A3.2 Regionale Mobilität von Ausbildungsstellenbewerbern und -bewerberinnen – Ergebnisse der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008
Trotz einer insgesamt leichten Entspannung auf dem Ausbildungsstellenmarkt – die vor allem auf den demografisch bedingten Rückgang bei den gemeldeten Bewerbern und Bewerberinnen zurückzuführen ist – war im Geschäftsjahr 2007/2008 die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt regional sehr unterschiedlich vgl. Kapitel A1.1, A1.2 und A1.3. So gab es auf der einen Seite Bundesländer, in denen den gemeldeten Ausbildungsstellenbewerbern und -bewerberinnen ein hohes betriebliches Ausbildungsplatzangebot gegenüberstand Übersicht A3.2-1. Auf der anderen Seite gab es jedoch auch Länder, in denen die gemeldeten betrieblichen Stellen weit unter der Zahl der gemeldeten Bewerber/ -innen52 blieben. Beispielsweise fielen in Berlin auf 100 gemeldete Bewerber/-innen lediglich 38,5 gemeldete betriebliche Ausbildungsstellen. Bewerber/ -innen aus Regionen, in denen das Ausbildungsplatzangebot nicht ausreichte, mussten also zwangsläufig im Rahmen ihrer Ausbildungsplatzsuche auch Angebote außerhalb der Heimatregion in Betracht ziehen.53 Wie groß die Mobilität der gemeldeten Bewerber/-innen in Deutschland im Geschäftsjahr 2007/2008 war und mit welchen Faktoren sie in Zusammenhang steht, kann jedoch nicht aus den amtlichen Statistiken abgeleitet werden. Zu dieser Frage sind Stichprobenuntersuchungen erforderlich.
Übersicht A3.2-1: Gemeldete betriebliche Ausbildungsstellen je 100 gemeldete Bewerber/-innen im Berichtsjahr 2007/2008
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnungen
Ausmaß des überregionalen Bewerbungsverhaltens
Im Rahmen der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008 hat das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) Bewerber/-innen unter anderem zu ihrer regionalen Mobilitätsbereitschaft befragt. Erfasst wurde hierzu, ob sich die Jugendlichen auf Ausbildungsstellen bewarben, die mehr als 100 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt lagen.
Je nach Heimatregion fiel der Anteil der Bewerber und Bewerberinnen, die entsprechende Bewerbungen versandt hatten, recht unterschiedlich aus Übersicht A3.2-2. Während sich in Baden-Württemberg lediglich 13 % der gemeldeten Bewerber/ -innen, die aktiv auf Ausbildungsplatzsuche gewesen waren, überregional beworben hatten, waren es in Mecklenburg-Vorpommern 58 %. Insgesamt war die überregionale Bewerbungsstrategie in den neuen Ländern (38 %) stärker verbreitet als in den alten (16 %). Bei einem Vergleich der Mobilitätsquoten aus dem Jahr 2008 (Bundesgebiet: 21 %) mit denen aus der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2006 (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2008a, S. 69 ff.) wird deutlich, dass die regionale Mobilitätsbereitschaft – außer in Mecklenburg- Vorpommern (2006: 53 %) – in allen Bundesländern gesunken ist (Bundesgebiet 2006: 27 %). Diese Veränderung ist wohl auf die leichte Entspannung auf dem Ausbildungsstellenmarkt und der damit gesunkenen Notwendigkeit der regionalen Mobilität zurückzuführen.
