A5.2 Berufsstrukturelle Entwicklungen in der dualen Berufsausbildung
Im Folgenden werden auf Basis der Berufsbildungsstatistik berufsstrukturelle Entwicklungen in der dualen Berufsausbildung (nach BBiG und HwO) betrachtet. Hierzu werden die Daten der Berufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes (Erhebung zum 31. Dezember) verwendet.
Zur Analyse der berufsstrukturellen Entwicklungen wird der Indikator neu abgeschlossene Ausbildungsverträge und nicht die Bestandszahlen an Auszubildenden (Summe über alle Lehrjahre) herangezogen. In den Bestandszahlen sind die Berufe je nach Ausbildungsdauer unterschiedlich stark vertreten. Zweijährige Ausbildungsberufe sind unterrepräsentiert, dreieinhalbjährige sind überrepräsentiert. Außerdem zeichnen sich aktuelle Entwicklungen deutlicher in den Neuabschlüssen als in den Bestandszahlen ab.
Im Folgenden werden berufsstrukturelle Entwicklungen betrachtet, wie sie im Rahmen von Dauerbeobachtungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) auf Basis der Berufsbildungsstatistik durchgeführt werden. Unterschieden werden hierbei: Produktions- und Dienstleistungsberufe, technische und nicht technische Ausbildungsberufe, neue Ausbildungsberufe, zweijährige Ausbildungsberufe sowie Berufe nach Ausbildungsregelungen für Menschen mit Behinderungen. Insgesamt werden ausschließlich Ausbildungsberufe nach BBiG bzw. HwO betrachtet92, vollzeitschulische Berufsausbildungen sind mit der Berufsbildungsstatistik nicht erfasst.
E Berufsbildungsstatistik
Die Berufsbildungsstatistik ist eine Totalerhebung von Auszubildenden-, Vertrags- und Prüfungsdaten zu staatlich anerkannten Ausbildungsberufen sowie Fortbildungsberufen und zu Ausbildungsregelungen für Menschen mit Behinderungen nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. Handwerksordnung (HwO).87 Überwiegend öffentlich finanzierte Berufsausbildungsverhältnisse („außerbetriebliche Ausbildungsverhältnisse“) sind auch enthalten; nicht enthalten sind vollzeitschulische Berufsausbildungen.
Mit Artikel 2a des Berufsbildungsreformgesetzes (BerBi- RefG) vom 23. März 200588, der zum 1. April 2007 in Kraft getreten ist, sind weitreichende Änderungen der Berufsbildungsstatistik eingeleitet worden. Die Erhebung der statistischen Ämter ist in § 88 BBiG geregelt. Die bis 2006 erfolgte Aggregatdatenerhebung wurde auf eine Individualdatenerfassung umgestellt; zudem wurde der Merkmalskatalog erweitert. Wenn diese Neuerungen alle umgesetzt sind, werden sich die Analysemöglichkeiten auf Basis dieser Daten erheblich verbessern (Uhly 2006a; Schaubild 10 in Uhly/Lohmüller/Arenz 2008; BMBF 2008a, S. 112 ff.).
Grundsätzlich ist aufgrund der erhebungstechnischen Umstellung der Vorjahresvergleich der Daten für 2007 nicht uneingeschränkt möglich. Zudem bedeutete für alle Beteiligten die Umstellung einer solch umfangreichen Statistik einen erheblichen Ressourcenaufwand, und es haben sich – wie zu erwarten war – einige Probleme erst im Laufe der Umstellungsarbeiten gezeigt (vgl. Schmidt 2008). Zum jetzigen Zeitpunkt liegen daher noch nicht alle neuen Merkmale89 vollständig vor, und die Daten sind zum derzeitigen Datenstand in tieferer Gliederung (regional und beruflich) noch nicht ohne Einschränkung belastbar. Aufgrund dieses deutlichen Zeitverzugs90 und der eingeschränkten Belastbarkeit der verfügbaren Daten kann im diesjährigen Datenreport noch keine Auswertung der Daten für 2007 auf einzelberuflicher Ebene vorgenommen werden.91 Selbst auf aggregierter Ebene sind Veränderungen in 2007 mit Vorsicht zu interpretieren.
