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DATENREPORT ZUM BERUFSBILDUNGSBERICHT 2012

E1.3.4 Polen

341 Grundzüge des Bildungs-/Berufsbildungssystems

Berufliche Ausbildung in Polen, die zum „Bildungssystem“ gerechnet wird, ist ausschließlich schulischer Art. Hierfür existieren unterschiedliche Schularten auf der Sekundarstufe II (z. B. technikum, technikum uzupelnaijace, zasadnicza szkola zawodowa). Die Bildungsgänge beinhalten unterschiedlich große Anteile an berufsbezogenen Fächern und bieten unterschiedliche Qualifikationen, u. a. Doppelqualifizierungen, d. h. den Erwerb der „Matura“ sowie einer beruflichen Qualifikation auf Facharbeiterniveau. Sie beinhalten Praxisanteile, die in erster Linie in schulischen Werkstätten und Labors durchgeführt werden, und sind von unterschiedlicher Dauer. Schulen, die ausschließlich eine berufliche Qualifizierung vermitteln, wurden im Schuljahr 2009/2010 von 240.699 Schülern besucht, an doppelqualifizierenden Schulen waren 559.530 Schüler/-innen angemeldet.

Die Berufsgrundschulen (zasadnicza szkola zawodowa) stellen dabei den wichtigsten Zweig für die Ausbildung von Facharbeitern dar und sind in der Regel dreijährig und nicht doppelqualifizierend. Eine Lehrlingsausbildung (Alternierende Ausbildung) findet hauptsächlich im Handwerk in kleinen und mittleren Betrieben statt. Politisch zuständig sind das Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik sowie das Bildungsministerium für die schulische Seite. Die Prüfungen liegen im Verantwortungsbereich der Handwerkskammern. Nach Angaben des polnischen Handwerkskammerverbands nahmen im Jahr 2009/2010 90.669 Jugendliche an einer Lehrlingsausbildung teil, es beteiligten sich 26.662 Betriebe. 117 unterschiedliche Ausbildungsberufe können erlernt werden.

Zulassungsvoraussetzungen zu einer Schule im Sekundarbereich II sowie einer Lehrstelle sind ein Schulabschluss auf Sekundarstufe I und ein Mindestalter von 16 Jahren.

Ein zentrales bildungspolitisches Ziel der 1990er- Jahre war eine Erhöhung des Anteils der Jugendlichen mit Abitur auf 75 % (Hörner/Zielinska 2011). Gingen damals fast 50 % in eine Berufsbildung, besuchte 2009 die Hälfte der Jugendlichen ein Lyceum, 26 % einen doppelqualifizierenden Bildungsgang, und nur noch 23 % absolvierten eine Berufsausbildung. Neuere Initiativen der polnischen Regierung haben jedoch das Ziel, die Zahl der Absolventen und Absolventinnen beruflicher Bildung angesichts der Nachfrage des Arbeitsmarktes wieder zu vergrößern. Eine weitere Priorität der Bildungspolitik war bereits seit Mitte der 1980er-Jahren die Einführung einer breit angelegten beruflichen Bildung im Sekundarschulwesen. Breite, auf Allgemeinbildung gestützte Berufsprofile sollten berufliche Flexibilität in einer Zeit ermöglichen, die von zahlreichen Unsicherheiten und einer bevorstehenden tief gehenden Transformation der Wirtschaft gekennzeichnet war. In einem mehrstufigen und mehrjährigen Prozess wurden Ausbildungsberufe neu geordnet und konzentriert. Im Jahr 2002 gab es 195 Ausbildungsberufe im Vergleich zu 527 im Jahr 1982.

Legt man die oben beschriebenen Übergangstypen zugrunde, dürften aufgrund des hohen allgemeinbildenden Anteils und der Bedeutung der doppelqualifizierenden weiterführenden Schulen in hohem Maße der Rückkehrtyp sowie aufgrund der relativ hohen Jugendarbeitslosigkeit der Umwegtyp vorherrschend sein.

Berufsorientierung

Im Anschluss an den sechsjährigen Primarbereich folgt das gemeinsame dreijährige Gimnazjum als Sekundarstufe I. Der Rahmenstundenplan sieht jeweils 2 Wochenstunden Technik und Informatik vor. Ein neues Kerncurriculum, das mit dem Schuljahr 2009/2010 implementiert wurde, sieht darüber hinaus das Fach „Gesellschaftskunde“ vor, in dem in mindestens 65 Schulstunden über die 3 Jahre Themen wie „Unternehmertum“, „wirtschaftliche Aktivitäten“ oder Informationen über die weitere Schul- und Berufswahl behandelt werden (Eurydice 2009/2010).

