Die zunehmende Bedeutung der Dokumentation und Anerkennung von Ergebnissen des informellen Lernens ist eine direkte Folge der Initiativen der Europäischen Kommission zum lebenslangen Lernen. Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern gibt es in Deutschland keine rechtlichen Regelungen und anerkannten Verfahren. Das ist u. a. darauf zurückzuführen, dass es bislang kaum eine Nachfrage nach der Anerkennung informell erworbener Kompetenzen gab.
Die Möglichkeit, einen dualen Berufsabschluss ohne Absolvierung des entsprechenden Bildungsgangs zu erwerben, ist in Deutschland durch die Externenprüfung nach § 45 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz (BBiG) und § 37 Abs. 2 Handwerksordnung (HwO) gegeben. Dabei ist eine berufliche Tätigkeit über die eineinhalbfache Zeit des entsprechenden Ausbildungsgangs Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung. Für die Zulassung ist erheblich, dass die bisherigen Tätigkeiten das Profil des angestrebten Berufs weitgehend abdecken. Zeugnisse und das Glaubhaftmachen des Nachweises der beruflichen Handlungsfähigkeit können als weitere Kriterien für die Zulassung, die immer mit einer Einzelfallprüfung der zuständigen Kammer verbunden ist, herangezogen werden. Darüber hinaus sind in den Zulassungsvoraussetzungen der Fortbildungsordnungen Elemente enthalten, die eine Durchlässigkeit im Sinne einer Anerkennung nonformalen und informellen Lernens fördern. Hier wird explizit eine mehrjährige berufliche Tätigkeit als Voraussetzung festgelegt, wodurch die in dieser Zeit absolvierten betrieblichen Lern- und Arbeitsphasen anerkannt werden.
Das IT-Weiterbildungssystem ist ein weiteres Beispiel für die Anrechnung von Lernleistungen. Hier sind die im privatwirtschaftlichen Sektor angesiedelte Personenzertifizierung sowie die bundeseinheitliche Zertifizierung der Professionals sehr stark auf das Lernen im Prozess der Arbeit ausgerichtet. Dadurch gewinnen die in informellen und nonformalen Lernprozessen erworbenen Kompetenzen an Bedeutung.
Neben der beruflichen Bildung bietet auch der Bereich der Hochschulbildung Möglichkeiten, mit denen die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung durch die Anerkennung von in informellen Lernprozessen erworbenen Kompetenzen verbessert wird. Dazu zählen insbesondere die in den Hochschulgesetzen der Länder enthaltenen Möglichkeiten einer Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten. Entsprechende Anrechnungen sind gegenwärtig bereits in Bayern, Brandenburg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen möglich. Die entsprechenden Gesetzesgrundlagen unterscheiden teilweise zwischen den Möglichkeiten der Anrechnung und der Einstufungsprüfung (vgl. Freitag 2010 sowie die entsprechenden Landeshochschulgesetze). Sie ermöglichen es den Hochschulen, in ihren Prüfungsordnungen die Vorgaben für die Anerkennungsverfahren festzulegen. Sofern sich derartige Verfahren nicht auf die Anerkennung formalen Lernens beschränken sollen, müssen sie Elemente beinhalten, welche die Ergebnisse nonformaler und informeller Lernprozesse einer formalen Anerkennung zugänglich machen. Wie bei der Externenprüfung wird die Anrechnung unterhalb der gesetzlichen Ebene geregelt. Zur Lösung dieses Problems bieten sich prinzipiell alternative Wege an. Erstens lassen sich Instrumente nutzen, welche Kompetenzen dokumentieren. Hier sind vor allem Arbeitszeugnisse, Mitarbeiterbeurteilungen und Instrumente der Personaldiagnostik zu nennen. Die zweite Option sind Verfahren, nach denen das Individuum und die Identifizierung individueller Kompetenzen im Vordergrund stehen. Diese Verfahren sind darauf ausgerichtet, die Reflexionsfähigkeit der Individuen und ihre Fähigkeiten, die eigenen Kompetenzen zu verbalisieren, zu fördern. Hier sind beratungsbetonte Konzepte wie das ProfilPASS-System oder andere eher dialogbasierte Portfolio-Ansätze zu nennen, die in erster Linie auf die Selbstbeurteilung abstellen.
Um die Anerkennung nonformalen und informellen Lernens mit Blick auf die Durchlässigkeit des Bildungssystems zu fördern, ist es wichtig, die bestehenden Instrumente und Verfahren besser zu verknüpfen. Dabei können die zuletzt vorgestellten unternehmensbezogenen sowie die beratungsorientierten Ansätze wichtige Grundlagen bereitstellen, welche innerhalb der im formalen System verankerten Ansätze genutzt werden können.
Neben diesen auf der Ebene der Verfahren ansetzenden Verknüpfungen leisten Anpassungen auf der Systemebene sowie auf der normativen Ebene einen unverzichtbaren Beitrag. Vornehmlich sind hier zwei Aspekte zu nennen: Dies ist zum einen die Gestaltung des DQR, zum anderen die Orientierung an Kompetenzen bzw. Lernergebnissen bei der Gestaltung und Umsetzung der Curricula. Hier ist eine zentrale Maßnahme die kompetenzorientierte Gestaltung von Qualifikationen, um so Bezüge zu den Ergebnissen nonformalen und informellen Lernens herstellen zu können. Insgesamt erleichtert ein einheitliches Kompetenzverständnis die Kommunikation zwischen Teilsystemen des Bildungssystems und damit auch die Durchlässigkeit zwischen diesen.