E Der Indikator neu abgeschlossene Ausbildungsverträge (kurz: Neuabschlüsse)
Im Jahr 2007 hat sich die Abgrenzung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Rahmen der Berufsbildungsstatistik geringfügig geändert; erfasst sind alle im Kalenderjahr neu abgeschlossenen Verträge, die bis zum 31.12. nicht gelöst wurden. Bis 2006 lautete die Abgrenzung „alle im Kalenderjahr neu abgeschlossenen Verträge, die am 31.12. noch bestanden haben“. Da einige Ausbildungsverhältnisse im Kalenderjahr abgeschlossen und durch eine erfolgreiche Prüfung vor dem 31.12. enden, stimmen beide Abgrenzungen nicht überein. Hätte man in 2007 entsprechend der vorherigen Definition abgegrenzt, würde die Neuabschlusszahl um 0,5 % geringer ausfallen.
Zudem ist zu beachten, dass Neuabschlüsse nicht mit Ausbildungsanfänger gleichzusetzen sind. Ausbildungsverträge werden auch dann neu abgeschlossen, wenn sogenannte Anschlussverträge vorliegen (nach Abschluss einer dualen Berufsausbildung in einem der zweijährigen Berufe wird die Ausbildung in einem weiteren Ausbildungsberuf fortgeführt) oder wenn nach Abschluss einer dualen Berufsausbildung noch eine Zweitausbildung begonnen wird. Schließlich schließt auch ein Teil derjenigen mit vorzeitiger Lösung eines Ausbildungsvertrages erneut einen Ausbildungsvertrag ab (bei Wechsel des Ausbildungsbetriebs und/oder des Ausbildungsberufs).
Tertiarisierung der dualen Berufsausbildung
Die Berufsbildungsstatistik verwendet für die Erhebung nach Einzelberufen die Klassifikation der Berufe des Jahres 199293, deren oberste Gliederungseinheit 6 „Berufsbereiche“ unterscheidet: I Berufe in der Land-, Tier-, Forstwirtschaft und im Gartenbau, II Bergleute, Mineralgewinner, III Fertigungsberufe, IV Technische Berufe, V Dienstleistungsberufe und VI Sonstige Arbeitskräfte. Entsprechend der Konzeption des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)94 werden in Anlehnung an Bells Konzept eines quartären Sektors (Informationsgesellschaft) nicht die 3 Bereiche Landwirtschaft, Produktion und Dienstleistung unterschieden, sondern die Produktionsberufe (Landwirtschaft, Bergbau und Fertigungsberufe) von den primären und sekundären Dienstleistungsberufen abgegrenzt (vgl. Wolff 1990, S. 64). Im Folgenden werden auf der Basis der Berufskennziffern Produktions- von Dienstleistungsberufen unterschieden; dabei werden die Berufsbereiche I bis III den Produktionsberufen (mit Ausnahme der Berufsgruppe 52 „Warenprüfer/Versandfertigmacher“) und die Berufsbereiche IV und V sowie die Berufsgruppe 52 den Dienstleistungsberufen zugeordnet. Unter sekundären Dienstleistungstätigkeiten werden Tätigkeiten zusammengefasst, die auch als „Kopf-“ oder „Wissensarbeit“ bezeichnet werden, es handelt sich um Berufe mit den Tätigkeitsschwerpunkten Forschen, Entwickeln, Organisieren, Managen, Betreuen, Pflegen, Beraten, Lehren und Publizieren (Kupka/Biersack 2005). Unter die primären Dienstleistungsberufe fallen Berufe mit den Tätigkeitsschwerpunkten: Handels- und Bürotätigkeiten sowie allgemeine Dienste wie Reinigen, Bewirten, Lagern, Transportieren. Aufgrund von Plausibilitätsüberlegungen, Analysen auf Basis der Berufsbildungsstatistik (Uhly 2007a) und Analysen der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2006 (Hall 2007), die eine Modifikation der Berufszuordnung ergeben haben, weicht die Abgrenzung teilweise von der IAB-Einteilung95 ab (vgl. Uhly/Troltsch 2009).96
