A3.3 Chancen von Altbewerbern und Altbewerberinnen – Ergebnisse der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008
Der Anteil der aus früheren Schulentlassjahrgängen stammenden Bewerber/-innen an allen bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldeten Bewerbern und Bewerberinnen stieg in den vergangenen 16 Jahren erheblich an und betrug zuletzt, d. h. im Vermittlungsjahr 2007/2008, 52 %. vgl. Kapitel A1.2. Aus der Ausbildungsmarktstatistik der BA geht allerdings nicht hervor, ob sich die Bewerber/ -innen, die die allgemeinbildende Schule bereits in Vorjahren verließen und daher als „Altbewerber/ -innen“ bezeichnet werden, tatsächlich schon früher einmal um eine Ausbildungsstelle beworben hatten. So sind z. B. Jugendliche, die im Jahr zuvor die Schule beendeten, jedoch nicht aktiv nach einer Ausbildungsstelle suchten, weil sie zunächst z. B. ein Berufsvorbereitungsjahr absolvieren oder ihren Wehr- bzw. Zivildienst ableisten wollten, nicht im engeren Sinne zu den Altbewerbern und Altbewerberinnen zu zählen. Umgekehrt können jedoch auch Bewerber/-innen des aktuellen Schulentlassjahrgangs durchaus Altbewerber/-innen sein, z. B. wenn ihre Bemühungen um eine Ausbildungsstelle in früheren Jahren erfolglos geblieben waren und sie infolgedessen weiter eine allgemeinbildende Schule besuchten. In Rahmen der BA/BIBB-Bewerberbefragungen ( Erläuterungen in Kapitel A3.2)56 ist zum einen eine klarere Abgrenzung des Personenkreises der Altbewerber/-innen möglich. Zum anderen werden weitere wichtige Informationen insbesondere zu den schulischen Voraussetzungen, zur Ausbildungsplatzsuche und zum Verbleib der Bewerber/-innen erhoben, die für differenzierte Analysen zu den Altbewerbern und Altbewerberinnen notwendig, in der Statistik jedoch nicht enthalten sind. Nachfolgend werden erste Auswertungsergebnisse aus der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008 dargestellt.
Abweichende „Altbewerber“-Definitionen
Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) geht bei seinen Analysen auf Grundlage der BA/BIBBBewerberbefragungen von folgender Definition aus: Altbewerber/-innen sind „all diejenigen Personen, die angeben, sich bereits einmal für einen früheren Ausbildungsbeginn als den des jeweils aktuellen Ausbildungsjahres beworben zu haben“ (Ulrich/ Krekel 2007). Diese Abgrenzung führt zu einer – im Vergleich zur BA-Ausbildungsmarktstatistik – geringeren Altbewerberquote, und zwar von 40 % für das Vermittlungsjahr 2007/2008.57 In der Bewerberbefragung 2008 wurde auch erfasst, wann die Bewerber/-innen die allgemeinbildende Schule beendeten.58 Dies ermöglicht eine Zuordnung sowohl nach der BIBB- als auch der BA-Definition der Altbewerber/-innen. Wie aus Übersicht A3.3-1 hervorgeht, sind demnach 35 % aller befragten Bewerber/-innen nach beiden Definitionen zu den Altbewerbern und Altbewerberinnen zu rechnen, d. h. sie hatten bereits in Vorjahren die Schule verlassen und sich auch schon in vorherigen Jahren um eine Ausbildungsstelle bemüht. 5 % sind Altbewerber/-innen nach der BIBB-Abgrenzung, da sie sich bereits früher um einen Ausbildungsplatz beworben hatten, nicht jedoch nach der BA-Definition, da sie aus dem aktuellen Schulentlassjahrgang stammten. Umgekehrt zählen 17 % der befragten Bewerber/-innen nach der BIBB-Zuordnung nicht als Altbewerber/-innen, weil in Vorjahren keine Bewerbung erfolgte, nach der BA-Definition hingegen schon, weil sie die Schule bereits in früheren Jahren verließen.