Um Jugendlichen Orientierung und Beratung für ihre Bildungsplanung geben zu können, wurden seit 2003 entsprechende Beratungsstellen an Schulen der Sekundarstufe eingerichtet (Szkolne Osrodki Kariery). Im Jahr 2010 gab es hierfür 1.000 Vollzeitstellen, die in das jeweilige schulische Beratungsangebot integriert sind. Neben der Beratung über die weiteren Bildungsmöglichkeiten bieten diese Stellen auch Informationen über den regionalen Arbeitsmarkt, Arbeitsrecht etc. an.

Übergänge

In den doppelqualifizierenden Bildungsgängen der Sekundarstufe II (Technikum, 4 Jahre; profiliertes Lyzeum [Liceum profilowane], 3 Jahre) werden berufsbezogene Fähigkeiten und Fertigkeiten insbesondere in den schuleigenen Labors und Werkstätten sowie in einem Pflichtbetriebspraktikum vermittelt. Da das Engagement der Betriebe hierfür nicht ausreicht, werden sie häufig in speziellen Bildungszentren (Centrum Ksztalcenia Praktycznego, CKP) absolviert. Unklar ist der Verbleib der Absolventen und Absolventinnen, die kein Studium aufgenommen haben342, ob sie eine Erwerbstätigkeit aufgenommen, eine weitere berufliche Qualifikation angeschlossen haben oder in die Arbeitslosigkeit abgerutscht sind. Beim vierjährigen Technikum machen die „beruflichen Fächer“ ca. ein Drittel der Wochenstunden aus (Hörner/Zielinska 2011). Bei den Berufsgrundschulen (zasadnicza szkola zawodowa), der wichtigsten Bildungseinrichtung für die Facharbeiterausbildung, umfassen die beruflichen Fächer knapp 50 % der Wochenstunden. Die theoretische und aufgabenbezogene fachliche Bildung findet in Labors oder Schulwerkstätten statt.

Bei der „Alternierenden Berufsausbildung“ werden 2 Formen unterschieden. Zum einen die „Qualifizierung zum Gesellen“ (Lehrlingsausbildung) mit einer Dauer von 24 bis 36 Monaten, wobei der fachtheoretische Unterricht überwiegend an den Berufsgrundschulen (zasadnicza szkola zawodowa) stattfindet, und die „Qualifizierung für eine bestimmte Tätigkeit“. Sie ist ein Angebot für diejenigen, die keinen Schulabschluss auf Sekundarstufe I erreicht haben und mindestens 15 Jahre alt sind. Diese fachlich engere Qualifizierung hat eine Dauer von lediglich 3 bis 6 Monaten, endet mit einem staatlich anerkannten Zertifikat des Ausbildungsbetriebes und eröffnet die Möglichkeit, mit einer Ausbildung fortzufahren, die zu einem Facharbeiterabschluss führt. Die Zeiten werden angerechnet.

Ebenfalls ein Bildungsangebot für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf liegt in der Verantwortung des Ministeriums für Arbeit und Sozialpolitik. So werden in landesweit 58 Bildungszentren Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren betreut, beherbergt und ausgebildet, die aus persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Gründen nach der Primarschule (6 Schuljahre) nicht den Einstieg in die Sekundarstufe des Schulsystems geschafft haben und nun intensiv betreut werden, um den Übergang in eine berufliche Ausbildung zu bewältigen. Hinzu kommt eine ganze Reihe von arbeitsmarktfördernden Maßnahmen, die sich z. T. auch an junge Menschen richten, die keinen Schulabschluss oder keine berufliche Qualifikation erworben haben.

(Georg Hanf, Christian Brzinsky-Fay [Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung], Philipp Grollmann, Ute Hippach-Schneider)

Fußnoten

341 Soweit nicht anders vermerkt, basieren die folgenden Ausführungen auf ReferNet Poland 2011.

342 Im Schuljahr 1998/1999 haben 28 % der Absolventen/Absolventinnen der höheren beruflichen Schulen ein Hochschulstudium aufgenommen.

Bibliografischer Hinweis

Internetversion des BIBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2012 - Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2012).

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