Die Ursachen für die starken regionalen Abhängigkeiten sind hauptsächlich auf die unterschiedliche Arbeitsmarktsituation und Siedlungsstruktur zurückzuführen. In Regionen mit einer recht guten Beschäftigungssituation (Arbeitslosenquote von unter 5 %) bewarben sich lediglich 15 % der gemeldeten Bewerber und Bewerberinnen überregional. Dagegen stieg mit wachsenden Arbeitslosenquoten vor Ort der Anteil der mobilen Jugendlichen auf bis zu 38 % Übersicht A3.2-3. Umgekehrt verhielt es sich mit der Einwohnerdichte: Je geringer die Einwohnerdichte je Quadratkilometer war – d.h. je ländlicher die Region war – ,desto eher konzentrierten sich die Bewerber und Bewerberinnen auch auf Ausbildungsplätze außerhalb der Heimatregion. Dies zeigt, dass die eher geringen Mobilitätsquoten von Jugendlichen aus den alten Ländern nicht mit deren unzureichender Flexibilität gleichgesetzt werden dürfen. Sie weisen lediglich darauf hin, dass es für diese Jugendlichen eine geringere Notwendigkeit gab, sich überregional zu bewerben. Dagegen spricht die hohe Mobilitätsbereitschaft von Jugendlichen aus den ländlichen Teilen Deutschlands und aus Regionen mit einem angespannten Arbeitsmarkt für deren hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an die strukturellen Gegebenheiten des Ausbildungsstellenmarktes.
Neben den strukturellen Bedingungen spielen aber auch personenspezifische Faktoren eine Rolle Übersicht A3.2-4. So war der Anteil der jungen Frauen (24 %) unter den Bewerbern und Bewerberinnen, die aktiv auf Ausbildungsplatzsuche waren und sich überregional bewarben, höher als der Anteil der Männer (18 %). Zudem fiel die Mobilitätsbereitschaft besonders hoch unter den gut qualifizierten Ausbildungsstellenbewerbern und -bewerberinnen aus: Demgemäß stieg der Anteil der regional mobilen Bewerber/-innen nicht nur mit der Höhe des Schulabschlusses, sondern auch mit den Noten in Deutsch und Mathematik. Dass die Mobilitätsquoten vor allem bei den Jugendlichen mit (Fach-)Hochschulreife hoch ausfallen, dürfte aber auch mit ihrem höheren Alter in Zusammenhang stehen. Denn grundsätzlich zeigten sich ältere Bewerber und Bewerberinnen mobiler als jüngere. Der Migrationshintergrund55 wirkte sich tendenziell hemmend auf die Mobilitätsbereitschaft aus. So bewarben sich 23 % der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund auch außerhalb der Heimatregion, aber nur 14 % der Bewerber und Bewerberinnen mit Migrationshintergrund. Hier muss allerdings beachtet werden, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund eher in den alten Ländern sowie in städtischen Regionen leben (Konsortium Bildungsberichterstattung 2006; Ulrich/Eberhard/ Krekel 2007), sodass für sie erst einmal – aufgrund der regionalen Rahmenbedingungen – eine geringere Notwendigkeit zur regionalen Mobilität besteht. Inwiefern die einzelnen strukturellen und personenspezifischen Faktoren miteinander interagieren und wie stark sie die Mobilitätsbereitschaft tatsächlich beeinflussen, kann an dieser Stelle noch nicht beantwortet werden; weiter gehende Analysen zu diesem Thema sind geplant.
E BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008
Bei der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008 handelt es sich um eine schriftlich-postalische Repräsentativerhebung von rund 5.000 Personen. Grundgesamtheit waren diejenigen 620.002 Jugendlichen, die im Berichtsjahr 2007/2008 bei der Bundesagentur für Arbeit als Ausbildungsstellenbewerber und -bewerberinnen gemeldet waren und ihren Wohnsitz im Inland hatten. Die Stichprobe wurde von der BA gezogen. Die anonym durchgeführte Befragung fand von Ende November 2008 bis Anfang März 2009 statt. Insgesamt wurden 13.000 Personen angeschrieben. Die Auswahl erfolgte per Zufall unter Beteiligung aller Arbeitsagenturbezirke. Der Rücklauf betrug 5.167 (40 %). In die Auswertung gelangten 5.048 Bogen; ausgeschlossen wurden verspätet eingegangene, sehr unvollständig ausgefüllte Fragebogen und Bogen, die regional nicht eindeutig zugeordnet werden konnten. Die Ergebnisse wurden über eine Soll-Ist-Anpassung gewichtet und auf die Grundgesamtheit der Bewerber und Bewerberinnen mit inländischem Wohnsitz hochgerechnet. Hochrechnungsmerkmale waren die Herkunftsregion, das Geschlecht und die offizielle Verbleibseinstufung der Bewerber/-innen.54 Aufgrund des engen Zeitfensters, das für die Auswertung zur Verfügung stand, handelt es sich hier noch um vorläufige Ergebnisse.
