A2.1 Entwicklung der Ausbildungsplatznachfrage
Jugendliche, die sich für die Aufnahme einer Berufsausbildung in einem bestimmten Jahr interessieren, lassen sich 3 Gruppen zuordnen:
- Schulentlassene des entsprechenden Jahres aus allgemeinbildenden Schulen,
- Entlassene des jeweiligen Jahres aus den beruflichen Schulen sowie
- Jugendliche, die aus früheren Schulentlassjahren stammen, die aber noch eine Berufsausbildung beginnen möchten.
Die 3 Gruppen werden sich 2009 in quantitativer Hinsicht recht unterschiedlich entwickeln. Während die Zahl der Entlassenen aus den berufsbildenden Schulen nur wenig sinkt (um -11.658 bzw. -2,8 %), nimmt die Zahl der Entlassenen (Absolventen/Absolventinnen, Abgänger/Abgängerinnen) aus allgemeinbildenden Schulen deutlich ab (-36.729 bzw. -4,0 %). Dies gilt insbesondere für die Entlassenen, die nicht studienberechtigt sind und die Hauptklientel der dualen Berufsausbildung stellen (-33.860 bzw. -5,3 %). Die Zahl der Jugendlichen, die sich nicht mehr im Schulsystem aufhalten, sich aber weiterhin an einer Berufsausbildungsstelle interessiert zeigen, dürfte sich ebenfalls verringern. Bereits 2008 registrierte die Bundesagentur für Arbeit 64.517 „Altbewerber“ weniger. Der Rückgang dürfte sich in 2009 fortsetzen, wenn auch nicht in einem so hohen Ausmaß wie im Vorjahr.
E
Schulabgänger/-innen
Nach den Definitionen der Konferenz der Kultusminister der Länder sind „Abgänger/-innen“ Jugendliche, die die allgemeinbildenden Schulen ohne Schulabschluss bzw. die beruflichen Schulen ohne erfolgreichen Abschluss beendet haben.
Schulabsolventen/Schulabsolventinnen
„Absolventen/Absolventinnen“ sind dagegen Jugendliche aus allgemeinbildenden Schulen mit Schulabschluss bzw. Jugendliche, die den Bildungsgang einer beruflichen Schule „mit Erfolg vollständig durchlaufen und damit das Ziel des Bildungsgangs erreicht haben“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder 2008, S. 49).
Schulentlassene
Abweichend zu den KMK-Abgrenzungen werden hier „Schulentlassene“ als Summe der Abgänger/-innen und der Absolventen/Absolventinnen definiert.
Insgesamt ist somit für 2009 mit einem weiteren spürbaren Rückgang des Umfangs nachfragerelevanter Gruppen zu rechnen. Daraus folgt jedoch nicht, dass im Zuge des Nachfragerückgangs eine Steigerung der Ausbildungsvertragszahlen grundsätzlich nicht mehr möglich wäre. Dies gilt zumindest für Westdeutschland. Denn das Nachfragepotenzial befindet sich hier auch 2009 noch auf einem relativ hohen Niveau, und sein Umfang übertrifft das zuletzt realisierte Ausbildungsvertragsvolumen deutlich. Somit verfügt es über genügend Reserven, um den Bedarf der Betriebe selbst dann zu decken, wenn dieser wachsen würde. In Ostdeutschland wäre eine Zunahme der Ausbildungsvertragszahlen allerdings rechnerisch nur noch dann möglich, wenn verstärkt leistungsschwächere Jugendliche (z. B. ohne Schulabschluss) in eine Ausbildung einmünden würden.
Entwicklung nachfragerelevanter Gruppen
Entlassene aus allgemeinbildenden Schulen
Im Jahr 2009 wird es erneut weniger Absolventen/ Absolventinnen und Abgänger/Abgängerinnen aus allgemeinbildenden Schulen geben. Damit wird eindemografisch bedingter Trend fortgesetzt, der in den neuen Ländern bereits zu Beginn dieses Jahrzehntes einsetzte und in den alten Ländern 2008 seinen Anfang nahm. Er wird die künftige Sicherung des Fachkräftenachwuchses deutlich erschweren.
