B2.2.2 Berufliche Weiterbildung durch gewerkschafts- und arbeitgebernahe Institutionen
Gewerkschafts- und arbeitgebernahe Institutionen sind wichtige Anbieter beruflicher Weiterbildung. In der Erhebung von Wirtschafts- und Sozialforschung (2005) machen sie zusammen knapp ein Zehntel der Weiterbildungsorganisationen in Deutschland aus (Anbieter in gewerkschaftlicher Trägerschaft: 1,5 %; Anbieter in Trägerschaft von Arbeitgeberverbänden und Kammern: 7,8 %; vgl. Wirtschafts- und Sozialforschung 2005, S. 38). Aktuelle Daten der wbmonitor Umfrage des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) bestätigen diese Größenordnung; demnach sind 7,8 % der Weiterbildungsanbieter „wirtschaftsnahe Einrichtungen“, die Gewerkschaften sind hier nicht als Einzelkategorie ausgewiesen.253
Bei der Betrachtung von Teilnahmefällen zeigt der Adult Education Survey (AES) aus dem Jahr 2007, dass sich in der betrieblichen Weiterbildung254 5 % der Teilnahmefälle auf eine Weiterbildungsveranstaltung bei einer Industrie- und Handelskammer bzw. einem Wirtschaftsverband bezogen (Gewerkschaften: 1 %), in der individuellen beruflichen Weiterbildung255 betrug der Anteilswert 7 % (Gewerkschaften: nicht mehr messbar) (vgl. Rosenbladt / Bilger 2008, S. 105). Dazu kommen weitere Teilnahmefälle bei Einrichtungen der Wirtschaft bzw. der Gewerkschaften, die unter dem Oberbegriff „Weiterbildungseinrichtung“ gezählt wurden, sowie Angebote im Auftrag des Arbeitgebers, die Einrichtungen von Kammern, Wirtschaftsverbänden oder Gewerkschaften im Rahmen von Firmenseminaren durchgeführt haben (vgl. Rosenbladt / Bilger 2008, S. 107, 104). Dabei sind diese Anbieter in höherem Maße als andere im Bereich der Berufsvorbereitung, Berufsausbildung und Umschulung tätig und ermöglichen damit für Arbeitskräfte den Erwerb zertifizierter Qualifikationen (Trägerzertifikate oder anerkannte Abschlüsse) (vgl. Wirtschafts- und Sozialforschung 2005, S. 39; vgl. auch den Unterschied zur nicht berufsbezogenen Weiterbildung bei Rosenbladt / Bilger 2008, S. 105).
E Datenbasis zu Angeboten gewerkschafts- und arbeitgebernaher Institutionen
Die in diesem Abschnitt dargestellten Daten stammen teilweise aus Veröffentlichungen der gewerkschafts- bzw. arbeitgebernahen Anbieter, teilweise wurden die Daten aber auch von den Anbietern selbst für die Veröffentlichung im BIBB-Datenreport zusammengestellt. Es handelt sich um Angaben zur Anzahl der Veranstaltungen und Anzahl der Teilnehmenden; teilweise liegen auch Angaben zu den Unterrichtsstunden und zum Umfang einzelner Themenbereiche vor.
Angebot an beruflicher Weiterbildung in gewerkschaftsnahen Institutionen
Während die politische Bildungsarbeit und die spezifisch auf Gewerkschaftsaufgaben bezogene Bildungsarbeit (z. B. Betriebsräteschulungen) von den Gewerkschaften selbst auf allen Ebenen durchgeführt werden (lokal, regional und bundesweit) und sowohl in Dach- als auch in Einzelgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) stattfindet256, ist die berufliche Weiterbildung bei eigenen gewerkschaftsnahen Anbietern nur auf Bundesebene angesiedelt (vgl. Derichs-Kunstmann 2009, S. 509). Das Berufsfortbildungswerk (bfw) des DGB (das in zwei rechtlich selbstständige GmbHs für die alten und die neuen Länder aufgeteilt ist) und die Deutsche Angestellten Akademie GmbH (DAA), die aus dem Bildungswerk der DAG e. V. hervorgegangen ist, sind mittlerweile Firmen, die bei öffentlichen Ausschreibungen mit freien Anbietern konkurrieren. Die Gewerkschaften sind über Arbeitnehmervertreter / -innen allerdings in den Kontrollgremien der Institute vertreten. Tabelle B2.2.2-1 zeigt die Anzahl der Veranstaltungen und Teilnehmenden in den beiden Berufsfortbildungswerken des DGB. In beiden Landesteilen war das Angebot bis 2005 rückläufig, ab 2006 sind die Veranstaltungs- und Teilnehmendenzahlen kontinuierlich gestiegen. 2009 wurden bundesweit 3.371 Veranstaltungen mit 66.000 Teilnehmenden durchgeführt. Die weitere Zunahme des Angebots ist auch auf einen Anstieg der geförderten Weiterbildung zurückzuführen (vgl. Berufsfortbildungswerk 2010, S. 18).