Wie im Beschäftigungssystem ist auch in der dualen Berufsausbildung ein Zuwachs des Anteils an Personen in Dienstleistungsberufen zu beobachten. Seit Mitte der 90er-Jahre steigt die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den Dienstleistungsberufen (mit Ausnahme der Jahre 2001 und 2002); in den Produktionsberufen ist sie dagegen von 1999 bis 2005 gesunken. Entsprechend ist der Anteil der Neuabschlüsse in den Dienstleistungsberufen von 50,1 % im Jahr 1995 auf 56,8 % in 2006 gestiegen Übersicht A5.2-1. Damit liegt der Dienstleistungsanteil in der dualen Berufsausbildung zwar immer noch deutlich unter dem in der Beschäftigung, wo er mehr als 70 % beträgt. Teilweise ist die große Differenz aber auch durch Spezifika der Berufsklassifikation bedingt sowie durch die Tatsache, dass im Bereich der mittleren Qualifikationsebene die Berufsausbildung insbesondere im Bereich von Dienstleistungsberufen nicht nach BBiG/HwO erfolgt, sondern vollzeitschulisch an Berufsfachschulen und insbesondere an Schulen des Gesundheitswesens. Die berufsstrukturelle Entwicklung in der dualen Berufsausbildung zeigt deutliche Entwicklungen hin zur Dienstleistungsund Wissensgesellschaft (Walden 2007). Insbesondere in den sekundären Dienstleistungsberufen ist der Anteil der Neuabschlüsse jedoch noch sehr gering, in 2006 beträgt er 15,7 % aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge. Dieser Berufsgruppe zugeordnete Ausbildungsberufe sind bislang beispielsweise Bankkaufmann/frau, Fachinformatiker/-in, Medizinische/-r Fachangestellte/-r, Laborantenberufe sowie Technische/-r Zeichner/-in. Im Umfeld von hoch qualifizierten Tätigkeiten sind auch Fachkräftetätigkeiten auf dem Qualifikationsniveau dualer Ausbildungsberufe relevant. Hier mögen besondere Potenziale für neue Ausbildungsberufe oder die Stärkung der Berufsausbildung in bereits existierenden Ausbildungsberufen bestehen, da sich im Bereich sekundärer Dienstleistungsberufe sehr günstige Beschäftigungsentwicklungen abzeichnen.
Übersicht A5.2-1: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in Produktions- und Dienstleistungsberufen1, Bundesgebiet 19802 und 1993 bis 2006
1 Berufsgruppendifferenzierung nach Tätigkeitsschwerpunkten in Anlehnung an Kupka/Biersack (IAB), modifiziert nach Hall (2007)
2 1980 alte Länder inklusive Berlin-West
Quelle: Datenbank Aus- und Weiterbildungsstatistik des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) auf Basis der Daten der Berufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes (StBA) (Erhebung zum 31. Dezember), Berechnungen des BIBB
Duale Berufsausbildung in technischen Ausbildungsberufen
An dieser Stelle wird eine breiter gefasste Abgrenzung an technischen Ausbildungsberufen als die des Berufsbereichs IV der Klassifikation der Berufe des Statistischen Bundesamtes herangezogen, denn diese ist eng begrenzt auf Ingenieure, Chemiker, Physiker, Mathematiker sowie Techniker und technische Sonderfachkräfte. Technische Berufe des Berufsbereichs der Fertigungsberufe sind dort nicht erfasst. Auch in der Fachliteratur findet sich keine klare Definition der technischen Berufe des gewerblich-technischen Bereichs. Die hier verwendete Berufsauswahl basiert auf der im Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit des Jahres 2002 (BMBF 2003, S. 12 ff.) zugrunde gelegten Abgrenzung (vgl. auch Troltsch 2004), die in 2 Einzelstudien (Uhly 2005 und 2007b) fortgeführt wurde.97 Technische Ausbildungsberufe sind demnach solche, deren Tätigkeits- und Kenntnisprofile hohe Technikanteile (z. B. hohe Anteile von Überwachen, Steuern von Maschinen, Anlagen, technischen Prozessen etc.) ergeben haben.