Übersicht A3.3-1: Zuordnung der befragten Bewerber und Bewerberinnen des Vermittlungsjahrs 2007/2008 nach der Altbewerber-Definition der BA sowie des BIBB (in %)
Quelle: BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008
Zentrale Merkmale von Altbewerbern und Altbewerberinnen und sonstigen Bewerbern und Bewerberinnen
Nach der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008 war im Vermittlungsjahr 2007/2008 der Anteil junger Frauen unter den Altbewerbern und Altbewerberinnen mit 50 % höher als unter den sonstigen Bewerbern und Bewerberinnen59 (45 %). Die Altbewerber/ -innen waren naturgemäß im Durchschnitt älter: 87 % waren schon volljährig, während dies nur auf die Hälfte (51 %) der übrigen Bewerber/-innen zutraf Übersicht A3.3-2. Jugendliche mit Migrationshintergrund60 waren unter den Altbewerbern und Altbewerberinnen mit einem Anteil von 25 % etwas häufiger vertreten als unter den sonstigen Bewerbern und Bewerberinnen (23 %).61 Die höchsten erreichten Schulabschlüsse unterschieden sich zwischen Altbewerbern und Altbewerberinnen sowie übrigen Bewerbern und Bewerberinnen kaum, teilweise schnitten die Altbewerber/-innen sogar etwas besser ab. So kam ein fehlender Schulabschluss seltener vor (1 % vs. 3 %), und die Fachhochschulreife war unter den Altbewerbern und Altbewerberinnen verbreiteter (8 % vs. 5 %). Dies dürfte damit zu erklären sein, dass die in früheren Jahren erfolglosen Bewerber/-innen relativ häufig im Rahmen eines Bildungsgangs des Übergangssystems oder durch den Besuch einer Fachoberschule noch den Schulabschluss nachholten bzw. einen höheren Abschluss erwarben. Auch von den Schulnoten her gesehen waren die Altbewerber/-innen fast genauso gut: In der durchschnittlichen Deutschnote waren lediglich die Altbewerber/-innen mit Fachhochschul- bzw. Hochschulreife etwas schwächer als die sonstigen Bewerber/-innen (3,0 vs. 2,8). In der durchschnittlichen Mathematiknote waren die Unterschiede zwischen Altbewerbern und Altbewerberinnen sowie sonstigen Bewerbern und Bewerberinnen minimal: bei Hauptschulabschluss: 3,3 vs. 3,2; bei mittlerem Schulabschluss: 3,2 vs. 3,0; bei Fachhochschul- bzw. Hochschulreife: 3,2 vs. 3,0.
Übersicht A3.3-2: Merkmale der gemeldeten Bewerber und Bewerberinnen des Vermittlungsjahrs 2007/2008
1 In die BA/BIBB-Bewerberbefragung wurden ausschließlich Personen mit Wohnsitz im Inland einbezogen. Gleiches gilt für die Hochrechnung. Hierdurch erklärt sich die etwas niedrigere Gesamtzahl an Bewerbern und Bewerberinnen im Vergleich zur Ausbildungsmarktstatistik. Leichte Abweichungen in den Tabellensummen gegenüber den Einzelwerten sind auf fehlende Angaben zurückzuführen.
Quelle: BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008
Verbleib der Altbewerber/-innen und sonstigen Bewerber/-innen
Zum Jahresende 2008 befanden sich 33 % der Altbewerber/- innen des Vermittlungsjahres 2007/2008 in einer betrieblichen Berufsausbildung, 11 % in einer außerbetrieblichen oder schulischen Ausbildung in einem BBiG/HwO-Beruf und 5 % in einer Ausbildung in einem Schulberuf bzw. in einer sonstigen Ausbildungsform, z. B. einer Ausbildung in einer Beamtenlaufbahn Übersicht A3.3-3. Den Altbewerbern und Altbewerberinnen gelang der Einstieg in eine betriebliche Ausbildung damit erheblich seltener als den sonstigen Bewerbern und Bewerberinnen, von denen 42 % am Ende des Jahres 2008 betrieblich ausgebildet wurden. Dagegen waren die Altbewerber/-innen etwas stärker in einer außerbetrieblichen bzw. schulischen BBiG-Ausbildung vertreten als die übrigen Bewerber/-innen (8 %).