Große Bedeutung hatten im Jahr 2009 während der Wirtschafts- und Finanzkrise Maßnahmen der Beschäftigungssicherung wie Qualifizierung in der Kurzarbeit sowie das Sonderprogramm „Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen“ (WeGebAU) der Bundesagentur für Arbeit (vgl. Kapitel B3.1). Besonders engagierten sich die Unternehmen der bfw-Gruppe dabei 2009 mit unternehmensspezifischen Angeboten in der Metall- und Elektroindustrie. Beispielsweise wurden für Mitarbeitende, die bisher ohne anerkannten Abschluss waren, in mehreren Firmen Qualifizierungen zum / zur Maschinen- / Anlagenführer / -in (IHK) durchgeführt (vgl. Berufsfortbildungswerk 2010, S. 20–23). Ein weiterer Schwerpunkt von Lehrgängen lag in den letzten Jahren bei Maßnahmen für die Branchen „Erneuerbare Energien“ und „Gesundheitswirtschaft“ (vgl. Berufsfortbildungswerk 2010, S. 11).
Die DAA führt Fortbildungen, Umschulungen und Weiterbildungen im IT-Bereich, Sprachlehrgänge, kaufmännische, gewerblich-technische und Verwaltungslehrgänge, eine Bildungsmaßnahme mit einem öffentlich-rechtlichen (z. B. IHK) oder staatlichen Abschluss ab. Die Entwicklung der Zahlen im Zeitverlauf zeigt nach einem Minimum im Jahr 2005 einen stetigen Anstieg der Teilnahmezahlen, während die Anzahl der Veranstaltungen nach leichten Schwankungen in den letzten Jahren 2010 ein Minimum im beobachteten Zeitraum aufweist. Die gestiegenen Teilnahmezahlen bei sinkender Veranstaltungszahl deuten auf eine höhere Anzahl von Teilnehmenden pro Maßnahme hin; gleichzeitig wurden aber auch die Maßnahmen selbst verkürzt, wodurch sich das Verhältnis von Maßnahmen und Teilnehmenden verschoben hat. Betrug die durchschnittliche Dauer von FbW-Maßnahmen vor 2003 noch ca. 11 Monate, so ist sie aktuell auf unter 6 Monate abgesunken.258 Lehrgänge im Hotel- und Gastgewerbe, Lehrgänge im Gesundheitswesen sowie Maßnahmen der sonstigen beruflichen Integration257 durch Tabelle B2.2.2-2. Letztere erreichten im Jahr 2010 mehr als die Hälfte der Teilnehmenden und machten ein Drittel aller durchgeführten Aktivitäten aus. Ein weiterer Schwerpunkt des Angebots liegt entsprechend der Tradition der DAA im Bereich Wirtschaft und Verwaltung (2010: 39,5 % der Veranstaltungen, 27,2 % der Teilnehmenden).
Die an den Maßnahmen Teilnehmenden sind sowohl Arbeitssuchende als auch Beschäftigte aus Firmen und Behörden. Teilweise wird die Teilnahme öffentlich gefördert, teilweise tragen die Teilnehmenden die Kosten für die Weiterbildung selbst. Eine Bildungsoder Vermittlungsmaßnahme kann zwischen 4 Wochen und 24 Monaten dauern, je nach Bildungsziel und Zielgruppe. Hauptfinanziers im öffentlich geförderten Sektor sind die Arbeitsverwaltung, die Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) und Optionskommunen (SGB II und SGB III), Berufsgenossenschaften und die Deutsche Rentenversicherung, die Bundeswehr, der Bund, Bundesländer und die Europäische Union. Häufig werden Aktivitäten neben der Förderung durch deutsche Stellen über den Europäischen Sozialfonds kofinanziert. Mehr als 19.000 Teilnehmende schließen eine Bildungsmaßnahme mit einem öffentlich-rechtlichen (z. B. IHK) oder staatlichen Abschluss ab.