Lediglich die Zahl der Absolventen/Absolventinnen mit Studienberechtigung entwickelt sich zum Teil noch gegen diesen Trend, da deren Zahl im westlichen Bundesgebiet noch weiter wächst (2009: +9.659 bzw. +4,7 %). In den Jahren 2011 bis 2013 wird es zudem vorübergehend nochmals stärkere Zuwächse aufgrund doppelter Abiturientenjahrgänge geben – als Folge der Umstellung der Schulzeit von 13 auf 12 Jahre. Die Gefahr eines zunehmenden Fachkräftenachwuchsmangels wird durch die Abiturienten aber kaum entschärft, da sie insgesamt nur weniger als 10 % aller Ausbildungsanfänger/ -innen stellen.39 Zudem verringert sich die Zahl der studienberechtigten Schulabgänger/-innen im Osten Deutschlands bereits sehr stark (2009 um -12.528 bzw. -19,1 %).
Die weitaus größte Nachfrage nach Ausbildungsplätzen geht von nicht studienberechtigten Schulentlassenen aus, die aus den Haupt-, Real- und Gesamtschulen stammen und die entweder sofort oder nach Erwerb einer beruflichen Grundbildung einen Ausbildungsplatz suchen. Deren Zahl sinkt bereits seit 2005, und ihr Umfang wird sich bis 2020 nahezu kontinuierlich weiter vermindern. Im Jahr 2020 werden nur noch rund 502.900 Jugendliche mit maximal mittlerem Schulabschluss das allgemeinbildende Schulsystem verlassen, rund 211.900 bzw. rund 30 % weniger als im Jahr 2004 Übersicht A2.1-1.
Für 2009 werden nach den vom Statistischen Bundesamt aktualisierten Vorausberechnungen der Kultusministerkonferenz (KMK) bundesweit 33.860 (-5,3 %) nicht studienberechtigte Schulentlassene weniger erwartet, als es im Jahr 2008 waren.40 Für die alten Länder wird mit einem Rückgang von rund 20.805 (-3,8 %) auf 520.255 nicht studienberechtigte Schulentlassene und für die neuen Länder und Berlin mit einem Rückgang um 13.055 (-13,4 %) auf nunmehr 94.580 gerechnet.41
Entlassene aus beruflichen Schulen
2009 wird auch die Zahl der Entlassenen aus den beruflichen Schulen (schulisches Berufsvorbereitungsjahr, schulisches Berufsgrundbildungsjahr, Fachoberschulen, Fachgymnasien Berufsfachschulen) rückläufig sein, nachdem sie 2008 noch auf einem sehr hohen Niveau verharrte Übersicht A2.1-2.42 Insgesamt werden für 2009 408.683 Absolventen/ Absolventinnen und Abgänger/Abgängerinnen erwartet (Berufsfachschulabsolventen/Berufsfachschulabsolventinnen mit erfolgreich absolvierter, vollqualifizierender Berufsausbildung sind hierbei ausgenommen); dies wären 11.658 bzw. 2,8 % weniger als 2008. Der Rückgang ist vor allem Folge der Entwicklung in den neuen Ländern und Berlin (hier sinkt die Zahl der Schulentlassenen um -6.739 bzw. -12,0 % auf 49.646), während die Veränderung in den alten Ländern nur relativ gering ist (-4.919 bzw. -1,4 % auf nunmehr 359.037).43
Übersicht A2.1-1: Entwicklung der Zahl der Schulentlassenen aus allgemeinbildenden Schulen von 1990 bis 2020 (Teil 1: Bundesgebiet)
Übersicht A2.1-1: Entwicklung der Zahl der Schulentlassenen aus allgemeinbildenden Schulen von 1990 bis 2020 (Teil 2: Alte Länder)
Übersicht A2.1-1: Entwicklung der Zahl der Schulentlassenen aus allgemeinbildenden Schulen von 1990 bis 2020 (Teil 3: Neue Länder)
Anm.: Die Zahlenreihen berücksichtigen die Umstellung der Schulzeit von 13 auf 12 Schuljahre in einigen Ländern und die sich dadurch ergebenden Auswirkungen auf die Entlassenenzahl. Aufgrund von Rundungsdifferenzen leichte Abweichungen gegenüber anderen Darstellungen möglich. Bis 2007 Ist-Zahlen, ab 2008 Prognosedaten. Ausnahme: Die Zahl der Absolventen/Absolventinnen aus allgemeinbildenden Schulen mit Realschul- oder vergleichbarem Abschluss in Niedersachsen musste für 2004 geschätzt werden.
