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DATENREPORT ZUM BERUFSBILDUNGSBERICHT 2012

A8.1 Entwicklung der Ausbildungsvergütungen

Die Ausbildungsvergütungen sind in der dualen Berufsausbildung sowohl für die Auszubildenden als auch für die Betriebe von erheblicher finanzieller Bedeutung. Jeder Betrieb ist gesetzlich verpflichtet, seinen Auszubildenden eine angemessene und mit jedem Ausbildungsjahr ansteigende Vergütung zu zahlen (§ 17 Berufsbildungsgesetz). Diese soll spürbar zur Deckung der Lebenshaltungskosten der Auszubildenden beitragen und zugleich eine Entlohnung für ihre im Betrieb geleistete produktive Arbeit darstellen. Für die Betriebe sind die Ausbildungsvergütungen der größte Kostenfaktor bei der Durchführung der Berufsausbildung; auf sie entfallen 46 % der Bruttoausbildungskosten (vgl. Schönfeld u. a. 2010).

In den meisten Wirtschaftszweigen gibt es zur Höhe der Ausbildungsvergütungen tarifliche Vereinbarungen, die von den Tarifpartnern (Arbeitgeber und Gewerkschaften) im Rahmen von Tarifverhandlungen getroffen werden.229 Tarifgebundene Betriebe230 müssen ihren Auszubildenden die tariflich festgelegten Vergütungssätze zahlen. Niedrigere Vergütungsbeträge sind dann unzulässig, übertarifliche Zuschläge allerdings erlaubt. Nicht tarifgebundene Betriebe können hingegen die in ihrer Branche und Region geltenden tariflichen Ausbildungsvergütungen unterschreiten, und zwar nach derzeitiger Rechtsprechung um bis zu 20 %. Dennoch halten sich auch diese Betriebe häufig freiwillig an die tariflichen Vergütungssätze.

Nach der BIBB-Kosten-Nutzen-Erhebung 2007 waren für insgesamt 54 % der Ausbildungsbetriebe die Vergütungen verbindlich durch Tarifvertrag festgelegt (vgl. Beicht 2011b). In diesen tarifgebundenen Betrieben waren 65 % der Auszubildenden vertreten. 27 % der Ausbildungsbetriebe waren zwar ohne Tarifbindung, zahlten die Ausbildungsvergütungen aber trotzdem in Anlehnung an einen Tarifvertrag; 22 % der Auszubildenden wurden in diesen Betrieben ausgebildet. Nur 19 % der Ausbildungsbetriebe – mit 13 % der Auszubildenden – waren nicht tarifgebunden und zahlten auch nicht nach Tarif. Insgesamt wurde somit die Vergütungshöhe in über 80 % der Ausbildungsbetriebe durch Tarife bestimmt. Allerdings war in den neuen Ländern eine Tarifbindung weit weniger verbreitet als in den alten Ländern. Während in den alten Ländern 58 % der Ausbildungsbetriebe (mit 70 % der Auszubildenden) tarifgebunden waren, traf dies in den neuen Ländern nur auf 37 % der Betriebe zu (mit 44 % der Auszubildenden). 26 % der westdeutschen Betriebe (mit 21 % der Auszubildenden) und 33 % der ostdeutschen Betriebe (mit 29 % der Auszubildenden) orientierten sich freiwillig an einem Tarif. Keine Zahlung nach Tarif erfolgte in den alten Ländern in 16 % der Ausbildungsbetriebe (mit 9 % der Auszubildenden), in den neuen Ländern in 30 % der Betriebe (mit 28 % der Auszubildenden). Ostdeutsche Betriebe nutzten somit relativ oft den Flexibilitätsspielraum bei den Ausbildungsvergütungen, den eine fehlende Tarifbindung ermöglicht.

Obwohl die Tarifbindung der Betriebe seit Mitte der 1990er-Jahre deutlich abgenommen hat (vgl. Kohaut / Ellguth 2008), werden die Vergütungszahlungen in der betrieblichen Ausbildung somit nach wie vor in relativ großem Umfang durch die Tarife bestimmt – in den alten Ländern allerdings deutlich stärker als in den neuen Ländern.231 Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) beobachtet und analysiert die Entwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen in den alten Ländern seit 1976 und in den neuen Ländern seit 1992 .

