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DATENREPORT ZUM BERUFSBILDUNGSBERICHT 2011

A2.1 Unterscheidung zwischen Ausbildungsplatznachfrage und Nachfragepotenzial

Im Zusammenhang mit der abschließenden Ausbildungsmarktbilanzierung wird die Ausbildungsplatznachfrage eines Jahres in Anlehnung an das Berufsbildungsgesetz (§ 86 BBiG) als Summe zweier Posten berechnet. Der eine Posten spiegelt die erfolgreiche Nachfrage wider und resultiert aus der Zahl der am 30. September noch bestehenden Ausbildungsverträge, die in den vorausgegangenen 12 Monaten abgeschlossen wurden (vgl. Kapitel A1.1). Der andere Posten repräsentiert die erfolglose Ausbildungsplatznachfrage, die am 30. September des entsprechenden Jahres30 noch sichtbar war. Sie wird über die Zahl der am 30. September „bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Ausbildungsplätze suchenden Personen“ bestimmt (vgl. in Kapitel A1).

Aus dieser Definition resultiert allerdings, wie bereits zu Beginn der Berufsbildungsberichterstattung in den 1970er-Jahren vermerkt wurde, „eine Nachfragegröße, die gemessen an den eigentlichen Ausbildungswünschen der Betroffenen eher zu niedrig (…) als zu hoch ist“, da „unter den Ausbildungsplatzsuchenden bei den Arbeitsämtern diejenigen nicht mehr enthalten sind, die ihren Ausbildungswunsch wegen mangelnden Angebots schon aufgegeben haben“ (Bundesminister für Bildung und Wissenschaft 1977, S. 24). Mit anderen Worten: Erfolglose Ausbildungsstellenbewerber/-innen, die ihre Suche nach einem Ausbildungsplatz bereits vor dem 30. September einstellen, werden bei der abschließenden Ermittlung der Ausbildungsplatznachfrage nicht mitgezählt.31 Der Grund für diese restriktive Messung liegt darin, dass über die Motivlage der Bewerber, die ihren Vermittlungswunsch vor dem 30. September stornieren, aus den Daten der Geschäftsstatistik der Bundesagentur für Arbeit nichts Näheres hervorgeht (Bundesagentur für Arbeit 2010). Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass sich die betreffenden Bewerber/-innen auch freiwillig umorientierten.

Methodische Belange machen es allerdings erforderlich, bei der Vorausschätzung künftiger Nachfrageentwicklung auch jene Bewerber/-innen zu berücksichtigen, die nicht in eine Berufsausbildungsstelle einmünden und dennoch ihre Suche vor dem 30. September einstellen. Es erscheint paradox, dass die vorzeitigen Abbrecher der Suche wiederum fehlen, wenn die spätere Bilanzierungsgröße „Ausbildungsplatznachfrage“ vorausgeschätzt werden soll. Doch eine solche Schätzung kann nur gelingen, wenn sie das vollständige Nachfragepotenzial zugrunde legt, aus dem der Bedarf der Wirtschaft und Verwaltungen nach neuen Auszubildenden gedeckt werden kann. Eine solche Schätzung muss darüber hinaus die Marktlage einbeziehen. So werden z. B. bei einer stark verbesserten Marktlage deutlich weniger Ausbildungsstellenbewerber erfolglos bleiben und somit auch deutlich weniger Bewerber/-innen wegen Erfolglosigkeit ihre Suche noch vor dem 30. September aufgeben. Diese Jugendlichen – die bei schlechter Marktlage nicht zu den Ausbildungsplatznachfragern gezählt worden wären – fließen nun als erfolgreiche Bewerber/-innen in die offizielle Bilanzierungsgröße „Ausbildungsplatznachfrage“ mit ein und tragen jetzt auch statistisch zu einer höheren Nachfrage bei.

Die Entwicklung der künftigen Ausbildungsplatznachfrage kann ohne Berücksichtigung des Nachfragepotenzials nicht verlässlich geschätzt werden. Dieses Nachfragepotenzial bezieht sich auf alle Personen, die sich während einer Berichtsperiodean einer dualen Berufsausbildung interessiert zeigen.32 Die Bilanzierungsgröße Ausbildungsplatznachfrage stellt eine Variable dar, die sich statistisch nicht weitgehend unabhängig von der Angebotsseite des Ausbildungsmarktes – Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze – entwickelt (Behringer / Ulrich 1997): Denn wenn das Angebot relativ hoch ausfällt, hat dies auch positive Auswirkungen auf den Umfang der Ausbildungsplatznachfrage; ist es dagegen niedrig, verringert dies auch die Nachfrage (Ulrich 2005). Das Nachfragepotenzial wird dagegen vor allem von den Bildungsaspirationen der Jugendlichen bestimmt und reagiert weitaus weniger auf zwischenzeitliche Angebotsschwankungen.

