B4.2 Neuere strukturelle Entwicklungen: Weiterbildungssysteme
In der Vereinbarung zur beruflichen Fortbildung vom 20. Dezember 1996 haben sich die Spitzenorganisation der Sozial- und Wirtschaftspartner auf folgende Positionen verständigt:
- In den nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) geregelten Aufstiegsfortbildungen erfolgt eine Systematisierung der Abschlüsse in drei inhaltlich aufeinanderfolgenden Ebenen (Qualifikationsebenen),
- die Qualifikationsebenen orientieren sich an den Anforderungen des Arbeitsmarktes,
- der Schwerpunkt der geregelten Aufstiegsfortbildungen ist auf der Ebene 2 angesiedelt.
Schaubild B4.2-1: Ebenenmodell in der beruflichen Fortbildung
Zu den einzelnen Ebenen Schaubild B4.2-1: Geregelte Weiterbildungsabschlüsse der 1. Ebene folgen in der Regel nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Diese Qualifizierung wird z. B. in der IT-Weiterbildung mit einem anerkannten Zertifikat nach den internationalen Normen der Personenzertifizierung abgeschlossen. Die Abschlussbezeichnungen orientieren sich an branchen- bzw. arbeitsmarktüblichen Berufs- und Funktionsbezeichnungen. Auf der 2. Ebene werden öffentlich-rechtliche Fortbildungsabschlüsse geregelt, die in erster Linie
- auf die Übernahme beruflicher Positionen zielen, die dem Nachwuchs aus der betrieblichen Praxis für die mittlere Führungsebene in den Unternehmen durch Berufspraktiker dienen, oder
- auf die Wahrnehmung von Funktionen vorbereiten, die gegenüber Qualifikationen der Ebene 1 einen deutlich erweiterten Verantwortungsbereich umfassen.
In der Regel sind auf dieser Ebene Fachwirte/Fachwirtinnen, Fachkaufmann/-frau und Meister/-innen267 angesiedelt.
Die 3. Ebene der Aufstiegsfortbildung stellt eine Alternative zu Hochschulabschlüssen268 und zur wissenschaftlichen Weiterbildung dar. Zulassungsvoraussetzung ist in der Regel der erfolgreiche Abschluss auf der 2. Ebene (Fachwirt/-in, Fachkaufmann/-frau; Meister/-in). Mit der Fortbildung können berufserfahrene Praktiker/-innen Führungskompetenzen erwerben, verbunden mit der Perspektive, Aufgaben wahrzunehmen und Funktionen auszuüben, die in erster Linie Hochschulabsolventen und -absolventinnen vorbehalten sind. Die Aufstiegsfortbildung der Ebene 3 richtet sich in erster Linie an Personen, die aus unterschiedlichen Gründen von der Möglichkeit eines akademischen Studiums nicht oder nicht mehr Gebrauch machen können oder wollen, bzw. Berufspraktiker/-innen, die eine Erweiterung ihrer Kompetenzen für die individuelle Karriereplanung anstreben.
Das 3-Ebenen-Modell kam bei der Entwicklung der Weiterbildungssysteme in den Bereichen
- IuK-Technologie (IT),
- Elektrotechnik / Elektronik (ET),
- Produktionstechnologie (PT) und
- Mikrosystemtechnologie (MST)
zur Anwendung. Gegenwärtig sind den einzelnen Ebenen die Fortbildungsregelungen in den genannten Berufen folgendermaßen zugeordnet: Ebene 1: 14 Spezialistenprofile IT, 4 Spezialistenprofile ET, 2 Spezialistenprofile PT und 2 Spezialistenprofile MST, Ebene 2: 4 operative Professionals IT, jeweils ein operativer Professional ET, PT und MST, Ebene 3: 2 strategische Professionals IT.
Beispiel: Das IT-Weiterbildungssystem
Das 3-Stufen-Weiterbildungsmodell für die IT-Berufe standardisiert die IT-Weiterbildung und regelt diese bundeseinheitlich. Mit dem Weiterbildungssystem, das inzwischen auf andere Branchen übertragen wurde, wird das Ziel einer durchgängigen Qualifizierung nach Abschluss der dualen Ausbildung über die Spezialisten und operativen Professionals bis zu den strategischen Professionals verfolgt. Für Fachkräfte und berufliche Quereinsteiger / -innen wird damit eine durchgängige und anschlussfähige Weiterbildung ermöglicht, die einerseits eine konsequente Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen im Arbeitsprozess vorsieht und zum anderen attraktive berufliche Beschäftigungs- und Karrierechancen eröffnet. Das Lernen in Projekten, integriert in betriebliche Arbeitsprozesse, steht im Fokus der Weiterbildungen.
In einer 1. Stufe haben Absolventen / Absolventinnen nach der Ausbildung in einem der IT-Berufe im dualen System und einer anschließenden Tätigkeit als Fachkraft die Möglichkeit, eine Qualifikation in einer der insgesamt 14 Spezialistenprofile zu erreichen. Die Qualifizierung auf der Spezialistenebene wird mit einem anerkannten Zertifikat nach den internationalen Normen der Personenzertifizierung abgeschlossen.
Auf der Ebene 2 erfolgt eine Qualifizierung zum operativen IT-Professional. Diese Qualifizierung schließt mit einer Prüfung vor der zuständigen Industrie- und Handelskammer ab. Operative Professionals
- besitzen fortgeschrittene Kompetenzen zur Lösung komplexer und nicht vorhersehbarer Probleme in einen spezialisierten Arbeitsbereich,
- sind qualifiziert für die Leitung komplexer Projekte und übernehmen Verantwortung in ihren Arbeitskontexten,
- übernehmen die Verantwortung für die berufliche Entwicklung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen (Personalverantwortung).
Auf der 3. Ebene ist die Qualifizierung zum strategischen IT-Professional angesiedelt. Die Weiterbildung wird ebenfalls mit einer IHK-Prüfung abgeschlossen. Die Weiterbildungsprofile sind so konzipiert, dass zumindest auf der Ebene der Professionals (operativ und strategisch) die Vergleichbarkeit mit Studienabschlüssen wie Bachelor oder Master gegeben ist. Dadurch soll erreicht werden, dass berufliche Kompetenzen und Weiterbildungsleistungen von Berufspraktikern auch von Fachhochschulen und Hochschulen anerkannt werden und diese z. B. nach einem Abschluss als operativer Professional ein berufsbegleitendes Masterstudium in der Informatik aufnehmen können.
Die strategischen Professionals
- besitzen (spezialisierte) Problemlösungsfertigkeiten im Bereich Innovation, um neue Verfahren zu entwickeln und um Wissen und Erfahrung aus verschiedenen Bereichen zu integrieren,
- leiten und gestalten komplexe, sich verändernde betriebliche Arbeitskontexte, die insbesondere neue strategische Ansätze erfordern,
- übernehmen Verantwortung für die Überprüfung der strategischen Leistungen von Teams.