Quelle: Kultusministerkonferenz, Statistisches Bundesamt, Berechnungen des Bundesinstituts für Berufsbildung
Übersicht A2.1-2: Schulentlassene 1992 bis 2009 aus beruflichen Schulen (Berufsvorbereitungsjahr, Berufsgrundbildungsjahr, Berufsfachschule, Fachoberschule) (Teil 1: Bundesgebiet)
Übersicht A2.1-2: Schulentlassene 1992 bis 2009 aus beruflichen Schulen (Berufsvorbereitungsjahr, Berufsgrundbildungsjahr, Berufsfachschule, Fachoberschule) (Teil 2: Alte und neue Länder)
Bis 2007 Ist-Zahlen. Zur Vorausschätzung der Absolventen-/Abgängerzahlen für 2008 bis 2020 wurden die von der KMK erwarteten Veränderungsraten von 2007 bis 2020 (vgl. KMK-Dokumentation Nr. 182) auf die letzten Ist-Werte (2007) in West- und Ostdeutschland projiziert. Die Schätzung der Anteile der Absolventen und Absolventinnen mit erfolgreicher Abschlussprüfung erfolgt durch Projektion der letzten Ist-Anteile in 2007.
Die Werte für das Bundesgebiet insgesamt wurden nicht gesondert geschätzt, sondern als Summen der Schätzwerte für West und Ost errechnet. Aufgrund von Rundungsfehlern können die für das Bundesgebiet ausgewiesenen Werte leicht von der rechnerischen Summe (um den Betrag n = 1) abweichen.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Kultusministerkonferenz, Berechnungen des Bundesinstituts für Berufsbildung
Ausbildungsinteressierte Jugendliche, die das Schulsystem bereits verlassen haben
Ausbildungsinteressierte Jugendliche, welche das Schulsystem bereits seit mindestens einem Jahr oder länger verlassen haben, werden durch die Schulstatistik nicht mehr erfasst und müssen mit anderen Instrumenten identifiziert werden. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) fragt deshalb die bei ihr gemeldeten Ausbildungsplatzbewerber/-innen nach ihrem Schulabgangsjahr und weist hierzu eine entsprechende Statistik aus Kapitel A1.2. Demnach hatten im Jahr 2008 320.450 registrierte Ausbildungsplatzbewerber/-innen die Schule bereits 2007 oder in noch früheren Jahren beendet (West: 242.584, Ost: 77.751). Die Zahl dieser häufig auch als „Altbewerber“ bezeichneten Jugendlichen war 2008 erstmalig seit längerer Zeit stark rückläufig Übersicht A1.2-3 im Kapitel A1.2. Dies galt sowohl für die alten Länder (-38.390 bzw. -13,7 %) als auch für die neuen Länder und Berlin (-26.146 bzw. -25,2 %).
Eine genaue Vorausschätzung, wie viele der im Jahr 2009 gemeldeten Bewerber/-innen die Schule bereits im Jahr 2008 oder früher verließen und damit zu den sogenannten „Altbewerbern/Altbewerberinnen“ zählen werden, ist sehr schwierig. Die Schwierigkeit ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Inanspruchnahme der Dienste der Bundesagentur für Arbeit (BA) für die Jugendlichen freiwillig ist, und vom Einschaltungsgrad hängt nicht zuletzt ab, wie viele Jugendliche 2009 insgesamt als „Altbewerber/ -innen“ identifiziert werden. Es sind allerdings statistische Zusammenhänge nachweisbar, nach denen die aktuelle Zahl der „Altbewerber/-innen“ von den Schulentlassenenzahlen und den Marktverhältnissen früherer Jahre abhängig ist (vgl. dazu ausführlich Große Deters/Ulmer/Ulrich, 2008, S. 18). Diese Zusammenhänge lassen erwarten, dass 2009 die Zahl der „Altbewerber/-innen“ bundesweit erneut sinken wird, wenn auch nicht mehr im selben Ausmaß wie ein Jahr zuvor. Zudem dürfte der Rückgang im Jahr 2009 vor allem die neuen Länder und Berlin betreffen.44
Abschätzung des Nachfragepotenzials für 2009
Das Nachfragepotenzial lässt sich definieren als die Zahl der Jugendlichen, die sich für den Beginn einer dualen Berufsausbildung im betreffenden Jahr interessiert zeigen und unter günstigen Umständen (die Interessenten bringen die erforderliche Ausbildungsreife mit, das Ausbildungsangebot ist ausreichend und die Interessenten entscheiden sich nicht für aus ihrer Sicht ebenfalls attraktive Alternativen) für den Beginn einer Berufsausbildung gewonnen werden könnten. Für die Abschätzung der Nachfrageelastizität stellt das Nachfragepotenzial eine unverzichtbare Größe dar. Mit „Nachfrageelastizität“ ist die Flexibilität der Nachfrageseite des Ausbildungsmarktes gemeint, sich an die Ausbildungsbedarfe der Betriebe anzupassen und diesen entsprechen zu können. Diese Elastizität wird in den kommenden Jahren, wenn den Betrieben aufgrund der demografischen Entwicklung ein Mangel an Fachkräftenachwuchs droht, zu einer immer wichtigeren Größe.
