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DATENREPORT ZUM BERUFSBILDUNGSBERICHT 2012

E1.1 Übergang zwischen Schule und Erwerbstätigkeit

Der Übergang zwischen Schule und Erwerbstätigkeit ist in allen Ländern der OECD, auf die sich die folgenden Ausführungen beziehen, mit Risiken versehen. Der demografische sowie der anhaltende strukturelle Wandel führen zu ständigen Veränderungen von Jugendarbeitsmärkten. Trotz dieser für alle entwickelten Volkswirtschaften geltenden Trends gibt es markante nationale Unterschiede hinsichtlich der Form und Güte von Erwerbseintrittsprozessen, die maßgeblich auf institutionelle Unterschiede zurückzuführen sind.

Die Entwicklung der relativen Jugendarbeitslosigkeit335 in den OECD-Ländern insgesamt zeigt in den vergangenen 20 Jahren lediglich einen geringen positiven Trend Schaubild E1.1-1. In den einzelnen Ländern ergeben sich z. T. signifikante Abweichungen von dieser allgemeinen Entwicklung, sowohl bezüglich des Niveaus als auch bezüglich der Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit Schaubild E1.1-2. Diese Unterschiede lassen sich zu einem nicht unbeträchtlichen Anteil daraus erklären, wie der Übergang zwischen Schule und Beruf strukturell eingebettet ist, d. h., welche Institutionen des Ausbildungssystems, aber auch des Arbeitsmarktes diesen beeinflussen. Diese Institutionen sind das Ergebnis spezifischer nationaler, historischer und wirtschaftlicher Entwicklungen und weisen eine relativ hohe Kontinuität aufgrund von Pfadabhängigkeiten auf. Deshalb würden aller Voraussicht nach selbst bei gleichen demografischen und ökonomischen Rahmenbedingungen die Jugendarbeitsmärkte in Abhängigkeit von der institutionellen Ausgestaltung des Übergangs in den Ländern höchst unterschiedlich ausfallen. Für das Bildungssystem sind die folgenden von der Forschung identifizierten Institutionen relevant: erstens die Form (bzw. der Anteil) der beruflichen Bildung, zweitens der Grad an Stratifizierung und drittens die Standardisierung der beruflichen und allgemeinen Schulabschlüsse. Wichtige Arbeitsmarktinstitutionen sind: der Grad an Beschäftigungsschutz sowie die Form von Lohnfindungsprozessen.

Schaubild E1.1-1: Durschnittliche Arbeitslosenquote der 15- bis 24-Jährigen und relative Jugendarbeitslosigkeit in OECD-Ländern von 1990 bis 2008
Schaubild E1.1-1 (barrierefrei)


Schaubild E1.1-1: Durschnittliche Arbeitslosenquote der 15- bis 24-Jährigen und relative Jugendarbeitslosigkeit in OECD-Ländern von 1990 bis 2008

Schaubild E1.1-2: Relative Jugendarbeitslosigkeit in OECD-Ländern 1990 bis 2008
Schaubild E1.1-2 (barrierefrei)


Schaubild E1.1-2: Relative Jugendarbeitslosigkeit in OECD-Ländern 1990 bis 2008

Die Form der beruflichen Bildung ist ein entscheidendes Merkmal von Übergangssystemen. In internationalen Vergleichen wird danach unterschieden, ob die berufliche Bildung in allgemeinbildenden Schulen, in speziellen Berufsschulen, in Unternehmen oder in einem dualen System stattfindet.336

Die deutschsprachigen Länder mit dualen Systemen der Berufsausbildung (Deutschland, Österreich, Schweiz) sind gekennzeichnet durch eine starke Einbeziehung der Sozialpartner bei der Definition von Ausbildungsinhalten, Ausbildungsvergütungen und Zertifikaten. Berufsbildung ist hochgradig standardisiert, Qualifikationen sind prinzipiell transferierbar, die Übereinstimmung („Matching“) zwischen Qualifikationsanforderungen von Arbeitsplätzen und Qualifikationen von Arbeitssuchenden ist relativ hoch. Man spricht hier von „beruflichen Arbeitsmärkten“ („occupationalised labour markets“). Da die duale Ausbildung zu einem beträchtlichen Teil in Unternehmen stattfindet, die auch als Ausbildungsplatzanbieter fungieren, ist außerdem die Wahrscheinlichkeit einer Übernahme als Arbeitnehmer/-in in das ausbildende Unternehmen vergleichsweise hoch. Diese Eigenschaften von dualen Systemen führen dazu, dass der Übergang von der Schule in die Erwerbstätigkeit relativ reibungslos funktioniert.