Von 1980 bis Mitte der 90er-Jahre ist der Anteil der technischen Ausbildungsberufe im dualen System stark zurückgegangen. Seit Mitte der 90er-Jahre zeigten sich Erfolge der Modernisierung der dualen Berufsausbildung insbesondere bei den Technikberufen, sodass eine Trendwende steigender Anteile98 technischer Ausbildungsberufe zu verzeichnen war Übersicht A5.2-2. Seit 2002 zeigen sich am Ausbildungsstellenmarkt allerdings auch Probleme bei den Technikberufen, sodass die Zahl der Neuabschlüsse dort wieder rückläufig ist. Der erneute Einbruch der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge betrifft die technischen Ausbildungsberufe noch stärker als die dualen Ausbildungsberufe insgesamt (vgl. Uhly 2005 und 2007b).99
Übersicht A5.2-2: Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in technischen Ausbildungsberufen1, Bundesgebiet 1980 und 1993 bis 2006
1 Zur Abgrenzung der technischen Ausbildungsberufe siehe auch Uhly 2007b
2 1980 alte Länder inklusive Berlin-West
Quelle: Datenbank Aus- und Weiterbildungsstatistik des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) auf Basis der Daten der Berufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes (StBA) (Erhebung zum 31. Dezember); Berechnungen des BIBB
Modernisierung der dualen Berufsausbildung
Im Folgenden werden als neue duale Ausbildungsberufe die Berufe betrachtet, die seit 1996 neu geschaffen wurden.100 Seit 1996 wurde die Modernisierung der dualen Berufsausbildung durch die Neuordnung von Ausbildungsberufen intensiviert. Hintergrund war die „Diskussion um die qualifikatorischen Konsequenzen aus den Entwicklungen in strategisch bedeutsamen Technologien, dem Sprung von der Industrie- zur Informations- und Wissensgesellschaft, der Globalisierung des Wirtschaftens und der damit verbundenen Umgestaltung der Arbeitsorganisation“ (BIBB 1998, S. 1). Im Jahr 1999 haben sich die Sozialpartner auf eine Fortführung dieser Modernisierungsoffensive geeinigt (Arbeitsgruppe Aus- und Weiterbildung 1999; BMBF 2002, S. 26 ff.). Von 1996 bis 2007 wurden 71 Ausbildungsberufe neu geschaffen. In diesen Berufen wurden im Jahr 2007 64.580 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen Übersicht A5.2-3. Dies entspricht einem Anteil von 10,4 % aller Neuabschlüsse. Mit 8.727 Neuabschlüssen in 2007 ist der Beruf Fachinformatiker/ -in der am stärksten besetzte neue Ausbildungsberuf, gefolgt vom Beruf Mechatroniker/-in mit 7.510 Neuabschlüssen. Mit deutlichem Abstand folgen die Ausbildungsberufe Mediengestalter/-in Digital und Print, Automobilkaufmann/frau mit 4.346 bzw. 4.003 Neuabschlüssen. Sowohl bei den Mechatronikern als auch bei den Automobilkaufleuten ist die Zahl der Auszubildenden seit 1998 (Jahr des Inkrafttretens der Ausbildungsordnung) nahezu stetig gestiegen. In den Berufen Fachinformatiker/-in (neu seit 1997) sowie Mediengestalter/-in Digital und Print (Vorgängerberuf neu seit 1998) ist die Auszubildendenzahl nach einem anfänglich starken Anstieg bis auf 10.506 bzw. 5.484 neu abgeschlossener Ausbildungsverträge im Jahr 2001 bis 2005 wieder zurückgegangen; seit 2006 steigen die Neuabschlüsse auch in diesen Berufen wieder. Insgesamt bleibt ein Großteil der neuen Ausbildungsberufe auch nach einigen Jahren seit ihrer Neuordnung vergleichsweise gering besetzt. Von den 3 im Jahr 2007 neu geschaffenen dualen Ausbildungsberufen wurden in dem am stärksten besetzten (Sportfachmann/ frau) 114 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Eine Konzentration auf wenige Ausbildungsberufe erfolgt allerdings nicht allein bei den neuen Ausbildungsberufen, sondern ist für die duale Berufsausbildung insgesamt zu beobachten. In ca. 60 % aller staatlich anerkannten Ausbildungsberufe101 werden jeweils weniger als 500 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen; in den 20 am stärksten besetzten staatlich anerkannten Ausbildungsberufen findet man mehr als die Hälfte aller Jugendlichen mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag.