E Ausbildungsplatznachfrage und Nachfragepotenzial

Zur Ausbildungsplatznachfrage zählen jene ausbildungsinteressierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die zwischen dem 1. Oktober des Vorjahres und dem 30. September einen neuen Ausbildungsvertrag abschlossen (= erfolgreiche Nachfrage) oder aber zum Stichtag 30. September bei der Bundesagentur für Arbeit als Ausbildungsstellenbewerber registriert waren, welche auch noch zu diesem Zeitpunkt nach einer Berufsausbildungsstelle suchten (= erfolglose Nachfrage). Zum Nachfragepotenzial werden alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen gerechnet, die sich zwischen dem 1. Oktober des Vorjahres und dem 30. September für eine duale Berufsausbildung interessierten. Im Unterschied zur Ausbildungsplatznachfrage zählen hierzu auch jene Personen, die ihr Ausbildungsinteresse noch vor dem 30. September wieder aufgeben oder auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.

Aus diesem Grund wird im Folgenden zunächst unter Berücksichtigung der Bildungsaspirationen der Jugendlichen die künftige Entwicklung des Nachfragepotenzials abgehandelt, um erst im zweiten Schritt unter Berücksichtigung der Angebotsentwicklung die Vorausschätzung der Ausbildungsplatznachfrage vorzunehmen, wie sie in der nächsten Ausbildungsmarktbilanzierung zum 30. September 2011 errechnet werden könnte. Hierfür wird ein ökonometrisches Schätzverfahren verwendet, das die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Angebot und Nachfrage berücksichtigt (Lösch/Kau 2005).

Fußnoten

30 Wenn im Folgenden von „Jahr“ oder „Berichtsjahr“ die Rede ist, ist – sofern nicht explizit anders vermerkt – stets der Zeitraum vom 1. Oktober des Vorjahres bis zum 30. September des genannten Jahres gemeint.

31 Von diesem Problem ist auch die sogenannte erweiterte Nachfragemessung betroffen (vgl. Kapitel A1.1), bei der zu den erfolglosen Ausbildungsplatzfragern neben den „unversorgten Bewerbern“ auch die „Bewerber mit Alternative zum 30.09.“ gezählt werden. Zu den „Bewerbern mit Alternative zum 30.09.“ zählen allerdings nur jene alternativ verbliebenen Bewerber/-innen, die noch zum Stichtag 30. September einen Ausbildungsplatz suchen (Bundesagentur für Arbeit 2010).

32 Auch das Berufsbildungsgesetz (BBiG) fordert dazu auf, bei der Vorausschau eine umfassendere Perspektive einzunehmen. So ist laut Gesetzestext für die künftige Bewerbungs- und Vermittlungsperiode „die bis zum 30. September des laufenden Jahres zu erwartende Zahl der Ausbildungsplätze suchenden Personen“ (§ 86) zu ermitteln (Lakies/Nehls 2007, S. 323). Demnach geht es um die kumulierte Größenordnung der Jugendlichen, die im Laufe des Jahres nach einer Berufsausbildung suchen. Dabei spielt die Frage, ob und wann die Suche eingestellt wird, keine Rolle (denn ansonsten blieben auch alle erfolgreichen Bewerber/-innen unberücksichtigt, die einen Ausbildungsvertrag abschließen und ihre Suche deshalb schon vor dem 30. September einstellen). Somit sind auch jene erfolglosen Bewerber/-innen einzubeziehen, die nicht bis zum Stichtag 30. September (immerhin schon mehrere Wochen nach Beginn des neuen Ausbildungsjahrs) weitersuchen möchten, sondern sich sicherheitshalber rechtzeitig um eine Alternative bemühen. Für eine vorzeitige Einstellung der Suche und rechtzeitige Aufnahme einer Alternative kann es durchaus gute Gründe geben, denn die Chancen auf eine nachträgliche Einmündung in eine Berufsausbildungsstelle sind mehrere Wochen nach Beginn des neuen Ausbildungsjahres nur noch relativ gering (vgl. Kapitel A1.1). Die zwischen Rückblick (abschließende Marktbilanzierung) und Vorschau (Vorausschätzung) abweichende Nachfragedefinition im Gesetzestext bedeutet nun nicht, dass auf eine Vorausschätzung der offiziellen Bilanzierungsgröße „Ausbildungsplatznachfrage“ verzichtet werden sollte. Als bildungspolitisch bedeutsamer Indikator stellt diese Größe vielmehr auch in der Prognose eine wichtige Variable dar.

Bibliographischer Hinweis

Internetversion des BIBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2011 - Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2011).

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