Das für ein bestimmtes Jahr berechnete Nachfragepotenzial geht, da es sich allein über das Interesse der Jugendlichen definiert und damit sehr weit gefasst ist, über die Summe der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge und der unversorgten Bewerber/-innen hinaus und ist deshalb nicht mit der abschließenden Berechnung der Ausbildungsplatznachfrage identisch (vgl. Ulrich, 2005; Große Deters/Ulmer/Ulrich 2008). Das Nachfragepotenzial kann ermittelt werden als die Summe der ausbildungsinteressierten Entlassenen allgemeinbildender und beruflicher Schulen sowie der bei der BA gemeldeten „Altbewerber/-innen“, welche ihren Wunsch nach einer Berufsausbildung bis zum Ende des Vermittlungsjahres beibehalten.
E Nachfragepotenzial
Die Zahl der Jugendlichen, die sich im Laufe eines Vermittlungsjahres am zeitnahen Beginn einer dualen Berufsausbildung interessiert zeigen.
Ausbildungsplatznachfrage
Die Summe der Jugendlichen, die im Berichtsjahr eine Ausbildung mit oder ohne Erfolg nachfragen und die für eine Berufsausbildung erforderlichen Voraussetzungen mitbringen. Der Nachweis, dass auch bei erfolglosen Nachfragern und Nachfragerinnen die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen, wird dabei durch die offizielle Registrierung als Ausbildungsstellenbewerber/-innen bei der BA erbracht (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2008). Denn die BA ist gehalten, als „Bewerber/-in“ nur „jene Jugendlichen“ zu führen und den Betrieben vorzuschlagen, „die über die Eignung für den jeweiligen Beruf verfügen“ (Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland 2006 S. 64).
Ausbildungsplatznachfrage in der bisherigen Berechnungsform
In der bisherigen Berechnung ist die Ausbildungsplatznachfrage definiert als Summe der neuen Ausbildungsverträge zuzüglich der bei der BA gemeldeten Ausbildungsstellenbewerber/- innen, die zum Ende des Berichtsjahres (30. September) als „unversorgt“ gelten (weder Einmündung in Berufsausbildung noch in eine Alternative).
Ausbildungsplatznachfrage in der neuen, erweiterten Berechnungsform
In der neuen, erweiterten Berechnung der Ausbildungsplatznachfrage werden neben den bei der BA gemeldeten und „unversorgten“ Ausbildungsstellenbewerbern als erfolglose Nachfrager/-innen auch jene Bewerber/-innen berücksichtigt, die vorläufig in eine Alternative zu einer Berufsausbildung einmünden (z. B. erneuter Schulbesuch, Praktikum, Jobben), aber von dort aus weiter nach einer Ausbildungsstelle suchen
Nach den Ergebnissen von Sonderauswertungen der BIBB-Schulabgängerbefragungen vgl. Kapitel A3.1 zeigen sich, was die Entlassenen aus allgemeinbildenden Schulen betrifft, rund 75 % der Hauptschul-, 60 % der Realschulabsolventen/- absolventinnen und -abgänger/-innen und 25 % der Studienberechtigten an einem zeitnahen Beginn einer dualen Berufsausbildung interessiert. Von den Entlassenen aus dem schulischen Berufsvorbereitungsjahr sind es 85 %, aus dem vollzeitschulischen Berufsgrundbildungsjahr 90 %, aus der Fachoberschule und aus den Fachgymnasien jeweils 50 % und aus den grundbildenden Berufsfachschulen 70 %. Die Ausbildungsneigung der bei der BA gemeldeten Ausbildungsplatzbewerber/-innen mit früherem Schulentlassjahr ist schwieriger abzuschätzen; denn selbst wenn alle Personen aus dieser Gruppe durch ihre Meldung bei der BA ihr Interesse an einer dualen Ausbildung bekundet haben, so ist gleichwohl zu berücksichtigen, dass sich ein Teil der Bewerber/-innen bis zum Ende des Berichtsjahres auch freiwillig umorientiert. Bei etwa zwei Dritteln der Bewerber/-innen mit Schulentlassung im Vorjahr war jedoch bis zum Ende des Vermittlungsjahres weiterhin das Interesse an einer dualen Ausbildung erkennbar, entweder weil sie in eine Berufsausbildung einmündeten, zu den unversorgten Bewerbern und Bewerberinnen zählten oder aber alternativ verbliebene Bewerber/-innen waren, die ihren Vermittlungswunsch aufrechterhielten. Bei den gemeldeten Bewerbern und Bewerberinnen, welche die Schule bereits im Vorvorjahr oder noch früher verlassen hatten, liegt der Anteil etwa bei der Hälfte.