Übersicht A5.2-3: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in neuen Ausbildungsberufen, 1996 bis 2007 (Teil 1)
Übersicht A5.2-3: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in neuen Ausbildungsberufen, 1996 bis 2007 (Teil 2)
Vgl. Berufsbildungsbericht 2008, Übersicht 27, Seite 120 f.
1 Der in 1996 neu geschaffene Ausbildungsberuf Werbe- und Medienvorlagenhersteller/-in wurde 1998 wieder aufgehoben.
2 Seit 2003 Elektroniker/-in für luftfahrttechnische Systeme
3 Neue Fachrichtung hinzugekommen
4 Ab 2000 zusätzliche Fachrichtung
5 Ab 2007 Mediengestalter/-in Digital und Print
Quelle: Datenbank Aus- und Weiterbildungsstatistik des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) auf Basis der Daten der Berufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes (StBA) (Erhebung zum 31. Dezember); Berechnungen des BIBB; Wert für 2007 aus StBA (Hrsg.) (2008): Berufliche Bildung, Fachserie 11/Reihe 3, Wiesbaden 2008
Die Entwicklung zweijähriger Ausbildungsberufe
Neben den oben genannten Neuordnungsmotiven wird in den letzten Jahren auch wieder verstärkt das Ziel verfolgt, zweijährige (theoriegeminderte) Ausbildungsberufe speziell für Jugendliche mit schlechten Startchancen zu schaffen (Kath 2005; BMBF 2005a). Auszubildende in staatlich anerkannten Ausbildungsberufen mit maximal zweijähriger Ausbildungsdauer (kurz zweijährige Ausbildungsberufe) machen im Jahr 2006 8,4 % aller Neuabschlüsse aus Übersicht A5.2-4.102 Der am stärksten besetzte zweijährige Ausbildungsberuf ist mit 21.335 Neuabschlüssen der Beruf Verkäufer/-in. In den 80er- Jahren lag der Anteil zweijähriger Ausbildungsberufe in den alten Ländern noch deutlich höher (1980: 13,7 %). Mit dem Wegfall von sogenannten gestuften Ausbildungen in den Elektroberufen im Jahr 1987 ist deren Anteil bis Mitte der 90er-Jahre bis unter 3 % stark geschrumpft. Angesichts der Situation am Ausbildungsstellenmarkt werden zweijährige Berufe seit einigen Jahren wieder verstärkt diskutiert. Seit 2003 sind 7 neue Ausbildungsordnungen für zweijährige Ausbildungsberufe in Kraft getreten. Bereits seit 1995 steigt deren Anteil an allen neu abgeschlossenen Verträgen wieder an: In den alten Ländern (ohne Berlin) fällt er mit 6,8 % (2006) deutlich geringer aus als in den neuen Ländern (14,4 %).
Die überwiegende Mehrheit (93 %) der Jugendlichen, die im Jahr 2006 einen zweijährigen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben, befindet sich in einem Ausbildungsberuf, der die Möglichkeit der Anrechnung der Ausbildung in einem drei- bzw. dreieinhalbjährigen Ausbildungsberuf vorsieht. Von den zweijährigen Ausbildungsberufen, die keine Fortführung vorsehen, ist allein der aus dem Jahr 1940 stammende Beruf Teilezurichter/-in mit 2.533 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen stärker besetzt. In welchem Ausmaß Jugendliche nach Abschluss einer zweijährigen Berufsausbildung eine duale Berufsausbildung fortführen und wie sich die genauen Bildungs- und Erwerbschancen dieser Personen darstellen, lässt sich auf Basis der Berufsbildungsstatistik nicht ermitteln. Hierzu sind spezifische Evaluationsstudien erforderlich (siehe z. B. Gruber/Weber 2007).
