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DATENREPORT ZUM BERUFSBILDUNGSBERICHT 2009

A2.2 Entwicklung des Ausbildungsplatzangebots

Die Entwicklung des Ausbildungsplatzangebots ist von zahlreichen Faktoren abhängig, die sich teilweise gegenseitig beeinflussen und deren Veränderungen zum Teil nur schwer vorherzusagen sind. Dazu zählen unter anderem die gesamtwirtschaftliche Entwicklung (z. B. Veränderungen des Bruttoinlandsproduktes, des Auftragseingangs der Unternehmen) und die Entwicklung des Arbeitsmarktes (z. B. der Zahl der Erwerbstätigen und der Arbeitslosen). Zur Abschätzung des Ausbildungsplatzangebots hat das BIBB deshalb den Aufbau eines „Ökonometrischen Prognose- und Simulationsmodells des Ausbildungssystems“ (PROSIMA) veranlasst. Dabei handelt es sich um ein komplexes, zeitreihengestütztes Simulationsmodell, das vielfältige Einflussgrößen auf die Entwicklung des Ausbildungsplatzangebotes berücksichtigt. Das in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für quantitative Analysen der Universität Bochum entwickelte Prognose- und Simulationsmodell baut auf den Erfahrungswerten von dreieinhalb Jahrzehnten Ausbildungsstellenmarktentwicklung auf (vgl. Kau/Lösch 2006). Die Leistungskraft von PROSIMA entspricht den herkömmlichen Standards.46 Gleichwohl basieren auch bei diesem Modell die Vorausschätzungen auf einer Vielzahl von zum Teil diffizilen Annahmen, die selbst bei einer nur einjährigen Vorausschätzung unsicher sind. Die Kernpunkte der für 2009 prognostizierten Veränderung des Ausbildungsplatzangebots betreffen insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung, die aber gerade für 2009 nur sehr schwer abzuschätzen ist.

Bislang waren die im Gleichungssystem des Stützbereichs (Jahre 1970 bis 2008) abgebildeten Marktzusammenhänge in ihren Strukturen relativ stabil. Das Prognosejahr 2009 fällt jedoch in die Phase eines gravierenden Strukturbruchs. Er berührt Deutschland auf 3 Ebenen: Zusammenbruch des Exports, inländische Bankenkrise, die sich negativ auf die Kreditgewährung und die Investitionsfinanzierung auswirken könnte, und schließlich das Anfang 2009 erlassene 50-Mrd.-Euro-Konjunkturprogramm. Die inländische Bankenkrise kann mit PROSIMA nicht abgebildet werden, und ihre Folgen auf die berufliche Bildung sind nicht identifizierbar. Dagegen können die beiden anderen Ereignisse, Exporteinbruch und Konjunkturprogramm, zum Gegenstand des Gleichungssystems gemacht werden.

Der Volumenindex des Auftragseingangs aus dem Ausland betrug Mitte 2008 rund 144 (2000 = 100). Bis Anfang 2009 sank er auf 107,9 und ging damit in einem halben Jahr um 25 % zurück. Für den weiteren Verlauf des Jahres 2009 muss damit gerechnet werden, dass dieser Rückgang noch nicht abgeschlossen ist und bis auf einen Wert von 100 absinkt. Diese Entwicklung hat nach den Ergebnissen von PROSIMA massive Folgen für die Konjunktur. Die Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe sinkt in 2009 auf 76 % (2008: 84 %). Der Volumenindex des inländischen Auftragseingangs nimmt von 112 (2008) auf 98,3 ab, und der Index der industriellen Nettoproduktion verringert sich von 111,5 im Jahr 2008 auf nunmehr 101.

Eine Gegenbewegung ergibt sich aus dem Konjunkturprogramm. Seine Auswirkungen werden in PROSIMA simuliert, indem den bisherigen Prognosewerten der staatlichen Bruttoinvestitionen für die Jahre 2009 und 2010 insgesamt 50 Mrd. Euro hinzugefügt werden (z. B. 30 Mrd. in 2009 und 20 Mrd. in 2010). Nach dem von PROSIMA modellierten Wirkungsgefüge wird das Konjunkturprogramm dazu führen, dass der drohende Rückgang des realen Bruttoinlandsproduktes um deutlich über 3 % stark abgemildert und im Laufe des Jahres 2009 wieder in Richtung einer schwarzen Null umgelenkt werden wird. Das Konjunkturprogramm wird somit in indirekter Form auch dazu beitragen, den drohenden Rückgang des Ausbildungsangebots abzuschwächen.

PROSIMA gelangt unter Berücksichtigung der Auswirkungen des Konjunkturprogramms zu einer Punkt-Prognose des Ausbildungsplatzangebots im Jahr 2009 von 579.000. Unter Berücksichtigung des üblichen Schätzfehlers ist der tatsächliche Wert des Ausbildungsplatzangebots im Bereich von 559.000 bis 598.000 zu vermuten. Diese beiden Werte liefern somit die Unter- und Obergrenze für ein pessimistisches und optimistisches Szenario.