Projiziert man die in Übersicht A2.1-3 genannten Nachfragequoten auf die verschiedenen Gruppen der Schulentlassenen und „Altbewerber/-innen“, so lässt sich das Nachfragepotenzial in seiner Gesamtheit bestimmen. Es soll hier in 2 Varianten geschätzt werden.
- In der ersten Variante sind neben den Altbewerbern und Altbewerberinnen alle aktuellen Entlassenen allgemeinbildender und beruflicher Schulen mit einbezogen, die sich im Jahr ihrer Schulentlassung an einer dualen Berufsbildung interessiert zeigen, also auch Abgänger/-innen ohne Abschluss.
- Dagegen sind in der zweiten Variante neben den Altbewerbern und Altbewerberinnen nur jene aktuellen Schulabsolventen/-absolventinnen des Jahres 2009 berücksichtigt, welche die allgemeinbildende oder berufliche Schule erfolgreich mit einem Abschluss verlassen werden. Bei den Jugendlichen, die die allgemeinbildende Schule verlassen haben, fehlen somit die Personen ohne Schulabschluss; bei den teilqualifizierenden beruflichen Schulen fehlen die Abgänger/ -innen, welche zwar den „Bildungsgang vollständig durchlaufen, aber das jeweilige Ziel des Bildungsganges (Abschluss/regelmäßige Teilnahme) nicht erreicht haben“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder 2008, S. 49; vgl. auch Statistisches Bundesamt 2008).
Übersicht A2.1-3: Übersicht über die bei der Vorausberechnung des Nachftragepotenzials unterstellten Nachfragequoten
Quelle: Sonderauswertungen der BIBB-Schulabgängerbefragungen, Bundesagentur für Arbeit
Da die erfolglosen Schulabgänger/-innen (ohne Abschluss) nur zu einem geringeren Teil die Voraussetzungen für die Aufnahme einer Berufsausbildung mitbringen und ihre Ausbildungschancen relativ gering sind, soll in den weiteren Ausführungen schwerpunktmäßig die zweite Variante behandelt werden. Diese schließt, wie oben ausgeführt, neben den Altbewerbern und Altbewerberinnen nur die erfolgreichen Schulabsolventen/-absolventinnen des Jahres 2009 mit ein.
Nach dieser zweiten Variante ergibt sich ein rechnerisches Nachfragepotenzial für 2009 von bundesweit rund 780.000 Jugendlichen (West: 666.700; Ost: 113.400).45 Gegenüber 2008 fällt das Nachfragepotenzial um rund 39.200 Personen niedriger aus (West: -12.400; Ost: -26.800).
Westdeutschland
In Westdeutschland Schaubild A2.1-1 übertrifft demnach das Nachfragepotenzial im Jahr 2009 mit rund 666.700 das zuletzt realisierte Ausbildungsplatzangebot (rund 519.088) immer noch sehr deutlich (um rund 147.600 bzw. 28 %). Hierbei sind 2 Feststellungen wichtig:
- Zum einen sind in 2009 trotz der demografischen Entwicklung weiterhin genügend Reserven auf der Nachfragerseite vorhanden, um etwaigen Angebotssteigerungen der Betriebe quantitativ entsprechen zu können. Dies gilt selbst dann, wenn man – wie hier in Variante 2 – von den aktuellen Schulentlassenen allein die Erfolgreichen berücksichtigt. Und zum anderen wären weitere Angebotssteigerungen sogar wünschenswert, weil damit die an einer Berufsausbildung interessierten Jugendlichen rascher als bislang ihren Ausbildungswunsch realisieren könnten.
