A5.3.2 Auszubildende mit betrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildungsverträgen
Im dualen System findet die Ausbildung in der Regel an den beiden Lernorten Betrieb und Berufsschule statt. Die Kosten des betrieblichen Teils der Berufsausbildung werden in den meisten Fällen von den Unternehmen bzw. Verwaltungen vollständig oder zum größten Teil selbst getragen. Allerdings gibt es seit vielen Jahren eine nicht unerhebliche Anzahl von Ausbildungsplätzen, die überwiegend aus öffentlichen Mitteln bzw. Mitteln der Bundesagentur für Arbeit finanziert werden. In diesen Fällen schließen die Auszubildenden ihren Ausbildungsvertrag nicht mit einem Betrieb, sondern mit einem außerbetrieblichen Träger der Ausbildung. Differenzierte Angaben zum betrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildungsvolumen liegen jedoch aus der Berufsbildungsstatistik zum Stichtag 31. Dezember bislang nicht vor.108 Daher führt das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) seit dem Jahr 1999 eine entsprechende Differenzierung auf Basis anderer Datenquellen durch, die Aufschluss über den Umfang der außerbetrieblichen Ausbildung geben. Betriebliche und außerbetriebliche Ausbildungsverträge
Die öffentliche Finanzierung von Ausbildungsplätzen erfolgt für unterschiedliche Zielgruppen: Nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB III) fördert die Bundesagentur für Arbeit die außerbetriebliche Ausbildung von lernbeeinträchtigten und sozial benachteiligten Jugendlichen, die sozialpädagogischer Begleitung bedürfen und auch mit ausbildungsbegleitenden Hilfen nicht in eine betriebliche Berufsausbildung vermittelt werden können (§ 242 SGB III). Darüber hinaus werden Ausbildungsmaßnahmen zur beruflichen Eingliederung von behinderten Jugendlichen finanziert (§ 102 SGB III). Die Bund- Länder-Programme Ost und die (ergänzenden) Länderprogramme richten sich an die sogenannten „marktbenachteiligten“ Jugendlichen in Regionen mit fehlenden betrieblichen Ausbildungsangeboten. Bis Ende 2003 gab es für diese Zielgruppe außerdem eine Finanzierungsmöglichkeit für außerbetriebliche Ausbildung nach Artikel 4 des Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit – Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung Jugendlicher (Jugendsofortprogramm).
E Betriebliche und außerbetriebliche Ausbildungsverträge
Das BIBB ermittelt jährlich die Zahl der betrieblichen Ausbildungsverhältnisse auf indirektem Weg: Von der vom Statistischen Bundesamt ausgewiesenen Gesamtzahl der Auszubildenden zum 31. Dezember wird jeweils die Zahl der Auszubildenden herausgerechnet, die sich zu diesem Zeitpunkt in außerbetrieblichen, d. h. überwiegend öffentlich finanzierten Berufsausbildungsmaßnahmen befanden.
Außerbetriebliche Ausbildung wird nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II und III), im Rahmen der Bund-Länder- Programme Ost sowie durch (ergänzende) Länderprogramme finanziert. Bis Ende 2003 war außerdem eine Finanzierung im Rahmen des Jugendsofortprogramms möglich. Für die Berechnungen werden die jeweiligen Bestandszahlen Ende Dezember eines Jahres herangezogen. Die Angaben werden von der Bundesagentur für Arbeit sowie von den Ländern zur Verfügung gestellt. Dabei werden ausschließlich Ausbildungsverhältnisse in den nach Berufsbildungsgesetz bzw. der Handwerksordnung anerkannten Berufen einbezogen, die mit einem bei der zuständigen Stelle (z. B. Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer) eingetragenen Ausbildungsvertrag verbunden sind. Denn nur diese Ausbildungsverhältnisse werden in der Berufsbildungsstatistik mitgezählt. Geförderte schulische Ausbildungsgänge bleiben dagegen unberücksichtigt, da die Teilnehmer und Teilnehmerinnen dort keinen entsprechenden Ausbildungsvertrag geschlossen und somit nicht den Status „Auszubildender“ haben.
Nach Abzug des Gesamtbestands an außerbetrieblichen Ausbildungsverhältnissen von der Gesamtzahl der Auszubildenden liegt eine Schätzgröße für die betrieblichen Ausbildungsverhältnisse vor. Das Ergebnis ist als Schätzung aufzufassen, weil die Zusammenführung unterschiedlicher Datenquellen in der Regel mit Ungenauigkeiten bzw. Unsicherheiten verbunden ist.