Gleichzeitig sind jedoch auch bei der dualen Berufsausbildung eine Reihe von Problemen zu konstatieren, z. B.: geringe berufliche Mobilität, geringe Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung, zeitintensive Veränderungsprozesse aufgrund des Konsensprinzips.

In Ländern ohne formalisierte berufliche Ausbildung – wie z. B. Frankreich, den USA, Italien und Spanien – herrschen sog. „interne Arbeitsmärkte“ („internal labour markets“) vor. Hier werden in der Schule vorrangig allgemeine Qualifikationen vermittelt, während das Erlernen von berufsspezifischen Qualifikationen weitgehend nach der Einstellung am Arbeitsplatz stattfindet („on-the-job training“). Unternehmen besetzen Arbeitsplätze hier anhand des Niveaus der schulischen Abschlüsse. Es liegt auf der Hand, dass das Risiko eines Qualifikations- Mismatches höher ist als in den Ländern mit dualem Ausbildungssystem, denn der allgemeinbildende Schulabschluss gibt den Arbeitgebern nur unzureichende Informationen über berufliche Fähigkeiten und Qualifikationen von Berufseinsteigern/-innen. Demzufolge dauern die Suchprozesse auf Jugendarbeitsmärkten in diesen Ländern länger, und die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch. Außerdem sind diese Länder in der Regel durch einen hohen Anteil von befristeten Beschäftigungsverhältnissen für Berufseinsteiger/- innen gekennzeichnet, da Unternehmen auf diese Weise versuchen, sich gegen hohe Transaktionskosten abzusichern.

In vielen Ländern werden berufliche Qualifikationen in mehr oder weniger spezialisierten Berufsschulen vermittelt bzw. berufliche Inhalte in die Curricula allgemeiner Schulen integriert, so z. B. in den Niederlanden und in Schweden. Da hier der Praxisbezug zu Arbeitsplätzen jedoch fehlt und in den meisten Fällen die Sozialpartner nicht in die Entwicklung von Curricula einbezogen sind, geben die entsprechenden beruflichen Abschlüsse den Unternehmen nur wenig aussagekräftige Hinweise über die beruflichen Qualifikationen der Bewerber/-innen, sodass das Risiko eines Mismatches nicht unerheblich bleibt. Außerdem ist die Bindung an Unternehmen und damit die Chance einer Übernahme durch den Ausbildungsbetrieb geringer als in Ländern mit dualem System.

In internationalen Vergleichen (v. a. der OECD) wird anstelle der Form der Berufsausbildung häufig der Anteil von Jugendlichen gemessen, die sich in hauptsächlich beruflichen Bildungsgängen befinden. Dem liegt einerseits die Überzeugung zugrunde, dass entwickelte Volkswirtschaften spezialisierte Arbeitskräfte benötigen und andererseits berufliche Qualifikationen per se einen günstigeren Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Lässt man jedoch die Form der beruflichen Bildung außer Acht, ist der Zusammenhang mit der Jugendarbeitslosigkeit eher gering.

Außer der Form und dem Anteil beruflicher Bildung bestimmen die Standardisierung und Stratifizierung des Bildungssystems Übergangsprozesse von Jugendlichen in Erwerbstätigkeit. Unter einer hohen Standardisierung versteht man eine hohe Vergleichbarkeit von Schul- bzw. Berufsabschlüssen, die Unternehmen klare Informationen über schulische und/oder berufliche Qualifikationen ermöglicht. Die Stratifizierung eines Bildungssystems bezieht sich auf den Grad der Segmentierung des Bildungssystems. Die Existenz verschiedener paralleler Schultypen führt zu geringerer Durchlässigkeit im Bildungssystem und vermindert Mobilität.

Bibliografischer Hinweis

Internetversion des BIBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2012 - Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (2012).

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