- Allerdings ist ebenso zu konstatieren, dass die Betriebe – sofern sie ihr Ausbildungsplatzangebot zumindest auf dem Niveau von 2008 halten – es schwerer haben werden, für ihre Ausbildungsstellen (geeignete) Bewerber/-innen zu finden. Dies hängt auch damit zusammen, dass bei einer sich – aus der Perspektive der Jugendlichen – entspannenden Marktlage die Zahl der an die Betriebe geschriebenen Bewerbungen stärker zurückgeht als die Zahl der ausbildungsinteressierten Jugendlichen. Denn um dieselben Erfolgschancen zu erzielen, müssen die Jugendlichen weit weniger Bewerbungen absenden, was die Kontaktmöglichkeiten der Betriebe mit den Jugendlichen noch deutlicher einschränkt (vgl. dazu auch Ulmer/Ulrich 2008, S. 24 f.).
Schaubild A2.1-1: Entwicklung des Nachfragepotenzials in Westdeutschland
Quelle: Berechnungen auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes, der Kultusministerkonferenz, der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesinstituts für Berufsbildung
Ostdeutschland
Für die neuen Länder und Berlin ergibt sich eine andere Lage Schaubild A2.1-2: Mit einer Größenordnung von 113.400 liegt das hier errechnete Nachfragepotenzial bereits niedriger als das in 2008 registrierte Ausbildungsplatzangebot von 116.587. Ein entsprechend hohes Angebot in 2009 wäre durch dieses Nachfragepotenzial somit nicht mehr abgedeckt. Selbst wenn in die Berechnung des ostdeutschen Nachfragepotenzials Personen mit eingerechnet werden, die allgemeinbildende oder berufliche Schulen ohne Abschluss verlassen werden, übertrifft das erweiterte Nachfragepotenzial (134.200) das Ausbildungsangebot des Jahres 2008 (116.587) nur noch knapp. Zudem ist es fraglich, in welchem Ausmaß ostdeutsche Betriebe bereit sein werden, schwächere Schulabgänger/-innen einzustellen.
Allerdings fiel 2008 der Anteil des außerbetrieblichen Ausbildungsangebots in den neuen Ländern und Berlin immer noch recht hoch aus, und das betriebliche Ausbildungsangebot dürfte 2008 bei nur etwa 88.100 gelegen haben vgl. Kapitel A1.1. Insofern könnte durch eine Verringerung des außerbetrieblichen Angebotsvolumens die Marktlage für die Betriebe verbessert werden. Doch ungeachtet dessen werden es die ostdeutschen Betriebe selbst unter diesen Umständen deutlich schwerer haben, Bewerber/-innen für ihre Ausbildungsplätze zu finden, als dies für westdeutsche Betriebe gilt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass ein Abbau des außerbetrieblichen Ausbildungsvolumens nur in begrenztem Maße möglich ist, da benachteiligte Jugendliche selbst bei der Gewährung ausbildungsbegleitender Hilfen nicht immer für eine betriebliche Berufsausbildung infrage kommen vgl. Kapitel A7.
Schaubild A2.1-2: Entwicklung des Nachfragepotenzials in Ostdeutschland
Quelle: Berechnungen auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes, der Kultusministerkonferenz, der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesinstituts für Berufsbildung
Zielgrößen für 2009 unter der Maßgabe einer Sicherung der Ausbildungschancen auf dem Niveau von 2008
Bei den bisherigen Ausführungen wurde davon ausgegangen, dass sich das Ausbildungsplatzangebot der Betriebe in 2009 nicht wesentlich von dem des Vorjahres unterscheidet. Dieses Szenario ist angesichts der Wirtschaftskrise aber nicht sehr wahrscheinlich, wie auch im nachfolgenden Abschnitt (Angebotsvorausschätzung) deutlich werden wird.