E Tarifliche Ausbildungsvergütungen

Tarifliche Vereinbarungen zu den Ausbildungsvergütungen werden meistens für einen bestimmten Wirtschaftszweig in einer bestimmten Region (Tarifbereich) geschlossen. Innerhalb eines Tarifbereichs werden in der Regel für alle Auszubildenden – unabhängig vom Ausbildungsberuf – einheitliche Vergütungssätze festgelegt. Zwischen den Wirtschaftszweigen unterscheidet sich das Vergütungsniveau jedoch beträchtlich, hinzu kommen oft noch regionale Unterschiede innerhalb der Wirtschaftszweige.

Jährlich zum Stand 1. Oktober wird im BIBB eine Auswertung tariflicher Ausbildungsvergütungen durchgeführt. Die Grundlage bilden dabei rund 500 Vergütungsvereinbarungen aus den gemessen an den Beschäftigtenzahlen größten Tarifbereichen Deutschlands. Die Angaben werden jeweils vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Verfügung gestellt. Getrennt nach alten und neuen Ländern werden die Vergütungsdurchschnitte für stärker besetzte Ausbildungsberufe ermittelt. Derzeit sind 185 Berufe in den alten und 150 Berufe in den neuen Ländern einbezogen. In diesen Berufen werden 90 % aller Auszubildenden in den alten und 81 % in den neuen Ländern ausgebildet. Im Rahmen der Auswertungen wird zunächst pro Ausbildungsberuf ein Vergütungsdurchschnitt über die Wirtschaftszweige bzw. Tarifbereiche berechnet, in denen der betreffende Beruf schwerpunktmäßig bzw. typischerweise ausgebildet wird (vgl. Beicht 2011b). Anschließend werden auf Basis der ermittelten berufsspezifischen Vergütungen weitere Durchschnittswerte berechnet, wobei die einzelnen Berufe jeweils mit dem Gewicht ihrer Auszubildendenzahlen berücksichtigt werden.

Vergütungsstrukturen 2011

In den alten Ländern betrug 2011 der Durchschnitt der tariflichen Ausbildungsvergütungen 708 € pro Monat. Er erhöhte sich damit um 2,9 % gegenüber dem Vorjahreswert von 688 €.232 In den neuen Ländern stieg der monatliche Vergütungsdurchschnitt von 612 € im Vorjahr um 4,9 % auf 642 € an. Die Vergütungen nahmen damit 2011 wieder deutlich stärker zu als im Jahr zuvor, in dem die durchschnittliche Vergütungssteigerung in den alten Ländern bei 1,3 % und in den neuen Ländern bei 2,9 % gelegen hatte Schaubild A8.1-1. In den neuen Ländern erreichten 2011 die Vergütungen 91 % der westlichen Höhe, womit sich der Abstand zum Tarifniveau der alten Länder weiter verringerte (2010: 89 %). Bezogen auf das gesamte Bundesgebiet war 2011 ein Durchschnitt der tariflichen Ausbildungsvergütungen von 700 € pro Monat zu verzeichnen. Dies bedeutete einen Anstieg um 3,2 % gegenüber dem Vorjahr (678 €).

Zwischen den einzelnen Ausbildungsberufen bestehen beträchtliche Vergütungsunterschiede.233 So waren 2011 in den Berufen des Bauhauptgewerbes (z. B. Maurer / Maurerin) hohe Ausbildungsvergütungen vor allem in den alten Ländern tariflich vereinbart: Sie lagen dort mit durchschnittlich 943 € pro Monat noch deutlich höher als in den neuen Ländern mit 750 €. Ebenfalls hoch waren die Vergütungen beispielsweise in den Berufen Mechatroniker / Mechatronikerin (alte Länder: 868 €, neue Länder: 847 €) und Industriemechaniker / Industriemechanikerin (alte Länder: 865 €, neue Länder: 826 €); die Ost-West-Abweichungen fielen hier wesentlich geringer aus. Einheitlich hohe Vergütungen in den alten und neuen Ländern gab es z. B. in den Berufen Medientechnologe / Medientechnologin Druck mit jeweils 885 € sowie Kaufmann / Kauffrau für Versicherungen und Finanzen mit jeweils 853 €.

Eher niedrige Ausbildungsvergütungen waren 2011 z. B. in den Berufen Tischler / Tischlerin (alte Länder: 543 €, neue Länder: 433 €), Maler und Lackierer / Malerin und Lackiererin (alte und neue Länder: 528 €), Bäcker / Bäckerin (alte Länder: 500 €, neue Länder: 463 €), Florist / Floristin (alte Länder: 460 €, neue Länder: 312 €) und Friseur / Friseurin (alte Länder: 456 €, neue Länder: 269 €) festzustellen.

Bei einer Gewichtung der Berufe mit der Zahl ihrer Auszubildenden ergab sich 2011 folgende Verteilung nach Vergütungshöhe: In den alten Ländern kamen 38 % der Auszubildenden auf hohe monatliche Beträge von 800 € und mehr. Für 59 % bewegten sich die Vergütungen zwischen 500 € und 799 €. Relativ gering fielen die Beträge für 3 % der Auszubildenden mit weniger als 500 € aus. In den neuen Ländern gab es für 22 % der Auszubildenden eine Vergütung von 800 € und mehr. Für 51 % der Auszubildenden lagen die Vergütungen zwischen 500 € und 799 €. 27 % der Auszubildenden hatten Vergütungen von weniger als 500 €.

Nach Ausbildungsbereichen unterscheidet sich das Niveau der tariflichen Ausbildungsvergütungen erheblich. In den alten Ländern wurde 2011 in Industrie und Handel mit 781 € pro Monat ein relativ hoher Durchschnitt erreicht, ebenso im öffentlichem Dienst mit 760 €. Weit darunter befanden sich die durchschnittlichen Beträge im Handwerk (583 €), bei den freien Berufen (597 €) und in der Landwirtschaft (616 €). Noch größere Unterschiede traten in den neuen Ländern auf: Hier war der Vergütungsdurchschnitt im öffentlichen Dienst mit 760 € mit Abstand am höchsten, gefolgt von Industrie und Handel mit 701 €. Erheblich niedriger lagen die Durchschnittswerte im Handwerk (477 €), in der Landwirtschaft (502 €) und bei den freien Berufen (595 €). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass vor allem innerhalb der Ausbildungsbereiche Industrie und Handel sowie Handwerk die Vergütungen der einzelnen Berufe sehr stark differieren.

Es sind auch deutliche Vergütungsunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Auszubildenden festzustellen. In den alten Ländern betrug 2011 der durchschnittliche Monatsbetrag für männliche Auszubildende 721 € und für weibliche 688 €. In den neuen Ländern kamen männliche Auszubildende auf 658 € und weibliche auf 614 €. Die abweichenden Vergütungsdurchschnitte resultieren ausschließlich aus der unterschiedlichen Verteilung von männlichen und weiblichen Auszubildenden auf die Berufe. In Berufen, in denen weit überwiegend junge Männer ausgebildet werden, sind die Ausbildungsvergütungen oft sehr hoch. Umgekehrt werden in den Berufen, in denen sehr stark junge Frauen vertreten sind, häufig relativ niedrige Vergütungen gezahlt.

Bei den bisherigen Angaben handelte es sich immer um Durchschnittswerte über die gesamte Ausbildungsdauer der Berufe. Für die einzelnen Ausbildungsjahre wurden 2011 folgende Durchschnittswerte ermittelt: In den alten Ländern betrugen die monatlichen Vergütungen im 1. Ausbildungsjahr 633 €, im 2. Jahr 703 €, im 3. Jahr 785 € und im 4. Jahr 812 €. In den neuen Ländern ergaben sich im 1. Ausbildungsjahr durchschnittlich 571 €, im 2. Jahr 642 €, im 3. Jahr 706 € und im 4. Jahr 783 € pro Monat.234

Schaubild A8.1-1: Entwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen von 1992 bis 2011
Durchschnittliche monatliche Bruttobeträge in € und Anstieg gegenüber dem Vorjahr in %
Schaubild A8.1-1 (barrierefrei)


Schaubild A8.1-1: Entwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen von 1992 bis 2011

Der Vergütungsanstieg 2005 bis 2010 vor dem Hintergrund der Preissteigerung sowie der Lohn- und Gehaltsentwicklung