Der Anteil der Altbewerber/-innen in betrieblicher Ausbildung verringerte sich, je länger die erstmalige Bewerbung um eine Ausbildungsstelle bereits zurücklag: Fand sie vor einem Jahr statt (für Ausbildungsbeginn 2007), betrug der Anteil noch 38 % und sank auf 26 %, wenn die Erstbewerbung bereits vor 3 Jahren oder noch früher erfolgte (für Ausbildungsbeginn 2005 oder vorher). Dagegen nahm der Anteil der Altbewerber/-innen in einer außerbetrieblichen oder schulischen Ausbildung in einem BBiG/HwOBeruf zu, je mehr Zeit seit der ersten Bewerbung vergangen war, und zwar von 9 % auf 13 %.
Ingesamt gesehen war am Ende des Jahres 2008 für 51 % der Altbewerber/-innen und für 58 % der sonstigen Bewerber/-innen ein Verbleib in einer vollqualifizierenden Ausbildungsform (einschließlich Studium) zu verzeichnen. 17 % der Altbewerber/-innen und 22 % der anderen Bewerber/-innen befanden sich in einem Bildungsgang des Übergangssystems (teilqualifizierende Berufsfachschule, schulisches Berufsvorbereitungsjahr o. Ä., berufsvorbereitende Maßnahme, Einstiegsqualifizierung, Praktikum). Damit war der Anteil der Altbewerber/ -innen im Übergangssystem zwar niedriger, jedoch hatten viele von ihnen bereits vorher einmal an einer Maßnahme des Übergangssystems teilgenommen. Eine Erwerbstätigkeit oder einen Job übten 12 % der Altbewerber/-innen, aber nur 5 % der sonstigen Bewerber/-innen aus. 14 % der Altbewerber/-innen waren arbeitslos, während dies bei den übrigen Bewerbern und Bewerberinnen auf lediglich 6 % zutraf. Der Anteil der Arbeitslosen unter den Altbewerbern stieg erheblich an, je früher sie sich erstmals um eine Ausbildungsstelle beworben hatten, und zwar von 10 % (Bewerbung für Ausbildungsbeginn 2007) auf 21 % (Bewerbung für Ausbildungsbeginn 2005 oder früher).
Je nach Schulabschluss unterschieden sich die Verbleibsquoten in Bezug auf eine vollqualifizierende Ausbildung zwischen Altbewerbern und Altbewerberinnen sowie sonstigen Bewerbern und Bewerberinnen zum Teil deutlich Schaubild A3.3-1: Lag maximal ein Hauptschulabschluss vor, so hatten am Jahresende 2008 von den Altbewerbern und Altbewerberinnen lediglich 24 % die Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung geschafft, gegenüber 30 % bei den anderen Bewerbern und Bewerberinnen. Zwar konnten relativ viele Altbewerber/-innen mit niedrigem oder fehlendem Schulabschluss eine nicht betriebliche Ausbildung in einem BBiG/HwO-Beruf beginnen (17 %), jedoch wurde hierdurch kein vollständiger Ausgleich erreicht. Insgesamt war nur für 44 % der Altbewerber/-innen mit maximal Hauptschulabschluss ein Verbleib in einer vollqualifizierenden Ausbildung festzustellen, bei den sonstigen Bewerbern und Bewerberinnen betrug dieser Anteil 49 %.
Erheblich größer waren die Unterschiede bei einem mittleren Schulabschluss: Hier hatten Ende 2008 nur 36 % der Altbewerber/-innen den Einstieg in eine betriebliche Ausbildung erreicht, aber 50 % der übrigen Bewerber/-innen. Zwar war der Anteil der Altbewerber/-innen in nicht betrieblicher Ausbildung in einem BBiG/HwO-Beruf höher als bei den anderen Bewerbern und Bewerberinnen, aber dies schaffte bei Weitem keinen Ausgleich. Nur 51 % der Altbewerber/-innen mit mittlerem Schulabschluss war es am Jahresende 2008 gelungen, eine vollqualifizierende Ausbildung aufzunehmen, gegenüber 61 % bei den sonstigen Bewerbern und Bewerberinnen.
Ganz anders stellte sich die Situation bei Vorliegen der Fachhochschul- oder Hochschulreife dar: Hier waren Altbewerber/-innen mit 51 % sogar etwas häufiger in eine betriebliche Ausbildung eingemündet als sonstige Bewerber/-innen (49 %). Allerdings begannen Altbewerber/-innen seltener ein Studium (12 % vs. 16 %). Insgesamt befanden sich Ende 2008 mit 69 % fast ebenso viele Altbewerber/-innen mit höherem Schulabschluss in einer vollqualifizierenden Ausbildung wie sonstige Bewerber/-innen (71 %).