  • Für das pessimistische Szenario spricht, dass offenbleiben muss, ob das Konjunkturprogramm tatsächlich in voller Höhe realwirtschaftlich nachfrage- und investitionswirksam sein und z.B. nicht durch Preissteigerungen und Mitnahmeeffekte verwässert werden wird. Zudem lassen sich durch PROSIMA nicht die Auswirkungen der Risikoscheu der Banken bei der Vergabe von Krediten modellieren. Sie bilden einen weiteren Risikofaktor.
  • Für das optimistische Szenario spricht, dass in den Ausbildungsbetrieben gegenwärtig strategische Änderungen in der Personalpolitik zu beobachten sind. Demnach scheuen die Betriebe – anders als in früheren Jahren – verstärkt davor zurück, ihre Ausbildungsleistung kurzfristig an die konjunkturelle Lage anzupassen. Denn Betriebe, die 2009 ihr Ausbildungsangebot infolge des konjunkturellen Abschwungs reduzieren werden, drohen – anders als in früheren Jahren – anschließend in eine demografische Falle zu geraten. Da die Zahl der Jugendlichen in den folgenden Jahren immer stärker zurückgehen wird vgl. Kapitel 2.1, wird es für die Unternehmen künftig noch schwieriger werden, geeignete Bewerber/-innen für ihre Ausbildungsplätze zu finden und ihren Bedarf an Nachwuchsfachkräften zu decken. Der Fachkräftemangel infolge der demografischen Entwicklung könnte somit zu einer merklichen Wachstumsbremse werden.

Immer mehr Betriebe scheinen um diese Gefahren zu wissen, zumal die Wirtschaftsverbände, die Gewerkschaften und die Politik sie in der jüngeren Zeit massiv auf die demografischen Probleme hingewiesen haben. Demnach könnte es für die Betriebe von erheblichem Nutzen sein, auf die aktuelle Wirtschaftskrise in anderer Form als in früheren Jahren zu reagieren und ihre bisherige Ausbildungsleistung so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zu Beginn des Jahres 2009 hat die „Sicherung des Fachkräftebedarfs“ für jeden zweiten der befragten Betriebe „entscheidenden Einfluss auf das Angebot an Ausbildungsplätzen im Jahr 2009. Für weitere 4 von 10 Unternehmen ist der Einfluss immerhin noch merklich. Den Geschäftsaussichten kommt hingegen bei der Ausbildungsentscheidung geringere Bedeutung zu: Nur für 12 % haben aktuelle Geschäftsaussichten Auswirkungen auf ihr Angebot an Ausbildungsplätzen“ (DIHK 2009, S. 40).   Dieser strategische Aspekt in der Personalpolitik der Betriebe kann von PROSIMA nicht simuliert werden. Sollte er aber zutreffen, spricht vieles dafür, den tatsächlichen Schätzwert des Ausbildungsplatzangebots eher im oberen als im unteren Teil des Prognoseintervalls zu verorten. Demnach wäre für 2009 mit einem Ausbildungsplatzangebot von rund 579.000 bis 598.000 Plätzen zu rechnen. Die Veränderung gegenüber 2008 würde sich damit auf einen Wert zwischen -57.000 (-8,9 %) und -38.000 (-5,9 %) beziffern Übersicht A2.2-1.

Übersicht A2.2-1: Entwicklung des Ausbildungsplatzangebots 2000 bis 2009

Übersicht A2.2-1
Anmerkungen: Ist-Angaben für 2000 bis 2008; PROSIMA-Vorausschätzung für 2009
Quelle: BIBB-Erhebung zum 30.09.; PROSIMA

Oben wurde ausgeführt, dass sich bei einem bundesweiten Rückgang des Ausbildungsplatzangebots im Jahr 2009 auf 603.900 die Ausbildungschancen der Jugendlichen infolge des sinkenden Nachfragepotenzials nicht verringern würden. Der obere Wert des Prognoseintervalls von 598.000 reicht noch relativ nahe an dieser Zielgröße heran. Demnach bestehen realistische Aussichten, dass sich die Marktsituation für die Jugendlichen trotz der Wirtschaftskrise zumindest nicht wesentlich verschlechtert, sondern in etwa auf dem Niveau von 2008 gehalten werden kann. Angesichts der von PROSIMA errechneten potenziellen Auswirkungen der Wirtschaftskrise wäre ein Angebot um 600.000 Plätze im Jahr 2009 tatsächlich bereits als ein Erfolg zu werten. Andererseits darf aufgrund der weiterhin bestehenden Altbewerberproblematik und des drohenden Fachkräftemangels nicht vergessen werden, dass das genuine Ziel weiterhin eine Verbesserung der Ausbildungsmarktchancen der Jugendlichen sein muss.

(Joachim Gerd Ulrich, Manfred Lösch, Winand Kau)

Fußnoten

46 Die letzten PROSIMA-Schätzungen für 2008 deuteten darauf hin, dass sich der Aufschwung auf dem Ausbildungsmarkt noch im Laufe des Jahres 2008 seinem Ende zuneigen könnte (vgl. Berufsbildungsbericht 2008, S. 102 ff.). Nach den Ergebnissen von PROSIMA war damit zu rechnen, dass „die Unternehmen bei ihren Ausbildungsentscheidungen auf die sich bereits jetzt abzeichnende und sich in 2009 fortsetzende konjunkturelle Abschwächung mit einer Verringerung ihres Ausbildungsplatzangebots reagieren“ werden. Deshalb wurde für 2008 mit einem Angebotsrückgang auf 623.000 gerechnet. Zwar fiel das Ausbildungsplatzangebot mit insgesamt 636.000 noch etwas günstiger aus als von PROSIMA vermutet, doch bewahrheitete sich der einsetzende Abschwung auf dem Ausbildungsmarkt.

Bibliographischer Hinweis

Internetversion des BIBB Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2009 - Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2009).

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