Es droht vielmehr ein Einbruch des Ausbildungsplatzangebots, und es wäre unter diesen Umständen bereits viel gewonnen, könnten die Ausbildungschancen der Jugendlichen zumindest auf dem Niveau von 2008 gehalten werden. Dieses Ziel in 2009 zu erreichen ist angesichts der demografischen Entwicklung und der sinkenden Ausbildungsplatznachfrage durchaus möglich: Auf Basis der Nachfragepotenziale kann ermittelt werden, wie viele Ausbildungsangebote und Verträge in 2009 realisiert werden müssten, um die Chancen der ausbildungsinteressierten Jugendlichen nicht zu verschlechtern. Die Berechnungen – auch für das Jahr 2010 – sind in Übersicht A2.1-4 dargestellt.
In Westdeutschland müssten demnach im Jahr 2009 mindestens 509.600 Ausbildungsplätze angeboten werden (2008: 519.088), wovon 493.300 (2008: 502.441) auch besetzt werden sollten. Die Zahl der am Ende unversorgten Ausbildungsstellenbewerber/ -innen dürfte 9.900 (2008: 10.121) nicht übersteigen, und die Zahl der Bewerber/-innen, die am Ende des Berichtsjahres aus vorläufigen Alternativen heraus (z. B. Praktikum, erneuter Schulbesuch, Berufsvorbereitung) weiter nach einem Ausbildungsplatz suchen, sollte allenfalls bei 71.000 liegen (2008: 72.281). Würden diese Ziele erreicht, würde – bezogen auf das errechnete Nachfragepotenzial – ein vergleichbarer Versorgungsgrad wie 2008 erreicht, und die Angebots-Nachfrage-Relationen entsprächen den Werten des Vorjahres.
In Ostdeutschland sollten 2009 mindestens 94.300 Ausbildungsplatzangebote erzielt werden (2008: 116.587), wovon 92.100 (2008: 113.818) auch erfolgreich besetzt werden müssten. Die Zahl der am Ende unversorgten Ausbildungsstellenbewerber/ -innen dürfte nicht über 3.500 (2008: 4.348) hinausgehen, und die Zahl der Bewerber/-innen, die sich am Ende des Berichtsjahres aus vorläufigen Alternativen heraus weiter um einen Ausbildungsplatz bemühen, sollte allenfalls bei 7.700 liegen (2008: 9.496). Auch hier gilt: Würden diese Ziel realisiert, wäre – bezogen auf das errechnete Nachfragepotenzial – ein vergleichbarer Versorgungsgrad wie 2008 erreicht, und die Angebots-Nachfrage- Relationen befänden sich auf demselben Niveau wie im Vorjahr.
Durch eine einfache Addition der West/Ost-Werte ergeben sich für das Bundesgebiet insgesamt folgende Zielgrößen:
- Ausbildungsplatzangebot mindestens: 603.900 (2008: 635.675)
- neue Ausbildungsverträge mindestens: 585.300 (2008: 616.259)
- unversorgte Bewerber/-innen höchstens: 13.500 (2008: 14.469)
- aus Alternativen suchende Bewerber/-innen höchstens: 78.600 (2008: 81.777)
Dies bedeutet: Eine Verringerung des Ausbildungsplatzangebots im Jahr 2009 um 31.700 Plätze (-5,0 %) und ein Minus bei der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge von 30.900 (-5,0 %) wäre angesichts der demografischen Entwicklung verkraftbar, ohne dass sich die Ausbildungschancen der Jugendlichen gegenüber 2008 verschlechtern würden. Sollten die Rückgänge geringer ausfallen, würde sich die Ausbildungsmarktlage der Jugendlichen sogar weiter verbessern. Allerdings deuten die Ergebnisse eines ökonometrischen Modells zur Vorausschätzung des Ausbildungsplatzangebots darauf hin, dass infolge der Wirtschaftskrise das Gegenteil droht.
Übersicht A2.1-4: Ausbildungsmarktverhältnisse, die 2009 und 2010 erzielt werden müssten, um den Jugendlichen eine vergleichbare Marktsituation wie 2008 zu ermöglichen
1 Ausbildungsplatzangebote je 100 Ausbildungsplatznachfrager/-innen (Nachfrage errechnet als Summe der neuen Ausbildungsverträge und der „unversorgten Bewerber/-innen“)
2 Wie Fußnote 1. Nachfrage hier jedoch errechnet als Summe der neuen Ausbildungsverträge, der „unversorgten Bewerber/-innen“ und der alternativ verbliebenen, noch suchenden Bewerber/-innen
Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnungen