Eine wesentliche Voraussetzung für die Anrechenbarkeit von Lernergebnissen ist, dass die unterschiedlichen Bildungsbereiche in der bildungspolitischen und vor allem in der fachlichen Diskussion ein gemeinsames Verständnis über die Interpretation und die Nutzung des Begriffs „Gleichwertigkeit“ entwickeln. Entscheidend für die Bestimmung von authentischen Anrechnungspotenzialen wird es künftig sein, einen Konsens darüber zu erzielen, dass bei der Anrechnung von Lernleistungen gleichwertige und nicht gleichartige Kompetenzen berücksichtigt werden. Gleichartigkeit setzt eine formale und inhaltliche Übereinstimmung der zu vergleichenden Qualifikationen voraus. Das heißt, eine Anrechnung könnte nur stattfinden, wenn die in den unterschiedlichen Bildungsbereichen erworbenen Kompetenzen, die Aus-, Fortbildungs- und Studienzeiten sowie die Prüfungsleistungen in Inhalt, Umfang und in den Anforderungen deckungsgleich sind. Solche engen Vergleichbarkeits- und Bewertungskriterien würden die Chancen der Antragsteller auf Anrechnung von vorhandenen und „abrufbaren“ Kompetenzen auf ein Minimum reduzieren und damit sowohl flexible als auch funktionsfähige Übergänge im nationalen Bildungssystem innerhalb der Bildungsbereiche sowie an den unterschiedlichen Schnittstellen zwischen den Bildungsbereichen einschränken – wenn nicht gar unmöglich machen. Gleichzeitig ist eine Verständigung darüber zu erzielen, Gleichwertigkeit nicht nur als bloße Deckungsgleichheit von Curricula zu betrachten, sondern vielmehr die Ergebnisse von Lernprozessen in den Mittelpunkt zu stellen und anhand vergleichbarer Lern- bzw. Qualifikationsniveaus zu bewerten. Dabei ist es grundsätzlich nachrangig, wo und in welchen Lernkontexten die Kompetenzen erworben wurden. Die Ergebnisse von Lernprozessen sind die entscheidende Grundlage für einen Vergleich und damit letztlich für die Überprüfung von Gleichwertigkeiten bzw. die Ermittlung von Schnittmengen und Äquivalenz- / Anrechnungspotenzialen an den Schnittstellen im Bildungssystem.
Damit sind Lernergebnisse auch die Bedingung für funktionierende und von allen Beteiligten akzeptierte Anrechnungsverfahren. Von grundlegender Bedeutung dabei ist zudem, dass sowohl die Lernergebnisbeschreibung als auch die Ermittlung der Wertigkeit nach einheitlichen Kriterien erfolgt. Diese müssen einerseits bildungsbereichsübergreifend umgesetzt werden können und andererseits für alle Beteiligten nachvollziehbar sein. Das wurde bei der Erprobung des DQR erstmals bildungsbereichsübergreifend praktiziert (vgl. Kapitel C2.3; Mucke 2010; Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen 2009, 2010). Um Anrechnungsverfahren an den Schnittstellen im Bildungssystem nachhaltig etablieren sowie die Vorbehalte gegenüber der Qualität der Lernergebnisbeschreibung bei den Akteuren abbauen zu können, ist es unerlässlich, definierte Qualitätsstandards für die Anrechnung von Lernergebnissen sicherzustellen (vgl. Mucke / Buhr 2008). Dazu gehören u. a. die Herstellung von Transparenz für die am Verfahren Beteiligten, die Förderung der Vertrauensbildung zwischen ihnen sowie die Nachvollziehbarkeit der Äquivalenzfeststellung der erworbenen Kompetenzen durch geeignete Dokumentation und Offenlegung der Verfahrensschritte (vgl. Kapitel C2.1).