Regionale Mobilität
Im Rahmen der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008 werden alle Jugendlichen als regional mobil bezeichnet, die sich auf Ausbildungsplätze bewarben, die mehr als 100 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt lagen – und zwar ungeachtet der Tatsache, ob sie tatsächlich eine Berufsausbildung außerhalb der Heimatregion antraten.
Übersicht A3.2-2: Ausmaß der regionalen Mobilität unter den gemeldeten Bewerber/-innen des Geschäftsjahres 2007/2008 nach Bundesländern
Quelle: BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008
Übersicht A3.2-3: Einfluss situativer Merkmale auf die regionale Mobilität der gemeldeten Bewerber/-innen des Geschäftsjahres 2007/2008
* Es handelt sich hierbei um die Septemberzahlen 2008
Quelle: BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008
Übersicht A3.2-4: Einfluss personenspezifischer Merkmale auf die regionale Mobilität der gemeldeten Bewerber/-innen des Geschäftsjahres 2007/2008
Quelle: BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008
Umzug nach Ausbildungsbeginn
Neben der grundsätzlichen regionalen Mobilitätsbereitschaft wurde im Rahmen der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008 auch die tatsächlich realisierte Mobilität von Jugendlichen untersucht, die in eine Ausbildung eingemündet waren. Insgesamt hatten hochgerechnet 237.483 (38 %) Personen eine betriebliche Berufsausbildung begonnen. Von ihnen machten 223.440 (94 %) nähere Angaben dazu, wie weit die Wohnung, in der sie während der Arbeitswoche wohnen, von ihrem Ausbildungsbetrieb entfernt ist. Demnach müssen die meisten Ausbildungsanfänger und -anfängerinnen (30 %) bis zu 5 Kilometer überwinden. Für 20 % sind es 6 bis 10 Kilometer und für 26 % zwischen 11 und 20 Kilometer. Weitere 20 % der Jugendlichen pendeln täglich zwischen 21 und 50 Kilometer, 3 % zwischen 51 und 100 Kilometer und 0,3 % mehr als 100 Kilometer.
Insgesamt 12 % (27.469) der Jugendlichen sind im Zuge des Ausbildungsbeginns umgezogen. Von diesen wohnen nun 87 % bis zu 20 Kilometer vom Ausbildungsbetrieb entfernt. Wohnortwechsel zu Beginn der Ausbildung erfolgen allerdings nicht immer, um die räumliche Distanz zum Ausbildungsbetrieb zu verringern. Denn für 11 % der umgezogenen Jugendlichen beträgt die Entfernung zur alten Wohnung nicht mehr als 10 Kilometer. Dies deutet darauf hin, dass für Jugendliche der Beginn einer Berufsausbildung auch ein Schritt in die persönliche Selbstständigkeit sein kann, der gegebenenfalls mit dem Auszug aus dem Elternhaus einhergeht.
Zusammenfassung
Die Mobilitätsbereitschaft der gemeldeten Bewerber und Bewerberinnen des Geschäftsjahres 2007/2008 ist hoch. Gestaltet sich die Ausbildungsplatzsituation vor Ort schwierig, weichen die Jugendlichen auf Ausbildungsplatzangebote außerhalb der Heimatregion aus. Damit tragen sie zu einem Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsstellenmarkt bei. Neben strukturellen Faktoren beeinflussen aber auch personenspezifische Merkmale die Mobilitätsquoten. So zeigten sich vor allem junge Frauen, ältere Personen, Deutsche ohne Migrationshintergrund und gut qualifizierte Bewerber und Bewerberinnen regional mobil. Hinsichtlich der tatsächlichen Entfernungen zwischen Wohn- und Ausbildungsort ist eine große Spannbreite festzustellen, wobei knapp ein Viertel der Jugendlichen eine Entfernung von 20 und mehr Kilometern täglich zurückzulegen hat. Ein Teil der Ausbildungsanfänger/ -innen ist zudem in die Nähe des Ausbildungsbetriebs gezogen.
(Ursula Beicht, Verena Eberhard)