A7.2 Die Entwicklung von Zusatzqualifikationen
Zusatzqualifikationen sind ein hervorragendes Instrument der Flexibilisierung und Differenzierung der dualen Berufsausbildung. Sie geben Betrieben die Möglichkeit, individuelle Qualifikationsanforderungen, die aus der Perspektive des Unternehmens nicht oder nicht in ausreichendem Maße in der jeweiligen Ausbildungsordnung berücksichtigt werden, abzudecken. Damit können sie flexibel und bedarfsgerecht auf veränderte Qualifikationsanforderungen reagieren. Auf der anderen Seite erhalten die Jugendlichen die Möglichkeit, Ausbildungsinhalte nach ihren individuellen Interessen zu ergänzen. Gerade leistungsstärkeren Schulabgängern/ Schulabgängerinnen bietet die duale Ausbildung damit eine attraktive Möglichkeit. Für Abiturienten/ Abiturientinnen ist die berufliche Bildung eine Erfolg versprechende Alternative zum Studium, wenn die Ausbildung durch eine Zusatzqualifikation aufgewertet wird. Aus bildungspolitischer Sicht sind Zusatzqualifikationen von großer Bedeutung, weil sie mit anerkannten Fortbildungsabschlüssen die berufliche Erstausbildung mit der Weiterbildung enger verzahnen und die Attraktivität der dualen Ausbildung erhöhen.
E Zusatzqualifikationen
Gesetzliche Grundlage ist das Berufsbildungsgesetz (BBiG). Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 werden unter Zusatzqualifikationen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten verstanden, die über die Ausbildungsinhalte hinausgehen. In der fachwissenschaftlichen Diskussion wie in der Berufsbildungspraxis werden unter Zusatzqualifikationen darüber hinaus solche Maßnahmen verstanden,
- die parallel zur Berufsausbildung stattfinden oder unmittelbar im Anschluss daran,
- die einen gewissen zeitlichen Mindestumfang nicht unterschreiten (40 Stunden) und
- zertifiziert werden können.
Die AusbildungPlus-Datenbank (vgl. in Kapitel A7.3) erfasst bundesweit knapp 2.250 Modelle von Zusatzqualifikationen. Während das Angebot verschiedener Modelle seit 2004 relativ stabil erscheint, sind die Beteiligung der Wirtschaft und das Interesse der Auszubildenden von Schwankungen gekennzeichnet. So verzeichnete die AusbildungPlus- Datenbank zum 30. April 2012 zum zweiten Mal in Folge einen Rückgang der Angebote von Zusatzqualifikationen durch Unternehmen, und zwar um insgesamt knapp 5 % (von 2010 auf 2012) auf 16.103.
Gleichzeitig stieg die Zahl der Modelle um 21 und die der Auszubildenden, die eine Zusatzqualifikation absolvieren, um 2 % auf über 85.000 an. In Tabelle A7.2-1 wird die Entwicklung des Angebots von Zusatzqualifikationen von 2004 bis 2012 dargestellt.
Tabelle A7.2-1: Zusatzqualifikationen – Modelle, Anzahl der Unternehmen und Auszubildenden von 2004 bis 2012
Tabelle A7.2-1 (barrierefrei)
Anbieter
Die meisten Zusatzqualifikationen werden von den Berufsschulen angeboten. Sie halten mit 1.098 knapp die Hälfte der Modelle bereit. Das Angebot der Ausbildungsbetriebe selbst war in den letzten Jahren leicht rückläufig. Zum 31. April 2012 hat sich die Anzahl der Modelle erstmals wieder um 8 Modelle erhöht. Weitgehend stabil ist das Angebot der Ausbildungsbetriebe und der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern Tabelle A7.2-2.
Tabelle A7.2-2: Anbieter von Zusatzqualifikationen von 2004 bis 2012
Tabelle A7.2-2 (barrierefrei)
Inhaltliche Schwerpunkte
Zusatzqualifikationen werden in einem breiten inhaltlichen Spektrum angeboten Tabelle A7.2-3. Das größte Angebot gibt es weiterhin für internationale Zusatzqualifikationen. Von den 703 Angeboten in diesem Bereich entfallen fast 81 % auf Fremdsprachen, 11,6 % auf Auslandspraktika und gut 7 % auf internationales Management/Außenhandel. Es folgen die Technik (324 Modelle), die 2012 den stärksten Zuwachs um fast 7 % verzeichnet, und die kaufmännischen Qualifikationen (260). Bei den Letzteren wurden vor allem die anerkannten Fortbildungen zum Handelsassistenten/zur Handelsassistentin und zum/zur Handelsfachwirt/ -in, aber auch der/die Betriebsassistent/-in im Handwerk stark nachgefragt. Die Informationstechnologie steht mit 253 Modellen an vierter Stelle. Beliebte Beispiele aus diesem Bereich sind etwa CNC-Techniken, der europäische Computerführerschein (ECDL) oder Programmiersprachen wie C ++. Modelle für den Erwerb der Fachhochschulreife parallel zur Berufsausbildung haben seit 2004 zunächst stark, dann aber auf niedrigem Niveau stetig zugenommen. Derzeit gibt es 189 verschiedene Modelle, mit denen man das Fachabitur zusammen mit einer Ausbildung erwerben kann (2004: 133 Modelle).
Die in diesem Überblick enthaltenen Zusatzqualifikationen sind nicht im Rahmen einer Ausbildungsordnung geregelt. Sie unterscheiden sich damit von den kodifizierten Zusatzqualifikationen. Mit der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) im Jahr 2005 wurde in § 5 Abs. 2, Nr. 5 die Möglichkeit geschaffen, Zusatzqualifikationen in Ausbildungsordnungen zu verankern, § 49 BBiG regelt ihre Prüfung. Davon wurde bisher für die Ausbildungsberufe Musikfachhändler/-in, Buchhändler/-in, Tourismuskaufmann/-frau, Medientechnologe/-technologin Siebdruck, Medientechnologe/-technologin Druck und Textilgestalter/-in Gebrauch gemacht. Durch die einheitliche Regelung in der Ausbildungsordnung besitzen sie bundesweite Gültigkeit, d. h., es gibt keine regionalen Unterschiede bei diesen Zusatzqualifikationen.
Regionale Verteilung
Seit Jahren gibt es regionale Schwerpunkte beim Angebot an Zusatzqualifikationen in Nordrhein- Westfalen, Baden-Württemberg und Sachsen, gefolgt von Thüringen, Niedersachsen, Hessen und Bayern, wobei in Bayern, Sachsen und Hessen ein überdurchschnittlicher Rückgang in den Angeboten der Unternehmen zu verzeichnen ist Tabelle A7.2-4. Besonders hohe Zuwächse bei den Auszubildenden, die eine Zusatzqualifikation erwerben, zeigen sich in Bremen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen.
(Hedwig Brengmann-Domogalla, Jochen Goeser)
Tabelle A7.2-3: Inhaltliche Schwerpunkte von Zusatzqualifikationen von 2004 bis 2012
Tabelle A7.2-3 (barrierefrei)
Tabelle A7.2-4: Regionale Verteilung von Zusatzqualifikationen von 2004 bis 2012