Übersicht A5.2-4: Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in zweijährigen Berufen an allen Neuabschlüssen, alte Länder 1980 und 1993 bis 2006, neue Länder und Bundesgebiet 1993 bis 20061
Vgl. Berufsbildungsbericht 2008, Übersicht 30, Seite 123
1 Berufe mit 24 oder mit 18 Monaten Ausbildungsdauer; inklusive der Ausbildungsverträge in zweijährigen Ausbildungsberufen mit der Möglichkeit der Fortführung der Berufsausbildung; ohne Berufe für Menschen mit Behinderungen nach § 66 BBiG 2005 bzw. § 42m HwO 2005
2 Alte Länder ab 1993 ohne Berlin; 1980 inklusive Berlin-West
3 Neue Länder inklusive Berlin
Quelle: Datenbank Aus- und Weiterbildungsstatistik des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) auf Basis der Daten der Berufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes (StBA) (Erhebung zum 31. Dezember); Berechnungen des BIBB
Die Entwicklung der Ausbildungsberufe für Menschen mit Behinderungen
In Berufen mit Ausbildungsregelungen der zuständigen Stellen für Menschen mit Behinderungen (§ 66 BBiG und § 42m HwO) wurden im Jahr 2006 14.700 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen (insgesamt 39.901 Auszubildende ausgebildet); diese Ausbildungsberufe machen im Jahr 2006 einen Anteil von 2,5 % aller Auszubildenden aus Übersicht A5.2-5.
In den neuen Ländern (inklusive Berlin) liegt der Anteil der Neuabschlüsse in den Berufen für Menschen mit Behinderungen im gesamten Beobachtungszeitraum fast dreimal so hoch wie in den alten Ländern (in 2006 5,1 % im Vergleich zu 1,8 %). In den alten Ländern ist er bis 2004 kontinuierlich angestiegen, in den neuen Ländern insbesondere zwischen 1993 und 1996 sowie 1998 und 2003. Seit 2005 sinkt der Anteil der Neuabschlüsse in den Berufen für Menschen mit Behinderungen an allen Neuabschlüssen in den alten Ländern, seit 2006 auch in den neuen Ländern. Die Bedeutungszunahme der Berufe für Menschen mit Behinderungen sowie die erheblichen Unterschiede zwischen den neuen und den alten Ländern zeigen, dass – wie auch bei Maßnahmen und Ausnahmeregelungen für Benachteiligte oder Lernbeeinträchtigte schon lange bekannt (siehe hierzu Ulrich 1998) – solche nicht alleine durch das Vorliegen entsprechender Merkmale bei den Jugendlichen zu erklären sind, sondern auch als Problemlösungsstrategien dienen, um Jugendliche trotz Ausbildungsplatzmangel mit Ausbildungsplätzen zu versorgen.
(Alexandra Uhly)
Übersicht A5.2-5: Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Berufen für Menschen mit Behinderungen1, Bundesgebiet, alte und neue Länder 1993 bis 2006 (in %)
Vgl. Berufsbildungsbericht 2008, Übersicht 31, Seite 125.
1 Berufe für Menschen mit Behinderungen nach § 66 BBiG 2005 bzw. § 42m HwO 2005 (bis April 2005 § 48 BBiG a.F. bzw. § 42b HwO a.F.); Neuabschlüsse in diesen Berufen wurden erst ab 1987 erfasst.
2 Alte Länder ohne Berlin
3 Neue Länder inklusive Berlin
Quelle: Datenbank Aus- und Weiterbildungsstatistik des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) auf Basis der Daten der Berufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes (StBA) (Erhebung zum 31. Dezember); Berechnungen des BIBB