In den alten Ländern erhöhten sich die tariflichen Ausbildungsvergütungen von 2005 bis 2010 durchschnittlich um insgesamt 10,4 % Tabelle A8.1-1.235 In den neuen Ländern lag der entsprechende Gesamtanstieg bei 15,7 %. Hierbei handelt es sich um die nominalen Vergütungssteigerungen. Um Aufschluss über den realen Zuwachs zu bekommen, d. h. den tatsächlichen Zugewinn an Kaufkraft, muss die Preissteigerung berücksichtigt werden. Hierfür kann der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Verbraucherpreisindex (Gesamtindex für Deutschland) herangezogen werden. Danach stiegen die Verbraucherpreise in Deutschland von 2005 bis 2010236 um insgesamt 8,2 % an. In den alten Ländern betrug die reale Erhöhung der tariflichen Ausbildungsvergütungen in diesem Zeitraum somit lediglich 2,2 %. In den neuen Ländern ist mit einem Plus von 7,5 % ein etwas stärkerer Realanstieg festzustellen, allerdings basierend auf einem deutlich niedrigeren Vergütungsniveau als in den alten Ländern.

Inwieweit die Anhebung der tariflichen Ausbildungsvergütungen von 2005 bis 2010 der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung entsprach, lässt sich anhand der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Indizes der tariflichen Monatsverdienste der Arbeitnehmer beurteilten. In den alten Ländern war demnach der prozentuale Gesamtanstieg der tariflichen Ausbildungsvergütungen von 2005 bis 2010 mit 10,4 % fast ebenso hoch wie bei den tariflichen Monatsverdiensten der Arbeitnehmer mit 10,7 % Tabelle A8.1-2. In den neuen Ländern erhöhten sich die tariflichen Vergütungen der Auszubildenden im gleichen Zeitraum mit 15,7 % etwas stärker als die tariflichen Monatsverdienste der Arbeitnehmer mit 12,7 %.

(Ursula Beicht)

Tabelle A8.1-1: Nominaler und realer Anstieg der tariflichen Ausbildungsvergütungen (AV) insgesamt von 2005 bis 2010
Tabelle A8.1-1 (barrierefrei)


Tabelle A8.1-1: Nominaler und realer Anstieg der tariflichen Ausbildungsvergütungen (AV) insgesamt von 2005 bis 2010

Tabelle A8.1-2: Anstieg der tariflichen Ausbildungsvergütungen (AV) im Vergleich zu den tariflichen Monatsverdiensten der Arbeitnehmer von 2005 bis 2010
Tabelle A8.1-2 (barrierefrei)


Tabelle A8.1-2: Anstieg der tariflichen Ausbildungsvergütungen (AV) im Vergleich zu den tariflichen Monatsverdiensten der Arbeitnehmer von 2005 bis 2010

Fußnoten

229 Es gibt allerdings vor allem im Dienstleistungssektor auch eine Reihe von Bereichen, in denen keine oder keine flächendeckenden tariflichen Regelungen der Ausbildungsvergütungen getroffen werden.

230 Eine Tarifbindung besteht in der Regel dann, wenn der Betrieb dem tarifschließenden Arbeitgeberverband angehört. In eher seltenen Fällen sind Tarifvereinbarungen eines Wirtschaftszweigs auch für allgemein verbindlich erklärt worden.

231 Die tariflichen Ausbildungsvergütungen gelten nicht in der aus öffentlichen Mitteln finanzierten außerbetrieblichen Ausbildung. Dort erhalten die Auszubildenden in der Regel wesentlich niedrigere Vergütungen, die gesetzlich bzw. durch Verordnung festgelegt sind.

232 Die tariflichen Ausbildungsvergütungen stellen Bruttobeträge dar. Überschreitet die monatliche Vergütung die Geringverdienergrenze von 325 €, so muss der Auszubildende hiervon den Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung leisten, andernfalls trägt der Ausbildungsbetrieb die gesamten Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil). Unter Umständen erfolgt auch ein Lohnsteuerabzug von der Ausbildungsvergütung.

233 Eine Gesamtübersicht mit den Ergebnissen für alle erfassten Ausbildungsberufe 2011 ist abrufbar unter http://www.bibb.de/de/783.htm.

234 Beim 4. Ausbildungsjahr ist zu beachten, dass in den Vergütungsdurchschnitt bei Weitem nicht alle erfassten Berufe eingingen, sondern nur diejenigen mit einer dreieinhalbjährigen Ausbildungsdauer.

235 Zur Langzeitentwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen von 1976 bis 2010 vgl. Beicht 2011b.

236 Für 2011 lagen die Angaben noch nicht vor.

Bibliografischer Hinweis

Internetversion des BIBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2012 - Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2012).

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