Die insgesamt gesehen ungünstigeren Chancen von Altbewerber/-innen, eine betriebliche bzw. vollqualifizierende Ausbildungsmöglichkeit zu finden, schlugen sich auch in ihrer Bewertung des aktuellen Verbleibs nieder Schaubild A3.3-2: So bezeichneten nur 28 % der Altbewerber/-innen diesen als wunschgemäß, aber 38 % der sonstigen Bewerber/ -innen. 24 % der Altbewerber/-innen schätzten ihren derzeitigen Verbleib dagegen als Notlösung oder sogar Sackgasse ein, dies traf bei den anderen Bewerbern und Bewerberinnen nur auf 12 % zu.
Übersicht A3.3-3: Verbleib der gemeldeten Bewerber und Bewerberinnen des Vermittlungsjahrs 2007/2008 zum Jahresende 2008
1 Die leichte Abweichung der Tabellensumme gegenüber den Einzelwerten ist auf fehlende Angaben zurückzuführen.
2 Einschließlich der Fälle, in denen die Ausbildungsform nicht klar erkennbar war.
3 BVJ: Berufsvorbereitungsjahr; BEJ: Berufseinstiegsjahr; BOJ: Berufsorientierungsjahr; BGJ: Berufsgrundbildungsjahr.
Quelle: BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008
Schaubild A3.3-1: Verbleib der gemeldeten Bewerber und Bewerberinnen des Vermittlungsjahrs 2007/2008 zum Jahresende 2008 nach Schulabschluss (in %)
Quelle: BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008
Schaubild A3.3-2: Bewertung des aktuellen Verbleibs durch die Altbewerber/-innen und die sonstigen Bewerber/ -innen des Vermittlungsjahrs 2007/2008 (in %)
Quelle: BA/BIBB-Bewerberbefragung 2008
Zusammenfassung
Altbewerber/-innen sind wesentlich häufiger bereits volljährig, und der Anteil der Frauen unter ihnen ist größer als bei sonstigen Bewerbern und Bewerberinnen. In den schulischen Voraussetzungen unterscheiden sie sich jedoch kaum: Altbewerber/-innen haben ebenso hohe Schulabschlüsse, und ihre Schulnoten in Deutsch und Mathematik sind nahezu ebenso gut wie die der übrigen Bewerber/-innen. Ihre Chancen, in eine betriebliche Berufsausbildung einzumünden, sind dennoch weitaus schlechter, sofern sie höchstens über einen mittleren Schulabschluss verfügen. Dementsprechend sind Altbewerber/-innen im Vergleich zu sonstigen Bewerbern und Bewerberinnen deutlich unzufriedener mit ihrer beruflichen Situation: Doppelt so oft empfinden sie diese als Notlösung oder Sackgasse. Der Frage, wodurch die geringeren Chancen der Altbewerber/-innen auf eine betriebliche Ausbildung zu erklären sind, ob diese z. B. mit ihrem höheren Alter, ihren spezifischen Berufswünschen, der jeweiligen Situation auf dem regionalen Ausbildungsmarkt oder einer weniger ausgeprägten Mobilitätsbereitschaft zusammenhängen, ist in weiter gehenden Analysen nachzugehen. Ebenfalls noch zu untersuchen bleibt, ob und inwieweit sich für die Altbewerber/-innen insgesamt oder für bestimmte Gruppen unter ihnen die Ausbildungsplatzchancen im Jahr 2008 verglichen mit 2006 verbessert haben. Eine solche Wirkung könnte u. a. auch von dem im Jahr 2008 eingeführten Ausbildungsbonus ausgegangen sein, durch den Betriebe, die zusätzliche Ausbildungsplätze für bislang bei der Lehrstellensuche erfolglose Jugendliche bereitstellen, finanziell unterstützt werden können (vgl. Troltsch/ Gericke/Huber 2009; Troltsch/Gericke/Saxer 2008).
(Ursula Beicht, Verena Eberhard)