Länderspezifische Ergebnisse für 2007
Übersicht A5.3.2-1
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Übersicht A5.3.2-1: Auszubildende mit betrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildungsverträgen 2007
In Übersicht A5.3.2-1 sind die Ergebnisse der Berechnungen zu den betrieblichen und außerbetrieblichen Auszubildenden für das Jahr 2007 in länderspezifischer Aufgliederung ausgewiesen. Bundesweit wurden demnach zum Stichtag 31.12.2007 insgesamt 1.594.167 Auszubildende erfasst. Davon wurden 90,3 % (1.439.041) betrieblich und 9,7 % (155.126) außerbetrieblich im oben definierten Sinne ausgebildet. In den alten Ländern betrug der Anteil der außerbetrieblichen Auszubildenden 5,4 % (68.702) an allen Auszubildenden (1.264.336). In den neuen Ländern einschließlich Berlin entfiel von allen Auszubildenden (329.831) ein Anteil von 26,2 % (86.424) auf die außerbetriebliche Ausbildung.
Zwischen den einzelnen Ländern gab es deutliche Unterschiede in der Verbreitung der außerbetrieblichen Ausbildung. In den alten Ländern wies Hamburg mit 8,0 % den höchsten prozentualen Anteil an außerbetrieblichen Ausbildungsverhältnissen auf. Bayern hatte dagegen mit 3,8 % den geringsten relativen Anteil. Unter den neuen Ländern (einschließlich Berlin) hatte die außerbetriebliche Ausbildung in Mecklenburg-Vorpommern mit einem Anteil von 30,6 % die größte quantitative Bedeutung. In Thüringen war dagegen mit 23,2 % der niedrigste Anteil zu verzeichnen.
Die Zahl der außerbetrieblichen Ausbildungsverhältnisse109 verteilte sich 2007 wie folgt auf die verschiedenen Finanzierungsarten: In den alten Ländern hatte die Ausbildung lernbeeinträchtigter und sozial benachteiligter Jugendlicher mit 59 % (40.366) einen deutlich höheren Anteil als die Ausbildung behinderter Jugendlicher mit 32 % (21.993). Auf die Förderung marktbenachteiligter Jugendlicher im Rahmen von Länderprogrammen entfielen 9 % (6.343) der Ausbildungsverhältnisse. In den neuen Ländern hatte die Ausbildung lernbeeinträchtigter bzw. sozial benachteiligter Jugendlicher mit 49 % (42.470) die größte quantitative Bedeutung, gefolgt von der durch das Bund-Länder-Programm Ost sowie die ergänzenden Länderprogramme finanzierten Ausbildung marktbenachteiligter Jugendlicher mit insgesamt 42 % (36.020). Die geförderte berufliche Eingliederung behinderter Jugendlicher hatte einen Anteil von 9 % (7.934) der Ausbildungsverhältnisse.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die außerbetriebliche Ausbildung in den neuen Ländern in erheblich höherem Maße als in den alten Ländern die Funktion hatte, Marktbenachteiligungen auszugleichen. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass in der Förderpraxis die Grenze zwischen „Marktbenachteiligung“ und originärer Benachteiligung fließend ist, d. h., bei schwieriger Ausbildungsmarktlage wird insbesondere der Kreis der lernbeeinträchtigten und sozial benachteiligten Jugendlichen weiter gezogen (Ulrich 2003). Dies macht sich in einem erheblich höheren Anteil der Benachteiligtenförderung an den Ausbildungsverhältnissen in den neuen Ländern bemerkbar: Dieser lag 2007 bei 12,9 % gegenüber nur 3,2 % in den alten Ländern.
