuordnen sind. Aufgrund des Funktionenplans werden sie in der Jahresrechnungsstatistik und im Bildungsfinanzbericht des Statistischen Bundesamtes zwar meist den Bereichen Weiterbildung und Arbeitsmarktpolitik zugerechnet. Faktisch dienen die in Tabelle A8.2-1 ausgewiesenen Positionen aber zu großen Teilen der Ausbildungsförderung. Sie sind an den Haushaltstiteln der Ministerien orientiert und fassen teilweise mehrere Förderprogramme und Maßnahmen zusammen.228 Da es regelmäßig zu Abgrenzungsänderungen kommt, kann die Entwicklung einzelner Haushaltstitel nur schwer im Zeitablauf interpretiert werden. Unterhaltsleistungen an berufliche Vollzeitschüler nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bilden die mit Abstand größte Ausgabenposition auf Bundesebene. Sie werden zu 100 % als Zuschuss gewährt und zu 65 % vom Bund bzw. zu 35 % von den Ländern getragen.
Die Ausgaben der Länder und Kommunen für berufliche Schulen (Teilzeit- und Vollzeitberufsschulen, Berufsaufbauschulen, Berufsfachschulen, Fachoberschulen, Berufsoberschulen, berufliche Gymnasien) sind der Jahresrechnungsstatistik des Statistischen Bundesamtes entnommen. Da die Belastung der öffentlichen Haushalte dargestellt werden soll, ist das Konzept der Grundmittel anzuwenden. Hier werden die Nettoausgaben mit den unmittelbaren Einnahmen der öffentlichen Hand verrechnet. Die vorläufigen Ist-Ausgaben im Jahr 2011 betrugen gut 8,0 Mrd. €.229 Für das Jahr 2012 wurden in den öffentlichen Haushalten knapp 8,1 Mrd. € veranschlagt. Zwischen 2006 und 2011 nahmen die öffentlichen Ausgaben damit nominal um 9,5 % zu. Die Pro-Kopf-Ausgaben je Schüler/-in an beruflfl ichen Schulen (inkl. Fachschulen) stiegen sogar um 14,1 % auf 2.881 €, was den zurückgehenden Schülerzahlen zuzuschreiben ist.230 Bezogen auf den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisindex für Deutschland beträgt der Anstieg allerdings nur 0,5 %, je Schüler 4,7 %. Von den für das Jahr 2012 eingestellten Haushaltsmitteln entfallen geschätzte 3,1 Mrd. € auf die Teilzeitberufsschulen. Dies folgt aus der Verwendung von Schülertagen des Ausbildungsjahres 2011/2012 als Verteilungsschlüssel. Mit den verbleibenden 4,9 Mrd. € werden weitere Schularten im beruflichen Bildungswesen finanziert, wie z. B. Berufsfachschulen, Fachgymnasien, Fachoberschulen, das Berufsvorbereitungsjahr und das Berufsgrundbildungsjahr.
Die landeseigenen Ausbildungsförderungsprogramme können nicht genau quantifiziert werden. Wie die Bundesprogramme werden sie in der Jahresrechnungsstatistik vermutlich größtenteils zum Bereich der Weiterbildung oder der Arbeitsmarktpolitik gezählt. Einen Überblick über die Förderprogramme zur Berufsausbildung sowie Informationen zu Fördergegenstand, -berechtigten und -bedingungen gibt Kapitel D1. Die Fördermittel in den einzelnen Programmen wurden durch eine vom BIBB beauftragte Erhebung bei den zuständigen Ministerien für das Jahr 2011 ermittelt. Das gesamte Volumen kann mithilfe dieser Studie allerdings nur sehr grob geschätzt werden. Einerseits liegen nicht für alle Programme Informationen vor. Andererseits führt die Studie auch Programme auf, die zwar einen Bezug zur Berufsbildung aufweisen, aber nicht ursächlich durch das Berufsausbildungssystem bedingt sein müssen. Größenordnungsmäßig lag das Fördervolumen der Länder im Jahr 2011 im Bereich einer halben Milliarde €. Hierin sind auch Mittel des Europäischen Sozialfonds enthalten.231
Die berufsbildungsbezogenen Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) betreffen neben der Berufsausbildung auch die Berufsvorbereitung. Nicht berücksichtigt ist in Tabelle A8.2-1 die Förderung der Integration an der zweiten Schwelle, welche eine beschäftigungspolitische Maßnahme darstellt. Ein Großteil der BA-Mittel dient der Unterstützung besonders benachteiligter Auszubildender (und hier wiederum der außerbetrieblichen Ausbildung) und Behinderter. Allerdings ist zu beachten, dass es – je nach Aussagezweck – eventuell nicht sinnvoll ist, die in der Tabelle ausgewiesenen Kosten der Maßnahmen für Behinderte vollständig dem Berufsausbildungssystem zuzurechnen, da sie nicht ursächlich mit ihm in Zusammenhang stehen müssen. Auf eine Zuordnung zum dualen System oder dem Übergangssystem wird daher gänzlich verzichtet.
Änderungen im Instrumentarium der BA ergaben sich durch die am 1. April 2012 in Kraft getretene Instrumentenreform. So ist z. B. nun wieder die institutionelle Förderung von Jugendwohnheimen möglich. Entfallen ist hingegen der Ausbildungsbonus (weitere Details siehe Pressemitteilung 030/2012 der BA zur Instrumentenreform).
Der Finanzierungsbeitrag der öffentlichen Hand wird durch den Beitrag der ausbildenden Betriebe in Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst ergänzt. Deren Aufwendungen werden traditionell durch das Bundesinstitut für Berufsbildung geschätzt. Nach den neuesten Berechnungen, welche auf einer repräsentativen Erhebung für das Jahr 2007 basieren, betrugen die Bruttokosten, d. h. die Ausbildungskosten, ohne Berücksichtigung der Ausbildungserträge rd. 23,8 Mrd. € (vgl. Kapitel A8.3). Die Nettokosten der Betriebe für die Ausbildung im dualen System lagen bei rd. 5,6 Mrd. € (vgl. Schönfeld u. a. 2010), wobei zu bedenken ist, dass auch den Nettokosten noch Erträge gegenüberstehen, die allerdings schwer zu quantifizieren sind, wie z. B. eingesparte Personalgewinnungskosten oder ein Imagegewinn. Durch den produktiveren Einsatz der Auszubildenden in den Betrieben sind die Nettokosten seit der letzten Erhebung stark gesunken (vgl. Beicht/Walden 2002, S. 42).
(Normann Müller)