Die Entwicklung der Zahlen im Zeitverlauf zeigt nach einem Minimum im Jahr 2005 einen stetigen Anstieg der Teilnahmezahlen, während die Anzahl der Veranstaltungen nach leichten Schwankungen in den letzten Jahren 2010 ein Minimum im beobachteten Zeitraum aufweist. Die gestiegenen Teilnahmezahlen bei sinkender Veranstaltungszahl deuten auf eine höhere Anzahl von Teilnehmenden pro Maßnahme hin; gleichzeitig wurden aber auch die Maßnahmen selbst verkürzt, wodurch sich das Verhältnis von Maßnahmen und Teilnehmenden verschoben hat. Betrug die durchschnittliche Dauer von FbW-Maßnahmen vor 2003 noch ca. 11 Monate, so ist sie aktuell auf unter 6 Monate abgesunken.258 Im Hintergrund steht bei öffentlich geförderten Maßnahmen das Bestreben, die Lehrgänge durch passgenaue Module individuell zuzuschneiden und damit eine schnellere Wiedereingliederung der Teilnehmenden in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Zu dem im Verhältnis zu den Maßnahmezahlen immer noch sehr starken Anstieg der Teilnehmendenzahlen haben auch mehrere Projekte über den § 46 SGB III beigetragen, in denen pro Maßnahme mehrere Tausend Teilnehmende erfasst sein können.
Tabelle B2.2.2-1: Veranstaltungen und Teilnehmende der Berufsfortbildungswerke des DGB, 2000 bis 2009
Tabelle B2.2.2-2: Maßnahmen und Teilnehmende der Deutschen Angestellten Akademie GmbH (DAA) nach Themenbereichen, 2004 bis 2010
Quelle: Mitteilung der Deutschen Angestellten Akademie GmbH (DAA)
Angebot an beruflicher Weiterbildung in arbeitgebernahen Institutionen
Der „Wuppertaler Kreis e. V.“ – Bundesverband betriebliche Weiterbildung versteht sich als Zusammenschluss von großen Weiterbildungseinrichtungen der Wirtschaft. Ziel des Verbandes ist es u. a., die Weiterbildung von Fach- und Führungskräften der Wirtschaft durch Interessenvertretung und Öffentlichkeitsarbeit zu fördern. Der Wuppertaler Kreis hat derzeit 50 Mitglieder. Darunter sind neben branchen- und firmenbezogenen Einrichtungen einige Bildungswerke der Wirtschaft in großen Bundesländern (z. B. Bildungswerk der Bayerischen, Niedersächsischen und Nordrhein-Westfälischen Wirtschaft). Es gibt neben den im Wuppertaler Kreis vertretenen noch andere regional strukturierte Bildungswerke der Wirtschaft, zu deren Angebot keine Daten vorliegen.259
Die Daten in Tabelle B2.2.2-3 sind der jährlichen Verbandsumfrage des Wuppertaler Kreises „Trends der Weiterbildung“ entnommen.
Ab 2004 ist die Zahl der von den Mitgliedseinrichtungen durchgeführten Veranstaltungen auf zuletzt 121.000 kontinuierlich gestiegen; ab 2005 stieg auch die Zahl der unterschiedlichen Standorte, an denen die Veranstaltungen durchgeführt wurden (2009: 849). Die Anzahl der Teilnehmenden blieb seit Beginn der Zählung (2006) in etwa stabil bei 1,1 bis 1,2 Millionen. Die meisten Mitgliedseinrichtungen des Wuppertaler Kreises bieten mehrere unterschiedliche Bildungsdienstleistungen an. Durchschnittlich wurde etwa ein Drittel des Umsatzes (33,2 %) mit offenen Seminaren erzielt, die sich vor allem an Mitarbeitende mittelständischer Unternehmen richten. Dieser Bereich, der im Jahr 2000 noch mehr als die Hälfte des Umsatzes erzielte, hat seitdem an Bedeutung verloren, die jetzige Größenordnung wird vom Verband aber als stabil eingeschätzt. Daneben sind firmenintern durchgeführte Seminare mit 22,5 % und öffentlich geförderte Maßnahmen mit 21,9 % Umsatzanteil wichtige Geschäftsfelder. Zugenommen hat neben den firmeninternen Maßnahmen in den letzten Jahren der Anteil des Umsatzes, der mit Beratungs- und Coachingdienstleistungen für Fach- und Führungskräfte erzielt wird (2009: 7,9 %) (Wuppertaler Kreis 2010, S. 3 f.).