Entwicklung von 1999 bis 2006
Übersicht A5.3.2-2
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Übersicht A5.3.2-2: Entwicklung der Auszubildenden mit betrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildungs verträgen von 1999 bis 2006
Die Entwicklung der Auszubildendenzahlen in den Jahren 1999 bis 2006 differenziert nach betrieblicher und außerbetrieblicher Ausbildung ist in Übersicht A5.3.2-2 ausgewiesen.110
Demnach sank im betreffenden Zeitraum die Gesamtzahl der Auszubildenden bundesweit um 7,5 % (-127.714), wobei die Abnahme in den neuen Ländern (-19,2 % bzw. -80.280) wesentlich stärker war als in den alten Ländern (-3,7 % bzw. -47.434). Der Rückgang entfiel vollständig auf die betrieblichen Ausbildungsverhältnisse, die sich im Bundesgebiet insgesamt um 8,8 % (-135.726) verminderten.111 In den neuen Ländern reduzierte sich die Zahl der betrieblichen Auszubildenden um 24,5 % (-78.549), in den alten Ländern um 4,7 % (-57.177). Die Zahl der außerbetrieblichen Auszubildenden stieg dagegen bundesweit um 5,3 % (+8.012). Die Zunahme betraf allerdings nur die alten Länder (+18,7 % bzw. +9.743)112, während in den neuen Ländern eine leichte Abnahme zu verzeichnen war (-1,8 % bzw. -1.731).
Der Anteil der außerbetrieblichen Ausbildung an allen Ausbildungsverhältnissen erhöhte sich damit im gesamten Bundesgebiet leicht, und zwar um 1,3 Prozentpunkte von 8,8 % im Jahr 1999 auf 10,1 % im Jahr 2006. Relativ stark stieg der Anteil der außerbetrieblichen Auszubildenden allerdings in den neuen Ländern mit 5,1 Prozentpunkten an (von 23,3 % auf 28,4 %), während er sich in den alten Ländern mit 0,9 Prozentpunkten nur wenig veränderte (von 4,1 % auf 5,0 %).
Bei einer nach Finanzierungsarten differenzierten Betrachtung der außerbetrieblichen Ausbildungsverhältnisse zeigte sich von 1999 bis 2006 folgende Entwicklung: In den alten Ländern nahm insbesondere die Zahl behinderter Jugendlicher in außerbetrieblicher Ausbildung deutlich zu, und zwar um 75,3 % (+12.283). Der Umfang der geförderten Plätze für lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte Jugendliche erhöhte sich mit 12,4 % (+3.028) weit weniger. Ein deutlicher Anstieg war bei den über Länderprogramme finanzierten Ausbildungsverhältnissen zu verzeichnen: Sie nahmen 2006 gegenüber 2005 um immerhin das 3,6-Fache zu (+4.336).113 Zurückzuführen war dies vor allem auf das in Nordrhein-Westfalen aufgelegte „Sonderprogramm Ausbildung 2006“.
In den neuen Ländern stieg von 1999 bis 2006 die Zahl der außerbetrieblichen Ausbildungsplätze für lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte Jugendliche mit 22,2 % relativ stark an (+7.861). Demgegenüber gab es bei der Förderung der beruflichen Eingliederung behinderter Jugendlicher mit einem Plus von 3,3 % (+352) nur eine leichte Veränderung. Die Zahl der über die Bund-Länder-Programme Ost geförderten außerbetrieblichen Plätze für marktbenachteiligte Jugendliche verringerte sich von 1999 bis 2006 um 11,8 % (-4.304). Bei den über die ergänzenden Länderprogramme finanzierten Ausbildungsverhältnissen war dagegen mit 98,8 % (+4.721) die stärkste relative Zunahme zu verzeichnen.
Im Hinblick auf die quantitative Entwicklung der betrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildung lässt sich zusammenfassend Folgendes festhalten: Die Zahl der Auszubildenden mit betrieblichem Vertrag sank in den neuen Ländern noch erheblich stärker als in den alten Ländern. Der Rückgang der außerbetrieblichen Ausbildungsverhältnisse war im Vergleich dazu in den neuen Ländern sehr gering. In den alten Ländern nahm die außerbetriebliche Ausbildung sogar merklich zu. In den neuen Ländern wurde die rückläufige Förderung der außerbetrieblichen Ausbildung marktbenachteiligter Jugendlicher im Rahmen der Bund-Länder-Programme Ost durch die ergänzenden Länderprogramme kompensiert. Auch in den alten Ländern gewannen die Länderprogramme zuletzt an Bedeutung. Die Förderung der beruflichen Eingliederung behinderter Jugendlicher nach SGB II und SGB III wurde in den alten Ländern erheblich verstärkt, in den neuen Ländern dagegen die Benachteiligtenförderung.
(Ursula Beicht, Joachim Gerd Ulrich)