Tabelle B2.2.2-3: Veranstaltungen, Teilnehmende, Standorte und Mitglieder des Wuppertaler Kreises 2000 bis 2009
Angebot an beruflicher Weiterbildung bei den Kammern
Die Industrie- und Handelskammern bieten an ihren lokalen und regionalen Standorten, häufig in Zusammenarbeit mit eigenen Bildungszentren, berufliche Weiterbildung an. Auch die Handwerkskammern bieten berufliche Weiterbildung an, allerdings liegen aus den letzten Jahren keine bundesweiten Daten vor.
Bei den Veranstaltungen der Industrie- und Handelskammern handelt es sich in der Regel um berufsbegleitende Seminare und Lehrgänge, von denen ein Teil direkt auf IHK-Prüfungen vorbereitet. Das Themenspektrum der Lehrgänge umfasst die Bereiche aller Wirtschaftsunternehmen, die Mitglied der jeweiligen IHK sind. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag veröffentlicht in seinem Bildungsbericht jährlich Daten zur Anzahl der Veranstaltungen, Anzahl der Unterrichtsstunden und Anzahl der Teilnehmenden, die in Tabelle B2.2.2-4 dargestellt sind.
Insgesamt ist im Jahr 2009 die Anzahl der Veranstaltungen und Teilnehmenden leicht zurückgegangen, die Zahl der Unterrichtsstunden ist jedoch, dem Trend der letzten Jahre folgend, weiter angewachsen (+4,3 % im Vergleich zu 2008) (vgl. BIBB-Datenreport 2010, Kapitel B2.2.2). Zugenommen haben gegenüber dem Vorjahr vor allem die Maßnahmen, in denen kaufmännische Inhalte vermittelt werden, und hier wiederum die unterrichtsstundenintensiveren Lehrgänge der Aufstiegsbildung. Die Differenzierung nach den Kategorien Aufstiegsbildung und Anpassungsbildung sowie nach Themenbereichen für das Jahr 2009 zeigt Tabelle B2.2.2-5.
Mehr als die Hälfte aller Unterrichtsstunden in Lehrgängen der Industrie- und Handelskammern entfielen 2009 auf den Bereich der Aufstiegsbildung (z. B. zum / zur Fachkaufmann / -frau oder zum / zur Industriemeister / -in; vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag 2010, S. 74 ff.; vgl. Kapitel B1.3). Gegenüber 2008 ist die Zahl der Veranstaltungen in allen Bereichen der Aufstiegsbildung gewachsen, mit Ausnahme des Themas IT und Medien. In der Anpassungsbildung sind die Veranstaltungen in allen Themenbereichen bis auf die kaufmännischen Lehrgänge zurückgegangen, dabei haben jedoch die Unterrichtsstunden in Lehrgängen zu Querschnittsthemen zugenommen (von 158.000 im Jahr 2008 auf 182.000 im Jahr 2009). Besonders stark sind in der Anpassungsbildung die Unterrichtsstunden im Bereich der industriell-technischen Lehrgänge gesunken, der Anteil an allen Unterrichtsstunden lag 2009 nur mehr bei 7,5 % (2008: 12,2 %). Firmenseminare, die nicht öffentlich zugänglich sind, haben im Jahresvergleich abgenommen; ihr Anteil betrug 2009 12,6 % aller Lehrgänge (2008: 15,7 %).
Insgesamt gibt es über die Angebote gewerkschaftsund arbeitgebernaher Institutionen ein breites Spektrum an Möglichkeiten der beruflichen Weiterbildung auf verschiedensten Niveaus und für verschiedenste Zielgruppen. Ein Teil der in diesem Kapitel dargestellten Angebote ist auch über die Förderstatistiken der Bundesagentur abgebildet (vgl. Kapitel B3.1). Ein anderer Teil, der mit Zertifikaten oder Fortbildungsprüfungen abschließt, findet sich in den Daten zu Prüfungsabschlüssen wieder (vgl. Kapitel B1.3).
Elisabeth Reichart, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (DIE)
Tabelle B2.2.2-4: Veranstaltungen, Unterrichtsstunden und Teilnehmende der Industrie- und Handelskammern, 1995 bis 2009
Tabelle B2.2.2-5: Veranstaltungen, Unterrichtsstunden und Teilnehmende der Industrie- und Handelskammern nach Themenbereichen, 2009